Nachholende Entwicklung, Abkoppelung und Armut


Term Paper, 2002

14 Pages, Grade: 2


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Inhaltsverzeichnis

1. „Nachholende Entwicklung“, „Abkoppelung“ und „Armut“

2. Unterschiedliche Sichtweisen

3. Entwicklungstheorien und -strategien

4. Ursachen von Entwicklungsdefiziten

5. Strategien zur Überwindung der Armut

6. Demokratisierung als Lösung

7. Schlussgedanke

8. Literaturangabe

1. „Nachholende Entwicklung“, „Abkoppelung“ und „Armut“

Der Begriff der „nachholenden Entwicklung“ setzt voraus, dass eine gewisse Ent- wicklung noch nicht stattgefunden hat. Die Bedeutung des Wortes Unterentwick- lung liegt jedoch nicht im Rückstand von Reichtum gegenüber den Industrielän- dern. Er erklärt vielmehr eine „interne Kluft“ zwischen den Entwicklungsländern selbst und zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern. (vgl. Strahm 1985,11)

In der entwicklungspolitischen Debatte gibt es bei Definitionen und Messungen von Entwicklung zwei Grundvorstellungen. Die erste setzt Entwicklung mit dem Wachstum des Bruttosozialproduktes (BSP), der Modernisierung, dem Know- How und dem Einsatz von Kapital gleich. In der zweiten Vorstellung versteht man unter Entwicklung die Beseitigung absoluter Armut, die Befriedigung der Grundbedürfnisse, die Befreiung von Abhängigkeit und eine interne Umverteilung der Machtverhältnisse. (vgl. Strahm 1985,11)

In der marxistischen Terminologie umfasst der Begriff die Entwicklung der Produktionskräfte im Rahmen kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Die Indikatoren hierfür sind der Umfang und das Wachstum des modernen Sektors und des Industrialisierungsprozesses, der sich in Höhe und Wachstum des BSP ( Bruttosozialprodukt) ausdrückt. Allgemein kann man sagen, dass Entwicklung als Voraussetzung der Armutsbekämpfung gilt (Arts, B. 1994,8).

Armut ist eine Lebenslage, in der es einzelnen oder ganzen Bevölkerungsgruppen nicht möglich ist, sich ihren Lebensbedarf aus eigenen Kräften zu beschaffen.( vgl. Brockhaus2000,52) In diesem Kontext sind vor allem zwei Typen von Bedeutung. Die „absolute Armut“ liegt dann vor, wenn Personen nicht über die zu ihrer Le- benserhaltung notwendigen Güter (Nahrung, Kleidung) verfügen. Diese Form führt meist zum Tod durch Verhungern oder Erfrieren. Eine „relative Armut“ liegt vor, wenn das soziale Existenzminimum unterschritten ist.( vgl. Brockhaus2000,52)

Die Abkoppelung o.a. Dissoziation meint die Loslösung der Entwicklungsländer vom Weltmarkt durch die Einschränkung des Handels mit ihnen (vgl. Wallert 2001,95).

In dieser Arbeit soll ein Überblick über die allgemeine Problematik der Entwicklung gegeben werden. Dabei wird auf die klassischen Entwicklungstheorien, wie Mo- dernisierungs- und Dependenztheorie eingegangen. Des Weiteren werden verschiedene Ursachen aufgezeigt und Ansätze der Bewältigung dargestellt. Es geht nicht darum eine optimale Lösung anzubieten und sich einem dieser Möglichleiten anzuschließen, auch wenn als Schlussgedanke auf die Einführung der Demokratie in Entwicklungsländern eingegangen wird. Um die Diskussion bezüglich einer Demokratisierung nahe zu bringen, gehe ich auf den Text Jochen Hipplers ein, welcher eher Kritik an diesem „Projekt“ übt.

2. Unterschiedliche Sichtweisen

Laut Menzel und Senghaas liegt der Ausgangspunkt im Entwicklungsszenario er- folgreicher Exportökonomien in der schrittweisen Erschließung des gesamten lin- kage- Potentials des Exportsektors, sowie in der stufenweisen Erschließung des Binnenmarktpotentials. Es muss „vor Ort“ zur Verarbeitung von Rohprodukten kommen. (vgl. Menzel/Senghaas 1986,23) Diese beiden Autoren orientieren sich an der Dependenz- Theorie und vertreten den Ansatz der autozentrierten Entwick- lung, also einer Abkoppelung von der Weltwirtschaft, um eigene Wege zu gehen. Im Buch „Weltwirtschaft und Armut“ wird die Thematik unter dem Aspekt der Ar- mut beleuchtet. Es führt an, dass etwa 500 Millionen Menschen chronisch unter- ernährt sind und insgesamt etwa 1,3 Milliarden als arm gelten. Seine Vorschläge zur Armutsbekämpfung sind u.a. die Ursachenbehebung durch Konzepte wirt- schaftlicher Entwicklung, die Anhebung der Produktivität im landwirtschaftlichen und informellen Sektor, sowie die Aufhebung der Ungleichheit in der Einkom- mensverteilung. Eine Reduzierung der Armut könne, nach Ansicht des Autors, durch wirtschaftspolitische und institutionelle Reformen oder Entwicklungshilfe erfolgen (vgl. Kappel 1997,iii ff.)

In dem Buch Kappels wird vor allem der standorttheoretische Ansatz als relevant erachtet. Die Entwicklung der Regionen ist abhängig von den globalen Strukturen und von globaler Dynamik geprägt. Durch den Wandel und die Entwicklung entsteht ein Spannungsverhältnis. Diese Theorie setzt sich mit der Entstehung industrieller Zentren auseinander, den Faktoren der Standortwahl und der Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie (vgl. Kappel 1997,211).

Beide Bücher behandeln ähnliche Ausgangsbedingungen, die sich allerdings we- sentlich in ihrer Betrachtung unterscheiden. Während in „Europas Entwicklung und die Dritte Welt“ stärker auf die Abkoppelung der Entwicklungsländer und auf die später folgende Öffnung der Märkte geschaut wird richtet es sich in „Weltwirtschaft und Armut“ auf das Problem der Armut und dem sich aufbauenden Spannungsverhältnis zwischen Regionen.

3. Entwicklungstheorien und -strategien

Die Theorien der Entwicklung bzw. Unterentwicklung kann man in verschiedene Gruppen einordnen. Die Traditionellen umfassen endogene (z.B. Teufelskreis- und demographische Ansätze) und exogene (z.B. terms- of- trade) Theorien. Imperia- lismustheorien richten sich nach Ansätzen wie dem der neuen internationalen Ar- beitsteilung oder dem ungleichen Tausch zwischen Entwicklungs- und Industrie- land. Die Gruppe der Dependenz- und Modernisierungstheorien wird hier näher betrachtet.

Das Ziel der konventionellen Entwicklungstheorie ist die Entwicklung der nationa- len Gesellschaft nach dem Vorbild fortgeschrittenster Industrieländer (vgl. Beck 1994, 113ff.).

In den Fünfziger- und Sechziger Jahren wurde Entwicklung mit Wachstum gleich- gesetzt. (vgl. Borsdorf 1989,7) Die Modernisierungstheoretiker vertraten die Mei- nung, Entwicklung könne durch eine Nachahmung des westlichen „Erfolgmodells“ stattfinden. Letztlich sollte eine Modernisierung der wirtschaftlichen und gesell- schaftlichen Strukturen die Entwicklung fördern. (vgl. Borsdorf 1989,73) Die jeweilige Situation des Landes ist eine Entwicklungsphase des Entwicklungs- prozesses. Diese Länder mit ihren dominierenden Agrarsektor stehen auf einer frühen Entwicklungsstufe, welche die Industrieländer um 1800 einnahmen. Die Modernisierungstheorie besagt, dass die Ursachen für eine „Unterentwicklung“ in den Entwicklungsländern selbst zu suchen sind, also endogene Ursachen ha- ben. Mit der Kräftigung der Wirtschaft durch Industrialisierung, den Einbezug in den Welthandel und einem sozialen Wandel innerhalb des Landes kann die Ent- wicklung weitergeführt werden. (vgl. Borsdorf 1989,74)

Die Grundlage der Entwicklungsstrategie ist die Verarbeitung heimischer Rohstof- fe für den Export und die Errichtung von Fabriken mit dem Kapital von Industrieländern. Es sollte sich ein „trickle-down“ Effekt einstellen, also eine Ausbreitung (ein Durchsickern) bis zur armen Bevölkerung. Die Vorraussetzungen für eine solche Strategie wurden zu optimistisch eingeschätzt z.B. bezogen auf Infrastruktur und Humankapital (vgl. Wallert 2001,93).

Die Dependenztheorie geht davon aus, dass die Ursachen der „Unterentwicklung“ in der Ausbeutung der Dritten Welt durch die kapitalistischen Industrieländer zu suchen sind. „Dritte Welt Länder“ sind im Welthandel von „Erste Welt Ländern“ verdrängt worden und durch den Wirtschaftsimperialismus strukturell von ihnen abhängig. Dies setzte mit der Ausbeutung zu Zeiten des Kolonialismus ein. Es entstanden soziale und regionale Disparitäten zwischen den von außen gesteuerten Zentren und den Peripherien. Zwischen ihnen herrschen, nach Ansicht der Vertreter „[…] ähnlich Ausbeutungsmechanismen wie global zwischen Industrieländern und den Entwicklungsländern.“ (Wallert 2001,95)

Die Strategie besteht darin, dass neue Staaten (Industrieländer) die potentiellen Abnehmer von Industrieprodukten sein sollen.

Diese Theorie wurde in den siebziger Jahren stark von dem Politikwissenschaftler Dieter Senghaas vertreten, auf den ich mich in dieser Arbeit stark beziehe. Seiner Meinung nach, ist eine eigenständige Entwicklung „ […] im Rahmen der kapitalisti- schen Weltwirtschaft nicht möglich.“ Vorschläge dieser Gruppe wäre ein Weg der autozentrierten Entwicklung bzw. der Abkoppelung (vgl. BpB 1996,55). Eine Dis- soziation (Abkoppelung) schien eine mögliche Lösung zu sein, um sich auf eigene Möglichkeiten bzw. eigenes endogenes Potential, zu besinnen (Wallert 2001,95).

Die erfolgreichen Tigerstaaten (Hongkong, Singapur, Taiwan und Südkorea) ver- folgten zu Beginn diese Strategie, Erfolg stellte sich allerdings dann ein, als das Land sich für ausländische Investitionen und dem Weltmarkt öffneten. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde ein beträchtliches Industrialisierungsniveau erreicht.

Sie verfolgten die „Export- Led- Growth“ Strategie, also Wachstum durch Produktion wettbewerbsfähiger Güter für den Weltmarkt. Sie zogen erhebliche Vorteile aus ihrer global ausgerichteten Wirtschaft.

Nach Menzel und Senghaas gibt es sechs Dimensionen der Entwicklung(vgl. Menzel/Senghaas 1986,23):

Zu Beginn muss die Struktur und Leistungsfähigkeit des Agrarsektors ausgebaut werden und eine Vernetzung mit dem Industriesektor erfolgen. Das Binnenmarktpotential muss erschlossen und erweitert werden.

Kohärenz entwickelt sich innerhalb der einzelnen Sektoren und zwischen ihnen. Vorraussetzung ist ein hoher Verflechtungsgrad, so dass die Rohprodukte im Land weiterverarbeitet werden können.

Durch Homogenisierung, also Gleichartigkeit, tragen einzelne Sektoren zum Entstehen des Sozialproduktes bei und es erfolgt eine Umverteilung der Beschäftigten nach Sektoren.

Es tritt ein Reifungsprozess ein, d.h. Produktionsaktivitäten und Erwerbstätige verlagern sich auf Branchen, deren Produkte einen hohen Kapitaleinsatz, hohe Ingenieursleistungen und eine hohe Qualifikation der Arbeitskräfte verlangen. Im letzten Schritt wird die internationale Konkurrenzfähigkeit erreicht. (vgl. Menzel/Senghaas 1986,40f.)

4. Ursachen von Entwicklungsdefiziten

Defizite in der Entwicklung eines Landes können vielerlei Ursachen haben. Die in diesem Abschnitt aufgeführten Komplexe müssen nicht zwangsläufig zu einer „Un- terentwicklung“ führen, aber in ihnen finden sich Begründungszusammenhänge.

Natürliche Gegebenheiten können ausschlaggebend sein. Beispiele hierfür wären Rohstoffmangel oder ein ungünstiges Klima. Von den Rohprodukten hängt oft der Export des Landes ab und somit die Entwicklung der Wirtschaft. Der primäre Sektor (Landwirtschaft) macht oft einen hohen Anteil in Entwicklungsländern aus, ist das Klima nicht geeignet, entfällt z.B. das Kapital aus diesem Bereich, andererseits würde sich z.B. ein Klima mit starken Stürmen ungünstig auswirken, da Schäden, die entstehen würden nicht finanzierbar wären.

Innere Ursachen, wie Bevölkerungszuwachs, Kapitalmangel oder eine traditions- orientierte Kultur und Werteordnung können ebenfalls zu Defiziten führen. (vgl. BpB 1996,28)

Bei der Thematik des Bevölkerungswachstums kann man das Modell des demographischen Überganges nutzen. Die sich abzeichnende Bevölkerungsexplosion ist eine Folge des Wandels von der agrarischen zur in- dustriellen Gesellschaft. Sie hat sich beginnend in England in allen heutigen Industrieländern ähnlich vollzogen. Dieses Modell zeigt einen charakteristischen Ablauf an und ordnet Alterspyramiden zu. (vgl. Borsdorf 1989,34f.) In der ersten Phase gibt liegt die Geburten- und Sterbeziffer in einem hohen Be- reich, die Bevölkerung nimmt geringfügig zu. Durch verbesserte medizinische und hygienische Versorgung nimmt die Sterbeziffer in der zweiten Phase ab. Die Ge- burtenziffer bleibt konstant hoch, die Zuwachsrate steigt. Zu diesen gehört eine verbreiterte Pyramidenform. In der nächsten Periode sinkt die Sterbeziffer weiter, höhere Bildung und Lebensstandard lassen die Geburtenrate stark abnehmen. Die vierte Phase beinhaltet eine gleichbleibende Sterbe- und eine abnehmende Ge- burtenrate, das Bevölkerungswachstum verringert sich. Die Kurve nähert sich der Urnenform, viele alte und wenig junge Menschen. Die Bevölkerung bleibt in der letzten Phase konstant, da Geburten- und Sterbeziffer auf niedrigem Niveau lie- gen, es ergibt sich eine Glockenform, welche von den Industrieländern angestrebt wird. (vgl. Borsdorf 1989,34f.)

Schnelles Bevölkerungswachstum gilt als Hindernis für die angestrebte Modernisierung, Ursache für die Knappheit der Ressourcen und als zusätzliche Belastung für die Umwelt.

Es gibt auch äußere Ursachen, wie z.B. Kolonialismus, außenwirtschaftliche Aus- beutung oder strukturelle Abhängigkeit. Viele Entwicklungsländer sind vom Export ihrer Rohwaren abhängig. Die Rohstoffe unterliegen auf dem freien Markt der Spekulation und Preisschwankungen. Dies wirkt sich zum Nachteil des Produzen- ten der Agrarstoffe aus. Sie, meist Bauern, werden schlecht entschädigt. Man kann sagen, dass die Zukunft des Handelns in der lokalen Verarbeitung der eige- nen Rohstoffe liegt, sowie im Ausbau des Handels untereinander. (vgl. BpB 1996,30)

Es gibt Alternativen zum Export in Industrieländer. Produzieren für den Binnen- markt statt Export, die Befriedigung einheimischer Bedürfnisse gewährleisten. Des weiteren ist der Süd- Süd Handel förderungswürdig. Die Arbeitsteilung beim Auf- bau von Industrie wäre billiger und es ist eine Art der kollektiven Selbsthilfe. Die Länder sollten die Rohstoffe lokal verarbeiten, das macht die Produkte in der Regel besser lagerbar und ermöglicht höhere, sowie stabilere Erlöse. Sind Rohstoff- exporte unumgänglich müssen Preise durch internationale Vereinbarungen stabili- siert werden, Erlösschwankungen durch Ausgleichszahlungen entschädigt und Produzentenkartelle begünstigt oder geduldet werden. (Strahm 1985,135f.) Eine Ursache könnte auch die Außenverschuldung des Landes sein. Die Weltwirt- schaft der Achtziger Jahre wurde von der Verschuldungskrise der Entwicklungs- länder bestimmt. Es gibt keinen Faktor, der die politische und wirtschaftliche Ent- wicklung in den Entwicklungsländern stärker beeinflusst, als Auslandsverschul- dung. (Strahm 1985,89)

Die Ursachen hierfür liegen in der Politik der Industrieländer. Die Exporte der Ent- wicklungsländer werden über Kredite finanziert und die Länder zum Absatzhinter- hof für die Überproduktion der Reichen gemacht. Der Import ist dabei immer grö- ßer als der Export und es werden keine bzw. kaum Gewinne erzielt. Daraus resul- tieren wirtschaftliche und politische Folgen. Zahlungsbilanzdefizite werden mit Auslandskrediten überbrückt. Die Verschuldungen und die fälligen Rückzahlungen (inklusive Zinsen) sind größer als die Neukredite.(vgl. BpB 1996,29ff.)

5. Strategien zur Überwindung der Armut

Eine erste Strategie ist die Integration in die freie Weltwirtschaft. Diese wird von den westlichen Industrieländern und exportorientierten Oberschichten vieler Ent- wicklungsländer vertreten. Eine Integration kann durch die Verstärkung des Han- dels, der Privatinvestitionen, der Entwicklungshilfe und der Kredite erfolgen. In dieser „Taktik“ werden Reglementierungen der Weltmärkte und staatliche Be- schränkungen abgelehnt. Das Wirtschaftswachstum, welches entsteht, ist das Wachstum für kaufkräftige, westlich - orientierte Oberschichten. (Strahm 1985,15)

Eine zweite Überlegung ist die Schaffung einer neuen Wirtschaftsordnung NWWO). Diese wird von einigen sozialreformistischen Regierungen der Entwicklungsländer geschaffen. Das Konzept strebt die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft an.

Punkte dieser Überlegung sind: Rohstoffpreise stabilisieren und garantieren, mul- tinationalen Konzernen Verhaltenskodexe setzen, Zölle und Handelsschranken der Industrieländer abbauen, Entwicklungshilfe erhöhen, Vorzugskredite erweitern, den Einfluss von Entwicklungsländern in Weltbank- IWF- Gruppe erhöhen und UNO - Organisationen sollen Regeln schaffen, die jüngeren Markteilnehmern den Zugang zur Weltwirtschaft erleichtern. (Strahm 1985,195)

Eine weitere Strategie befürwortet eine eigenständige autozentrierte Entwicklung. Vorbedingung ist eine selektive Abkoppelung (delinking) aus der Weltwirtschaft. Die Entwicklung soll durch Eigenständigkeit (self- reliance) und durch kollektive Eigenständigkeit (collectiv self- reliance) erfolgen. Unter relativer Abschirmung von Weltmarktzwängen soll ein interner Markt für billige Massenkonsumgüter geschaf- fen werden. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln für den internen Markt hat Vorrang. Wirtschaftliche Beziehungen zu Industrieländern werden nur soweit ent- wickelt, als sie dem Aufbau eines eigenständigen Wirtschaftssystems dienen und die Produktion für Grundnahrungsmittel erlaubt. Modernisierung wird nicht ausge- schlossen. Die Technologie wird den wirtschaftlichen Möglichkeiten angepasst. (Strahm 1985,196) Wichtig an dieser „Selbstvertrauensstrategie“ ist, dass die mei- sten Entwicklungsländer mit wenig nutzbaren Ressourcen ausgestattet sind, die Länder aber auf eigene Kräfte vertrauen sollen. Die Grundbedürfnisse der Be- völkerung müssen befriedigt werden können. Durch „Massenmobilisierung“, Bin- nenmarktkonzentration und der Möglichkeit von Menschen an kulturellen, wirt- schaftlichen und politischen Prozessen teilnehmen zu können soll das Vertrauen in diese Strategie fördern. Als Bilanz sehen die Vertreter des Ansatzes einen fort- laufenden Entwicklungsprozess. (vgl. Borsdorf 1989,83)

6. Demokratisierung als Lösung?

Demokratie [griechisch »Volksherrschaft«] eine Lebens- und Staatsform, die von der Gleichheit und Freiheit aller Bürger ausgeht und daraus die Forderung ableitet, dass nach dem Willen des Volkes regiert werde; seit der Antike als Alternative zur Monarchie und Aristokratie begriffen. Die Demokratie im herkömmlichen Sinn wird durch das Vorhandensein einer Verfassung gekennzeichnet, die auf der Verteilung der drei Hauptaufgaben staatlicher Machtausübung (Legislative, Exekutive, Judi- kative) auf voneinander unabhängige Organe beruht (Gewaltenteilung), welche die Grundrechte gewährleistet und das allgemeine, gleiche, freie und geheime Wahlrecht sichert. Das Volk als eigentlicher Träger der Staatsgewalt ist berufen, seinen Willen in Mehrheitsentscheidungen kundzutun, entweder unmittelbar oder durch Wahl der Volksvertretung (repräsentative Demokratie; heute gebräuchlichste Form). Die Volksvertretung beschließt die Gesetze und ist in den meisten Staaten an der Bildung der Regierung beteiligt (parlamentarische Demokratie). In vielen Staaten ist das Volk auch zum unmittelbaren Volksentscheid aufgerufen, in eini- gen Staaten wählt es den Regierungschef auf eine bestimmte Zeit (Präsidialde- mokratie, z. B. USA) (vgl. Kuffer 2001, www.xipolis.net).

In vielen Gesellschaften der Dritten Welt, die wenig gefestigt, oft zerbrechlich und deren Volkswirtschaften meist vom Ausland und Weltmarkt abhängig sind, spielen äußere Einflüsse eine besonders große Rolle.

Nach dem Ende des Kalten Krieges gab es die Tendenz einiger Regierungen in Europa und Nordamerika, die Dritte Welt demokratisieren zu wollen. Teilweise wurde Entwicklungshilfe von demokratischen Reformen abhängig gemacht. (vgl. Hippler 1994,11)

Hippler meint, dass auch die Weltbank mit dem Begriff „good governance“ die Demokratie in der Dritten Welt als Ziel hatte, er bezeichnet als einen „Kreuzzug für die Demokratie“. (vgl. Hippler 1994,11)

Claude Aké (zitiert nach Jochen Hippler) formulierte für Afrika: „Die Marginalisie- rung Afrikas gibt dem Westen größeren Freiraum seine Beziehungen zu diesem Kontinent aufgrund von Prinzipien zu führen. In der Vergangenheit stand der Wes- ten Fragen der Menschenrechte und Demokratie in Afrika indifferent gegenüber, um seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen und seine von Besessen- heit getriebene Suche nach Verbündeten gegen den Kommunismus nicht zu ge- fährden. Nachdem diese Sorgen verschwunden sind, fühlt sich der Westen jetzt freier, seine Afrikapolitik in größeren Einklang mit seinen demokratischen Prinzi- pien zu bringen.“ (vgl. Hippler 1994, 15f.)

Der Autor meint weiter, dass Industrieländer ihre Größe und „Macht“ benutzen (vgl. Hippler 1994, 16). Die wirtschaftlichen Reformen (wie Strukturanpassung) würden nur in Verbindung mit demokratischen Tendenzen realisiert. Auch Kredite, die sie erhalten und welche sie weiter abhängig macht bzw. den Schuldenberg wachsen lässt sind, nach Meinung von Hippler, an solche Bedingungen geknüpft.

Er nennt Inhalte dieser Programme: „Die Abwertung der Landeswährung und Be- grenzung der Kreditaufnahme im In- und Ausland; Liberalisierung des Außenhan- dels; Durchsetzung positiver Realzinsen und Verbesserung der Preise für Produ- zenten und eine Veränderung des Preissystems zugunsten der Erzeuger; Be- schränkung bzw. Verminderung der Ausgaben im Staatsbudget, insbesondere der Subventionen; Reduzierung des Staatseinflusses und der Rolle des Staates durch die Privatisierung bzw. Schließung öffentlicher Unternehmen; restriktive Lohnpoli- tik, sowie die Streichung von Stellen und Subventionen im öffentlichen Bereich.“ (Hippler 1994,27)

Er sieht den Staat als wichtigstes Organ zur Überlebensfähigkeit der Bevölkerung und stellt einen Kreislauf dar, in dem letztlich die Menschen ärmer sind als zuvor und alles verlieren (vgl. Hippler 1994,28).

Jochen Hippler stellt die Bemühungen der Regierungen für eine Demokratisierung in den Entwicklungsländer in einem schlechten Licht dar. Aus dieser Sichtweise entsteht der Eindruck, es gehe um Macht, Profit und Herrschaftsbedürfnisse. Demokratie steht in der gegenwärtigen Diskussion fast als Synonym für das Per- fekte und Wahre in der Politik dar. So ist es natürlich nicht, auch wenn Hippler die- se Kritik übt.

Eine gute Staatsführung („good governance“) sollte nicht die Pflicht zur Demokratie einschließen. Vielmehr soll er verschiedene Ziele verdeutlichen: eine größere Verwaltungseffizienz, Rechenschaftspflicht staatlicher Akteure, rechtsstaatliche Rahmenbedingungen und mehr Transparenz des Staatshandels (BpB 1996,16).Es kommt nicht in erster Linie auf die politische Staatsverfassung, abgesehen von der Bedeutung des Rechtsstaates, sondern auf das Zusammenspiel von Institutionen und Wirtschaftspolitik.

Ein wichtiges Ziel in der Entwicklung ist „nation building“. Es muss zur „[…] Herausbildung des Bewußtseins einer eigenen politischen Zugehörigkeit und Identität mit dem Staat als akzeptierter Handlungseinheit.“ (BpB 1996,15) kommen.

7. Schlussgedanke

Vergleicht man den Kurs einiger Entwicklungsländer, die in den letzten Jahren ökonomisch erfolgreich waren ergibt sich ein eindeutiges Bild. Entwicklungsfort- schritte machen Staaten, die auf Stabilität setzen, weitgehende Offenheit praktizie- ren, wenig Staatsinterventionismus ausüben und Rechtssicherheit auswiesen (BpB 1999,28).

Exportwachstum und Folgeeffekte führen zum sozialen Wandel, welcher einen Indikator für Entwicklung darstellen kann. Dieser lässt neue Interessengruppierun- gen wachsen und kann neue Konflikte entstehen lassen. Die Überlegungen sagen aus, dass der soziale Wandel als Grundlage für innenpolitische Machtverschie- bungen dient (vgl. Menzel/Senghaas 1986,28), welche die Entwicklung fördern können.

Betrachtet man afrikanische Gesellschaften so erkennt man, dass dies hauptsäch- lich arme oder volkswirtschaftlich rückständige Gesellschaften sind. Seit den 80iger Jahren wurden Versuche der Demokratisierung in Afrika unternommen. Nicht die Erfolge von Umsetzungen der Modernisierungsstrategien, sondern ent- täuschende Resultate sind die Ursache für Aktionen bestehender Herrschaftsre- gime.

Menzel sieht die Entstehungsbedingungen für demokratische Reformprozesse als „Begleiterscheinung“ bzw. Folge wirtschaftlicher Entwicklung (vgl. Menzel/Senghaas 1986,23). Es ist allerdings nicht belegbar, dass der Wachstum demokratischer Strukturen mit Entwicklung gleichzusetzen ist.

Nicht der Weltmarkt, sondern der innere Zustand und die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes sind für Fortschritte oder Rückschritte ausschlaggebend. Interne Herrschaftsverhältnisse und Sozialstrukturen sind entscheidende Determinanten von Entwicklung.

Es gibt viele theoretische Möglichkeiten und Überlegungen die Probleme der Entwicklungsländer zu lösen. Die Idee der Modernisierungstheorie ist gescheitert, da die Einführen neuer Institutionen, das Verändern gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen keine Entwicklung bedingt.

Eine Abkoppelung (Dissoziation) von Weltmarktzwängen könnte sich als proble- matisch erweisen, vor allem, wenn eine Grundnahrungsmittelproduktion für die eigene Bevölkerung nicht möglich ist. Sie ist allerdings nicht als unmöglich einzuschätzen. Um ihre Unabhängigkeit zu erlangen, lösten sich die Vereinigten Staa- ten gewaltsam 1787 (Boston Tea Party) von der Kolonialmacht England und dem wirtschaftlich fortgeschritteneren Europa. (vgl. Strahm 1989,197) Es gibt viele verschiedene Ansätze diese Länder zu fördern und zu unterstützen. Einige scheinen nicht realisierbar, andere zwar als durchführbar, aber nur mit ho- her finanzieller Unterstützung oder Hindernissen, wie z.B. Korruption und momen- tane Staatsmacht.

Kann die Demokratisierung ein erfolgreicher Weg sein? Die Schaffung eines stabilen Staates als Grundvoraussetzung für das Erlangen individueller Rechte und Zufriedenheit der Bevölkerung wäre eine Möglichkeit. Als weiteres Ziel müssen vor allem die Preise des Marktes überwacht und angeglichen werden, dann hätten die Entwicklungsländer bessere Chancen.

8. Literaturangabe

Borsdorf,Axel 1989: Kurswissen: Dritte Welt und Weltwirtschaft, Stuttgart.

BpB (Bundeszentrale f ü r politische Bildung) 1996: Ursachen der Entwicklungsdefizite, in: Informationen zur politischen Bildung 252: Entwicklungsländer.

Der Brockhaus in einem Band 2000, 9.Aufl., Leipzig.

Hein, Wolfgang 1995: Von der fordistischen zur post- fordistischen Weltwirtschaft, in: Peripherie 59/60, 45- 78.

Hippler, Jochen (Hrsg.)1994: Demokratisierung der Machtlosigkeit - Politische Herrschaft in der Dritten Welt, Hamburg, S. 11-45.

Kappel, Robert 1997: Weltwirtschaft und Armut, Hamburg.

Opitz, Peter J. 1997: Grundprobleme der Entwicklungsregionen: Der Süden an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, München.

Kuffer, Lucky (Hrsg.): o.T.; http//:www.xipolis.net;2000;19.07.2001.

Menzel, Ulrich/ Senghaas, Dieter 1986: Europas Entwicklung und die Dritte Welt: Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main.

Nohlen, Dieter ( Hrsg. ) 1994: Lexikon der Politik: Internationale Beziehungen, Bd. 6, München, 108- 124.

o.A. 1997: Von der Theorie der Unterentwicklung zur Theorie globaler Vergesellschaftung, in: Peripherie 65/66, 81- 108.

Strahm, Rudolf H. 1985: Warum sie so arm sind: Arbeitsbuch zur Entwicklung der Unterentwicklung in der Dritten Welt mit Schaubildern und Kommentaren, Wuppertal. Wallert, Werner 2001: Abiturwissen: Entwicklungsländer, Gotha.

Excerpt out of 14 pages

Details

Title
Nachholende Entwicklung, Abkoppelung und Armut
Grade
2
Author
Year
2002
Pages
14
Catalog Number
V107402
ISBN (eBook)
9783640056750
File size
426 KB
Language
German
Keywords
Nachholende, Entwicklung, Abkoppelung, Armut
Quote paper
Melanie K. (Author), 2002, Nachholende Entwicklung, Abkoppelung und Armut, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107402

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