Der Cartesische Zirkel


Seminararbeit, 1999

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Descartes’ Wahrheitskriterium

2 Von der Idee Gottes zu Gott
2.1 Die Natur der Ideen
2.1.1 Objektive und formale Realität
2.3 Descartes’ Argumentation

3 Der Cartesische Zirkel
3.1 Die vindication-not-needed strategy und die memory defense
3.2 Die criterion-not-needed strategy und die general rule defense

4 Descartes’ validation of reason und abschließende Bermerkungen

Literatur

Einleitung

Meine Hausarbeit beschäftigt sich mit der Dritten Meditation aus Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, in der René Descartes versucht, die Existenz eines nicht-täuschenden Gottes zu beweisen. Dieser ist notwendig, um die Wahrheit von klaren und deutlichen Wahrnehmungen zu garantieren, denn ein betrügerischer Gott könnte mich in allem täuschen, was sich mir selbst am offensichtlichsten darstellt.

Im ersten Abschnitt meines Textes werde ich das sogenannte Wahrheitskriterium[1] erläutern, aus dem Descartes folgert, dass unsere Ideen von den Dingen fraglos existieren müssen, auch wenn die Anwesenheit unserer Umwelt noch unsicher ist.

Daher ist es im zweiten Abschnitt notwendig, die Natur der Ideen und ihrer Ursachen zu untersuchen, um schließlich ein Ergebnis über die Idee Gottes, die wir in uns haben, und ihren Ursprung zu erhalten. Nach Ansicht des Verfassers gibt es Grade an Realität, d.h. manchen Ideen/Dingen kommt eine höhere Wirklichkeit zu als anderen. Er nennt die Wirklichkeit von Ideen objektive Realität, die von Objekten formale Realität. Da sich Ursache und Wirkung in ihrer Wirklichkeit entsprechen müssen, kann nur der Schöpfer die einzige Ursache unserer Idee von ihm sein, da Gott als Ursprung die höchste formale Realität und die Idee von ihm die höchste objektive Realität enthält. Dieser Allmächtige kann kein Betrüger sein, andernfalls würde ihm ein Mangel zukommen. Ausgehend von diesem Ergebnis kann schließlich das Wahrheitskriterium bestätigt werden.

Gegen Descartes’ Argumentation ist der Vorwurf gemacht worden, sie sei zirkulär, da man nicht gleichzeitig das Wahrheitskriterium und die Existenz Gottes wissen könne. Das eine setze das andere voraus. Im dritten Abschnitt werde ich deshalb die wichtigsten Interpretationsversuche aus der Sekundärliteratur (ausgehend von George Dicker) darstellen, die sich bemühen, Descartes’ Beweisführung als nicht-zirkulär auszuweisen.

Zuerst werde ich die vindication-not-needed strategy erläutern, die davon ausgeht, dass der Gottesbeweis nicht gebraucht werde, um momentane klare und deutliche Wahrnehmungen, sondern um die Zuverlässigkeit der Erinnerung an vergangene Überlegungen zu gewährleisten. Nach näherer Untersuchung erweist sich diese Vorgehensweise im Widerstand gegen die Zirkularität allerdings als nicht fruchtbar. Auch die vindication-not-needed strategy, die behauptet, das Wahrheitskriterium sei nicht nötig, um Gottes Existenz zu beweisen, zeigt nach genauerer Analyse deutliche Schwierigkeiten.

Für lebensfähig halte ich dagegen die Theorie von Gewirth und Frankfurt, die ich im vierten Abschnitt kurz erläutern werde. Jene versucht, die Zirkularität zu umgehen, indem sie darlegt, dass der Autor bereits an die Zuverlässigkeit von klaren und deutlichen Wahrnehmungen geglaubt haben muss, bevor er seinen radikalen Zweifel entstehen ließ.

1 Descartes’ Wahrheitskriterium

„Ich bin gewiss, dass ich ein denkendes Ding bin...“ (Descartes, 1994, S.27).

So formuliert René Descartes seine Erkenntnis, die er im Laufe der Ersten und Zweiten Meditation gewonnen hat. Und tatsächlich ist diese Aussage die einzige, derer man sich sicher sein kann. Alles andere verbleibt zweifelhaft, denn ein betrügerischer Gott könnte mich in allem täuschen, was ich außer mir in der Welt wahrnehme. So bin ich in der Gewissheit des Selbstbewusstseins gefangen, wenn nicht der durch den Zweifel zerstörte Bezug zur Umwelt wiederhergestellt wird. Dies ist nur möglich, wenn ich die Existenz eines perfekten Gottes beweise, der kein Betrüger ist.

Descartes folgert aus der sicheren Erkenntnis seiner selbst, die er klar und deutlich wahrnimmt, nun das allgemeine Charakteristikum, das jene Aussage so unzweifelhaft macht:

Was immer ich klar und deutlich wahrnehme, ist wahr.

Zum besseren Verständnis kann das sogenannte Wahrheitskriterium noch einmal nach George Dicker in der logischen Struktur seiner Argumente dargestellt werden:

(1) Wenn meine klaren und deutlichen Wahrnehmungen falsch sein könnten, würde das Cogito-Argument[2] nicht sicher sein.
(2) Das Cogito-Argument ist sicher.

(K) Meine klaren und deutlichen Wahrnehmungen können nicht falsch sein; deshalb ist alles, was ich klar und deutlich wahrnehme, wahr.

Klare und deutliche Wahrnehmung meint hier ein intellektuelles oder verstandesmäßiges Erkennen einer Sache oder eines Zusammenhangs, ein Verstehen aufgrund der „natürlichen Einsicht“ (Descartes, 1994, S.31), wie etwa die von Descartes beschriebene optische Wahrnehmung eines Objekts unter guten Bedingungen[3]. Eine mathematische Behauptung, wie 2+3=5, ist nach Meinung des Autors beispielsweise so offensichtlich, dass sie nicht angezweifelt werden kann. 2+3 ist nicht zufällig, sondern notwendig gleich 5.

Ich nehme also klar und deutlich wahr, dass ich Ideen von verschiedenen körperlichen Dingen in mir habe. Diese Ideen existieren offensichtlich. Woher jene stammen und ob sie den Dingen der Außenwelt gleichen, bleibt weiterhin zweifelhaft. Ich kann allerdings aufgrund des Wahrheitskriteriums behaupten, dass ich außer meiner selbst noch solche Tatsachen als richtig anerkenne, die ich klar und deutlich wahrnehme. Denke ich jedoch an einen perfekten Gott, muss ich eingestehen, dass er die Macht besitzt, mich in allem, was ich selbst klar und deutlich wahrnehme, täuschen zu können. Descartes erhebt an dieser Stelle folgenden Einwand:

„So oft ich mich aber den Gegenständen selbst zuwende, lasse ich mich so vollkommen von ihnen überzeugen, dass ich unwillkürlich in die Worte ausbreche: Täusche mich, wer es kann! Niemals wird er jedoch bewirken, dass ich nichts bin, solange ich das Bewußtsein habe, etwas zu sein, [...] oder etwa, dass 2+3 mehr oder weniger seien als 5 und dergleichen, worin ich nämlich einen offenen Widerspruch erkenne“ (Descartes, 1994, S.28f.).

Der Autor spricht hiermit die Sicherheit bestimmter Dinge an. Demnach kann man nichts anzweifeln, mit dem man sich momentan beschäftigt (z.B. Cogito, Erkenntnisse der Mathematik, usw.).

Auch wenn die Ursache des Zweifels an den Dingen aufgrund der Möglichkeit eines täuschenden Gottes nur sehr schwach, nach Ansicht des Verfassers metaphysisch[4] ist, so ist es dennoch notwendig, dem Sachverhalt ein klares Fundament zu geben, indem man die Existenz eines nicht-betrügerischen Gottes beweist, „denn solange ich das nicht weiß, scheint es nicht, dass ich über irgend etwas anderes jemals völlig gewiß sein kann“ (Descartes, 1994, S.29).

[...]


[1] Was immer ich klar und deutlich wahrnehme, ist wahr.

[2] Cogito, ergo sum - Ich denke, also bin ich als sichere Erkenntnis meiner Existenz

[3] Obwohl nach Descartes die sinnliche Wahrnehmung eine Quelle des Irrtums ist, ermöglicht das Sehen eines Gegenstandes, den man abgesondert von der Umwelt in allen seinen Teilen betrachtet, ein zufriedenstellendes Ergebnis.

[4] meint hier: Da das Subjekt zur Zeit im Zentrum der Überlegungen steht, ist der Grund zu zweifeln nur sehr schwach. Unzweifelhaft ist momentan nur das, was unmittelbar einsichtig ist.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Cartesische Zirkel
Hochschule
Universität Münster  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie
Note
1,7
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V10763
ISBN (eBook)
9783638171069
ISBN (Buch)
9783656206088
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Cartesische, Zirkel, Proseminar, Descartes, Meditationen, Grundlagen, Philosophie
Arbeit zitieren
Nina Strehle (Autor:in), 1999, Der Cartesische Zirkel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10763

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