Statussymbole


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Begriffsbestimmungen

3. Die gesellschaftlichen Wurzeln

4. Wesen und Erscheinungsformen der Statussymbole
4.1 Materielle und Immaterielle
4.2 Käufliche und Nicht-Käufliche
4.3 Echte und Unechte

5. Die Mimikry-Problematik

6. Lebenszyklus und Funktion der Statussymbole

7. Perspektiven der Statussymbole
7.1 Die ökonomische Perspektive
7.2 Die interkulturelle Perspektive
7.3 Die intrakulturelle Perspektive

8. Einfluss der Statussymbole auf die Gesellschaft

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

1 Einführung

Dass der Mensch in bestimmten Situationen anderen Individuen etwas vorspielt, ist sicherlich eine Feststellung, die niemanden überraschen wird. Jedermann kann von derartigen Erfahrun- gen berichten, sei es, weil er jemanden bei dessen Rollenspiel durchschaut hat oder weil er, selbstkritisch gesehen, anderen manchmal, bewusst oder unbewusst, ein manipuliertesIch präsentiert. Selbst im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese menschliche Eigenart manifes- tiert. So verwendet man, ganz unbedacht, das aus dem Lateinischen stammende WortPerson als Bezeichnung für das einzelne Individuum. In seiner eigentlichen Bedeutung aber heißt es Maskeund steht somit für die Rolle, die der Einzelne in einer bestimmten Situation spielt. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Erving Goffman geht gar soweit, zu sagen,[...] daßjedermannüberall und immer mehr oder weniger bewußt eine Rolle spielt [...]1Es handelt sich hierbei somit um eine Form der interpersonalen Kommunikation, bei der Informationen dem Empfänger mit der Absicht, in ihm ein bestimmtes Bild hervorzurufen, vermittelt wer- den. Dabei können sich die Menschen grundsätzlich aller Formen verbaler und nonverbaler Kommunikation bedienen.

In meiner Arbeit werde ich mich mit denStatussymbolenbeschäftigen, auf welche Weise und mit welchem Ziel man mit ihnen kommuniziert. Ich werde deren Entstehung und Bedeutung für unsere Gesellschaft darstellen und deutlich machen, weshalb diese, ganz selbstverständ- lich, zu unserem alltäglichen Rollenspiel gehören. Die Ergebnisse werde ich in einem Fazit zusammenfassen.

2 Begriffsbestimmungen

Autoritätbenennt als soziologischer Begriff die Anerkennung der Kompetenzen einer Person innerhalb der sozialen Gruppe und den daraus resultierenden Vertretungs- und Führungsan- spruch.Autorität ist also das Ergebnis einer wechselseitigen Beziehung zwischen dem Trä-ger der Autorität und demjenigen, der durch die Anerkennung der Autorität diese erst schafft.2

DerHALO-Effektbezeichnet eine Art der Urteilsverzerrung in der intersubjektiven Fremd- wahrnehmung. Erstmals erforscht wurde dieses Phänomen von dem australischen Psycholo- gen Paul Wilson. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass, werden an einer Person einige positive

oder negative Eigenschaften entdeckt, die Betrachter dazu neigen, ihr noch weitere, gleich gerichtete Eigenschaften zuzuschreiben, um das Persönlichkeitsbild abzurunden.3Auf ähnliche Weise arbeitet auch derStereotypen-Effekt. Nur nimmt hierbei der Beurteiler bestimmte Kategorisierungen und Generalisierungen vor. Wenn er glaubt, die meisten Menschen einer gewissen Kategorie verfügen über bestimmte Merkmale, dann sieht er diese möglicherweise in jedem Einzelnen der Gruppenmitglieder.4

DieHierarchieist eine auf bestimmte gesellschaftliche Sektoren bezogene Ordnung festgelegter Rechte und Kompetenzen.5

DerStatusbezeichnet als soziologischer Begriff die soziale Einordnung einer Person in der Hierarchie einer Gesellschaft. In der Regel wird zwischen zugeschriebenem (ererbten), übertragenem (etwa durch Heirat) und (durch Leistung) erworbenem Status unterschieden. Im engeren Sinn istStatusdabei auf die dem Einzelnen durch andere entgegengebrachte soziale Wertschätzung bezogen, die dieser im Verhältnis zu anderen Individuen genießt. In der sozialpsychologischen Rollentheorie bezeichnet Status synonym zur sozialen Position den Ort, den eine Person in einem gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht einnimmt und an den bestimmte soziale Rollenerwartungen geknüpft sind.6

UnterSymbolversteht man allgemein einen sinnlich wahrnehmbaren Verweisungsgegenstand oder -vorgang, der zeichenhaft für etwas anderes, mit den Sinnen nicht Wahrnehmbares (Gedachtes bzw. Geglaubtes) steht.7

3 Die gesellschaftlichen Wurzeln

Statussymbolekönnen definiert werden als materieller Besitz, Titel oder Verhaltensweisen in hierarchisch gegliederten Gesellschaften, deren Zweck in der Darstellung des relativ höheren Ranges liegt. Dabei haben diese die Aufgabe, öffentlich zur Schau zu stellen, dass der Träger, relativ zum Publikum, zur Elite gehört.8Sie sind[...] Rangzeichen, die Machtverhälnisse klären sollen [...]und dienen in unserer Leistungsgesellschaft als[...] Waffe, um den Mit- menschen einzuschüchtern und zur Anpassung und Unterordnung zu zwingen.9Dieser Zwang erfolgt meist ganz latent und unbemerkt. Er weckt in den Menschen Wünsche, Sehnsüchte, Neid, Ehrfurcht, Achtung, Angst und viele weitere Gefühle, die, wie ich später noch erörtern werde, notwendig zum Funktionieren unserer Gesellschaft sind.

Um das Zustandekommen vonStatussymbolenzu verstehen, muss man sich zunächst mit dem Boden beschäftigen, dem sie entspringen. Peter Lauster, Diplompsychologe und Begrün- der des Instituts fürPsychologische Diagnostik und Therapiein Köln, sieht in der autoritären Erziehung der Menschen die Hauptursache für deren Minderwertigkeitsgefühle und Gel- tungsbedürfnis. Durch diese Art der Erziehung entwickelt sich eine autoritär geprägte Persön- lichkeitsstruktur.

Hoher Status, Stärke und ihre Symbole werden bewundert, niedriger Status und Schwäche werden emotional stark engagiert abgelehnt. Es besteht ein großes Bedürfnis nach Sicher-heit (Risikoscheu), nach Unterordnung und Anpassung. Angepaßtes, normales Verhalten wird fanatisch angestrebt und unangepaßte Außenseiter werden feindselig abgelehnt.10

Es bildet sich ein geschlossenes Denk- und Verhaltenssystem aus, welches verhindert, dass neue Erfahrungsbereiche erschlossen werden, die sich positiv auf das Persönlichkeitsbild auswirken könnten. Autoritär erzogene Menschen benötigen Autoritäten, an denen sie ihr Verhalten orientieren, und ein festes Statussystem, in das sie sich einordnen können. Experi- mente des amerikanischen Psychologen Stanley Milgram ergaben, dass ungefähr zwei Drittel aller Menschen so stark autoritätshörig sind, dass diese sogar bereit wären, entgegen ihren eigenen ethischen und moralischen Bedenken, Menschen zu Tode zu quälen, wenn ihnen dies von höher gestellten Personen befohlen würde(vgl. Milgram-Experiment).11Natürlich könnte man argumentieren, dass seit den sechziger Jahren, in denen diese Experimente stattfanden, viel geschehen ist. Nicht zuletzt sorgte die 68er Generation schließlich für ein Umdenken im Umgang mit Kindern und deren Erziehung. Doch lässt sich meiner Meinung nach dieses Jahr- tausende alte Autoritätssystem nicht innerhalb von wenigen Jahrzehnten beseitigen. Zu tief ist es in unserer Kultur verwurzelt.

4 Wesen und Erscheinungsformen der Statussymbole

Erving Goffman vergleicht in seinem BuchWir alle spielen Theaterdie Welt mit einer riesigen Bühne, deren Kulissen die individuelle Umwelt bietet, in der man sich bewegt. Deren Ensemble sind die Menschen, denen man darin begegnet. Die Rolle, die man bei diesem Spiel einnimmt, resultiert dabei einerseits aus den persönlichen Wertvorstellungen und Idealen als auch aus den Erwartungen, welche andere an den Einzelnen stellen.

Genauso vielfältig wie das menschliche Rollenspiel selbst sind auch die Kostüme und Mas- ken. Es ist schwer festzustellen, welche und in welchem Verhältnis Gegenstände, Bezeich- nungen oder Verhaltensweisen alsStatussymbole dienen und welche dem „normalen“ Gebrauch. Niemand wird die Frage, ob einMercedeseinStatussymbolist, eindeutig mit „Ja“ beantworten können, kommt es doch ganz auf die persönliche Sichtweise und die Absichten des Besitzers an, die er beim Kauf des Fahrzeuges hegte. So spielt stets eine Vielzahl unter- schiedlicher Einflussgrößen eine Rolle, angefangen von den Intentionen des Merkmalsträgers bis zum kulturellen und sozialen Umfeld, in welchem er sein Auftreten inszeniert. Es bleibt immer dem Beobachter selbst überlassen, seine Mitmenschen zu interpretieren und subjektive Schlüsse zu ziehen. Einzig eine Kategorisierung der möglichen Merkmalsausprägungen unter bestimmten Gesichtspunkten hilft das scheinbar unbegrenzte Arbeitsfeld zu beschränken. Ei- nige dieser Kategorien werde ich im Folgenden darstellen und an Beispielen erläutern.

4.1 Materielle und Immaterielle

Eine mögliche Einteilung ist die in materielle und immaterielleStatussymbole. Während im allgemeinen Sprachgebrauch vornehmlich erstere mit dem Begriff in Verbindung gebracht werden, umschließt dieser laut Definition jedoch auch alle körperlosen, geistigen und ideellen Symbole für den Status einer Person innerhalb einer bestimmten sozialen Ordnung.12Als Bei- spiele hierfür können neben einem hohen Bildungsgrad, Titeln und Würden, auch elitäre Sportarten, ausgefallene Urlaubsziele oder Vergünstigungen am Arbeitsplatz aufgeführt wer- den. Zu den materiellenStatussymbolenkönnen dagegen alle erdenkbaren Gegenstände und Konsumgüter gehören. Teure Designerkleidung und Accessoires, Luxusautos, die „richtige“ Wohnadresse in exponierter Lage, seltene Kunst- oder Sammlerstücke gehören ebenso dazu, wie der Genuss teurer Spezialitäten. Bei den angeführten Beispielen handelt es sich natürlich nur um eine kleine Auswahl, die man beliebig erweitern könnte, und welche abhängig vom Blickwinkel des Betrachters ist.

Bereits bei der Unterscheidung in materiell und immateriell wird bei näherer Betrachtung ein weiteres Unterscheidungskriterium deutlich, nämlich das in käuflich und nicht käuflich.

4.2 Käufliche und Nicht Käufliche

Während materielleStatussymbolein der Regel auch käuflich sind, zeichnen sich viele imma- terielle Rangzeichen gerade dadurch aus, dass sie nicht mit Geld erworben werden können.13Sie sind vielmehr an die Erbringung anderer, meist hervorstechender Leistungen und Ver- dienste gebunden. Der Leistungserbringer wird dafür mit der Verleihung von Titeln, Würden, Auszeichnungen oder dem Aufstieg auf der so genannten „Karriereleiter“ belohnt. Meist sind diese nicht käuflichenStatussymboleverbunden mit der Möglichkeit, diese nach Außen für jeden sichtbar zu dokumentieren und erhalten somit einen materiellen Indikator. So dienen Orden, Urkunden, Pokale, aber auch Rangzeichen beim Militär dazu, den neuen Status für andere sichtbar zu machen. Zu den nicht käuflichenStatussymbolenkann jedoch auch die Körpersprache und das persönliche Auftreten gezählt werden. Wer einen gehobenen Status erreicht hat, wird dies seinen Mitmenschen auch durch sein Verhalten mitteilen und entspre- chende Gegenreaktionen erwarten. Abschließend sei zu diesem Thema noch erwähnt, dass inzwischen einige dieser eigentlich nicht käuflichenStatussymbole, wie zum Beispiel Doktor- oder Adelstitel, auf unterschiedlichsten Wegen doch finanziell erwerbbar geworden sind. So erhalten diejenigen, die bereits finanziell begünstigt sind die Möglichkeit, sich über diese Ti- tel noch weiter von den anderen zu distanzieren.

4.3 Echte und Unechte

Gerade der Umstand, dass die Art und Weise, wie wir von anderen Menschen behandelt wer- den in unmittelbarem Zusammenhang mit dem sozialen Status steht und dass dieser durch Symbole offenbart wird, bringt viele Menschen dazu, nicht mehr nach der Erreichung des Status, sondern nur nach den dafür stehenden Symbolen zu streben. Während echteStatus-symboledie Höhe des tatsächlich erreichten Ranges kennzeichnen, handelt es sich somit bei den unechtenStatussymbolenum Zeichen für die Höhe des sozialen Ranges, der erwünscht und angestrebt wird. Durch die Darstellung der dafür notwendigen Symbole werden die Bet- rachter dazu veranlasst, den Darsteller auf eine bestimmte Weise zu behandeln. Dafür exis- tiert in unserer Gesellschaft eine Art ungeschriebener Verhaltenskodex. Goffman schreibt:

Die Gesellschaft hat sich so etabliert, daßjeder mit Recht erwarten darf, von den anderen nach seinen sozialen Eigenschaften eingeschätzt und behandelt zu werden. Mit diesemPrinzip ist ein zweites verknüpft: daßnämlich jemand, der ausdrücklich oder stillschweigend zu verstehen gibt, er habe diese oder jene sozialen Eigenschaften, auch wirklich dassein soll, was er behauptet. [...] Zugleich gibt er stillschweigend jeden Anspruch auf, etwas zu sein, was er nicht zu sein scheint [...]14

5 Die Mimikry-Problematik

In der Biologie wird der BegriffMimikryverwand, um die Nachahmung anderer Spezies oder der Lebensumwelt zu bezeichnen. Diese Nachahmung, wie man sie vom Chamäleon kennt, oder von harmlosen Schlangen, welche hochgiftige Artgenossen imitieren, dient dem Schutz vor Feinden und zur Tarnung auf der Futtersuche.15In der Verhaltensforschung wird dieser Begriff benutzt, um die Nachahmung bestimmter Rangsymbole durch Rangniedrigere auszudrücken.Mimikrysind somit immer unechteStatussymbole.

In früheren Gesellschaften gab es teilweise Gesetze, die vor unrechtmäßigem Gebrauch von Statussymbolenschützen sollten. So war im mittelalterlichen England die Kleiderordnung für jeden Stand genauestens per Gesetz geregelt. In Indien musste je nach Stand und Kastenzuge- hörigkeit der Turban entsprechend gebunden werden. In Deutschland, zur Zeit der Renais- sance, wurden Frauen, die sich über ihrem Stand kleideten mit dem Schandkragen bestraft und im 18. Jahrhundert war es den Frauen in Neu-England (Amerika) erst dann erlaubt einen Seidenschal zu tragen, wenn ihr Mann mehr als 1000 Dollar besaß. Heute gibt es nur noch wenige Gesetze, welche die Nachahmung von Rangsymbolen verhindern sollen. Diese betref- fen vor allem besondere staatliche Auszeichnungen oder Titel. Das Bestreben des Einzelnen aber, sich aus seiner sozialen Rolle zu erheben und innerhalb der Gemeinschaft aufzusteigen, und sei es nur durch Nachahmung der Symbole anderer, ist bei uns sogar erwünscht und gilt als Motor der Leistungsgesellschaft. Allerdings könnenMimikryauch auf ganz andere Art und Weise auftreten. Zwar dienen sie in den meisten Fällen dazu, sich in einem besseren Licht erscheinen zu lassen, doch es gibt auch Ausnahmen. Wenn die gesellschaftlich verinner- lichten Werte einer bestimmten Gesellschaftsgruppe unter deren tatsächlichem Status liegen, können die Angehörigen dieser Gruppe dazu gezwungen sein, ihr wahres Potential zu verber- gen, da ihnen sonst Sanktionen drohen. So schildert Goffman am Beispiel der Situation afro- amerikanischer Arbeiter zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, dass diese freiwillig die Symbole eines niedrigeren Status annahmen. Sie gaben sich mit weniger Gehalt sowie einem niedrigeren Titel zufrieden, obwohl sie die gleichen Arbeiten wie ihre weißen Kollegen durchführten.16

Eine bestimmte Art von Person sein, heißt also nicht nur, die geforderten Attribute zu besitzen, sondern auch, die Regeln für Verhalten und Erscheinung einzuhalten,die eine bestimmte soziale Gruppe mit diesen Attributen verbindet.17

6 Lebenszyklus und Funktion der Statussymbole

Wie Goffman in seinem Buch genauestens beschreibt, interpretieren sich die Menschen ge- genseitig und nehmen einander als Orientierungsobjekte wahr. Sie sind sich dessen auch durchaus bewusst und inszenieren daher ihr Auftreten innerhalb von sozialen Gruppen.

Wenn der Einzelne eine Rolle spielt, fordert er damit seine Zuschauer auf, den Eindruck, den er bei ihnen hervorruft, ernst zu nehmen.18Bei ihrem „Bühnenspiel“ sind die Individu- en dabei stets darauf bedacht, ein Ideal darzustellen, welches die in der Gruppe anerkannten gesellschaftlichen Werte verkörpert.19Vielleicht der wichtigste Teil der Bedeutungsträger innerhalb der sozialen Klassen sind die Statussymbole [...]20In unserer hierarchisch organi- sierten Gesellschaft gelten sie als Lohn für erbrachte Leistungen und signalisieren damit Leis- tungsbereitschaft, Fleiß, Engagement, Durchhaltevermögen, sowie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten, mehr oder weniger erfolgreichen Schicht.21Den Trägern dieser Symbole werden dementsprechend bestimmte positive Eigenschaften zugeschrieben. Der aus der Psychologie bekannteHALO - Effektsorgt dann, auf der Empfängerseite der Botschaft dafür, dass dieses positive Bild auf die gesamte Persönlichkeit übertragen und abgerundet wird. Auf dieser Tat- sache beruht auch die bedeutende Macht des „ersten Eindrucks“. Nichts entscheidet stärker über den weiteren Verlauf einer Begegnung zweier gegenseitig unbekannter Menschen, als die ersten flüchtigen Sinneswahrnehmungen,denn auf der Grundlage dieser Anfangsinfor- mationen beginnt er [man] die Situation zu definieren und die Richtung seiner Reaktions- handlung auszubauen.22So sindStatussymbole, im Zusammenspiel mit anderen Äußerlich- keiten, dazu in der Lage, im Betrachter Vorstellungen von seinem Gegenüber zu wecken, welche, gleichgültig ob zutreffend oder nicht, einen großen Teil seiner Persönlichkeit be- schreiben. Doch nur wenn dieses Zusammenspiel reibungslos funktioniert, wird die gespielte Rolle glaubhaft und von den Betrachtern nicht als Täuschung entlarvt. Goffman bemerkt hier- zu:

Da sie [die Anderen] wissen, daßsich der Einzelne wahrscheinlich in einem für ihn güns-tigen Licht darstellen wird, können sie an ihrer Beobachtung zwei Aspekte unterscheiden: einen Aspekt, den der Einzelne verhältnismäßig leicht und seinem Willen entsprechend ma- nipulieren kann [...] und einen,über den er nur wenig Macht und Kontrolle zu haben scheint, weil er sich hauptsächlich aus dem, was der Einzelne ausstrahlt, ableitet. Die an-deren können dann die als nicht manipulierbar angesehenen Aspekte seines Verhaltens als Kriterium dafür verwenden, was in den vermittelten manipulierbaren Aspekten gültig ist.23

In dem ständigen Bestreben, ihren sozialen Status zu erhöhen, greifen die Menschen regelmä- ßig nach den Symbolen der höheren Schichten und versuchen diese zu imitieren bzw. zu er- langen. Dieses Bedürfnis entspringt dem durch Minderwertigkeitsgefühle hervorgerufenen Geltungsstreben der Menschen. Durch die Betonung von Rangzeichen sollen diese kompen- siert und zur Ruhe gebracht werden.24Die Angehörigen der oberen Schichten hingegen su- chen ebenfalls nach immer neuenStatussymbolen, um den Abstand zu „denen da unten“ zu wahren. Es entsteht ein Kreislauf, in dem die Luxusgüter von heute zur Massenware von morgen werden. Die Wirtschaft ist gern bereit, diesen Bedarf in beide Richtungen zu befrie- digen. Ein tatsächlicher Aufstieg innerhalb des sozialen Systems ist mitStatussymbolendem- nach also nicht möglich. Doch der Glaube daran erhält die Gesellschaft am Leben.

Solange das Geltungsstreben nach Statussymbolen verlangt, lassen sich selbstunsichereMenschen bequem lenken, weil sie ihre Minderwertigkeitsgefühle durch Statussymbolekompensieren wollen und deshalb einsatzbereit und pflichtbewußt sind.25

7 Perspektiven der Statussymbole

Die Thematik derStatussymbolelässt sich aus verschiedenen Sichtweisen betrachten, welche helfen, ihr Wesen weiter zu entschlüsseln. Im Folgenden werde ich eine kleine Auswahl dieser näher erläutern und anhand von Beispielen illustrieren.

7.1 Die ökonomische Perspektive

Ganze Wirtschaftszweige leben von der Produktion und Vermarktung vonStatussymbolen. Sie befriedigen damit die beständige Nachfrage nach immer neuen Möglichkeiten, sich von der „Masse“ zu distanzieren. Aus ökonomischer Sicht unterscheiden sichStatussymbolevon anderen Gütern dadurch, dass bei ihnen der eigentliche (Grund-)Nutzen oder Gebrauchswert in den Hintergrund gedrängt wird. Dieser macht nur noch einen sehr kleinen Teil des Pro- duktwertes aus. Der erheblich größere Teil ist für den Zusatznutzen reserviert. Über diesen verfügen zwar die meisten auf dem Markt erhältlichen Produkte, doch bei denStatussymbolen ist er besonders stark ausgeprägt. Nicht mehr die Funktion eines Produktes macht dessen ei- gentlichen Wert aus, sondern die repräsentative Geltung, das Image, die Seltenheit oder der „große Name“.26Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Armbanduhren. Als Grund- nutzen kann hier der Wert der billigsten am Markt erhältlichen Armbanduhr angenommen werden, da auch diese die Aufgabe, die Zeit anzuzeigen, voll erfüllt. Nimmt man hier einen Betrag von ungefähr 5 Euro an, so dürfte bei diesem Exemplar fast der gesamte Kaufpreis auf den Grundnutzen entfallen. Anders ist es bei einer Rolex. Auch diese verfügt über den glei- chen Grundnutzen (5 Euro), jedoch fällt dieser im Vergleich zum Kaufpreis von mehreren tausend Euro kaum ins Gewicht. Selbst wenn man bestimmte Produkteigenschaften wie Ver- arbeitungsqualität, Material und Gewährleistung in den Grundnutzen mit einbezieht, bleibt eine erhebliche Diskrepanz. Diese machtStatussymboleaus Sicht der Wirtschaft besonders attraktiv, da den Herstellungskosten ein erheblich höherer Verkaufspreis und somit Gewinn gegenüber steht. Aus diesem Grund versuchen viele Firmen immer wieder mit aufwendigen WerbekampagnenStatussymbolekünstlich zu kreieren. Mit Slogans wie:Status ist leise. Volvo ist die Entscheidung, sich das Leise leisten zu können, oder einen Wagen zu fahren, den nicht jeder besitzt27, sollen potentielle Käufer mit ihrem Geltungsbedürfnis und Statusden- ken angesprochen werden. Auch die Sektfirma Deinhard versucht ihre Produkte in den geho- beneren Schichten, bzw. als Symbol für deren Lebensart, zu etablieren. Einer ihrer Werbe- sprüche lautet:Nur wenige wissen ihn zu genießen. Aber zu diesen Wenigen würden die meisten gerne gehören.28

7.2 Die interkulturelle Perspektive

Die Frage, was einStatussymbolist und was nicht bzw. was als solches gilt, wird in den ver- schiedenen Kulturkreisen der Welt unterschiedlich beantwortet. Wichtige Einflussgrößen sind hierbei neben dem Lebensstandard und dem Durchschnittseinkommen der Einwohner, auch die überlieferten und übernommenen kulturellen Werte und Traditionen. Insbesondere in den von der abendländischen Kultur noch weitgehend unbeeinflussten Naturvölkern Südamerikas und Afrikas finden sich viele hierzulande unbekannteStatussymbole. Diese beschreiben ent- weder den Rang innerhalb des Stammes, das Erreichen eines bestimmten Lebensabschnittes oder ganz konkrete Erfolge. Zu diesenStatussymbolen zählen zum Beispiel die Hautbema- lung, die Haarfarbe, Kleidung und Schmuck, Körperverstümmelungen, Trophäen, das Recht sich an bestimmten Orten aufhalten oder sich an Ritualen beteiligen zu dürfen sowie die Auf- gaben, die man zu erfüllen hat.29Mit den abendländischen Erfolgssymbolen wird man hier recht wenig anfangen können, da diese ein ganz anderes Erfolgsbild verkörpern. Anderenorts jedoch wurde dieses schon längst übernommen, einzig die finanziellen Mittel fehlen, sich die Rangsymbole dafür zu kaufen. So gilt der Besitz mancher Güter, welche in den meisten In- dustrieländern einfach nur Gebrauchsgegenstände sind, in vielen Ländern Afrikas, Asiens oder Süd- und Lateinamerikas alsStatussymbol. Selbst der Zugang zu wichtigen Informati- ons- und Kommunikationskanälen kann nicht überall als selbstverständlich betrachtet werden. So hat noch heute mehr als die Hälfte der derzeit lebenden Weltbevölkerung noch niemals im Leben ein Telefon benutzt. Ähnlich sieht es mit der Verbreitung von Radio- und Fernsehgerä- ten aus. Auch der Zugang zu wichtigen Informationsquellen kann daher alsStatussymbolge- sehen werden.30

7.3 Die intrakulturelle Perspektive

Je nachdem in welcher sozialen Schicht, welchem Milieu oder welcher Subkultur man sich befindet, ändern sich auch die Ansichten dazu, was alsStatussymbolgilt und ob dieses für erstrebenswert gehalten wird. So streben im Allgemeinen die Vertreter der unteren Schichten jeweils die Symbole der Höheren an. Diese gelten also als wünschenswert. Dagegen stellen sich die gleichen Rangzeichen aus Sicht der Oberschicht als bedeutend weniger begehrens- wert dar. So ist für die meisten Menschen der unteren und mittleren sozialen Schicht der schon erwähnteMercedesein durchaus erstrebenswertesStatussymbol. Für diejenigen aber, die sich in den oberen Schichten befinden, müsste es dagegen schon einBentleysein, da ihr Statusstreben und Geltungsbedürfnis durch Zurschaustellung weniger teurer Güter nicht mehr befriedigt werden kann. Aus Sicht mancher Subkulturen (z.B. Punks) gelten ebenfalls viele Zeichen der oberen Schichten alsStatussymbole, allerdings ist hier der Begriff oftmals mit einer negativen Bedeutung belegt und gilt daher als wenig erwünscht, ja sogar verachtens- wert. Auch die Wertvorstellungen mit denen diese verknüpft sind, werden schließlich von diesen gesellschaftlichen Gruppen nicht geteilt.

8 Einfluss der Statussymbole auf die Gesellschaft

Charakteristisches Kennzeichen einer Leistungsgesellschaft ist die angemessene Honorierung erbrachter Leistungen. Dabei richtet sich die Höhe des Honorars nach der Qualität und Quan- tität dieser.Statussymbolekönnen demnach nur die Leistungsfähigsten einer Gesellschaft er- halten, da nur sie dazu in der Lage sind, angemessene Gegenleistungen zu erbringen. Da aber jeder nach der Erreichung dieser Symbole und der Erhöhung seines Status strebt, entwickelt sich ein Konkurrenzkampf aller gegen alle. Diejenigen, die aufgrund körperlicher oder geisti- ger Einschränkungen gehandicapt sind, bleiben dabei auf der Strecke. Doch auch diejenigen, die bei diesem „Wettkampf“ vorerst mithalten können, gehören zu den Verlierern. Denn der stetige Konkurrenzkampf führt die Menschen in eine unnatürliche Isolation, macht sie unzu- frieden und unglücklich.31Die psychosomatischen Erkrankungen nehmen immer mehr zu und verursachen Krankheiten wie: Magengeschwüre, Herzneurosen und Schlaflosigkeit. Der Kör- per setzt damit unbewusst ein Signal zum Schutz vor höheren Leistungsanforderungen. Das unausgesprochene Argument dahinter lautet:Wenn ich krank bin, kann man von mir nicht mehr verlangen [...]32Die Menschen wollen immer und überall die Nummer eins sein, im Beruf, im Verkehr, im Sport, im Spiel, sogar in der Familie. Die Menschen sind regelrecht statuskrank. Das unnatürliche Verlangen danach besser als anderen zu sein, verstärkt bereits bestehende Minderwertigkeitsgefühle, wenn dieses Ziel verfehlt wird. Es entsteht ein Teu- felskreis in demStatussymboleeine entscheidende Rolle spielen. Doch auch in anderer Hin- sicht beeinflussen diese unsere Gesellschaft negativ. Die Fixierung der Menschen auf die Er- reichung der Rangzeichen versperrt ihnen die Sicht für die wahren und höheren Werte. Ethi- sche und moralische Überzeugungen werden zugunsten des Konkurrenzkampfes geopfert. Die Menschen stumpfen ab.

9 Fazit

Das Streben nach Anerkennung und Geltung sind in unserer Kultur fest verankert. Vergleicht man sich mit Anderen, Erfolgreicheren, entwickeln sich Minderwertigkeitsgefühle. Diese werden von den Menschen durch Zurschaustellung oder Nachahmung vonStatussymbolen kompensiert. Diejenigen, die diese Symbole nicht erlangen können, werden allmählich an den Rand der Gesellschaft gedrängt, in der „jeder seines eigenen Glückes Schmied“ ist. Nicht das Wohl aller, sondern nur der individuelle Erfolg steht im Vordergrund. Humanität und Mitgefühl verkümmern. Wer hat nicht schon einmal verächtlich auf einen Obdachlosen ge- blickt und dabei gedacht: „Wenn er etwas tun (leisten) würde, müsste er auch nicht betteln“ Kaum jemand denkt dabei daran, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch bei uns im- mer größer wird und immer mehr Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Heute leben in Deutschland mehr Leute von der Sozialhilfe als jemals zuvor. In einer solchen Situation reichen oft schon kleine Rückschläge, um einen Menschen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Kampf um Status und dessen Symbole, findet ein jähes Ende in der Erkennt- nis, dass all diese in der Not nicht helfen und Beistand leisten. Den „oberen Zehntausend“ aber, denen man von Geltungsbedürfnis und Statusstreben getrieben stets nacheiferte, geht es heute besser als jemals zuvor. Das Konkurrenzgerangel der „kleinen Leute“ arbeitet in ihre Taschen, denn für die Wirtschaft sind Statussymbole ein einträgliches Geschäft. Ihr Erfolg aber stößt die Menschen nicht etwa ab, er stellt vielmehr ein nacheifernswertes Ideal dar, ein Zeichen von Autorität. Der Teufelskreis arbeitet. So besteht die Gefahr, dass unsere individu- alistische Leistungsgesellschaft irgendwann zu einer Gesellschaft voller individueller Verlie- rer wird, denn nur einer kann Nummer eins sein.

10 Literaturverzeichnis

Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. 10.Auflage. München 2002

Lauster, Peter: Statussymbole. Wie jeder jeden beeindrucken will. Stuttgart 1975.

Leach, Edmund: Kultur und Kommunikation. Zur Logik symbolischer Zusammenhänge. Frankfurt a.M. 1978.

Nolden, Rolf-Günther u.a.: Groß- und Außenhandelsbetriebslehre. 2.Auflage. Köln 1996.

Rifkin, Jeremy: Access. Das Verschwinden des Eigentums. Frankfurt a.M. 2002

Zimbardo, Philip G.: Psychologie. 5., neu bearbeitete Auflage. Berlin 1992.

Sowie:

Microsoft Encarta Enzyklopädie 2002

[...]


1Goffman 2002, S.21

2aus Microsoft Encarta 2002

3vgl. Lauster 1975, S.70

4vgl. Zimbardo 1992, S.439

5vgl. Microsoft Encarta 2002

6vgl. ebd.

7vgl. ebd.

8vgl. ebd.

9Lauster 1975, S.9

10ebd., S.41

11vgl. ebd., S.40-46

12vgl. Microsoft Encarta 2002

13vgl. Lauster 1975, S.151

14Goffman 2002, S.16

15vgl. Microsoft Encarta 2002

16vgl. Goffman, S.38

17ebd., S.70

18ebd., S.19

19vgl. ebd., S.35

20ebd., S.36

21vgl. Lauster 1975, S.10

22Goffman 2002, S.14

23ebd., S.10

24vgl. Lauster 1975, S.20

25ebd., S.22

26vgl. Nolden, Bizer 1996, S.243

27aus Lauster 1975, S.13

28aus Lauster 1975, S.13

29vgl. Leach 1978, S.69-80

30vgl. Rifkin 2000, S.117

31vgl. Lauster 1975, S.26

32ebd., S.89

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Statussymbole
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Kommunikation und Kultur
Note
3,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V107500
ISBN (eBook)
9783640057641
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Statussymbole, Kommunikation, Kultur
Arbeit zitieren
Carsten Werner (Autor:in), 2002, Statussymbole, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107500

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