Heinrich Barth - die große Reise


Seminar Paper, 1998

36 Pages, Grade: 1, 0


Excerpt


Inhalt

0. Vorwort

1. Barths Lebensweg vor der großen Reise
1.2. Kindheit und Jugend
1.3. Studienjahre

2. Die große Reise
2.1. Von Tripolis nach Kuka
2.2. Forschungen am Tschad-See
2.3. Der Weg nach Westen

3. Barths Lebensweg nach der großen Reise
3.1. Triumphzug der Rückkehr
3.2. Die letzten Jahre

4. Barths Leistungen als Forscher und Gesandter
4.1. Exkurs: Probleme der Afrikaforschung im 19. Jahrhundert
4.2. Charakter
4.3. Macht
4.4. Diplomatie
4.5. Ethnographische Methode
4.6. Selbstverständnis

5. Literatur

0. Vorwort

Mitte des 19. Jahrhunderts gilt Afrika als der „dunkle Kontinent“. Es gilt, die „geheimnisvolle Mitte“ zu entdecken und den „armen Heidenkindern“ den Segen des Christentums zu vermitteln (und mit ihm die allgemeingültige Lebensweise der Weißen). Der Status des Primitiven und Unterentwickelten wird für die Schwarzen vorausgesetzt. Heinrich Barth tritt zu dieser Zeit als unvoreingenommener Forscher ohne missionarisches Sendungsbewusstsein auf. Er verschreibt sich dem wertfreien Beobachten, ist ein moderner Autor, der uns auffordert, die altmodische, eurozentrische Erforschungsgeschichte zu revidieren, die etwa das Bild „Stanley trifft Livingstone“ als bedeutendes Dokument afrikanischer Geschichte ausweist.[1]

Zwei Generationen vor Malinowski ist Heinrich Barth kein methodisch forschender Sozialwissenschaftler, sondern in erster Linie ein Ethnograph und Entdecker, ein Pionier, der ins Unbekannte vorstößt. Der unmittelbare Nutzen für die damalige Forschung ist begrenzt. Die Einblicke, die Barth in die Lebensverhältnisse der von ihm beschriebenen Gesellschaften gewährt, sind erst in der gezielten Rezeption von wissenschaftlichem Interesse - und erweisen sich als unerschöpfliches Material für nachfolgende Forschergenerationen unterschiedlichster Prägung.

Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Einen großen Raum in Barths Aufzeichnungen nimmt das Selbststudium ein, das Selbstgefühl und die alltäglichen Verrichtungen wie medizinische Versorgung und Ernährung. Wir erfahren von Barths Reiseproviant aus Datteln, Zwieback und Wildfrüchten[2], von seinem Festtagsmahl aus Straußeneiern[3] und Milchkaffee[4], von Trüffeln[5], getrocknetem Fisch[6], Ziegenmilch[7], Hühnern und Weintrauben[8], Reis und Honigbrot[9], Erdmandeln und Negerhirse[10], Summita, einem Teig aus getrocknetem Gerstenmehl, Barths „ bitteren Erfahrungen “ mit Elefantenfleisch und dem Giraffenfleisch als „ höchsten der afrikanischen Genüsse[11]. Wir erfahren auch von einem Rezept gegen die Dysenterie, aus gestampftem Reis, Dickmilch und Samenkörnern der Mimose[12] und von Barths Allheilmittel Tamarindenwasser[13], um nur diejenigen von Schiffers übernommenen Daten zu nennen. Weinand hat Barths Arbeit als Dokument historischer Medizin und Ernährung ausgewertet. Sulzbach durchforstete die Textmassen[14] nach den von Barth erwähnten Tier- und Pflanzennamen.[15]

Barth ist eine vielseitig gebildete und belesene Persönlichkeit, die auf den verschiedensten Wissensgebieten hervorragende Leistungen vollbringt, darunter Politik- und Sozialwissenschaften, Ethnohistorie, Sprachwissenschaft, Geologie, Biologie und Archäologie. Letzteres ist besonders bemerkenswert, da Barth weder ausgebildeter Naturforscher ist, noch die Expedition über adäquate Messgeräte hat verfügen können. Seine Stärken liegen vielmehr in seiner hartnäckigen Fragetechnik und der geradezu pedantischen Akribie, mit der er seine Aufzeichnungen führt.

In Afrika wird er legendär als der berühmte Abd el Kerim (er reiste unter arabischem Namen), der weitgereiste Islamkundige. Seine Kenntnisse religiöser Phrasen wie bism´illah (im Namen Gottes) und Bräuche (z.B. dem Almosenspenden) helfen ihm im alltäglichen Umgang, sein Wissen über den Koran nützt ihm im religiösen Disput.[16]

Obwohl man ihm eine gleichmäßige, lebensvolle Ausführung seiner Aufzeichnungen, trotz oftmals geschwächter Gesundheit und vielerlei erschwerender Umstände, nicht absprechen kann, ist das Lesen ein zuweilen zähes Vergnügen. Dies mag der Komplexität des Gegenstands geschuldet sein und der bereits angesprochenen schlichten Tatsache, dass eine methodisch forschende Sozialwissenschaft zu Barths Zeit noch nicht existiert. Barth ist ein Universalist wie Alexander von Humboldt, Barths Zeitgenosse, Vorbild, Mentor und Kritiker, ohne dessen analytische Schärfe zu erreichen. Auch Humboldts Forschungsergebnisse hätten sich allerdings, wie Barth selbst anmerkt, erst in jahrelanger Bearbeitung, „ zu jenem kosmischen Bilde erhoben, in dem alle Naturerscheinungen sogleich in ihrem allgemeinen Bilde hervortraten.“[17]

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile: Im ersten werden der Lebensweg Barths in seiner Chronologie und insbesondere die Begebenheiten seiner Afrikareise zwischen 1849 und 1855 nachgezeichnet. Im zweiten Teil werden einzelne Aspekte seiner wissenschaftlichen Leistung besprochen, vor allem im Hinblick auf die Umstände, denen Afrikaforscher im 19. Jahrhundert ausgesetzt sind. Insgesamt geht es weniger um die Beurteilung seiner Bedeutung für die Wissenschaft, als vielmehr um eine Annährung an die Persönlichkeit Heinrich Barths. Der ausdrückliche Anspruch, sich dem Leben und Wirken des erfolgreichen Forschers, Entdeckers und Diplomaten in einer Person umfassend zu nähern, rechtfertigt den besonderen Umfang dieser Arbeit.

1. Barths Lebensweg vor der großen Reise

1.1. Kindheit und Jugend

Heinrich Barth wird am 16. Februar 1821, als drittes Kind von Anna Carolina Charlotte Elisabeth Zadon und des Schlachtermeisters Johann Christoph Heinrich Barth, in Hamburg geboren. Barths Vater stammt aus einfachen Verhältnissen und hat es mit harter Arbeit zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Nach den Worten von Barths Schwager und späteren Biographen Gustav von Schubert[18] war er ein Selfmademan[19], der in dieser Hinsicht bedeutenden Einfluss auf den jungen Barth gehabt haben dürfte. Nach dem Besuch mehrerer Privatschulen tritt er 1833 in die Hamburger Gelehrtenschule des Johanneums ein. Neben Latein lernt er privat Englisch, das er mit 14 Jahren beherrscht, und ebenso Arabisch.

Die Eltern vermitteln Barth Gewissenhaftigkeit, Ordnungsliebe und Häuslichkeit und fördern sein Interesse für die Wissenschaft. Der Schüler Barth wird als Sonderling beschrieben. Hervorragend veranlagt, aber zum Einzelgängertum neigend, entwickelt er schon früh einen starken Willen und ein hohes Selbstgefühl bis zur Rücksichtslosigkeit. Rege Lernbegierde, rastloser Fleiß und eine scharfe Beobachtungsgabe paaren sich mit einem hervorragenden Sprach- und Zeichentalent und einem erstaunlichen Gedächtnis. Sein nur dem Pflichtgefühl folgender Charakter sei jedoch weder dem Humor noch fröhlichem Lebensgenuss zugänglich gewesen, im alltäglichen Umgang habe er schroff und eckig gewirkt.[20]

Unter Mitschülern gilt er als Pedant, der an Äußerlichkeiten hafte und dem die einen Schriftsteller betreffenden bibliographischen Notizen wichtiger seien, als der Schriftsteller selbst. Wie sein Vater den ganzen Tag bis in die sinkende Nacht hinein im Laden stünde und Fleisch hacke, so ein Kommilitone, so meine auch er bis in die sinkende Nacht hinein bei den Büchern sitzen zu müssen. Übrigens sei ihre Tätigkeit ziemlich gleich. Der eine wie der andere hacke.[21]

Schubert beschreibt Barth 1848 als schweigsam und zurückhaltend. Seiner ganzen Erscheinung sei der Stempel des Gebieterischen und Asketischen aufgedrückt. Barths rauer Charme offenbart sich, wenn er seinem Schwager, auf dessen Heirat bezugnehmend, im selben Jahr mitteilt: „ Wenn sie meine Schwester unglücklich machen, schieße ich Sie tot.“[22]

1.2. Studienjahre

Ohne das Abitur abgelegt zu haben[23], verlässt Barth 1839 das Johanneum und schreibt sich an der Universität Berlin ein. Er hört u.a. Vorlesungen August Böckhs in klassischer Philogie und historischer Altertumswissenschaft, studiert vergleichende Erdkunde bei Carl Ritter (dem Vater der Anthro-Geographi e) und Philosophie bei Schelling und Trendelenburg.[24] 1840/41 macht er eine, vom Vater finanzierte, Studienreise nach Italien. 1844 promoviert er. Seine lateinisch verfasste Dissertation handelt von den Handelsbeziehungen im alten Korinth. Anschließend reist er an den Rhein und in die Schweiz und kehrt zu seinen Eltern nach Hamburg zurück.

1845 zieht es ihn nach London. Er vertieft das Arabische, studiert den Koran und unternimmt Ausflüge nach Cambridge. Über Paris reist er nach Südfrankreich, Spanien, Algerien (Marokko ist für Christen zu dieser Zeit unzugänglich), Tunesien und erreicht Anfang 1846 die Insel Malta. Nach der Rückkehr nach Nordafrika, dorthin, wo „das Kamel und die Dattelpalme die charakteristischen Züge bilden“[25], wird er bei einem Ritt durch die Libysche Wüste angeschossen und ausgeraubt. Er unternimmt eine Nilfahrt nach Assuan, kehrt nach Kairo zurück, wandert 1847 durch die syrisch-ägyptische Wüste nach Gaza, weiter durch Palästina bis nach Damaskus, Beirut, Zypern, Rhodos und Konstantinopel. Im Dezember kehrt er nach Hamburg zurück. 1848 habilitiert Barth an der Berliner Universität, hält Vorlesungen als Privatdozent, wird in die Archäologische Gesellschaft aufgenommen und veröffentlicht ein Buch über seine Mittelmeerreise: Wanderungen durch das Punische und Kyrenäische Küstenland.

Die politischen Veränderungen in Deutschland im Zuge der Märzrevolution desselben Jahres gehen ziemlich spurlos an Barth vorüber. Nach den Angaben seines Schwagers ist er zu dieser Zeit voll und ganz auf die Gestaltung seiner persönlichen Zukunft konzentriert. Es ist von einem gescheiterten Heiratswunsch die Rede, der in ihm den Wunsch aufkeimen lasse, Europa auf längere Zeit zu verlassen[26]

Die Gelegenheit soll sich schon bald bieten. Im Oktober 1849 lädt ihn die Englische Krone auf Vermittlung des Diplomaten Freiherr von Bunsen (preußischer Gesandter am englischen Hof), des Kartographen August Petermann und Carl Ritter ein, mit dem Hamburger Geologen Adolf Overweg, unter der Leitung des schottischen Missionars James Richardson auf Afrikafahrt zu gehen. Im November reist Barth Richtung Tripolis aus.

2. Die große Reise

Die von der englischen Krone beauftragte Reisegesellschaft soll verschiedene Kräfte in sich vereinigen. Sie ist eine Verbindung von wissenschaftlicher Expedition und Gesandtschaft. Hauptziel ist das Schließen von Handelsbündnissen zur Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Kontinenten. Das Forschungsinteresse liegt insbesondere in der Gegend um den Tschad-See, eine Region, die damals große Faszination auf die Europäer ausübt.

Die Engländer haben sich die Abschaffung des Sklavenhandels auf die Fahnen geschrieben. Von einem Zugang nach Zentralafrika versprechen sie sich beiderseitigen Nutzen, sowohl für die Europäer, als auch für die einheimische Bevölkerung. Übrigens als ausdrücklich europäisches, nicht bloß nationalen englischen Interessen dienendes Vorhaben.[27]

2.1. Von Tripolis nach Kuka

Am 18. Januar 1850 kommt Barth in Tripolis (damals Teil des Türkischen Reiches) an. Die Ankunft der Geräte wird abgewartet und die Kafla (Karawane) zusammengestellt.[28] Die Forscher nehmen arabische Namen an: Jakub (Richardson), Talib ( „Arzt“ Overweg) und Abd el Kerim („Diener des Allerhöchsten“ Barth).

Am 24. März 1850 bricht die Karawane Richtung Süden auf. Im Gebirge Tassili (heutige algerisch-lybische Grenze) dokumentieren Barth und Overweg Felsbilder und begründen damit die saharische Archäologie.[29] Im Gebirge Ahaggar in der Wüste Tiniri stellen Overweg und Barth die ersten geomorphologischen Forschungen in der Sahara an.[30]

Im Aïr-Bergland werden sie mehrfach Opfer von Überfällen durch Wüstenräuber. Unter dem Schutz des Häuptlings Annur gelangt die Karawane durch tropisches Gebiet nach Taghelel. Die Mittel der Expedition sind stark eingeschränkt. Richardson, Barth und Overweg trennen sich und verabreden sich für April in Kuka.[31]

Am 22. Januar 1851 tritt Barth ins Gebiet der Fellani/ Fulbe ein. In Katsena besteht er glücklich die Verhandlungen mit dem als munáfekí („Übeltäter“) bekannten Sultan Mohammes Bello, der (sich Raketen und ein potenzsteigerndes Mittel wünscht und) ihm ein schwaches Pferd mit zerbrochenem Sattel zur Verfügung stellt.[32] Am 1. Februar Einzug in Kanó, der damals wichtigsten Handelsstadt zwischen Niger und Tschad (mit 50000 Einwohnern das „afrikanische London“). Barth schmiedet Pläne für die Erforschung der Flussläufe und sieht Perspektiven für den europäischen Handel bei Erschließung des Niger über den Benuë und eine Zurückdrängung des Sklavenhandels.[33]

Am 24. März erreicht ihn die Nachricht vom Tode Richardsons drei Wochen zuvor. Er besucht dessen Grab. Das ganze Unternehmen scheint in Frage gestellt. Am 2. April erreicht er Kuka und erregt als erster Engländer seit 1822 verwunderte Aufmerksamkeit. Richardsons Diener fordern ihren Lohn. Barth nennt sie „Blutsauger“ und „unfähige Nichtstuer“, zahlt aber alle Schulden.

2.2. Forschungen am Tschad-See

Ende April zieht Barth mit dem Hofstaat des Scheichs Omar ans Tschad-Ufer. Er forscht über die Historie der großen Reiche des Sudan seit dem frühen Mittelalter.[34] Eine Regierungsdepesche beauftragt ihn mit der Leitung der Expedition. Barth trifft Overweg (dessen finanzielle Situation noch prekärer ist als jene Barths).

Zur gleichen Zeit, da Livingstone vom Süden zum Ngami-See vorstößt, beschifft Overweg den Tschadsee, und Barth schlägt sich mit drei Dienern durch die diesen umgebenden Dschungel, in Europa unbekanntes Land. Wasserstürze, Nahrungsnot, mangelnde Hygiene und Geldmittel fordern ihren Tribut: Barth leidet unter Fieber, Erschöpfung und Zukunftssorgen. Er folgt dem Benuë-Lauf nach Süden und weist dessen Verbindung mit dem Niger nach (drei Jahre später dringt der Schotte Baikie, nach Barths Berichten, im Auftrag der englischen Regierung in den Benuë ein.).[35] Im Juni besucht er das Gebiet der Marghis, ein von Räubern und Sklavenjägern geplagtes Land und tritt auf als „guter Gott, der Geschenke macht“.[36]

Der Herrscher Jolas, ein Konkurrent Omars, bereitet Barth einen eisigen Empfang. Gänzlich dessen Gunst verliert er, als er ihm eine Depesche des Scheichs überbringt: Sie enthält Besitzansprüche. Trotz Fiebers muss Barth sofort wieder abreisen - gekränkt ob des Missbrauchs durch den Scheich. Der Versuchung, nach Südosten Richtung Kongo und Nilquellen vorzustoßen, widersteht er ob fehlender Mittel.[37]

Barth und Overweg schließen sich Gruppe der arabischen Ulad-Sliman ein, die zu dieser Zeit als Viehräuber von Nordafrika nach Süden ziehen.[38] Die Gruppe zieht ins Land Kanem (am Westufer des Tschad nach Norden). Barth betreibt Sprachstudien und wird zweieinhalb Wochen lang Beobachter anarchistischer Freibeuterei und Weglagerei. Kaum nach Kuka zurückgekehrt, wird er Zeuge von Omars grausamer Kriegsführung. 20000 Krieger mit ebenso vielen Reit- und Lasieren rüsten sich zur Sklavenjagd in die Region von Musgu.

Ziel ist, neben des Auffüllens der Lager und Sklavenräume, die Unterwerfung des mit Abderraman verbandelten Fürsten von Mandara. Am 25. November folgen Barth und Overweg dem Zug des Scheichs. Barth steigt im Ansehen des Veziers durch gemeinsame gelehrte Disputationen (etwa über Ptolemäus)[39] und sinkt gleichzeitig in dem der Soldaten, indem er sich nicht an deren Metzeleien beteiligt („ Er ist zu nichts nütze!“[40] ).

Auf der Wasserscheide zwischen Benuë und Schari werden die Eingeborenen in ihren Dörfern zusammengetrieben und durch Abhacken eines Beines ermordet (Barth verliert seine Akribie auch nicht beim Zählen der Leichen: in einem Dorf sind es 71[41] ). Viele Dörfer aber sind verlassen. Die eingeborenen Tuburi heben auf den unübersichtlichen Waldpfaden Fallgruben aus. Schließlich flüchten sie in das Gebiet hinter den Logono, der ohne Flöße nicht zu überqueren ist. 3000 Sklaven werden erbeutet. Diese später vielkritisierte Beteiligung an den Feldzügen der Sklavenjäger beschreibt Barth selbst als Gratwanderung:

„In der Tat ist für einen fühlenden, wissbegierigen Reisenden nichts trostloser, als solch einen Raubzug zu begleiten; aber bei den gegenwärtig in diesen Landen noch obwaltenden Verhältnissen muss er entweder den Besuch vieler Gegenden ganz aufgeben oder eine solche Gelegenheit ergreifen. Er wird dann aber auch das Recht haben, mit um so mehr Bestimmtheit von dem Elend zu sprechen, das durch diese Raubjagden über die schönsten und volkreichsten Gegenden dieses Weltteiles gebracht wird.“[42]

Bestätigt wird Barths Haltung durch seine Beschreibungen über den grausamen Sklaventreiber Lamino, einen ehemaligen Straßenräuber, der es zum Polizeichef gebracht hat.[43] Auch hier belässt es Barth bei einer Dokumentation der beobachteten Willkür bei der Gesetzesauslegung, anstatt mit ihrem Protagonisten auf offenen Konfrontationskurs zu gehen. Eine Haltung, die Barth manches Mal unliebsame Folgen erspart.

Nach der Rückkehr aus Musgu will Barth will einen letzten, verzweifelten Versuch einer Fortsetzung der Forschungen starten, bevor er nach Europa zurückzukehren gedenkt.[44] Während Overweg nach Maduari reist, um den See zu erforschen, macht sich Barth auf den Weg nach Massenja, südöstlich des Tschad. Am 18. März überquert er heimlich den Schari (um Bezirksgewaltigen aus dem Weg zu gehen, der ihn für einen Handelskonkurrenten hält). Im April wird er in einer Stadt nahe Massenja tagelang festgehalten. Er verschenkt allerlei Stopfnadeln und nutzt sie auch als Tauschwährung (drei Nadeln =ein Huhn). Bald wird er „Nadelprinz“ gerufen. Bei dem Versuch, auszureisen, wird er in Mele vom Ortsvorsteher in Fesseln gelegt. Vier Tage später wird er befreit und erhält Erlaubnis, die Hauptstadt zu besuchen, darf das Land aber nicht verlassen, solange der Sultan abwesend sei. Zwei Wochen später hält der Sultan feierlichen Einzug.

Am 6. Juli erhält Barth ein Warenpaket aus Europa. Für Barth ist es „ einer der glücklichsten Tage“[45] seines Lebens: Das Schreiben der englischen Regierung bildet die Antwort auf einen Brief Barths von vor 15 Monaten. Er wird beauftragt, die Zwecke der „ bisher so erfolgreichen “ Expedition auszuweiten. Man lasse ihm dabei freie Hand, ob er die unbekannte Äquatorialzone nach der Südostküste hin durchstoße oder nach Westen Richtung Timbuktu wandere.

Mit dem Schreiben erhält Barth zahlreiche Mittel und eine Depesche des Sultans von Kuka, der die sofortige Freilassung Barths fordert. Bevor er ausreisen darf, wird er aufgefordert, eine Kanone zu „machen“ und den Verdacht zu entkräften, dass er ein türkischer Spion sei (weil er ständig alles notiere und Strümpfe trage). Barth gewährt Einsicht in sein ethnographisches Tagebuch und wird entlassen.[46]

Endlich trifft er Overweg wieder, der in das südwestlichen Gebirgsland Jakoba gereist war. Er sieht schwach aus. Anfang September erforscht er den westlichen Zufluss des Tschad und kehrt noch erschöpfter zurück. Am 19. September machen Barth und Overweg einen Ausflug. Overweg jagt einen Wasservogel und bleibt den Tag über in nassen Kleidern. Als er erkrankt, weigert er sich, Medizin zu nehmen. Barth bringt ihn zu Fugo Ali, einem Freund in Maduari. Overweg verfällt ins Delirium und stirbt wenige Tage später

einen höchst ehrenvollen Tod im Dienste der Wissenschaft (...), genau am Rande jenes Sees, durch dessen Beschiffung er seinem Namen ewige Berühmtheit verschafft hat.“[47]

2.3. Der Weg nach Westen

Barth kehrt nach Kuka zurück und wendet sich nun der Erforschung der Bórnu verfeindeten Reiche am Hauptarm des Nigers nach Westen hin zu. Der Scheich macht ihm Auflagen und wünscht sich von Barth Gold aus Timbuktu für eine Mekka-Fahrt. Barth bewahrt erfolgreich Distanz. Eine Karawane erreicht ihn ohne Geldmittel, da die diesbezügliche Kiste auf der Hochzeit des Boten in Bilma verblieben ist. Eine weitere Kiste soll aber nach Sinder unterwegs sein. Barths Aufbruch wird von einem Einfall der Tuareg bis zum 25. November verzögert.[48]

Weihnachten erreicht er Sinder, das „Tor des Sudan“ in einer von Tuareg beherrschten Provinz (von hier aus wird der Sklaven-Salz-Handel betrieben). Ein Geldsendung von 1000 Talern erreicht ihn, unauffällig in Zuckerkisten verpackt.[49] Kurz vor Gáuassú durchschreitet er in einem 26stündigen Marsch die legendäre Wüste Gúndumi. Die Kefla verfehlt ihr Ziel, in der Nacht stirbt eine Frau. Die politischen Unruhen stellen eine zusätzliche Belastung für die Karawane dar:

„Der Bewohner Afrikas kann ein ungeheures Maß von Strapazen ertragen, jedoch muss er sein Gemüt durch belebenden Gesang erfrischen können; aber auf einem solchen forcierten Marsch fühlt er die Ermüdung um so mehr, da die Gefahr vor lauernden Feinden das größtmögliche Stillhalten und die äußerste Ruhe zur Pflicht macht.“[50]

Im Fulbe-Sultan Aliú, dem Fürsten von Sókoto, findet er einen großherzigen Gönner, der ihn zur Abwechslung mit Geschenken empfängt, anstatt mit mehr oder weniger gewaltsamen Forderungen. Ein Handelsvertrag wird geschlossen. Aliú zieht gerade gegen die Gober (heutiges NW-Nigeria) ins Feld und lässt Barth während seiner Abwesenheit in Sókoto residieren.

Einen ganzen Monat hat Barth, um Sprachforschung zu betreiben, feinsinnige Beobachtungen über die Fulbe anzustellen und schriftliche Quellen auszuwerten. Nach erfolgreicher Rückkehr gibt Aliú Barth eine Eskorte für die Weiterreise und ein Empfehlungsschreiben für seinen Neffen Chalílu, den Herrscher von Gándo. Scheich el Bakáy, der Sultan Timbuktus, unterhält gute Beziehungen zu den Fulbe, die nur von den fanatischen Má-ssina gestört werden.[51]

Am 8. Mai tritt Barth in unbekanntes Gebiet ein. Chalílu, der Bruder Mohammed Bellos, erweist sich als „ Mann ohne Energie und für Christen und Europäer unzugänglicher Charakter“.[52] Er fordert größere Geschenke. Am 29. Mai wird die nahe, gerade noch wohlhabende Stadt Yára von aufständischen Kábáua überfallen und die Bevölkerung in Sklaverei verschleppt. Barth kann Gándo nicht verlassen. Das permanente Trommelschlagen der Bewohner unterstützt er auf deren Wunsch mit Warnschüssen.[53]

Am 19. Juni erreicht er den Niger und kurz darauf Ssai, eine von den gegenwärtigen politischen Unruhen lahmgelegte Handelsstadt. Der Statthalter A´bu-Bakr, eine „ freundliche, lebensvolle Persönlichkeit ohne Zug ernster Männlichkeit“[54], empfängt Barth freundlich, wird aber misstrauisch, als dieser angibt, kein Handelstreibender zu sein. Barth erreicht die Nachricht vom Tod Uëled Habibs, eines Häuptlings der Wüstensiedlung Arauan, deren fanatische Bewohner 1828 den englischen Forscher Major Laing ermordet hatten. Barth ist erleichtert: „ Ein Feind weniger!“[55]

Barth durchschreitet Gurma, das Land des Flussbogens. Es ist Regenzeit. Sümpfe, dichte Waldungen, quälende Fliegen, Würmer, Mücken und Blutegel machen Barth zu schaffen. An seinen Beinen rinnt das Blut in Strömen. Die Lage Timbuktus weicht Hunderte von Kilometern von den kartographischen Angaben ab.[56] Ende Juli gerät Barth in eine prekäre Lage, als er plötzlich von 150-200 Menschen umzingelt wird, woraufhin seine zwielichtige Schutzbegleitung, der Walater, ihn kurzerhand zum Scherifen erklärt, der eine Anzahl Bücher aus dem Orient brächte:

Infolgedessen ließen sie plötzlich ihre Speere sinken und umdrängten mich mit den dringlichsten Bitten, ihnen meinen Segen zu verleihen. Die Umstände, in denen ich mich befand, zwangen mich, ihren Wunsch zu erfüllen; aber es war keineswegs eine angenehme Sache, meine Hand auf all diese schmutzigen Köpfe zu legen.“[57]

Aus Angst vor den fremdenfeindlichen Má-ssina nimmt Barth von nun an den Charakter eines Arabers an. Die Eingeborenen halten ihn für Mehedi, den aus dem Osten ersehnten Messias. In Sarayamo muss Barth beim Abendgebet um Wasser für die Felder bitten. In der folgenden Nacht regnet es tatsächlich, und er kann nur mit Mühe eine Wiederholung der Gebetsszene verhindern.[58] Ende August schifft er auf dem Niger ein, am 6. September erreicht er den Hafen von Timbuktu.[59]

Auf dem Weg in die Stadt durchzieht Barth ein unsicheres, von räuberischen Tuareg belagertes Gebiet, eine Stelle trägt den Namen Ur-immandess („er hört es nicht“, was die Schreie der Überfallenen meint). Scheich El-Bakay ist abwesend, um Streit zwischen Tuareg und Berabisch (westlich der Sahara) zu schlichten. Barth wird feierlich empfangen und bezieht Quartier. Beim Empfang redet ihn jemand auf türkisch an, und Barth hat Mühe, eine passende Antwort zu finden (was ihn beinahe verrät)[60]. Es entsteht eine unübersichtliche Situation, weil nacheinander der Tuareg-Häuptling Kneha und einer Truppe von 200 Verfolgern in seinem Haus erscheinen.[61]

Ende September erscheint der Scheich und sagt Barth großmütig Schutz für die Rückreise zu: nach Westen zum Meer, zu Wasser auf dem Niger oder durch die nördliche Wüste. Derweil haben die fanatischen Hammadi, Feinde des Scheichs, die Jagd auf den Christen ausgerufen, hinzu stoßen die Fulbe aus Hamda-Allahi/Massina und die Berabisch bzw. Ulad-Sliman unter Uled Habib-Sliman (die Mörder Laings). Letztere verpflichten sich durch Schwur zur Ermordung Barths. Ein Unwetter zerstört die Rückwand von Barths Haus. Fremde strömen in die Stadt, die Lebensmittelpreise steigen, das Für und Wider der verschiedenen Parteien löst öffentliche Aufruhr aus. Der 40jährige Sohn des Berabisch-Führers Ali hetzt gegen Barth - und stirbt kurz darauf einen unerklärlichen Tod, was großen Eindruck macht (zumal Barth für den Sohn Major Laings gehalten wird).[62] Um Neujahr beruhigt sich die Situation, gewalttätige Aktionen werden von spitzfindigen Disputen abgelöst. Am 14. Januar 1854 erkrankt Barth von saurer Milch, die ihm ein Berabisch gebracht hat.[63]

In Europa hat sich das Gerücht von Barths Ermordung verbreitet: Ein Bote mit einem Paket für Barth wird während der Revolution nahe der Stadt Ssai ermordet. Ein Beobachter verkauft den Toten als Barth. Der aus Europa angereiste Dr. Vogel spürt das Gerücht auf und leitet es nach Europa weiter, wo es am 14. Dezember 1854 angekommen ist. In der Presse erscheint ein Nachruf, im Kanó-Gebiet wird Barths Habe verscherbelt.[64]

Barth besucht nur gelegentlich Timbuktu, wo man zumindest von dem Bevorstehen seiner Ermordung überzeugt ist. Der Scheich bereitet derweil Barths Ausreise vor, die sich aufgrund der politischen Unruhen aber immer wieder verzögert. Am 17. Mai endlich ist es soweit. Barth zieht am Nordufer des Niger entlang. Auf dem Weg erhält er das bei Ssai verschollene Paket. Am 30. Juli erreicht er Ssai, von wo er vor dreizehn Monaten nach Timbuktu aufgebrochen ist. Er sucht vergeblich nach zurückgelassenen Mitteln in Sinder und Kanó, trifft auf Nachrichten von Niger-Befahrung durch Becroft/Baikie (seit Mai 1854). Am 27. November trifft er Dr. Vogel im Wald zwischen Sinder und Kuka. Anfang Dezember wird Barth von Scheich Omar empfangen, der die politischen Unruhen überstanden hat und wieder in Amt und Würden steht.

Die ersten drei Wochen des neuen Jahres 1855 verbringt er mit Vogel in Kuka. Barth verlässt die Stadt am 20. Februar, ein Diener Omars holt ihn jedoch zurück. Barth nimmt Depesche für Expeditionsleiter Vogel entgegen. Der Scheich vermutet, Barth sei in England in Ungnade gefallen und entzieht ihm vorübergehend das Vertrauen. Schließlich erhält Barth aber sogar das in Sinder von Omars Diener gestohlene Geld zurück. Am 9. Mai folgt der entgültige Abschied aus Bórnu. Über den Weg durch die Wüste schreibt Barth:

Die Wüste von Tinúmma (...) ist in der Tat übel dadurch berüchtigt, dass Reisende leicht den Weg verlieren; der sich in unermeßlicher Ferne ausbreitende weiße Sand umnebelt die Sinne so vollkommen, dass auch an diesen Wüstenweg lange gewöhnte Leute mitunter in ihrer Richtung völlig irre werden. (...) Ungeachtet ihrer Einförmigkeit hat die Wüste doch etwas unaussprechlich Großartiges und ist wohl gar geeignet, dem Menschen das Bewusstsein seiner eigenen Nichtigkeit tief einzuprägen.“[65]

Körperlich und seelisch erschöpft folgt Barth dem Wüstenpfad nach Norden, geht glücklich allen Widrigkeiten aus dem Weg und hat bei seiner Ankunft in Tripolis außer dem Verlust diverser Last- und Reittiere nicht viel zu beklagen. Die Beschreibungen seiner Ankunft in Tripolis offenbaren Barths Heimweh nach Europa:

Wie wir uns der Stadt näherten, die ich vor 5 ½ Jahren verlassen hatte und die mir nun als Eingangstor zur Ruhe und Sicherheit schien, wallte mein Herz vor Freude über und nach einer so langen Reise durch öde Wüsteneien war der Eindruck (...) der die Stadt umgebenden Gärten außerordentlich; jedoch bei weitem größer war noch die Wirkung des Anblickes der unermeßlichen Oberfläche des Meeres. (...)Es war das prächtige (...) Binnenmeer der alten Welt, die Wiege europäischer Bildung, das von früher Zeit an der Gegenstand meiner wärmsten Sehnsucht und meines eifrigsten Forschens gewesen war.“ [66]

3. Barths Lebensweg nach der großen Reise

3.1. Triumphzug der Rückkehr

1855 über Malta und Marseille gelangt Barth am 6. September nach London, zwei befreite Haussa-Sklaven in seiner Begleitung, die Barth bei seinen linguistischen Studien helfen sollen.[67]

Im Oktober empfängt ihn Friedrich-Wilhelm IV. von Preußen mit Alexander von Humboldt im Schloss Sanssouci zur Verleihung des Roten-Adler-Ordens III. Klasse (weitere Orden der Fürstenhäuser Württembergs, Weimars und Sardiniens folgen). Im November zieht er nach London.

Barths Rückkehr gestaltet sich als Triumphzug: Er wird von der englischen Regierung, dem deutschen Kultusministerium, dem englischen Verleger Longmann und Perthes in Gotha angemessen entschädigt, die Pariser und die Londoner Geographische Gesellschaft verleihen ihm die Goldene Medallie, Hamburg ernennt ihn zum Ehrenbürger, die Berliner Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied, die Universität Oxfort zum Ehrenmitglied u.s.w. A. v. Humboldt schlägt Barth als preußischen Konsul in Damaskus vor. Die Versuche, Barth als Diplomat unterzubringen, scheitern jedoch.[68]

1856 am 3. November stirbt Barths Vater. Im Mai 1857 erscheinen die ersten drei Bände von Barths Reisewerk. Iim Juni erreicht eine Gesandtschaft von Scheich El Bakay Tripolis, um nach London auszureisen; die Regierung macht jedoch einen Rückzieher (um diplomatischen Verwicklungen mit Frankreich aus dem Weg zu gehen). Über die Ausreise der Niger-Expedition wird Barth nicht informiert. Enttäuscht bricht dieser die Beziehungen zum Foreign Office ab[69].

Barths Verhältnis zu England ist nach der Rückkehr gespalten: Er fühlte sich zum „ Bettler im Ausland “ herabgesetzt und deutschen Gelehrtenkreisen verpflichtet, während die Londoner Geographische Gesellschaft seine Forschungen und Erkenntnisse für sich beansprucht. Die ihm zugedachte Medaille lehnt er zunächst ab. Zeitweise ist er Anfeindungen ausgesetzt, weil er als Deutscher von der Englischen Krone mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet worden war. Nun fühlt er seine Arbeit vom Foreign Office herabgewürdigt, von Presseberichten verunglimpft, und zu allem Überfluss muss er sich mit Kritik der Anti-Slavery Society auseinandersetzen.[70]

Doch auch in Deutschland stößt Barth auf Missbilligung. Die erhoffte Professur an der Berliner Universität scheitert zunächst, wie Barth es auffasst, an inneruniversitären Intrigen[71]. Später überwirft er sich mit dem ihm wohlgesonnen Diplomaten von Bunsen und August Petermann. Barths Schwierigkeiten, in Europa Fuß zu fassen, sind wohl grundsätzlicher Natur.

Gustav von Schubert charakterisiert Barth 1859 als

bei allem Gemüt zu schroff, zu unbeugsam und wiederum zu bescheiden und ohne Weltklugheit. Sein Selbstgefühl erlaubt es ihm nicht, sich zur rechten Zeit zu beugen. Er ist ein kühner und ausdauernder, aber kein gewandter Schwimmer auf dem Strome des Lebens.“[72]

Tatsächlich sehnt sich Barth nach seinem Nomadenleben zurück. Schon 1857 äußert er seinem Schwager gegenüber:

„Wie sehne ich mich nach einem freien Nachtlager in der Wüste, wo, ohne Ehrgeiz, ich mich im Hochgenuss der Freiheit nach Beendigung des Tagesmarsches auf meine Matte zu strecken pflegte; um mich meine Habe, meine Kamele, mein Pferd. Fast bereue ich, dass ich mich selbst in diese Ketten gelegt habe.“[73]

Demgegenüber steht das Bedürfnis nach einem Ende seines Junggesellenlebens, nach einer Lebensgefährtin, „ Herzensaustausch und gemütlicher Geselligkeit“.[74] Die Erfüllung seines Wunsches sollte ihm verwehrt bleiben.

3.2. Die letzten Jahre

Im Mai 1858 erscheinen die letzten beiden Bände von Barths Reisewerk; im August siedelt er nach Berlin um. Im November und Dezember bereist er Kleinasien: von Konstantinopel nach Trabezunt und landeinwärts bis nach Ankara. 1859 kehrt Barth nach Berlin zurück. Am 6. Mai stirbt Alexander von Humboldt und am 6. September Carl Ritter. Barth wird Mitbegründer der Carl-Ritter-Stiftung, eines Expeditionsfonds für Forschungsreisen nach Afrika. Am 28. November 1860 stirbt Freiherr von Bunsen. 1861 reist Barth nach Spanien. 1862 folgt die erhoffte Aufnahme Barths in die Berliner Akademie der Wissenschaften (die Aufnahme in die philologisch-historische Abteilung wird ihm 1863 allerdings verweigert[75] ). Die Universität Jena ernennt ihn im selben Jahr zum Ehrendoktor.

Reise zur Balkan-Halbinsel. Am 12. Dezember stirbt Barths Mutter. Barth wird zum ersten Vorsitzenden der Carl-Ritter-Stiftung und bekommt schließlich doch die lang ersehnte Professur für Geographie an der Berliner Universität. Gesundheitlich geschwächt, aber rastlos reist Barth 1863 in die Alpenregion, 1864 zur Apennin-Halbinsel. Sein Buch „Reise durch das Innere der europäischen Türkei“ wird veröffentlicht. 1865 reist er in den westlichen Teil der Türkei (Mazedonien, Albanien) und nach Montenegro. Rückkehr nach Berlin im Oktober. Am 25. November stirbt er in Folge eines Magendurchbruches (bei der Sektion - Rudolf Virchow ist anwesend - wird in seinem Oberschenkel eine Kugel von dem Überfall 1846 gefunden) und wird auf dem Jerusalemer Friedhof in Berlin beigesetzt.

4. Barths Leistungen als Forscher und Gesandter

Nicht nur sein fünfbändiges Afrikawerk, auch Barths Reisewerk der Mittelmeerländer von 1849 gehört zu den bedeutenden wissenschaftlichen Publikationen seiner Zeit. 1862 veröffentlicht er ein umfangreiches Sprachenwerk. Er selbst kommuniziert in etwa zehn Sprachen. Barth schafft eine Gesamtkarte der von ihm bereisten Gebiete mit Eintragungen über die wichtigen Orte und die Verbreitung von Völkerschaften. Das Gebiet umfasst heute elf eigenständige Staaten: Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Tschad, Kamerun, Niger, Nigeria, Burkina Faso und Mali. Er schließt Handelsverträge mit einer Reihe von örtlichen Machthabern und einen Staatsvertrag zwischen der Königin von England und dem Bornú-Scheich Omar, bei der von europäischer Seite Entwicklungshilfe gegen Reisesicherheit für europäischen Forscher und Handlungsreisende versprochen wird.

4.1. Exkurs: Probleme der Afrikaforschung im 19. Jahrhundert

Barths Reisebericht folgt so, wie ihn Schiffers und Italiaander zusammenfassten und veröffentlichten, der Dramaturgie eines Abenteuerromans. Der Forscher tritt als Held auf, der unbeugsam allen Gefahren und Widrigkeiten der Reise widersteht und schließlich glücklich nach Europa zurückkehrt. Zum klassischen Entdeckermythos aus der Zeit der Seefahrer, an den Barth und andere Afrikaforscher nahtlos anknüpfen, gesellt sich jener romantische vom Forscher als Tausendsassa, der solcherlei Strapazen im Dienste der Wissenschaft auf sich nimmt und dabei eine kaum greifbare Gewandtheit im Umgang mit dem Fremden an den Tag legt.

Barths Leistung für die Wissenschaft werden die Texte, die mit Rücksicht auf ihre Lesbarkeit jeweils lediglich etwa 10-15% des gesamten Reisewerkes wiedergeben, nur teilweise gerecht. Diese basiert nicht nur auf seinem universalistischen Ansatz und seiner Überlebensfähigkeit, sondern insbesondere auf der äußersten Sorgfalt seiner Aufzeichnungen. Die verkürzte Wiedergabe lässt bisweilen fragmentarisch erscheinen, was in Wirklichkeit komplex und umfassend gedacht und aufgezeichnet wurde. Für den Rezipienten aus der Forschung ist die (schwer zugängliche) Originalausgabe wohl ungleich interessanter.

Dass Barths Charakter untrennbar mit seiner Forscherleistung in Zusammenhang steht, ist allerdings unbestreitbar. Allein sechzig Europäer sollen in den vorangegangenen sieben Jahrzehnten im Innern Afrikas „ ihrem Forschereifer zum Opfer gefallen “ sein.[76] Zu den Widrigkeiten der Afrikaforschung gehören die für Europäer ungewohnten klimatischen Bedingungen, die Probleme der Versorgung und die hygienischen Verhältnisse. Gewaltmärsche von zwanzig Stunden und mehr sind zu bewältigen, häufig nachts, um klimatischen Widrigkeiten und kriegerischen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.

Hinzu gesellt sich der Zeitfaktor. Wo politische Unruhen herrschen, sich diplomatisches Geplänkel über Wochen hinzieht, die finanziellen Mittel begrenzt sind und sich kartographische Angaben als Fantasie erweisen, ist die Vorhersehbarkeit von Ereignissen eingeschränkt. Europäer stoßen an die natürliche Grenze ihrer körperlichen Belastbarkeit. Richardson und Overweg, die im Reisen weniger erfahrenen Expeditionspartner Barths, fallen eben dieser zum Opfer.

Seelische und mentale Isolierung, Sprachschwierigkeiten und religiöser Fanatismus sind weitere Erschwernisse. In den Augen der Afrikaner sind Europäer seltsame Leute: Ihr unentwegtes Fragen und Notizenmachen löst Befremden aus, ihr Bekenntnis zum Christentum Widerstand, ihr gebieterisches Auftreten Feindseligkeit. Sie hantieren mit unbekannten Geräten (z.B. einem Kompass), die für Zauberinstrumente gehalten werden. Einige tarnen sich als Moslems und werden der Spionage verdächtigt.[77]

Feldforschung im europäischen Sinne ist in Afrika unbekannt. Bestenfalls ist das Bild vom Gelehrten in der Bibliothek geläufig. Wer sich auf fremdes Territorium begibt, kann folglich nur wirtschaftliche oder politische Interessen verfolgen. Letzteres, wie zu Barths Zeit die Abschaffung des Sklavenhandels, wird als Bedrohung des transsaharischen Handels empfunden. Als Handelspartner sind die Europäer nur dann willkommen, wenn sie sich auf die herrschenden Bedingungen einlassen, anstatt regulierend eingreifen zu wollen.

Die Duldung von Europäern in einer Region hängt von der Gunst der Ortsgewaltigen ab. Diese ist häufig nur durch zähes Verhandeln und materielle Zugeständnisse zu erreichen. Der Umgang mit den häufig unklaren politischen Machtverhältnissen erfordert über körperliche Robustheit hinausgehendes Anpassungsvermögen, Kenntnisse von Etiketten, psychologisches Einfühlungsvermögen sowie ausgeprägtes diplomatisches Geschick.[78] Nicht umsonst gehören Barths Beschreibungen seines diplomatischen Umgangs mit den Einheimischen zu den frühesten Zeugnissen der Macht- und Konfliktforschung.

Nicht zu unterschätzen sind die Kommunikationsprobleme.[79] Der Kontakt mit Europa ist mit erheblichem Zeitverzug verbunden. Warensendungen kommen mindestens zwölf Monate später oder überhaupt nicht an. Was die Nachrichtenübermittlung betrifft, existiert zwar ein funktionierendes System, mit den in allen Himmelsrichtungen umherziehenden Händlerkarawanen als Informationsträger. So leiht sich Barth ein ums andere Mal Geld von arabischen Händlern. Seine Kreditwürdigkeit ist durch Überweisungsaustausch mit englischen Agenten im Tausende Kilometer entfernten Mursuk abgesichert. Bereits 1852 erfährt man in Timbuktu alles über Abd el Kerim, vierzehn Monate bevor er, nach 2610 Wegekilometern, in der Stadt ankommt.[80]

Das System erweist sich jedoch als unzuverlässig, sobald persönliche Interessen örtlicher Machthaber ins Spiel kommen. Dann funktioniert die Weitergabe nach den Prinzipien des Gerüchts: Übermittelt wird das, was nützlich erscheint. So ist Verbreitung der Nachricht von Barths Tod keiner unglücklichen Verwechslung zuzuschreiben. Vielmehr ist sie ein Mittel, die Aneignung seines Eigentums zu legitimieren.

4.2. Charakter

Afrikaforschung im 19. Jahrhundert ist in erster Linie die Kunst des Überlebens. Barth bringt diese Kunst zur Perfektion. Zu Beginn der Reise verirrt sich Barth beim Fußmarsch zu einem angeblich verzauberten Schloss im Grenzgebiet zwischen Fesan und Hogar und erleidet einen lebensbedrohlichen Sonnenstich.[81] Das Erlebnis wird prägend für den weiteren Verlauf der Expedition. Bei späteren Gelegenheiten, etwa als im Juni 1851 in Jola die Entscheidung ansteht, nach Süden in den Kongo vorzudringen oder ins sichere Kuka zurückzukehren[82], siegt die realistische Einschätzung seiner Möglichkeiten über Barths Kühnheit.

In diesem Zusammenhang muss auch Barths Enthaltsamkeit erwähnt werden. Regelmäßig werden ihm Heiratsangebote gemacht, für viele Durchreisende eine Versuchung, der nur schwer zu widerstehen ist. Für Barth hingegen ist es undenkbar, sich auf etwas einzulassen, was die Ziele der Expedition gefährden könnte. Exemplarisch soll hier ein Beispiel wiedergegeben werden, das Barth im Zusammenhang mit seiner Reise ins Gebiet der Marghi erwähnt:

„...diese Mädchen waren von hellbrauner Farbe, und ihre kurz-gekräuselten Haare hatten durch Einreiben mit dem Staub aus Rotholz dieselbe Farbe angenommen; sie trugen sehr dünne metallne Stifte in ihrem Kinn und Schnüre roter Glasperlen um ihren Nacken; ihre Züge waren angenehm und kindlich. Sie gerieten außer sich vor Freude, als ich ihnen einige kleine Geschenke machte, und wussten nicht, wie sie mir genugsam danken sollten. Als die Bewohner der benachbarten Gehöfte sahen, dass ich ein gutgearbeiteter Mensch sei und ihnen wahre Teilnahme schenkte, sandten sie einen großen Topf voll ihres berauschenden Getränkes (aus Hirse bereitet). Anstatt mich mit einem solchen Getränk mein Gehirn zu betäuben, setzte ich mich hin und schrieb etwa zweihundert Wörter in ihrer eigenen Sprache nieder.“[83]

Realitätssinn und Unbeugsamkeit werden Barths Kapital. Wahrscheinlich, dass letztere von seinem durchaus romantischen Selbstbild als Forscher genährt wird. In Kanó, für Barth „ eines der glücklichsten Länder der Welt“[84], erkrankt er heftigst, bricht aber trotzdem Richtung Kuka auf, denn: „ Selbstvertrauen besiegt alle Hindernisse![85] Barth ist der Meinung, dass „ körperliche und geistige Anstrengung“ die beste Medizin für seine „Kränklichkeiten“ seien[86]. Über den Ritt aus der Stadt notiert er:

„Meine Brust fühlte sich erleichtert, alle Sorge und Unruhe, die armselige Lage, in der ich mich (...) befunden, war vergessen; in den anlockensten Umrissen lag das weite Feld der Forschung vor meinen Blicken, das sich mir öffnete, wenn uns neue Mittel in Kuka erreichen sollten: die unerforschten Gebirgslande im Sudan, die großen Flußsysteme, die neue, lebendige Natur, unbekannte Länder und Völker - ein unbegrenztes Feld ruhmwürdiger Anstrengungen! Träumend hing ich auf meinem Gaule - erst am Tore ward ich wieder an die Gegenwart erinnert.“[87]

Aus seiner Affinität zur „ Welt der Einfalt und Rohheit“ im Vergleich zur „gekünstelten Zone europäischer Bildung und Wissenschaft“[88] macht Barth keinen Hehl. Bei seiner Beschreibung der Marghis belebt er den Mythos vom guten Wilden:

„Hier, in diesen Ländern, hat die Natur alles für den Menschen getan: Schüsseln, Löffel und Flaschen wachsen an den Bäumen (gemeint sind Flaschenkürbisse ); im Wald wächst Reis; Korn und Erdmandeln gedeihen ohne Mühe; der Boden liefert neben dem Rohr des Waldes und Feldes das nötige Material für die Wohnung; und nur etwas Kleidung und Perlenschmuck müssen noch erhandelt werden.“[89]

Barths Reaktion auf Overwegs Tod, der ihm persönlich nähergegangen ist als jener Richardsons, ist Beleg für das Unverwüstliche seines Charakters:

Anstatt mich durch den Tod meines Reisegefährten niedergebeugt zu fühlen, fühle ich meine Kraft verdoppelt. Im Bewusstsein, dass nun ferner hier nichts geschieht, was ich nicht tue, fühle ich eine Riesenkraft in mir, allen Ansprüchen zu genügen. Mein Schlachtfeld wird der Westen und, so Gott will, der Südwesten werden (...)“[90]

Das Verwenden der Kriegsmetapher weist nicht nur auf seinen Gemütszustand, sondern wiederum auf Barths Selbstverständnis als Forscher hin: Die Vorstellung vom Kämpfer auf Leben und Tod im Dienste der Wissenschaft war für Barth selbst naheliegend.

Seine Motivation schöpft Barth auch und vor allem aus seinem Anspruch als Missionar. Nicht etwa des Christentums, das viele seiner kolonialen Vorgänger und sein Reisegefährte Richardson propagierten. Vielmehr tritt er auf als Verkünder der humanistischen Idee, wie seine Gedanken zur Überquerung des Nigerstromes im Sommer 1851 verdeutlichen:

„Der Hauptstrom floss von Ost nach west in majestätischer Breite durch das vollkommen offene Land. Eine große Bahn lag hier offen, ein Eingangstor für die rüstigen, alles überwältigenden Kräfte des Nordens; aber selbst mit der lebendigsten Hoffnung konnte ich damals nicht voraussehen, wie bald ein Schiff, so wie es die jüngste Erfindungsgabe der Europäer geschaffen, diesen Strom bis in geringe Entfernung von dem Punkte, wo ich ihn überschritten, heraufkommen würde. - Da war also die feste Hoffnung begründet, dass längs dieser Naturstraße europäischer Handel und Einfluss in das Innere dieses Kontinents eindringen und die auf dem Unterschied der Religion wenigstens äußerlich begründete Sklavenjagd verdrängen werde, welche die natürlichen, selbst im einfachen Leben der Heiden entwickelten Keime menschlicher Glückseligkeit zerstören und Wüstenei und Wildnis rund umher verbreiten.“[91]

4.3. Macht

Sind Machtverhältnisse eine Mentalitätsfrage? Diese Frage stellt sich angesichts von Barths Erfahrungen beim Durchqueren quasi gesetzloser Räume, nimmt man das europäische Verständnis davon, was Recht und Ordnung sei, zum Maßstab. Die Berechnung von Wegegeld und Entschädigungen für die Benutzung von Wasserstellen ist in den von Barth bereisten Ländern allgemein üblich, wobei der Willkür Tür und Tor geöffnet sind. Erpressung ist als probates Mittel der Machtausübung an der Tagesordnung. Ein Menschenleben ist in Regionen politischer Krisen und religiösem Fanatismus nicht viel wert. Die ungeschriebenen Gesetze der Wüste und des Dschungels unterscheiden sich wenig von der volkstümlichen Vorstellung vom „dunklen Kontinent“: Sie sind darwinistischer Natur - was herrscht, ist das Recht des Stärkeren.

Ganz gleich, ob man von der Krisenhaftigkeit der Region, Einheimischenmentalität oder klimatischer Bedingtheit spricht: Die durch Barth dokumentierten Verhältnisse sind mit Kategorien europäischen Rechtsverständnisses nicht greifbar und treffen Aussagen über die Strukturen afrikanischer Gesellschaften, die nicht nur verallgemeinerbar, sondern noch heute von brennender Aktualität sind.[92]

Problematisch ist die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit und Autorität von Schutzbegleitungen anbietenden Machthabern. Mehr als einmal müssen die Forscher feststellen, dass bei Verhandlungspartnern der Wille zur persönlichen Bereicherung größer ist als jener zur kollegialen Zusammenarbeit. Die Palette der zu bewältigenden Konfliktsituationen reicht vom hemmungslosen Ausnutzen von Abhängigkeiten bis zu offenen Morddrohungen aus taktischem Kalkül.

In Mursuk etwa versichern sie sich der Dienste des Tuareg-Häuptlings Mohammed Boro, verärgern ihn jedoch sogleich, weil Gagliuffi (arabischer Händler in der Funktion eines englischen Agenten/ Vizekonsul in Mursuk) ihn unzureichend beschenkt. Die Ankunft der Häuptlinge aus Rhat ist ein weiterer Vertrauensbruch Boro gegenüber: War diesem nicht der Schutz der Karawane anvertraut worden? Die Häuptlinge verzögern die Weiterreise bis Juli, ebenfalls wegen unzureichender Geschenke.[93] Mohammed Boro hingegen entpuppt sich als dauerhafte Belastung, bis Richardson ihm, auf Barths Intervention hin und mit spürbarem Erfolg, Monate später neue Geschenke zukommen lässt.[94]

Im Aïr-Bergland macht die wird die Kafla tagelang von beutelustigen Nomaden (Hogar/Tuareg) verfolgt, die sich bewirten lassen, Intrigen unter den Dienern spinnen und ankündigen, die Christen töten zu wollen. Die Räuber werden schließlich mit Geschenken befriedet, als es zur offenen Konfrontation kommt.[95] Kurz darauf steht die Karawane wieder Wegelagerern (diesmal Merabetin) gegenüber, die die Bekehrung der Christen fordern. In der Nacht werden die Kamele der Kefla gestohlen und nur teilweise zurückgegeben, als Richardson die Räuber auszahlt. Die Tarife der Kel-owi-Diener der Karawane dienen dabei als Richtschnur, ist dies doch die Entlohnung, die den Erpressern nach eigenem Verständnis zusteht.[96]

In Gurma, dem Land des Nigerbogens, trifft Barth im Sommer 1853 Uëled Ammer Walater, den Walater, einen der „ verschlagensten “ Gesellen, denen Barth während all seiner Reisen begegnet ist.[97] Aufgrund seiner Sprachkenntnisse (er spricht Fulbe, Sonrai, Mossi, Bambara und die Tuareg-Sprache Temaschirt/Tamaschek) macht Barth ihn zu seinem Diener. Er erweist sich jedoch als gefährlicher Integrant, der Barth zunächst wohl nach dem Leben trachtet[98], später aber die Situation immer geschickter für sich ausnutzt.

Auf dem Weg nach Timbuktu kündigt der Walater ihn als Scherifen an, der überall große Geschenke zu machen habe. Der Sprache mächtig überbringt er anschließend Barths Gaben, verkauft sie aber als sein Eigentum oder eigene Entschädigungsleistungen, etwa für die vormalige Beleidigung eines Häuptlings oder das Entwenden der Habe einer reichen Frau, die er geheiratet hatte.[99] Später in Timbuktu verkauft er ungefragt Barths Kamele.

Die Rolle der Geschenke ist absolut zentral. Nicht umsonst beklagt sich Barth des öfteren über die mangelnde materielle Ausstattung der Expedition. Barth weist unverhältnismäßige Forderungen (meist nach Waffen) zurück, erweist sich aber als großzügig, wenn ihm besondere Gastfreundschaft entgegengebracht wird.[100]:

Abschließend eine Episode, die sich während Barths Gefangenschaft in Massenja im Juni 1852 abspielt und bei der er Kapital schlägt aus der mystischen Aura des Fremden, die ihn als europäischen Reisenden im Innern Afrikas umgibt. Hierdurch gelingt es ihm, die herrschenden Machtverhältnisse umzukehren.

Eines Tages erhält er eine rätselhafte Nachricht vom Vizestatthalter: Ihm werde nachgesagt, dass er die Regenwolken vertreibe. Barth, der für einen Zauberer gehalten wird, antwortet, dass er gewiss keinen Regen brauchen könne, da ihm sonst der Rückweg über den Schari versperrt sei.[101] Kurz nach dem Eintreffen des Sultans regnet es, was die Bevölkerung zu der Annahme veranlasst, dieser habe den Zauber des Christen gebrochen.[102]

4.4. Diplomatie

Als Europäer und potentiellem Handelspartner, wird Barth immer wieder politische Autorität zugebilligt. Im Frühjahr 1853 wird er von Abd el Káder, dem entthronten Scheich von Agades, aufgesucht. Der Forscher solle seinen Einfluss geltend machen, um ihn wieder in Amt und Würden zu setzen. Barth, der sich Vorteile davon verspricht, geht (wenn er auch erfolglos) darauf ein.[103] Zusätzliche Unruhe verbreitet das Vordringen der Franzosen nach Nordafrika zu dieser Zeit. Mit diplomatischem Geschick kann Barth den Scheich davon abhalten, gegen Frankreich ins Feld zu ziehen.[104]

Die unterschiedliche Interessenlage der englischen Expedition und der Einheimischen führt häufig zu kaum überwindlichen Problemen. In Gegenden, deren Wirtschaftssystem auf Unterdrückung und Sklaverei beruht[105], bedarf es einer geschickten Verhandlungstechnik, um sich der Loyalität der Einheimischen zu versichern. Mit offenen Karten zu spielen, ist dabei für die Europäer eher hinderlich. In Rhat etwa wird gerade mit Tuareg-Häuptlingen über Weiterreise verhandelt, als ein Brief der englischen Regierung eintrifft, der die Abschaffung der Sklaverei als eines der Expeditionsziele ausweist. Die Verhandlungen ziehen sich anschließend eine ganze Woche hin.[106]

Gerade im Vergleich zu Richardson zeigt sich Barth als geschickter Verhandlungspartner. Als der Häuptling Annur hohe Forderungen für seine Schutzbegleitung stellt, sich jedoch als zuverlässiger Partner erweist, gewinnt Barth mit lobenden Worten seine Sympathie.[107] Die Einsicht, dass Verlässlichkeit in diesen Regionen ein hohes Gut darstellt, fehlt Richardson. Dieser fühlt sich von Annur erpresst und erweist sich später als schlechter Diplomat: Gegenüber dem Scheich von Bórnu behandelt er ihn als Wüstenräuber.[108]

In anderen Situationen führt Barths Standhaftigkeit zum Erfolg. Nach dem Tod Richardsons erfährt Barth bei einem Besuch des Veziers Hadj Beschir im Frühjahr 1851 in Kuka, dass Richardsons Habe z.T. verkauft worden ist. Barth droht mit Abreise, für einen zu diesem Zeitpunkt mittellosen Reisenden ein gewagter Entschluss.[109] Barth und Overweg erhalten daraufhin den gesamten Nachlass Richardsons zurück[110].

Die Verhandlungen über einen Schutzvertrag für Forschungsreisende sind erfolgreich. Das Hauptinteresse des Scheichs liegt allerdings in der Aneignung von Feuerwaffen, und als die arabischen Händler von den Zielen der Expedition erfahren (gegen die Sklaven, den wichtigsten Exportartikel der Region!), verbreiten sie das Gerücht von einer bevorstehenden englischen Invasion.[111]

Nach seiner Ankunft in Timbuktu vertraut sich Barth Sidi Alaute an, dem Bruder des Scheichs, dem der Walater unter dem Siegel der Verschwiegenheit verraten hat, dass er ein Christ sei. Doch Alaute wird Barths „ größter Quälgeist“[112]. Einmal ersinnt er einen vermeintlichen Angriff auf Barths Haus, damit dieser seine Habe beim Schatzmeister „in Sicherheit“ bringe (Barth verteidigt sich mit Schusswaffen). Dann erscheint Alaute mit gelehrigen Schülern, die ihn auffordern, seine Religion zu wechseln, doch Barth siegt im religiösen Disput.

Auch Scheich El-Bakay von Timbuktu fordert zunächst großzügige Geschenke aus London, von deren Eintreffen er Barths Weiterreise abhängig mache. Barth reagiert souverän: Geschenke gebe es erst nach seiner glücklichen Rückkehr nach London. Als Tuareg den Scheich einzuschüchtern versuchen, gibt dieser sein Doppelspiel auf.[113]

Nicht nur die fehlende Vertrauenswürdigkeit der Diener, auch ihre mangelnde Disziplin erweist sich immer wieder als problematisch. Auf dem Weg nach Timbuktu kämpft Barth nicht nur mit der Kälte: Aus Erziehungsgründen entwendet er der versammelten Manschaft eines nachts sämtliche Schußwaffen.[114]

Diese spielen eine wichtige Rolle beim Selbstschutz aller Afrika-Forscher. Im Lager von Issabegen-Tuareg stößt Barth Im Frühjahr 1854 auf Misstrauen wegen deren Erfahrung mit dem schottischen Forscher Mungo Park (im Sommer 1805 im Nigerbogen),

dessen erzwungene Politik es war, auf einen jeden zu feuern, welcher sich ihm in irgendeiner drohenden Stellung näherte.“

Laing hatte dazu 1826 bemerkt:

„Wie unverständig..., ich möchte sagen, wie selbstsüchtig war es von Park, auf Kosten des Blutes der Einwohner in diesem Lande Entdeckungen machen zu wollen, zur Verhinderung allen späteren friedlichen Verkehrs...“[115]

Nicht umsonst fordert Barth äußerste Vorsicht beim Gebrauch von Waffen, sieht aber andererseits den Grund, der ihn so glücklich viele Gefahren überwinden ließ, darin, dass jedermann gewusst hätte, dass seine „ Waffen stets scharf geladen waren !“[116]

4.5. Ethnographische Methode

Heinrich Barth ist ein Pionier der Sozialforschung. Die Methode seiner Aufzeichnungen setzt Maßstäbe für nachfolgende Forschergenerationen. Er selbst beschreibt sie folgendermaßen:

„Sei es zu Pferde, zu Kamel oder zu Fuß, augenblicklich notierte ich kurz Namen, Beschaffenheit Entfernung vom Tal, Fluss, Berg, Ruinen, u.s.w. auf; jeden Abend...ward das so abgerissen Aufnotierte in kurzen Zusammenhang gebracht, und wo ich dann Muße und etwas mehr Bequemlichkeit fand, setzte ich mich hin, um es umständlicher umzuschreiben. Auf diese Weise fand mein Tagebuch ein, wenn auch zuerst höchst trockenes, doch genaues Memorandum dessen, was ich gesehen hatte. Dazu kamen so häufig wie möglich Skizzen oder auch weiter ausgeführte Zeichnungen (...) so dass (...) ich (...) hinreichend gesichertes Material hatte, um genau und anschaulich meine Route darzulegen.“[117]

Die Ausführlichkeit und Genauigkeit von Barths Aufzeichnungen ist bereits besprochen worden. Kaum verwunderlich ist es in diesem Zusammenhang, dass er seinen Mitstreiter Overweg, den er als „ aufgeweckten, rüstigen Mann voll offenen Sinnes für Lebens- und Naturverhältnisse[118] einschätzt, ein ums andere Mal ob seiner „ etwas zu einseitigen Bildung “ und der „ schlampigen Ausführung “ seines Tagebuchs kritisiert:

„Seine Aufzeichnungen sind in einem solchen Zustande, dass es selbst mit nur mit größter Anstrengung möglich ist, etwas mehr als bloße Namen daraus zusammenzusetzen.“[119]

Barths Beschreibung der Inszenierung von Macht beim Einzug des Sultans von Massenja ist nicht nur ein bemerkenswertes Zeugnis kolonialer Dschungelaristokratie, sondern vermittelt auch eine Eindruck von der Akribie, mit der er seine Aufzeichnungen führt:

Schimmernder Pomp und barbarische Pracht wurden in Fülle entfaltet. Der Sultan trug einen gelben Burnus und ritt einen Grauschimmel, dessen Vortrefflichkeit kaum noch zu erkennen war, da er in Kriegszeug von buntgestreiftem Stoff gekleidet war. Auch der Kopf des Sultans selbst war kaum sichtbar, nicht nur wegen der zahlreichen Reiter, sondern wegen zweier Schirme, der eine von grüner, der andere von roter Farbe - welche ein paar Sklaven auf jeder Seite neben ihm trugen. Sechs Sklaven, deren rechte Arme in Eisenblech gekleidet waren, fächelten ihm mit Straußenfedern, die an langen Stangen befestigt waren, Kühlung zu; um ihn her ritten fünf Häuptlinge. Dann folgten zahlreiche Vornehme des Landes, diesen das Kriegskamel, das der Trommler ritt, der seine Geschicklichkeit auf zwei an der Seite des Tieres befestigten Pauken zur Schau stellte. Neben ihm ritten die Musikanten. (...) Dann folgte eine lange Reihe von fünfundvierzig bevorzugten Sklavinnen oder Konkubinen des Sultans, welche zu Pferde und vom Kopf bis Fuß in einheimisches, schwarzes Baumwolltuch gekleidet waren, jede hatte rechts und links einen Sklaven. Die Reihe endete mit elf Kamelen, welche das Gepäck trugen.“[120]

Barth ist bemüht, modernste Mittel der Kommunikation einzusetzen. Dies belegen schon seine (gescheiterten) Photographieversuche während der Mittelmeer-Reise 1845-47.[121] Während der Afrika-Expedition bemüht sich Barth vergeblich um die Nachsendung eines Malers.[122] Seine eigenen Zeichnungen von Städten, Landschaften und Kulturdenkmälern sind zwar von niedrigem künstlerischem Wert und werden als „ naiv “ und „ unbeholfen[123] beschrieben. Dennoch folgen sie, genauso wie seine schriftlichen Zeugnisse, dem Postulat der Genauigkeit und Detailtreue.

Der angesehene Münchner Professor J. M. Bernatz entwirft auf der Grundlage dieser Zeichnungen sechzig romantisch verbrämte Lithographien, die das Hauptreisewerk Heinrich Barths illustrieren. Einige Hundert solcher Abbildungen reisender Maler und Wissenschaftler sind die einzigen Bildzeugnisse Afrikas bis zur Durchsetzung der Fotographie und prägen das heutige Bild des Kontinents vor der Aufteilung durch die Europäer.

Doch nicht nur neue moderne Formen der Kommunikation, auch bislang unbekanntes Quellenmaterial weiß Barth zu erschließen. Nicht lange vor Barths Zeit hat man in Europa noch angenommen, dass eine geschriebene Historie in Afrika gar nicht existiere. Schriftlos blieb das meiste, was hier „unten“ seit Jahrhunderten geschah. Dann tauchten die Moslem-Chroniken auf. Sie boten jedoch mit langen Entstehungszwischenräumen, dem Islam-Blickpunkt und dem Verwalten von Berichten über Dynastisches und Kriege einer systematischen Auswertung Schwierigkeiten.[124]

So ist es an einem Gelehrten wie Barth, Ordnung in die Faktenmasse zu bringen. Er breitet bei seinen wiederholten Aufenthalten in Kuka Hunderte von Seiten Natur und Geschichte der Länder des Sudan und südlich angrenzender Räume aus. Scharf weiß er zu trennen zwischen Halbgewusstem und annährend Gesichertem. Zumal es für ihn weder die Sprachen- noch die Mentalitätsbarriere gibt, spürt er bis dato unbekannte Chronikenbruchstücke auf.

Barths Leistung für die Kartographie beruht auf seiner großen Sprachkenntnis und einer besonderen Fragetechnik. Als Grundlage kommender Handelsentwicklung erscheint es ihm wichtig, in jeder größeren Stadt die Stationen an den in alle Himmelsrichtungen ausstrahlenden Wegen festzulegen. Dies kann nur durch Befragen der Bewohner und zahlreicher Durchreisender geschehen. Er dokumentiert Reiserouten mit Abreise- und Ankunftszeiten und schließt auf dieser Grundlage auf die Entfernungen zwischen den Ortschaften.[125]

Die Unvoreingenommenheit von Barths Dokumentation der Fremde, von Schiffers als „ sachlich, ruhig und vornehm“[126] beschrieben, ist bereits mehrfach erwähnt worden. Rezeptions- und Feldforschungskontext weiß er genaustens zu trennen. Er weist darauf hin, Orts- und Landschaftsnamen immer in jener Schreibweise wiederzugeben, die der Aussprache der Einheimischen am ehesten entspricht.[127] Die folgende Aussage Barths über seine Art der Landschaftsbetrachtung können wir ohne weiteres auf seine Haltung gegenüber Politik, Soziologie und Geschichte der von ihm dokumentierten Gesellschaften übertragen:

„Es ist mir zur Gewohnheit geworden, alles an und für sich getrennt zu betrachten, und das dürftige, flache Wadi in der Wüste (...) erregt in mir dasselbe Interesse, das bei anderen nur durch die reichste Landschaft geweckt werden kann.“

4.6. Selbstverständnis

Barths Berufung zum ordentlichen Professor 1862 markiert den letzten Wendepunkt in seinem Leben. Erst in diesen letzten Jahren scheint er die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Die Wissenschaft ist ihm Berufung und Verpflichtung zugleich. Am 30. Januar 1865 notiert er:

Was ist belehrender für die Jugend als die Erd- und Völkerkunde in allen ihren belebenden und beseligenden Charakterzügen? Für mich selbst in der Tat ist diese Wissenschaft der Inbegriff, das einigende Band aller übrigen Disziplinen, und gerade wie die verschiedenen Zweige der Wissenschaft ihrer im Leben haftenden Wurzel mehr bewusst werden, muss diese Wissenschaft stets größere Bedeutung gewinnen.“ [128]

Man beachte den sendungsbewussten Ton dieser Rede, mit der Barth Erd- und Völkerkunde, die damals keine eigenständigen Disziplinen, sondern Teilbereiche der Geographie waren, als Universaldisziplinen ins Zentrum der Wissenschaft rückt. Mithin illustriert er die Erfindung der Völkerkunde als Revolution geographischer Wissenschaft und greift nebenbei dem Anspruch heutigen Bildungstourismus vor. Im Hauptreisewerk schreibt er in Abgrenzung gegenüber Geographen, denen die Angabe der Lage von Ortschaften nach genauen astronomischen Beobachtungen als Forschungsziel ausreiche:

„Mir dagegen scheint der allgemeine Charakter eines Landes, die Art und Weise, in welcher die Bevölkerung eingerichtet ist, und die Natur und die Niederlassungen selbst einer der interessantesten Gegenstände einer Reise durch ein neues, unbekanntes Land zu sein.“[129]

Wenn Barth von einer im Leben haftenden Wurzel der Wissenschaft spricht, so ist es vor allem die Sozialwissenschaft und im besonderen die Ethnologie, von der er sich den hier als „ einigendes Band “ beschriebenen Schlüssel zur Erkenntnis erhofft.

Dies ist nur vor dem Hintergrund des Entdeckerzeitalters zu verstehen. Aus heutiger Sicht erscheint es hingegen kaum haltbar, wenn man die gesunkene Bedeutung umfassender gesellschaftsvergleichender Ansätze in der wissenschaftlichen Diskussion in Rechnung stellt. Komparative Ansätze sind heute zu einem zentralen Thema sämtlicher Einzeldisziplinen geworden. Angesichts des Scheiterns der Versuche, einzelne geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen mit einer Leitfunktion innerhalb des akademischen Kanons auszustatten, wie sie in früheren Jahrhunderten Philosophie und Theologie innehatten, erscheint die Idee einer Leitwissenschaft überhaupt abhanden gekommen.

Auch wenn der Gedanke verschiedentlich formuliert worden ist: eine zentrale Position innerhalb der Wissenschaft hatte die Völkerkunde wohl nie inne. Es mag damit zusammenhängen, dass sie sich ihrer selbst nur so lange bewusst war, wie sie mit der Entdeckung unbekannter Erdteile verknüpft war und einen eindeutigen gesellschaftlichen Auftrag besaß. Mit dem Ende des Entdeckerzeitalters und der Loslösung von Politik und Kolonialinteressen verlor sie ihre eindeutige Funktion, von dem barbarischen Zwischenspiel nach `33 einmal abgesehen. Die Disziplin ist heute komplexer und weniger spektakulär. Und doch haben gerade Entdecker wie Barth Wege aufgezeigt, das Komplexe fassbar zu machen.

Sich ihrer Wurzeln bewusst zu werden, könnte der Ethnologie zu einem neuen Selbstbewusstsein als Bindeglied und Brückenschlag zwischen den Disziplinen verhelfen. Und wenn wir von den Wurzeln dieses Wissenschaftszweiges sprechen: Heinrich Barth, der akribische Arbeiter, Überlebenskünstler, Universalist und Humanist, gehört gewiss zu ihren wichtigsten.

5. Literatur:

Heinrich Barth:

Die Große Reise - Forschungen und Abenteuer

in Nord- und Zentralafrika 1849-1855

von Heinrich Schiffers (Hob.)

Horst Erdmann Verlag

Tübingen und Basel 1977

Heinrich Barth:

Im Sattel durch Nord- und Zentralafrika

- Reisen und Entdeckungen in den Jahren 1849-55

von Rolf Italiaander (Hgb.)

F.A. Brockhaus

Wiesbaden 1967

[...]


[1] Schiffers: S. 9f.

[2] Schiffers: S. 399

[3] Schiffers: S. 189

[4] Schiffers: S. 279

[5] Schiffers: S. 74

[6] Schiffers: S. 391

[7] Schiffers: S. 312

[8] Schiffers: S. 412

[9] Schiffers: S. 275

[10] Schiffers: S. 408

[11] Schiffers: S. 279

[12] Schiffers: S. 380

[13] Schiffers: S. 394

[14] Seine Originalaufzeichnungen umfassen 7000 Manuskriptseiten in millimetergroßen Buchstaben, je zur Hälfte englische und deutsche Fassung. (Schiffers: S. 11)

[15] Schiffers: S. 20

[16] Schiffers: S. 44f.

[17] aus dem Vorwort zum Reisewerk Heinrich Barths; Schiffers: S. 37

[18] Gustav von Schubert: „Bahnbrecher der deutschen Afrikaforschung“ (1897)

[19] Italiaander: S. 285

[20] Italiaander: S. 286

[21] Italiaander: S. 287f.

[22] Italiaander: S. 299

[23] Das Abitur ist seinerzeit keine Voraussetzung für ein Studium.

[24] Italiaander: S. 289f.

[25] Schiffers: S. 31

[26] Italiaander: S. 293/ 301

[27] Tatsächlich besitzen Teile der von Barth bereisten Region, insbesondere Nigeria, heute erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Allerdings nicht als gleichwertiger transkontinentaler Handelspartner, sondern als Ölfördergebiet für westliche Großkonzerne. Von einem dauerhaften Nutzen für die einheimische Bevölkerung kann angesichts jahrzehntelanger Unterstützung der Militärdiktatur dabei kaum die Rede sein.

[28] Das Gepäck von Richardsons erster Karawane besteht aus Muscheln, Tauschwaren und Geschenken als Zahlungsmittel, Kleidern, Büchern, Medikamenten, Messinstrumenten, Waffen und Munition, Wirtschaftsgeräten, drei großen und einem kleinen Zelt, Vorräten von Reis und Zwieback, Wasserschläuchen, einem viergeteilten Ruderboot, Bänken, Brettern und Teppichen als Schlafunterlagen u.a. Benötigt werden etwa 20 Kamele. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Karawane gibt Barth mit 2,5 Meilen/ Stunde an. (Schiffers: S. 60ff.)

[29] Schiffers: S. 99ff.

[30] Schiffers: S. 128f.

[31] Schiffers: S. 214

[32] Schiffers: S. 219f.

[33] Schiffers: S. 225

[34] Über die jüngste Geschichte des Bórnu-Reiches notiert Barth: Ein Fulbe-Feldzug gegen Bórnu wurde zuletzt 1809 abgewehrt, der siegreiche Faki Mohammed el Amin el Kanemi aus Fesan hatte daraufhin 1814 seine eigene Hauptstadt, eben Kakuaua (Kuka) errichtet, Scheich Omar war dessen Nachfolger, hatte die alte Dynastie 1835 gestürzt und den König hinrichten lassen, ohne jedoch dessen Anhänger vollständig unterdrücken zu können. Diese kollaborierten mit den Wadai (östl. des Tschad) gegen den Scheich, verwüsteten die Stadt, zogen sich aber wieder zurück, als Omar Hilfsvölker mobilisierte. Während Barths Aufenthalt in der Stadt ist sie von Feinden umgeben: im Westen lauern die kriegerischen Fulbe, im Nordwesten die räuberischen Tuareg, im Osten das feindliche Inselvolk der Budduma, und der eifersüchtige Abderraman (er bittet Barth um Gift) spinnt Intrigen gegen seinen Bruder Omar. 1853 bricht der Bürgerkrieg aus. (Schiffers: S. 246ff.)

[35] Schiffers: S. 263

[36] Schiffers: S. 261

[37] Schiffers: S. 264

[38] Auf dem Weg in den Sudan waren die Ulad Sliman mit den Tuareg in Konflikt geraten, und im Kampf um die Salzlager der Wüste unterlagen sie mit Flinten und Pferden in einer großen Schlacht gegen über 7000, mit Speer, Schwert und Dolch für den Nahkampf besser ausgerüsteten Tuareg. (Schiffers: S. 269)

[39] Schiffers: S. 277

[40] Schiffers: S. 282

[41] Schiffers: S. 281

[42] Barth nach der Rückkehr von dem elfwöchigen Raubzug am 1. Februar 1852; Schiffers:

S. 284

[43] Schiffers: S. 275f.

[44] Schiffers: S. 288

[45] Schiffers: S. 292

[46] Schiffers: S. 294

[47] Barth über Overwegs Tod am 27. September 1852; Schiffers: S. 302

[48] Barths Karawane zählt vier Kamele, vier Pferde und fünf Diener. Wenige Wochen nach seiner Abreise wird Scheich Omar gestürzt und der Vezier ermordet. (Schiffers: S. 311)

[49] Die auf der Hochzeit verbliebene Kiste kommt erst nach Barths Abreise an und wird dem Scherifen übergeben, der 1854 ermordet wird.

[50] Barth über den langen Marsch am 31. März 1853; Schiffers: S. 319

[51] sie forderten von den Bewohnern Timbuktus eine Einschränkung der Vielweiberei und Hemden statt Toben zu tragen (Schiffers: S. 334)

[52] Schiffers: S. 334

[53] Schiffers: S. 337

[54] Schiffers: S. 344

[55] Schiffers: S. 346

[56] Schiffers: S. 347

[57] Schiffers: S. 348

[58] Schiffers: S. 352

[59] Seit jeher hatte Timbuktu, von dem es hieß, hier ströme „das Gold des Sudan“ zusammen und das im Mittelalter „das Rom des Sudan“ geheißen wurde, die Fantasie der Europäer befruchtet. René Caillié war 1828 von Sierra Leone hierher vorgestoßen und hatte die Stadt als armselige Ansammlung von Lehmbauten mit vielen Ruinen gesehen, wo permanente politische Anarchie herrsche, Tuareg und Fulbe im ständigen Kampf gegeneinander stünden und die herrschenden Familien einen permanenten Kleinkrieg auf dem Rücken der Menschen des untergegangenen Reiches Sonrai austrügen. Tatsächlich hatte der Sultan von Marokko die jahrtausendealte Dynastie im 16. Jh. gestürzt, dann aber die Kontrolle über die entlegenden Gebiete verloren. (Schiffers: S. 354ff.)

[60] Schiffers: S. 361

[61] Schiffers: S. 359f.

[62] Schiffers: S. 365ff.

[63] Schiffers: S. 369

[64] Schiffers: S. 370, 372f.

[65] Barth am 30./31. Mai 1855 bei seiner Rückkehr von Kuka nach Tripolis; Schiffers: S. 397

[66] Barth beim Erreichen von Tripolis am 28. August 1855; Schiffers: S. 417

[67] Durogu und Abbega, sind die ersten Nordnigerianer auf europäischem Boden. Die fremde Welt erscheint ihnen ungeheuerlich: Den Nachtzug Marseille-Paris halten sie für ein gewaltiges Tier, den Schnee in Hamburg für Zucker. In London werden sie Königin Viktoria vorgestellt, in Berlin August Petermann. Nach der Trennung von Barth gelangen sie in die Obhut des Missionars Schön. Abbega lebt bis 1859 in England, Durogu bis 1864. Letzterer wird später Sprachlehrer, Abbega zunächst Handelsmann und später sogar Häuptling von Lokoja. (Italiaander: S. 336)

[68] Schiffers: S. 424

[69] Schiffers: S. 423

[70] Schiffers: S. 424

[71] Schiffers: S. 423

[72] Italiaander: S. 283

[73] Schiffers: S. 424

[74] 1858; Schiffers: S. 425

[75] Schiffers: S. 422

[76] Schiffers: S. 421

[77] Schiffers: S. 14

[78] Schiffers: S. 16

[79] Schiffers: S. 376f.

[80] Schiffers: S. 17

[81] Schiffers: S. 113ff.

[82] Schiffers: S. 264

[83] Schiffers: S. 260

[84] Schiffers: S. 230

[85] Schiffers: S. 231

[86] Schiffers: S. 228

[87] Barth am 9. März 1851; Schiffers: S. 232

[88] Schiffers: S. 233

[89] Barth über die Marghi am 13. Juni 1851; Schiffers: S. 262

[90] Barth in einem Brief an Fr. v. Bunsen vom 7. Oktober 1852; Schiffers: S. 302f.

[91] Barth am 13. Juni 1851 (Schiffers: S. 263)

[92] Jüngster Beleg dafür sind die Touristenentführungen im Jemen, mit denen illegale bewaffnete Einheiten erfolgreich Druck auf die Regierung ausüben. Auch am Ende des 20. Jahrhunderts liegt hier die Macht nicht bei dem zu ihrer Ausübung legitimierten Staat, sondern bei den Stämmen.

(„Weltspiegel“; ARD, 28.3.1999)

[93] Schiffers: S. 88ff.

[94] Schiffers: S. 147f.

[95] Schiffers: S. 131ff.

[96] Um Gerüchten vermeintlicher Reichtümer der Europäer zu begegnen (denn solche eilen ihnen voraus), zerschlägt der Diener Ssakser eine eiserne Zwiebackkiste. (Schiffers: S. 157)

[97] Dieser bewegt sich als Händler zwischen den Tuareg und Fulbe und verfügt über Baumwollstreifen aus Mossi, die gängigste Währung dieses Gebietes. (Schiffers: S. 345)

[98] Schiffers: S. 349

[99] Schiffers: S. 351

[100] Ein Paar silberne Pistolen in samtenen Halftern (von Barths eigenem Geld in Tripolis gekauft, die es dem Fürsten besonders angetan haben), ein Burnus (arabischer Mantel) mit Kapuze, mit rotem und gelbem Atlas gefüttert, ein brauner und ein gelber Burnus sowie ein feiner weißer, ein roter Tuchkaftan mit Goldstickerei, ein Paar roter Tuchhosen, ein Stambul-Teppich, drei Zuckerhüte, drei Turbane, eine rote Mütze, zwei Rasiermesser, sechs große Spiegel, Nelken und Djaúi (?), später noch eine arabische Tuchweste, einige kleinere Artikel, eine Spieluhr (die sich als defekt erweist - Barth warnt in diesem Zusammenhang eindringlich vor zerbrechlichen Geschenken!), und eine Harmonika von Barths Vater (Barths Einkaufsliste für Aliú im April 1853; Schiffers: S. 323)

[101] Schiffers: S. 290f.

[102] Barth soll den kranken Manai, einen Vertrauten des Sultans, Medizin geben, verweigert ihm diese aber unter dem Vorwand, es sei zu dunkel für eine Verabreichung. So bleibt er schuldlos am Tod Manais wenige Tage später. (Schiffers: S. 292)

[103] Schiffers: S. 331

[104] Schiffers: S. 178f.

[105] Schiffers: S. 57

[106] Schiffers: S. 123

[107] Schiffers: S. 167ff.

[108] Schiffers: S. 216

[109] Schiffers: S. 242

[110] Um den größten Teil davon anschließend Scheich Omar förmlich als Geschenk zu überreichen.

[111] Schiffers: S. 254f.

[112] Schiffers: S. 362

[113] Er bezieht mit Barth ein Lager vor der Stadt. (Schiffers: S. 363ff.)

[114] Schiffers: S. 315

[115] Schiffers: S. 377

[116] Schiffers: S. 378

[117] Italiaander: S. 298

[118] Schiffers: S. 41

[119] Schiffers: S. 252

[120] Barth in Massenja am 3. Juli 1852; Schiffers: S. 291f.

[121] Die Photographie steckt zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen. (Schiffers: S. 190)

[122] Italiaander: S. 377

[123] Schiffers: S. 190

[124] Schiffers: S. 257

[125] Schiffers: S. 182f.

[126] Schiffers: S. 230

[127] Schiffers: S. 88

[128] Italiaander: S. 359f.

[129] Schiffers: S. 259

Excerpt out of 36 pages

Details

Title
Heinrich Barth - die große Reise
College
Free University of Berlin
Course
Geschichte der Afrikaforschung
Grade
1, 0
Author
Year
1998
Pages
36
Catalog Number
V107544
ISBN (eBook)
9783640058020
File size
579 KB
Language
German
Keywords
Heinrich, Barth, Reise, Geschichte, Afrikaforschung
Quote paper
Clemens Grün (Author), 1998, Heinrich Barth - die große Reise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107544

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