Lee Strasberg: The Method


Ausarbeitung, 1996

6 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Institut für Theaterwissenschaft

WS 1996/97

PS 28823

Schmalor: „Die Schüler Stanislawskis - Schauspielpädagogik: Methoden in Ost und West"

Lee Strasberg: „The Method"

Clemens Grün

“Is it not monstrous, that this player here,

Bat In a fiction, la a dream of passion,

Could force his soul so to his own conceit,

That, from her working, all his visage wann ’d,

Tears la his eyes, distractian in ’s aspect,

A broken voice, and his whole function suiting

With forms to his conceit? and all for nothing!

For Hecubal"

(aus Shakespeares “Hamlet”/II,2)

To „force his soul (...) to his own conceit", seine Seele nach eigenen Vorstellungen zu zwingen, hält Lee Strasberg für „das grundsätzliche Ziel des Schauspielers". All seine Techniken dienten ihm dazu, dieses Ziel zu erreichen.

Als sein Lebenswerk sieht Strasberg die Entwicklung der „Methode", einem Verfahren zur Schauspielerausbildung auf der Grundlage der Arbeiten Stanislawskis und nach George Tabori ein größtenteils erfolgreicher Versuch, „die alte Dialektik zwischen äußeren und inneren Techniken zu synthetisieren, indem er die Kluft zwischen Sein und Spielen, zwischen Schauspieler und seiner Rolle überbrückte." Der Titel von Strasbergs Buch „A dream of passion" über die Entwicklung der „Methode" geht auf das obenstehende Shakespeare-Zitat zurück. Strasberg selbst sieht „die Methode" als „dritten Ansatz" von Schauspielerei neben den klassischen Ansätzen „Inspiration" und „äußerliche Nachahmung".

Der Diskurs über die richtige Herangehensweise an die Schauspielarbeit ist so alt wie das Schauspielen selbst. Denis Diderot hat formuliert: „Wenn Sensibilität (Emotion) die oberste Voraussetzung für den Schauspieler ist, wie kommt es dann, dass Individuen, die mit dieser Fähigkeit in hohem Maße begabt sind, häufig völlig unbegabt zum Schauspielen sind? Wie kommt es, dass aus weniger sensiblen Menschen häufig gute Schauspieler werden?" In dem posthum nach seinem Tod veröffentlichen Essay „Das Paradox über den Schauspieler" (1770-1773) vertritt Diderot zu dieser Frage den klaren Standpunkt, „dass der Schauspieler, um das Publikum zu bewegen, selbst unbewegt bleiben" müsse. Sein bestes könne der Schauspieler erst geben, wenn „die Wut der Leidenschaft gezügelt, der Kopf kühl und das Herz gebändigt" sei. Das Spiel der „Schauspieler, die mit der Seele spielen", sei „abwechselnd stark und schwach, heiß und kalt, platt und erhaben. Sie werden morgen an der Stelle versagen, wo sie heute geglänzt haben."

Strasberg bestätigt Diderots Eindruck: „Manche Schauspieler vermögen das höchste Stadium an (...) Inspiration zu erreichen. Aber es gibt Zeiten, da verlässt sie diese Inspiration." Er widerspricht jedoch dessen Schlussfolgerung, sieht an diesem Punkt erst den Ansatz seiner Arbeit. Aus der „Unzuverlässigkeit der spontanen Emotion" erwachse „das eigentliche Problem des Schauspielhandwerks". Dieses bestünde darin, wie der Schauspieler „in jeder Vorstellung die gleichen Gefühlserlebnisse und Handlungen glaubwürdig hervorbringen und außerdem noch die 'Illusion des ersten Mals'" erzeugen könne.

Bin Schlüsselerlebnis in dieser Hinsicht war für den jungen Strasberg der „historische Augenblick" des Erscheinens Eleonora Duses am Broadway Anfang der 20er Jahre. Ursprünglich habe er „große Temperamentsausbrüche, heftige Gefühlsaufwallungen als Bestandteil großer Schauspielkunst kennengelernt". Stattdessen habe er nun etwas ganz anderes erlebt:

„...eine Ausstrahlung, den Eindruck, dass sich vor meinen Augen etwas vollzog, dass in seiner Darbietung Fliessend und in meiner Wahrnehmung zugleich erstarrt war. Es war wie eine aus weiter Ferne heranwehende Geschmacksempfindung. (...) Ihr Lächeln schien aus den Zehenspitzen zu kommen. Es schien den ganzen Körper zu durchlaufen, bevor es im Gesicht und beim Mund ankam, und dann war es, als würde die Sonne hinter den Wolken hervorbrechen. (...) Bei ihr erlebte ich in jedem Augenblick ein waches Gespür für das Leben der Gestalt, die sie verkörperte. In ihren Gesten war Eleonora Düse nicht nur wirklich, in ihnen offenbarte sich auch das Thema eines Stückes und jeder einzelnen Szene."

Lee Strasberg - biographischer Abriss

geboren 1901 in Budzanow (heute Polen); seit 1909 in N.Y./Einwandererviertel Lower East Side; „Goldenes Zeltalter der Schauspielkunst" in den USA; Strasberg zunächst mehr Historie als Theater zugewandt, erste Schauspielerfahrungen eher kurios als hoffnungsvoll; aber regelmäßige Theaterbesuche und Beschäftigung mit Theoretikern; 1923/24 Gastspiel des „Moskauer Künstlertheaters" in N.Y./erste Berührung mit den Arbeiten Stanislawskis; 1924 Entschluss, Schauspiel zu studieren, zunächst an ordinärer Schauspielschule, später am „American Laboratory Theatre" der Stanislawski-Schüler Boleslawski und Uspenskaja; 1931 Gründung des „Group Theatre", das Stücke am Broadway produzierte und einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der „Methode" leistete (bis 1936); seit 1951 künstlerischer Leiter des „Actors Studio", das einige der bekanntesten Hollywood-Schauspieler der damaligen Zeit (Monroe, Dean, Brando, Newman u.a.) ausbildete; 1974 Filmrolle in „Der Pate II"; gestorben 1982 in N.Y

Die Schriften Edward Gordon Craigs bezeichnet Strasberg als „größten intellektuellen Anreiz", sein Leben dem Theater zu widmen. Dessen Forderung nach dem Schauspieler als „Übermarionette", nach „innerer Präzision und Bestimmtheit", „Verantwortlichkeit, solidem Können und hervorragender Leistung" habe ihn nachhaltig geprägt. Von Stanislawski übernahm Strasberg die Ansicht, dass Schauspielen nichts anderes sei, als „auf der Buhne zu leben". Bei den Stanislawski-Schülern Boleslawski und Uspenskaja lernte Strasberg, dass es neben der „äußerlichen Vorbereitung" des Schauspielers auf seine Rolle auch eine „geistige Vorbereitung“, ein „schöpferisches Selbstgefühl" (Stanislawski) geben müsse. Das Erreichen eines „unbewussten Ergebnisses durch bewusste Vorbereitung", das, was Francois-Joseph Talma auf die griffige Formel vom „warmen Herz und kühlen Verstand" brachte, wurde zum zentralen Problem der „Methode". Hauptbestandteil dieses Verfahrens zur Schauspielerausbildung ist „die Arbeit des Schauspielers an sich selbst", die neben der Ausbildung technischer Fertigkeiten (Körper und Stimme) als wesentliche Elemente beinhaltet:

1. Entspannungstraining:

„In der Entspannung liegt das ganze Geheimnis, die ganze Seele des Schöpferischen au f der Bühne" (Stanislawski)

Ziele des Trainings sind Bewegungsfreiheit, Körperbeherrschung, Leichtigkeit und Geschmeidigkeit in den Bewegungen, Auflösen konventioneller Ausdrucksformen und psychischer Spannungsfelder, Ausschaltung des durch gesellschaftliche Konditionierung unterstützten „lähmenden Griffs der Gewohnheit". Der Schauspieler soll sich auf der Bühne nicht ausschließlich nach konventionellen Mustern bewegen, sondern muss imstande sein, flexibel auf die jeweiligen Anforderungen zu reagieren, Ausdrucksformen finden, die dem Stück angemessener sind als diejenigen, die er aus dem Leben kennt. Strasberg hat hierzu diverse Entspannungstechniken entwickelt.

2. Konzentrationsübungen:

"Das Talent des Schauspielers kommt nur in dem Maße zum Zuge, wie seine Konzentrationsfähigkeit trainiert ist.“(Strasberg)

"Dle Fähigkeit, auf imaginäre Stimuli zu reagieren, macht das eigentliche Talent des Schauspielers aus." (Stanislawski)

Stanislawski hat auf die „Dualität im Erleben des Schauspielers" hingewiesen: Er stecke in dem Dilemma, „wahre Emotion auf einer Bühne voller Imitationen" (Kulissen, Requisiten, Schminke etc.) erschaffen zu müssen. Das „schöpferische Wenn" Stanislawskis ist „ein Mechanismus, der dem Schauspieler helfen soll, die verschiedenen Dinge auf der Bühne als wahr zu akzeptieren", indem er sich die „gegebenen Umstände" bewusst macht. Zuweilen fällt es dem Schauspieler freilich schwer, sich in bestimmte Realitäten hineinzuversetzen. Strasberg hat den Begriff des „schöpferischen Wenn" daher erweitert und seinen Schülern die Fähigkeit zur Schaffung von „Ersatzsituationen" bzw. „Ersatzrealitäten n" antrainiert. Hierbei versetzt sich der Schauspieler in eine Situation, die mit der Szenerie nichts zu tun haben muss, auf der Bühne aber die jeweils erforderliche Wirkung erzielt.

3. Inspiration durch emotionales Gedächtnis und Wahrnehmungsgedächtnis:

„Alles, was sich der Schauspieler im Laufe seiner Ausbildung angeeignet hat, ist für den Prozess des Schauspielens selbst von direktem Nutzen." (Strasberg)

Ziel ist die Schaffung eines Repertoires von Ausdrucksmöglichkeiten, die, einmal geprobt, jederzeit abrufbar sind und die Flexibilität des Schauspielers erhöhen. Seine Sensibilität und sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit soll so trainiert werden, dass er befähigt wird, mit imaginären Objekten und Situationen auf der Bühne so intensiv und lebendig umzugehen wie mit realen Objekten und Situationen im Leben. Der Schauspieler soll sich z.B. an bestimmte eindringliche Erlebnisse aus der Vergangenheit zurückerinnern und die damaligen Empfindungen wachrufen, „Perlen des Gedächtnisses" aufspüren, oder er soll sich bestimmte sinnliche Reaktionen (auf heißen Kaffee, Zitronensaft, eine Chilischote o. Ä.) ins Bewusstsein rufen, indem er mit realen Objekten auf der Bühne hantiert. Ein wichtiges Element der Arbeit ist außerdem die Improvisation, z.B. in Tierübungen, oder wenn etwa Strasberg seinen Schauspielern in der ersten Phase der Arbeit an einem Stück verbietet, den Text auswendig zu lernen und sie stattdessen dazu auffordert, sich nach einer knappen Skizze der Spielhandlung unter bestimmten Vorgaben auf der Bühne zu bewegen, Dialoge und Aktionen zu Improvisieren, ein Verfahren, das in ähnlicher Form (mit stereotypen Rollen) bereits von der „Commedia dell' Arte" praktiziert wurde. Der Text soll später nicht „auswendig gelernt" klingen, sondern ein „schöpferisches, lebensechtes Niveau" erreicht werden.

„Glaubwürdigkeit, Überzeugungskraft und Fantasie" nennt Strasberg als die wesentlichen Anforderungen an einen Schauspieler. Entspannung, Konzentration, das Aktivieren von emotionalem Gedächtnis und Wahrnehmungsgedächtnis hält er für Wege zu dem „schöpferischen Selbstgefühl", das Voraussetzung sei für das Erfüllen dieser Anforderungen. Eine wirkliche Bühnengestalt lebe „in ständiger Geistesgegenwart, der Prozess des Denkens, der sinnlichen und emotionalen Reaktionen" reiße niemals ab. Dieser „Gedanken- und Wahrnehmungsfluss" sei die Voraussetzung für Spontaneität auf der Bühne. Unter einem „großen Auftritt" verstehe Strasberg einen, „der nicht einfach der Gestalt und dem Umriss von Rolle und Handlung folgt, sondern einen, bei dem sich der Schauspieler auf die Gefühlsregungen in ihrer Wirklichkeit ganz einzulassen scheint. Es sieht nicht nur so aus, er bringt sie in diesem besonderen Augenblick hervor, und wir, das Publikum, haben Anteil daran."

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Lee Strasberg: The Method
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Die Schüler Stanislawskis - Schauspielpädagogik: Methoden in Ost und West
Note
1,5
Autor
Jahr
1996
Seiten
6
Katalognummer
V107581
ISBN (eBook)
9783640058372
ISBN (Buch)
9783656761419
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Lee Strasbergs Method, knapp und übersichtlich
Schlagworte
Strasberg, Method, Schüler, Stanislawskis, Schauspielpädagogik, Methoden, West
Arbeit zitieren
Clemens Grün (Autor:in), 1996, Lee Strasberg: The Method, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107581

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