Entwicklung des Weltwirtschaftsgipfels


Seminararbeit, 2002

8 Seiten


Leseprobe


1. Vorwort

Als damals im Jahre 1975 sich die Staatsoberhäupter1 der sechs mächtigsten Industrienationen zusammenfanden, war es ein spektakuläres Ereignis. Die schwierige wirtschaftspolitische Situation dieser Zeit hatte ein solches Treffen erfordert. Hauptintention des Treffens war ein freier und unbürokratischer Gedankenaustausch zwischen den politisch direkt Verantwortlichen. Seit diesem Ereignis in Rambouillet sind 27 Jahre vergangen und die Gipfel haben seitdem eine spannende und ereignisvolle, wenn auch z.T. beschwerliche, Entwicklung hinter sich gebracht.

Ziel dieser Arbeit ist es, neben der allgemeinen Vorstellung des Gipfelereignisses und der an ihr geübten Kritik, diese Entwicklung mit all ihren Höhen und Tiefen, mit all den Erfolgen und Schwierigkeiten, in dieser Arbeit nachzuzeichnen. Dabei sollen die einzelnen Gipfeln thematisch kurz vorgestellt werden, um anhand dieser Informationen ihre Entwicklung nachzuzeichnen. Am Ende der Lektüre soll der Leser ein grobes, aber fundiertes Wissen über das Wesen der Gipfel und ihre Entwicklung bis zum heutigen Datum besitzen. Zwei Fragen möchte ich durch diese Arbeit besonders erörtern, zum einen, inwieweit sich der Charakter der Gipfel seit ihrer Entstehung bis zum heutigen Zeitpunkt gewandelt hat, und zum zweiten, ob die Gipfeln wirtschaftspolitisch betrachtet die an sie gesetzten Erwartungen als höchstes Koordinierungsorgan gerecht werden konnten.

2. die Gipfelidee wird umgesetzt

Als Ausgangspunkt für die Entstehung der Gipfel ist die KSZE-Abschlussverhandlung im Juli 1975 in Helsinki zu betrachten. Am Rande dieser Tagung trafen sich damals die vier Staatschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten und besprachen die Vorbereitung eines Wirtschaftsgipfel zwischen diesen vier Nationen und Japan. Die Initiative, welche vom französischen Präsidenten Giscard-d’Estaing ausging und von Bundeskanzler Helmut Schmidt unterstützt wurde, fiel aufgrund der wirtschaftlichen Situation auf fruchtbarem Boden. Die Welt sah sich zu diesem Zeitpunkt mit der schwersten Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg konfrontiert. Die Hegemonialstellung der bis dahin als Garantiemacht für wirtschaftlichen Aufschwung fungierenden Vereinigten Staaten verblasste immer mehr. Aufgrund der wirtschaftlichen Interdependenz war kein Land mehr in der Lage gewesen, die bestehenden Wirtschaftsprobleme autonom zu lösen.

Wirtschaftspolitisch wurde die Zeit zu Anfang der Siebziger durch den Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods und damit verbunden die Freigabe der Währungs- wechselkurse, die erste Erölkrise 1973/74, und die erste Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft gekennzeichnet. Diese äußerst schwierige Situation erforderte eine Form der Bewältigung auf höchster politischer Ebene. Politische Fähigkeiten statt technischer Detailkenntnis waren gefordert und ressortübergreifende Vollmachten dazu notwendig. Und ein Treffen bestehend aus den mächtigsten Politikern konnte sich der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit gewiss sein, die den Entscheidungen den nötigen Nachdruck und Autorität garantiert.2

3. rund um den Gipfel

Bis zum heutigen Tage verfügen die Weltwirtschaftsgipfel weder über ein Sekretariat noch über eine offizielle Homepage. Daraus resultiert die Verantwortlichkeit des gastgebenden Landes für die gesamte Organisation vor Ort. Zusätzlich werden die meisten Vorbereitungs- und Nachbereitungstreffen ebenfalls von diesem Land organisiert.

Für die inhaltliche Gestaltung der Gipfeln sind die Sherpas (benannt nach dem Bergvolk in Nepal), welche persönlich von den Staatschefs ernannt werden und häufig einen direkten und sehr guten Draht zu diesem haben, zuständig. Die Aufgaben der Sherpas besteht darüber hinaus, den informellen Abstimmungsprozess zwischen den Gipfeln zu erhalten, in dem das follow-up zu den Gipfeln erfolgt und aktuelle Probleme diskutiert werden. Sie zeichnen sich ebenfalls für die Gestaltung und Formulierung des Communique, der Beschlusstext eines jeden Gipfels, verantwortlich.3

Eine Klammer in der Zusammenarbeit bilden die im Vorfeld, während und im Anschluss der Gipfel tagenden Ministertreffen. Anfangs trafen sich hauptsächlich die Finanz- und Außenminister, der Kreis der beteiligten Minister expandierte aber mit der zunehmenden Themenvielfalt. Zur Vor- und Nachbereitung des Gipfels von Okinawa fanden nicht weniger als 11 Ministertreffen statt.

Seit Anfang der Neunziger kam es immer wieder dazu, dass sich die Fachminister aufgrund von besonders schwierigen Situationen treffen mussten. Diese sogenannten Adhoc-Treffen fanden u.a. 1993 (Außen- und Finanzminister) als Hilfsprogramme für Russland beschlossen wurden und 1997 (Justizminister) als das Thema der Kriminalität besprochen wurde, statt.

Zudem kommen die von den Gipfelteilnehmern zu aktuellen Anlässen gegründeten Expertengruppen, welche mit der Aufgabe betraut sind, Empfehlungen zu spezifischen Themen auszuarbeiten. Als Beispiele sind die „International Energy Technology Group“, 1979 gegründet, und das „International Ethics Committee on Aids“(1987) zu nennen. Auch die Gründung der G22, bestehend aus den Finanzministern und Zentralbankchefs der G7-Staaten und weiteren Ländern, und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) geht auf eine Gipfelinitiative zurück.4

Im Laufe der Zeit hat sich der jährliche Rhythmus der Gipfeltreffen eingebürgert. Zumeist finden die Treffen im Frühsommer statt. Es hat sich ebenfalls eine feste Reihenfolge der Gastgeberländer etabliert, die mit Frankreich anfängt und von Kanada beendet wird.

4. Entwicklung der Weltwirtschaftsgipfel

Nachdem man sich auf ein Treffen geeinigt hatte und die Sherpas den groben Rahmen in ihren Sitzungen absteckten, kamen die Staatsoberhäupter vom 15.-17.11.75 in Rambouillet zusammen. Unter dem Vorwand seiner europäischen Ratspräsidentschaft verschaffte sich Italien erfolgreich Zugang zu diesem exklusiven Zirkel und wurde sechster Gipfelteilnehmer. Zum Zeitpunkt der Begegnung befand sich die Wirtschaft bereits in der Erholungsphase nach der Rezession. Hauptthema des Gipfels war die bereits im Vorfeld kontrovers geführte Debatte um Währungsfragen. Schließlich einigte man sich erfolgreich auf einen Freihandel mit Intervenierungsmöglichkeiten und Konsultierungsmechanismen. Weitere behandelte Themen waren der Welthandel, es wurden protektionistische Maßnahmen angeprangert und ein freier Güteraustausch gefordert, die Ölpreise und die Problematik des Erölembargos, das Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit und die Beziehung zu den Entwicklungsländern, wobei ein stärkeres Engagement der entwickelten Staaten gefordert wurde. Im nächsten Jahr lud Präsident Ford zum zweiten Gipfel nach Puerto Rico ein, womit er die Gipfeltreffen endgültig etablierte. Ford nutzte zugleich das Hausrecht, um Kanada als siebenten Staat mit einzuladen.5 Im großen und ganzen war der Gipfel zu hastig einberufen und schlecht vorbereitet worden. Beim Gipfel in London 1977 durfte der Präsident der europäischen Kommission zum ersten Mal teilnehmen. Der Streit um die Notwendigkeit von Staatsinterventionen zur Wachstumsförderung stand im Mittelpunkt dieses Gipfels. Ebenfalls heftig umstritten war die Weitergabe von Plutonium zu wirtschaftlichen Zwecken. In Bonn konnte schließlich mit Hilfe einer Paketlösung die Forderungen der Amerikaner nach mehr staatlicher Intervention erreicht werden, im Gegenzug verpflichteten sie sich auf die Drosselung des Ölimportes und die Angleichung ihrer Ölpreise. Mit der Erklärung zu Flugzeugentführungen fand zum ersten Mal ein nicht ökonomisches Thema Eingang in die Agenda. Das alles beherrschende Thema des Gipfels in Tokio (1979) war aufgrund der zweiten Ölkrise die Vereinbarung auf Reduzierung des Erölverbrauches. Des weiteren wurde das Thema der vietnamesischen Flüchtlinge aufgegriffen und eine strenge Währungspolitik zur Inflationsbekämpfung vereinbart.6 Das Thema Energie wurde auf dem Gipfel in Venedig (1980) zwar mit behandelt, wegen der Rezession und der sinkenden Preise besaß es aber nicht mehr die frühere Priorität. Erklärungen zur sowjetischen Invasion in Afghanistan, das weltweite Flüchtlingsproblem sowie die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran wurden abgegeben. Die amerikanische Wirtschaftspolitik wurde auf dem Gipfel in Ottawa/Montebello (hier tagten die Teilnehmer in der Abgeschiedenheit) scharf kritisiert, was ein leidiges Problem während der nächsten Jahre bleiben sollte. Vor allem der starke Dollar und die beispiellos hohen Zinsen machten den anderen Ökonomien zu schaffen. Neben diesem Punkt standen damals noch die Ost-West- Beziehungen, der japanische Exportüberschuss und die Kürzung der Sozialausgaben auf der Agenda. Der Dissens beim Thema Wechselkurse wurde in Versailles (1982) erneut entfacht und behandelt. Politische Erklärungen wurden zu den Kriegen in Libanon und auf den Falklandinseln abgegeben. Der Hauptstreitpunkt lag jedoch in den Ost-West-Handelsbeziehungen. Der Beschlusstext war recht schwammig formuliert, so dass keiner der Beteiligten direkte Verpflichtungen für sich daraus ableitete. Als dann die Amerikaner kurze Zeit später das Handlesembargo gegenüber dem Ostblock verschärften, wurden die Gipfelergebnisse obsolet. Einige sprechen gar vom ersten gescheiterten Gipfel. Nach diesem Misserfolg basierte der Grundtenor in Williamsburg auf einen lockeren Meinungsaustausch und das Meiden von Konflikten. Die Sicherheitsfrage und damit verbunden die Raketenstationierung in Europa wurde angesprochen und die Verschuldungskrise der dritten Welt wurde ein zunehmend ernstes Problem, welches die Gipfeln noch lange beschäftigen sollte. So war es das Hauptthema beim zweiten Londoner Gipfel (1984), die Schuldner wurden zu langfristigen Direktinvestitionen ermuntert und mehrjährige Umschuldungen ermöglicht. Im weiteren Verlauf wurde der Iran-Irak Konflikt und erstmalig die Luft- und Umweltverschmutzung thematisiert. Das Bonner Treffen 1985 wird allgemein als wenig fruchtbar eingeschätzt. Die Schaffung des europäischen Binnenmarktes wurde vorgestellt und von allen Teilnehmern begrüßt, sowie Reformen des europäischen Arbeitsmarktes beabsichtigt. Überschattet wurde das Treffen aber durch das nicht Zustandekommen der Einigung auf eine neue Gatt-Verhandlungsrunde wegen des französischen Widerstandes. Diese Einigung wurde schließlich ein Jahr später in Tokio erzielt. Außerdem wurde die Gruppe der sieben Finanzminister gegründet, wodurch ein besser koordiniertes Handeln der nationalen Währungspolitiken ermöglicht werden sollte, die Landwirtschaftspolitik der sieben Staaten, die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, Aktionen gegen den Terrorismus und die außenwirtschaftliche Ungleichgewichte behandelt. In Venedig (1987) widmeten die Teilnehmer den außenpolitischen Themen große Aufmerksamkeit, so wurde der Konflikt zwischen Iran und Irak ausführlich erörtert, des weiteren über den Drogenhandel, internationalen Terrorismus und die Immunschwächekrankheit Aids beraten. Außenpolitische Themen auf beim Treffen in Toronto waren u.a. der Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan, sie Ost-West- Beziehung allgemein und die Handels- und Kooperationsvereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft (EG) und einzelnen osteuropäischen Staaten. Der Vorschlag der Amerikaner zur Abschaffung von Agrarsubventionen stieß bei der EG auf wenig Unterstützung, sie stimmten aber einer Behandlung des Themas im Rahmen der Uruguay- Runde zu. Mikroökonomische Strukturpolitik bildete den wirtschaftlichen Kern des Gipfels. In der Abschlusserklärung listeten die Sieben umfangreiche Handlungsfelder für binnenwirtschaftliche Reformen auf. In den Nord-Süd-Beziehungen konnten die Sieben auf Hilfsmaßnahmen für Afrika in Höhe von $15 Mrd. verweisen, sprachen sich für weitere Strukturanpassungskredite aus und fanden einen Konsens in der Frage des Schuldenerlasses für die ärmsten Länder. 1989 auf dem Gipfel in Paris entschied man sich für die Unterstützung von Polen und Ungarn bei der Demokratisierung und Umstrukturierung ihrer Ökonomien. Es kam zum Beschluss, dass die EG-Kommission aufgrund ihrer Erfahrung in diesem Punkte federführend agieren sollte. Die gemeinsamen Hilfsaktionen der westlichen Staaten sollte durch sie koordiniert werden. Das Massaker auf dem Tienanmen-Platz, der Umweltschutz, die Geldwäsche und die Stärkung des GATT wurde ebenfalls erörtert. Als 1990 die Zusammenkunft der Sieben in Houston abgehalten wurde, war die Wirtschaft von einer sich anbahnenden Rezession und dem Reformprozess der Ökonomien Mittel- und Osteuropas geprägt. Es bestand weiterhin der Gegensatz zwischen Europa und Amerika im Punkte der Agrarsubventionen, was ein vorläufiges Scheitern der Uruguay-Runde im Dezember des Jahres bewirkte, und die Chance einer möglichen Verständigung wurde auf dem Gipfel nicht wahrgenommen. Ebenso endeten die Verhandlungen um Finanzhilfen für die angeschlagene Sowjetunion aufgrund von unterschiedlichen Vorstellungen ergebnislos. Dies wurde erst auf dem folgenden Gipfel in London erreicht. Am Rande des Gipfeltreffen kam es hierfür zu Gesprächen zwischen den westlichen Staatschefs und Gorbatschow. Daneben schlugen die Staatschefs eine Stärkung der Vereinten Nationen im Bereich der Friedenssicherung vor und bekannten sich zur nachhaltigen Wirtschaftserholung und Preisstabilität, zur Unterstützung der Entwicklungs - länder und zur Bekämpfung vom Drogenmissbrauch und -handel. Die Ergebnisse der Konsultation in München 1992 sind eher bescheiden. Ein wichtiger Bereich der Gipfelarbeit bildete weiterhin die Entwicklung der Staaten Mittel- und Osteuropas und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion und die Sicherheit der Atomkraftwerke in diesen Gebieten. 1993 beim dritten Treffen in Tokio vereinbarten die Sieben eine Unterstützung für Privatisierungen in Russland in der Höhe von $3 Mrd. und den Marktzugang für Produktionsgüter, was die Ergebnisse der Uruguay-Runde bestätigte. Der Gipfel forderte zur Ratifizierung der Ergebnisse dieser Runde und damit zur Gründung der Welthandels- organisation (WTO) auf. Die größte Errungenschaft des Gipfels in Neapel war die Einbindung Russland in die politischen Fragen der G7-Arbeit, wodurch die „political G8“ (P8) entstand. Durch die Gipfelinitiative fanden in der Folgezeit zwei Konferenzen zu aktuellen Themen statt, die eine beschäftigte sich mit der Wirtschafts- und Sicherheitssituation in der Ukraine, die andere mit der globalen Informationsgesellschaft.7 Hauptthema auf dem Treffen in Halifax (1995) war die Reformierung der internationalen Institutionen. Dabei stand die Frage im Raum, welcher Rahmen von Institutionen erforderlich ist, um das gesetzte Ziel einer nachhaltigen Entwicklung für das 21.Jahrhundert zu erreichen. Anders als in den vorangegangen Gipfeln waren die Diskussionen dieses Mal wesentlich informeller und unstrukturierter. Die politische Agenda umfasste Stellungnahmen zu Bosnien, der Einigung zwischen Israel und Palästina, Ruanda und Nordkorea. Das Problem der Globalisierung mit all seinen Vorzügen, Herausforderungen und Schwierigkeiten wurde auf dem Gipfel in Lyon thematisiert. Auf der Tagesordnung stand die Stärkung der wirtschaftlichen und währungspolitischen Kooperation, Anwachsen von Handel und Investitionen, Integration der ehemaligen Ostblockstaaten in das Weltwirtschaftssystem, Nichtweitergabe von Waffen, Abrüstung, Umweltschutz und transnational organisiertes Verbrechen. Auf dem Felde der regionalen Sicherheit und Stabilität widmete man sich den Situationen im Mittleren Osten, Libyen und Korea. Basierend auf den Ergebnissen von Halifax wurde eine weitere Steigerung der Effektivität internationaler Institutionen gefordert. Der Denver Gipfel der Acht (1997) behandelte eine Reihe von ökonomischen und sozialen Fragen, darunter die Probleme der kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die alternde Gesellschaft, Infektionskrankheiten, illegale Drogen, Umweltschutz (Klimawandel, Trinkwasserversorgung, Schutz der Meere) und eine Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas. Aktuelle politische Fragen (Hong Kong, Zypern, Albanien) wurden ebenfalls angesprochen. Bei der Zusammenkunft in Birmingham (erster G8-Gipfel) stimmten die Sieben darin überein, den IWF und den Fond zur Entwicklungsförderung Afrikas zu unterstützen. Eine Initiative zur Lösung der Verschuldungskrise für die am stärksten betroffenen Staaten wurde gegründet. Die von der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufene Initiative zur Heilung von Malaria wurde genauso wie das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung von Kohlenstoff unterstützt. Im Falle der Kriminalitätsbekämpfung einigten sich die Teilnehmer auf Aktionen gegen das internationale organisierte Verbrechen, darunter Menschenschmuggel oder High-Tech- Kriminalität. Aktuelle Ereignisse in Nordirland, Kosovo und Bosnien wurden in separaten Erklärungen behandelt. Die wichtigste Errungenschaft bei den Diskussionen in Köln (1999) war die Verständigung auf einer Schuldenerlassinitiative für 24 Staaten mit einem Volumen von $36 Mrd., welche mit einer Aufforderung zu einem gleichzeitigen Demokratisierungsprozess verbunden war. Als separate Erklärung wurde die Charta zu Zielen und Bestrebungen für lebenslanges Lernen veröffentlicht. Die weiteren Tagesordnungspunkte des Gipfels war der Stabilitätspakt für Südosteuropa; die Krisen im Kosovo; Nahost und Zypern; der Umweltschutz und die Wirtschaftskrise. Die Refor- mierung des IWF, die Stärkung der internationalen Finanzarchitektur, die Würdigung der Informationstechnologie als Schlüssel des Reichtums im neuen Jahrhundert sowie die Biotechnologie waren die wichtigsten Punkte auf dem Gipfel in Kuyushu- Okinawa. Die Entscheidung über ein Ad-Hoc-Treffen von Drogenexperten wurde getroffen und zwei Expertengruppen zur Bearbeitung der Themen regenerative Energie und ungleiche Nutzungsmöglichkeiten neuer Informationstechnologien gebildet.8 Der Aktionsplan zur Behebung dieser ungleichen Voraussetzungen wurde den Staatschefs ein Jahr später in Genua (2001) vorgelegt und von denselben unterstützt. Von großer Bedeutung war ebenfalls der Beschluss, den globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose mit $1,3 Mrd. zu unterstützen und einen detaillierten Entwicklungsplan für Afrika auszuarbeiten. Die bereits im Vorfeld aufgetauchten Differenzen beim Thema Kyoto-Protokoll, welches die Amerikaner nicht anerkannten, konnte auf dem Gipfel nicht beseitigt werden. Politische Erklärungen wurden zu Nahost, Mazedonien und Korea abgegeben.9

5. Gegenströmungen

Während die ersten Gipfeln problemlos und ohne externe Störungen vonstatten gingen, formierte sich bereits beim zweiten Londoner Gipfel 1984 eine Demonstration gegen die Gipfelpolitik, hauptsächlich aus Bergarbeiter und Atomwaffengegner bestehend. Beim Gipfel in Köln sahen sich die Teilnehmer mit 40000 Demonstranten konfrontiert, ein Jahr zuvor waren es im Birmingham gar 60000. Besonders in den letzten Jahren organisierte sich die Gegenströmung immer besser. Netzwerke und Gruppen wie zum Beispiel attac (Losung: Globalisierung ist kein Schicksal, eine andere Welt ist möglich), die Gewerkschaften, oder Third World Network (Malysia) entstanden und mobilisieren gezielt für Demonstrationen anlässlich der Gipfeltreffen. Die Gipfelgegner können angesichts ihres unterschiedlichen Hintergrundes kaum als homogene Gruppe bezeichnet werden und haben recht unterschiedliche Zielsetzungen. Einig sind sie sich allerdings in der Forderung nach der Gestaltung einer gerechteren Welt. In ihren Augen treiben die Gipfelteilnehmer die globale Liberalisierung- und Deregulierungspolitik voran, wodurch die Staaten dem Diktat der Märkte ausgesetzt sind, was wiederum die Zunahme der Ungleichverteilung fördert.10 Der Widerstand konzentriert sich aber nicht einzig auf Straßenaktionen, so tagte parallel zum Gipfel in Genua das „Genoa Social Forum“. Leider verlaufen die Demonstrationen nicht immer friedlich. Speziell militante Demonstranten machen lediglich mit gewalttätigen Aktionen gegen Sicherheitskräfte und Verwüstung der Städte auf sich aufmerksam. Allein in Genua entstand ein Schaden von etwa $18-23 Mio.11

6. Zusammenfassung

Wie bereits formuliert hat der Weltwirtschaftsgipfel sich im Laufe der Zeit einer interessanten Wandlung unterzogen. Zuallererst ist festzustellen, dass der Teilnehmerkreis wesentlich ergänzt wurde. Zu den ursprünglichen sechs Teilnehmern stieß bereits im zweiten Jahr Kanada dazu, womit der Name G7-Gipfel entstand, der bis heute noch recht gebräuchlich ist. Natürlich wissen wir, dass der offizielle Name inzwischen durch die Partizipation Russlands G8 lautet, aber Anerkennung einer russischen Wirtschaftsmacht ist nicht weit verbreitet. Selbst die Bezeichnung G8 bezeichnet nicht exakt den Teilnehmerkreis, seit 1977 die europäische Kommission beständig an den Gesprächen teilnimmt und wie im Falle der Koordination westlicher Hilfen für Osteuropa nach dem Ende des Kalten Krieges auch eine aktive Rolle einnahm.

Der Teilnehmehrkreis war seit Anfang an ein Zankapfel mit den nicht eingeladenen Nationen, die sich ausgegrenzt fühlten. Derzeitig gibt es verstärkt Stimmen, die zumindest die Einbeziehung Chinas fordern. Tatsächlich erscheint der Anspruch des Treffens der politisch direkt Verantwortlichen als nur bedingt haltbar, wenn Schwergewichte wie China oder Indien nicht anwesend sind.12

Eine weitere Vergrößerung des Teilnehmerkreises würde allerdings auf der anderen Seite den angestrebten zwanglosen Diskurs im kleinen Kreise erschweren. Dieser Anspruch ist im Laufe der Zeit durch das Anwachsen der Bürokratie rund um den Gipfel mit den Treffen der Minister und der Sherpas in Frage gestellt worden. Gegen diese Entwicklungen gab es immer wieder Reformbestrebungen, wie etwa das „leaders only“-Treffen in Birmingham.

Ursprünglich wurden die Wirtschaftsgipfeln geschaffen, um die anstehenden Wirtschafts- probleme der Zeit zu lösen. Es erwies sich aber schon zeitig, dass bei einem Treffen der Sieben Staatschefs, ein Meiden von politischen Themen kaum möglich ist. So kam bereits in Bonn (1978) ein nicht wirtschaftliches Thema auf die Agenda und in den letzten Jahren sind viele der erfolgreichen Gipfelergebnisse im politischen Bereich erzielt worden. Wie steht es nun mit der Koordinationsfunktion des Gipfels? Da die Gipfeln nur einmal im Jahr tagen, können ihre Ergebnisse nicht frei von anderen wirtschaftlichen Diskussionen betrachtet werden. Es hat sich aber herausgestellt, dass der Gipfel durchaus in der Lage ist, wichtige Entscheidungen herbeizuführen bzw. zu beschleunigen. Dies gelang eindrucks- voll u.a. auf dem ersten Treffen in der Währungsfrage, in Bonn bezüglich der Wachstumsfrage und der Erölpreise oder im Punkte einer Reformierung der internationalen Institutionen in Halifax. Auf der anderen Seite ist es nicht einfach, Konsensentscheidungen der beteiligten Staaten zu erreichen, und die Teilnehmer haben Fehler begangen, so wurde die Rezession Anfang der Achtziger als zu kurz eingestuft, wodurch wirtschaftliche Pläne nicht griffen, oder bei der Zusammenkunft in Versailles, als sich der Gipfel im nachhinein als völlig wertlos erwies. Wir können also resümieren, dass die Gipfel durchaus im Stande sind, bedeutende Entscheidungen auf dem Wege zu bringen und zu beschließen, sie aber keinesfalls das von manchen erhoffte Institution sind, welches die Weltwirtschaft gekonnt durch alle schwierigen Situationen manövriert.

Bibliographie

Hodges, Michael R.; Kirton, John J. und Daniels, Joseph P.: The G8’s new Role in the New Millenium, Aldershot, 1999 (The G8 and Global Governance Series)

Hajnal, Peter: The G7/G8 system. Evolution, role and documentation, Aldershot, 1999 (The G8 and Global Governance Series)

Deutsch, Klaus-Günter: Weltmarktintegration und wohlfahrtsstaatliche Politik. Die Bundesrepublik Deutschland auf den Weltwirtschaftsgipfeln 1975-1990, Münster/Hamburg, 1991

Putnam, Robert D. und Bayne, Nicholas: Weltwirtschaftsgipfel im Wandel, Bonn, 1985

[...]


1 Vereinfachend als Staatsoberhäupter bzw. -chefs beschrieben, obwohl nur der amerikanische und französische Präsident diese Funktion auch ausübten.

2 Putnam, Robert D. und Bayne, Nicholas: Weltwirtschaftsgipfel im Wandel, Bonn, 1985, S.15 ff.

3 URL: www.bmwi.de/Homepage/Politikfelder/außenwirtschaft%20%26%20europa/weltwirtschaftsgipfel

4 URL: www.g7.utoronto.ca/summits/meetings.html

5 Vgl. Putnam, Robert D. und Bayne, Nicholas (1985)

6 Deutsch, Klaus-Günter: Weltmarktintegration und wohlfahrtsstaatliche Politik. Die Bundesrepublik Deutschland auf den Weltwirtschaftsgipfeln 1975-1990, Münster/Hamburg, 1991

7 Hajnal, Peter: The G7/G8 system. Evolution, role and documentation, Aldershot, 1999 (The G8 and Global Governance Series)

8 URL: www.mofa.go.jp/policy/economy/summit/2000/index.html

9 URL: www.genoa-g8.it/eng/summit/in_diretta/in_diretta_7.html

10 URL: www.attac-netzwerk.de/index.php

11 URL: www.genoa-g8.it/eng/attualita/primo_piano/primo_piano_14.html

12 Vgl. Hodges, Michael R.; Kirton, John J. und Daniels, Joseph P.: The G8’s new Role in the New Millenium, Aldershot, 1999 (The G8 and Global Governance Series)

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Entwicklung des Weltwirtschaftsgipfels
Autor
Jahr
2002
Seiten
8
Katalognummer
V107467
ISBN (eBook)
9783640057368
Dateigröße
379 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Weltwirtschaftsgipfels
Arbeit zitieren
Duc Le (Autor:in), 2002, Entwicklung des Weltwirtschaftsgipfels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107467

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