Umberto Boccioni und der Futurismus


Hausarbeit, 2003

24 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Futurismus

3. Die Biographie von Umberto Boccioni

4. Die Stilelemente in futuristischen Werken

5. Die Werke Boccionis
5.1. Die präfuturistische Phase
5.2. Die futuristische Eingangsphase 1910/
5.3. Die Hauptwerke
5.4. Die letzten beiden Jahre seiner Schaffensperiode

6. Resümee

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die fortschreitende Industrialisierung Umwelt und Gesellschaft stark veränderte, nahm sich eine Gruppe von Künstlern des neuen Verhältnisses zwischen dem Menschen und der neuen technisierten Umgebung an. Mit der Bezeichnung Futurismus drückten sie ihre Absicht aus, die Zukunft, symbolisiert in der Maschine, in ihre Kunst aufzunehmen. Zum Mitglied dieser Futuristengruppe zählte neben Giacomo Balla, Carlo Carrà, Gino Severini und Luigi Russolo, auch Umberto Boccioni, ein italienischer Maler, Bildhauer und Schriftsteller, der zu den führenden Theoretikern des Futurismus gehörte.

Umberto Boccioni hat ein nicht sehr umfangreiches, aber reiches Werk hinterlassen, dessen entscheidende Phase vehementer Entwicklung von Bild, Skulptur und Theorie sich auf gerade fünf Jahre erstreckte. Die Malerei des Futurismus verdankt ihm nicht nur ihre Hauptwerke, sondern auch ihre künstlerische Theorie, in der die Widersprüche zur Einheit finden: ”die lastende Tradition forsch abzulehnen und doch beständig Lehren aus dieser Tradition zu ziehen, um einer im Zeitgenössischen verankerten, in die Zukunft gerichteten Kunst willen”.[1]

In meiner Arbeit werde ich die gattungsübergreifende Charakteristik und die Inhalte des Futurismus kurz beleuchten. Anschließend gehe ich auf die Biographie Boccionis ein, um einen Überblick über ihn und sein Leben zu verschaffen. Mit der Beschreibung der stilistischen Mittel der Futuristen stelle ich deren Ausdrucksformen in der Malerei vor, welche an den Werken Boccionis noch verdeutlichen werden sollen.

2. Der Futurismus

Der Futurismus (von lat. futurum ”Zukunft”) ist eine im wesentlichen auf Italien beschränkte, literarische, künstlerische und politische Bewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts, welcher fünf Maler angehörten: Boccioni, Carrà, Russolo, Balla und Severini. Ziel der Futuristen war es, die Tradition zu bekämpfen und dem technischen Zeitalter gerecht zu werden, indem sie das Dynamische der Zeit in der Kunst wiederzugeben versuchten, so dass die Erscheinung der Massengesellschaft, die Großstadt und das Tempo des Verkehrs zentrale Themen waren. Die Kunst des Futurismus machte vor den sozialen Institutionen außerhalb der Kunst nicht Halt, sondern begriff sich als totalisierende Durchstilisierung aller Lebensbereiche – und dies mit ”aktionistischen, aggressiven und destruierenden Selbstinszenierungen”[2], die vor allem an zwei immer wiederkehrende Paradigmen gebunden waren, an den abstrakten Modus der Schnelligkeit und an alles, was im engeren oder weiteren Sinne eine Maschine darstellte, das Auto, das Elektrizitätswerk, vor allem aber das Flugzeug und besonders das Kampfflugzeug.

Der Gründer und Promotor des italienischen Futurismus, Filippo Tommaso Marinetti, veröffentlichte am 20. Februar 1909 auf der ersten Seite des Pariser ”Figaro” den Text mit dem Titel ”Gründung und Manifest des Futurismus”, in welchem er die Existenz einer neuen, einer italienischen Bewegung, die er Futurismus nannte, proklamierte. Tatsächlich war das Manifest zunächst eine bloße Behauptung. Es gab zu diesem Zeitpunkt weder eine Futuristengruppe noch ein einziges futuristisches Werk, sei es in der Literatur, sei es in der bildenden Kunst. Marinetti stellte Forderungen, ohne das Realisationen in Sicht waren.

Das Manifest enthält außer einer epischen Einleitung nur 11 Punkte; in diesen werden Großstadt, Industrie und Geschwindigkeit, Gewalt und Krieg, Anarchie und Nationalismus gefeiert. Neben banalen Provokationen, wie der Behauptung, ein Rennauto sei schöner als die Nike von Samothrake – denn besonderes Interesse galt der Geschwindigkeit und der Schönheit der Geschwindigkeit – waren Forderungen wie:

”Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören... Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen... Schönheit gibt es nur noch im Kampf... Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernicht- ungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.” enthalten. Marinetti wollte mit der Vergangenheit, mit der Tradition brechen, um einen Neuanfang möglich zu machen, ausgedrückt im Namen des Futurismus. Diese neue künstlerische Bewegung sollte weder bisherige Errungenschaften oder Traditionen einbinden noch weiterentwickeln, sondern sie sollte eine Rebellion, eine Revolte gegen alles Bestehende sein.[3]

Der Anschluss der Maler an die von Marinetti initiierte, bisher vorwiegend literarische Bewegung gab den Anstoß für eine gattungsübergreifende Künstlergruppe. Mit dem für die Entwicklung der bildenden Kunst grundlegenden ”Technische[n] Manifest der futuristischen Malerei”, am 11. April 1910 veröffentlicht und unterschrieben von Umberto Boccioni, Luigi Russolo, Carlo Carrà, Giacomo Balla und Gino Severini, ist der eigentliche Beginn der futuristischen Kunst gesetzt. Hier setzte man sich erstmals mit einer Umsetzung (praktischer Art) des futuristischen Kunstbegriffs auseinander und postulierte, was auch in Zukunft den Mittelpunkt der Forderungen bilden sollte: ”Nur die Kunst ist lebensfähig, die ihre Elemente in der sie umgebenden Umwelt findet.”[4] Die umgebende Umwelt, das war für die Futuristen die neue Technik, der industrielle Fortschritt, Praxis, Arbeit und Alltagsleben. Die Trennung zwischen Kunst und Technik sollte abgebaut werden. Nicht imaginäre künstlerische Welten, wie sie die Kunst nach Meinung der Futuristen bisher schuf, sollten entstehen, sondern eine von allen traditionellen Fesseln befreite Kunst. Die konkrete Spiegelung der Moderne, keine künstlerische Verfremdung, wurde zum ästhetischen Gegenstand selbst erklärt. Technik und Maschinen sollten nicht nur in ihrem äußeren Erscheinungsbild in die Kunst eingebunden werden, sondern die Kunst sollte sich an die Logik der Maschinen, an deren Gesetze und Wirkungen auf Befinden und Psyche des modernen Menschen anpassen. Gemeinsamer Nenner aller Künste war die technische Revolution und die daraus resultierenden veränderten Wahrnehmungen. Aus der Forderung nach der Aufhebung der Grenze zwischen Technik und Kunst und nach einer Kunst, die dem Leben entspricht, folgte das Ziel einer umfassenden futuristischen Umgestaltung der technischen Lebenswelt durch die Künste, die ihre eigentliche Charakteristik als künstlich im Gegensatz zum realen Leben aufgeben sollte. Ein umfassender futuristischer Lebensentwurf, das bedeutete auch, dass sich die Künste von ihrer Eigenart lösen und miteinander verschmelzen sollten.

Es ging dem Futurismus nicht, wie Strömungen vor und während seiner Zeit, um formale Probleme oder eine neue Ästhetik, sondern um die Erneuerung des Lebens im Gesamten.[5] Denkt man diese Forderung weiter, hätte sie eigentlich zur Auflösung der Kunst in ihrem damaligen Sinne führen müssen.

3. Die Biographie von Umberto Boccioni

1882 am 19. Oktober wird Umberto Boccioni in Reggio di Calabria geboren.

1897 B. geht mit seinem Vater nach Sizilien und macht am Technischen Institut sein Diplom.

1900 lässt sich in Rom nieder, arbeitet als Plakatmaler und besucht Zeichenkurse an der Scuola Libera del Nuldo, lernt Gino Severini kennen, mit dem er zusammen Unterricht bei Giacomo Balla nimmt.

1906 Besuch in Paris. Reisen nach Moskau, St. Petersburg, Warschau. Danach Niederlassung in Padua bei seiner Mutter.

1907 kurzer Besuch der Accademia di Belle Arti in Venedig, Umzug nach Mailand, Reisen nach München und Paris.

1908 Begegnung mit Gaetano Previati.

1910 Anfang des Jahres Begegnung mit Marinetti, Veröffentlichung des Manifest der futuristischen Malerei, 42 Werke Boccionis in seiner ersten Einzelausstellung in Venedig.

1911 Boccioni mit Carrà und Russolo unter Anleitung von Severini in Paris. Begegnungen mit französischen Künstlern, auch mit den Kubisten.

1912 Futuristen-Ausstellung in Paris, London, Berlin und Brüssel. Besucht Paris, Berlin, London. Boccioni beginnt mit der Bildhauerei und publiziert das Technische Manifest der futuristischen Skulptur

1913 Ausstellung der Skulpturen in Paris und Rom. Futuristen-Ausstellung in Rom. Boccioni schreibt mehrere Artikel für die Zeitschrift Lacerba. Parole in Libertà. Futuristen-Ausstellung in Florenz.

1914 Boccioni veröffentlicht Pittura scultura futuriste: dinamismo plastico in Mailand - das wichtigste theoretische Werk über die futuristische Bewegung.

1915 meldet er sich freiwillig in einem Fahrradbataillon, zusammen mit Marinetti, Sironi, Russolo und anderen Futuristen. Mit den Futuristen Teilnahme an der Panama-Pacific International Exposition in San Francisco.

1916 Rückkehr nach Mailand. Im Juli geht er zur Feldartillerie nach Sorte bei Verona. Am 17. August stirbt Boccioni an den Verletzungen, die er sich bei einer Kriegs- verwundung zugezogen hatte, da er während seiner Genesungszeit zu früh ausritt und vom Pferd stürzte. Im Dezember wird eine von Marinetti betreute Ausstellung in Mailand eröffnet.

Umberto Boccioni gehörte der größten Künstlergeneration an, welche die Moderne nach allen Richtungen hin auszuformulieren begann: Pablo Picasso und Fernand Léger, Max Beckmann und Oskar Kokoschka, Robert Delaunay und Franz Marc, Paul Klee und Ernst Ludwig Kirchner.[6]

Was er in die Welt setzte, kam aus der immensen Spannung zwischen zukunftsgläubiger Emotion und tiefster Unsicherheit vor der Staffelei. Die Anforderungen von draußen und drinnen lasteten so mächtig auf ihm, dass er meinte, in der Realisation nicht mithalten zu können. Im Jahre 1911, als er die ersten bedeutenden Werke bereits geschaffen hatte, schrieb er: ”Ich erobere das Leben! Mit den Gedanken erreiche ich die höchsten Gipfel der Kunst, aber was ich schaffe, scheint mir mehr oder weniger Dreck!”[7]

Boccioni saugte die neuen Tendenzen in sich auf, ohne sich parteilich nach einer Seite hin zu entscheiden. Stets wollte er das ”Neue” erreichen, denn ihn ekelten ”die alten Mauern, die alten Paläste, die alten Motive, die Erinnerungen”[8]. Für ihn waren entscheidende Experimente in der Kunst bereits geschehen, ohne das damit ein Bruch zum ”Alten”, nach seiner Ansicht, vollzogen wurden wäre. Eine weitere Entwicklung in der Kunst war nicht mehr fraglos, sondern bedingte die Synthese dessen, was bereits vorlag, um so der Kunst einen festen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Natürlich bedurfte es einer persönlichen Wandlung seiner selbst, weg vom bürgerlichen und akademischen, hin zum revolutionären. Er erkannte, dass den Normen die radikalste Normzerstörung entgegengesetzt werden müsse: ”Man braucht den Wahnsinn! den delirischen Wahnsinn! die Schreie! die Tränen!”[9]

Im Jahre 1910 schloss Boccioni sich, gemeinsam mit seinen Freunden Carlo Carrà und Luigi Russolo, Filippo Tommaso Marinetti an. Die Erfüllung hoher Veränderungsansprüche von Seiten Marinettis bereitete ihm erneut Schwierigkeiten, wichtiger war jedoch, dass er in dieser Gruppe die Bestätigung fand, die er für sein Werk dieser frühen Jahre brauchte. Er ging in der futuristischen Revolte auf, und wahrte gleichwohl einen eigenen Stand neben Marinetti.

Auf einer Parisreise im Jahre 1911 kam Boccioni mit dem sich dort entwickelnden Kubismus in Kontakt (lernte auch einige Kubisten persönlich kennen), dessen Stilelemente er zunehmend in seinen Bildern übernahm, was zur Folge hatte, dass er sich immer mehr vom Impressionismus distanzierte. Er forderte für die Bildenden Künste, die futuristischen Künstler sollten ”den harten Rhythmus der Fabriken, den Lärm, das Pfeifen der Züge, das Heulen der Sirenen, das Klopfen der Motoren, die rhythmischen Schläge der Triebriemen”[10] als Themen bevorzugen. Dargestellt werden sollten nicht mehr Gegenstände oder Geschehen wie auf einer Bühne, sondern der Künstler und seine Wahrnehmung der dynamischen Wirklichkeit. Die auf das Objekt wirkenden Kräfte physikalischer Art, die umgebenden Farben und der Raumcharakter sollten eingefangen, das Wesen der Bewegung erfasst werden. Die Darstellungsform in simultaner (gleichzeitig nebeneinander) Weise sollte der Forderung, die Malerei müsse die Geschwindigkeit und die Dynamik des modernen Lebens erfassen, Rechnung tragen. Bewegungsabläufe, die normalerweise nacheinander ablaufen, sollten simultan dargestellt werden.

[...]


[1] Schneede 1994, S. 10

[2] Schneede 1994, S. 9

[3] vgl. Schmidt-Bergmann1993, S.57

[4] zit. nach: Schmidt-Bergmann 1993, S. 69

[5] vgl. Schmidt-Bergmann 1993, S. 196

[6] vgl. Schneede 1994, S.7

[7] Schneede 1994, S.9

[8] ebenda, S. 8

[9] ebenda, S.9

[10] Boccioni 1913. In: Apollonio 1972, S. 37

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Umberto Boccioni und der Futurismus
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Kunstgeschichte)
Note
1,4
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V10753
ISBN (eBook)
9783638170994
ISBN (Buch)
9783656622024
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umberto, Boccioni
Arbeit zitieren
Mandy Langer (Autor:in), 2003, Umberto Boccioni und der Futurismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10753

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