Zum Zusammenhang zwischen Theorie und Politik bei Dag Hammarskjöld


Hausarbeit, 2000

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Hinführung

2 Biografie Dag Hammarskjölds

3 Die „Zeichen am Weg“

4 „Das glaube ich“: Radio-Interview aus Seite 8 dem Jahr

5 Der Einfluss Martin Buber’s

6 Der UN-Meditationsraum

7 Hammarskjöld, der unabhängige Staatsmann

Literaturverzeichnis

1. Hinführung

Ein Politiker als Philosoph - kaum vorstellbar vor dem aktuellen Hintergrund der unseligen Nationalstolzdebatte in Deutschland. Doch es soll sie gegeben haben, die intellektuellen, philosophischen Denker, die der Weltpolitik ihren Stempel aufdrückten. Als besonders beeindruckender Vertreter dieser Spezies tat sich Dag Hammarskjöld, von 1953 bis zu seinem Tod 1961 UN-Generalsekretär, hervor. Doch neben seinem erfüllenden Amt erwies sich Hammarskjöld als begeisterter Anhänger der christlichen Mystik, tat sich hervor als Übersetzer Martin Bubers und verfasste mit seinem Tagebuch „Zeichen am Weg“ ein beeindruckendes Stück Literatur.

Hochintelligenter Mensch, der er war, setzte er diese bedeutenden Einflüsse in seiner Politik um, denn „politisch heißt, den ‘ungründigen’ Kommunikationszusammenhang wahrzunehmen, der alles Denken politisch werden lässt“ (Adam 2001). Zwar ist diese Aussage an Karl Barth angelehnt, sie scheint aber auch für Hammarskjöld ihre Richtigkeit zu haben. Lebte dieser also ein Leben nach dem Barthschen Politikverständnis ?

Zum Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis, zwischen Philosophie und Politik bei Dag Hammarskjöld möchte diese Arbeit Stellung beziehen. Dazu werden Auszüge aus dem Werk „Zeichen am Weg“ bemüht, die Bedeutung von Martin Bubers „Ich und Du“ für Hammarskjöld soll beleuchtet, und konkrete Projekte des Generalsekretärs in Augenschein genommen werden. Eine allgemeinere Analyse der Politik Hammarskjölds soll den Abschluss bilden.

Zunächst jedoch erscheint es wichtig, seine Biografie kurz darzustellen, da die Betrachtung einer intellektuellen Entwicklung bzw. einer philosphischen Einstellung einer Person dessen Leben und die Stationen seiner Laufbahn nicht außen vor lassen darf.

2. Biografie Dag Hammarskjölds

Dag Hjalmar Agne Carl Hammarskjöld wurde am 29. Juli 1905 als jüngster Sohn von Agnes und Hjalmar Hammarskjöld geboren. Sein Vater war schwedischer Premierminister, Gouverneur von Uppland, Mitglied des Hager Tribunals und Vorsitzender des Rates der Nobel-Stiftung.

In seiner Zeit an der Universität Uppsala erwies er sich als hochintelligenter, herausragender Student, und schloss 1925 in Linguistik, Literatur und Geschichte ab. Er nutzte seine Zeit auch, um Deutsch, Englisch und Französisch zu erlernen. Einen zweiten Universitätsabschluss legte er 1928 in Wirtschaft ab, ehe er 1930 ein Jura-Studium abschloss und 1934 den Doktortitel in Wirtschaft errang. 1933 unterrichtete er an der Universität Stockholm Wirtschaft.

Nach dem Ende seiner Studien trat Hammarskjöld in den öffentlichen Dienst ein. Bereits von 1930 an war er Sekretär einer Regierungskommission zur Arbeitslosigkeit. Dieses Engagement endete vier Jahre später. 1935 wurde er zum Sekretär der Bank von Schweden ernannt, und von 1936 bis 1945 hatte er den Posten eines Untersekretärs im Finanzministerium inne.

Mit dieser Tätigkeit überschnitt sich vier Jahre lang sein Amt als Vorsitzender der Bank von Schweden.

In diesem ganzen Zeitraum wurden er und sein ältester Bruder Bo, der im Sozialministerium tätig war, zu tragenden Säulen in der Errichtung des sogenannten „Wohlfahrtsstaates“.

Ab 1946 begann die internationalere Ausrichtung der Karriere Hammarskjölds, als er finanzieller Berater des Außenministeriums wurde. 1949 wurde er offiziell im Außenministerium angestellt, ehe er 1951 in Ministerrang aufstieg. In der UNO wurde Hammarskjöld 1949 erstmals aktiv, als er Schweden, wie auch zwischen 1951 und 1953, als Delegierter vertrat.

1953 wurde Hammarskjöld zum UN-Generalsekretär gewählt. Er erhielt 57 von sechzig möglichen Stimmen.

In seiner Zeit als Generalsekretär, er blieb es bis zu seinem Tod 1961, nahm er eine Neuinterpretation des Postens , sowie eine Umstrukturierung seiner Verwaltung vor. Zusätzlich machte er sich einen Namen als erfolgreicher, umsichtiger Diplomat, der in Konflikte auf drei Kontinenten verwickelt war. Einen großen Erfolg errang er 1954/55, als er persönlich die Freilassung US-amerikanischer Flieger aus chinesischer Gefangenschaft heraushandelte. Diese waren zuvor als Spione verurteilt worden, und somit, da sie nicht mehr als Kriegsgefangene galten nicht mehr rückkehrberechtigt.

1956 beschäftigte Hammarskjöld die Suez-Krise. Auch hier trat er wieder persönlich als Vermittler auf, und stellte erstmals eine Eingreiftruppe unter UN-Mandat auf, die United Nations Emergency Force (UNEF).

1958 wurde er in der gleichen Region tätig, und setzte zwei UN-Missionen im Libanon und in Jordanien ein, durch die die bislang dort stationierten amerikanischen und britischen Truppen überflüssig und deshalb abgezogen wurden. Einen persönlichen Vertreter entsandte er nach Südostasien, als Kambodscha und Thailand ihre diplomatischen Beziehungen abbrachen, und in der Laos-Krise. Durch all diese Aktionen ergaben sich neue Vorgehensweisen der UN in Krisensituationen. Hammarskjöld interpretierte sein Amt als aktiver Mittler, und brachte die UNO in eine aktivere Rolle.

Seine letzte Mission führte ihn in den Kongo. Die UN entsandte in das nach seiner Unabhängigkeit krisengebeutelte Land eine Friedenstruppe, die Hammarskjöld unterstellt war. Als er sich in Folge dessen 1961 in Leopoldville aufhielt, erreichte ihn die Nachricht neuer Kämpfe in der Provinz Katanga. Um dort einen schnellen Waffenstillstand herzustellen verließ Hammarskjöld Leopoldville per Flugzeug, um persönlich mit dem Präsidenten von Katanga, Tshombe, zu verhandeln. Das Flugzeug erreichte sein Ziel nie. In der Nacht vom 17. auf den 18. September 1961 kam Dag Hammarskjöld bei einem Flugzeugabsturz ebenso wie seine 15 Begleiter ums Leben. Die Umstände des Absturzes sind bis heute mysteriös. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass es sich um keinen Unfall gehandelt haben könnte. (Nobel 2001) Dag Hammarskjöld erhielt posthum den Friedensnobelpreis.

3. Die „Zeichen am Weg“

Im Nachlass Hammarskjölds fand sich eine Art Tagebuch, dass er seinem Freund Leif Belfrage zur möglichen Veröffentlichung zurückließ. In einem Brief an diesen erläuterte Hammarskjöld: „Begonnen wurde es ohne einen Gedanken daran, daß jemand es lesen sollte Das einzig richtige Profil, das man zeichnen könnte, ergeben diese Notizen. Darum habe ich in den letzten Jahren mit einer Veröffentlichung gerechnet“ (Hammarskjöld 1974: 15). Der Brief schloss mit einer Bitte: „Wenn Du findest, daß sie verdienen gedruckt zu werden, so gib sie heraus - als eine Art Weißbuch meiner Verhandlungen mit mir selbst - und mit Gott“ (Hammarskjöld 1974: 15). Schon aus diesen Äußerungen wird ersichtlich, dass eine Beschäftigung mit den geistigen Hintergründen hinter Hammarskjölds Politik immer auch eine Beschäftigung mit „Zeichen am Weg“ darstellen muss.

Die „Zeichen am Weg“ sind jedoch häufig schwer zu analysieren, da exakte Datumsangaben meist fehlen, lediglich die Jahreszahlen sind regelmäßig angegeben. Daher ist man häufig auf Spekulation angewiesen, ob eine Textstelle vor oder nach einem Ereignis entstanden ist. Außerdem hat Hammarskjöld in einer Vorbemerkung erwähnt, dass man, um richtig schreiben zu können, Streichungen vornehmen müsse (Hoffmann-Herreros 1991: S.82). Es kann also sein, dass Einträge im Nachhinein wieder umarrangiert, oder aus ihrer ursprünglichen Reihenfolge genommen wurden. Henry P. van Dusen hat versucht, eine Sammlung mit Textstellen zusammen zu stellen, die in direkten Zusammenhang mit einzelnen Ereignissen in Hammarskjölds politischer Laufbahn gebracht werden können (van Dusen 1967 (b): 223).

Zunächst sollen aber noch einige allgemeinere Dinge nicht unerwähnt bleiben. Ein immer wiederkehrendes Motiv ist jenes des Opfers. Hammarskjöld sieht seine Arbeit und sein Leben als eine Art Opfer für die Allgemeinheit an. Bereits als Zwanzigjähriger schreibt er deshalb: „Ein Mann, der wurde, was er konnte, und der war, was er war - bereit im einfachen Opfer alles zu fassen“ (Knyphausen 1974: 5). Im Todesjahr 1961 taucht dieses Motiv noch immer auf: „Jetzt bin ich der Gewählte, festgespannt auf den Block, Opfer zu werden“ (Knyphausen 1974: 6).

Auch seine Einsamkeit ist ein ständig wiederkehrendes Thema. Scheinbar litt Hammarskjöld sehr darunter.

Bis 1953 erhält diese Einsamkeit und Opferbereitschaft auch immer wieder einen bedrohlichen Unterton, wenn er vom Tod schreibt. Eine Todessehnsucht scheint hier latent vorhanden, erst 1953 erfolgt ein Umbruch. „Für alles, das gewesen ist - Danke! Allem das sein soll - Ja!“ (Van Dusen 1967b: 29). Hier beginnt er also, zeitlich nicht weit entfernt von seiner Ernennung zum Generalsekretär, einen neuen Abschnitt, weg von seiner Todessehnsucht der Vorjahre hin zu einer Bejahung seiner neuen Aufgabe und des Lebens schlechthin. Dies bildet sicherlich eine Voraussetzung für sein großes Engagement als Generalsekretär.

Mit dem 7. April 1953 taucht eines der seltenen festen Daten im Werk auf. Hier erklärt er wiederum seine Freude über die neue Aufgabe „Frei zu sein, fähig zu sein, aufzustehen undalleshinter sich zu lassen - ohne zurück zu sehen Ja zu sagen“ (Hammarskjöld 1970: 91). Weiter schreibt er: „Ich bin der Krug. Das Getränk ist Gottes. Und Gott ist der Durstige.“ (Hammarskjöld 1970: 91). Hier wird eine Besonderheit Hammarskjölds deutlich. Er sieht sich nicht in Verantwortung gegenüber der UN oder eines Staates, sondern nur Gott gegenüber. Diese Einstellung sollte seine Politik nachhaltig prägen.

Nach seinem ersten großen diplomatischen Erfolg, der Freilassung der amerikanischen Soldaten aus chinesischer Gefangenschaft, schreibt Hammarskjöld: „Scham mischt sich mit Dankbarkeit: Scham über alle Anläufe zu Eitelkeit, Mißgunst und Nachgiebigkeit - Dank für alles, wozu mich vielleicht der Wille, nicht aber die Leistung berechtigen konnte.

Manchmal gibt Gott uns die Ehre - für sein Werk. Oder behält sie in seiner Einsamkeit. Zu unseren Bocksprüngen lächelt er ironisch - solange wir nicht mit den Gewichten pfuschen“ (Specker 1999: 156). Auch hier wird wieder die tiefe Gottverbundenheit des Politikers Dag Hammarskjöld deutlich. Sich selbst sieht er nur als Werkzeug, seine Leistungen als von Gott bestimmt, und daher nicht weiter rühmenswert. Besonders stark wird dieses Motiv der göttlichen Leitung im Jahre 1956 hervorgehoben. Gegen Ende der Suez - Krise, im November 1956 notiert er: „Jemand gab uns das Weberschiff in die Hand: jemand der die Fäden bereits angeordnet hatte“ (Hammarskjöld 1970: 141). Zwei Einträge zuvor äußert er sich ähnlich: „Wie demütig ist das Werkzeug, wenn es für das geehrt wird, das die Hand getan hat“ (Hammarskjöld 1970: 140). Kurz zuvor hatte er bereits festgehalten: „Ohne, dass uns dies bewusst wäre, sind unsere Finger so geleitet, dass ein Muster entsteht, wenn die Fäden sich im Netz verfangen“ (Hammarskjöld 1970: 140). All dies zeigt die tiefe Demut vor Gott, die stets ein bedeutendes Element in der Zwiesprache mit sich selbst bei Hammarskjöld war, und, wie wir später feststellen werden, auch Bedeutung für seine Politik hatte.

4. „Das glaube ich“: Radio-Interview aus dem Jahr 1953

Im Herbst 1953 nahm Hammarskjöld an einer Sendereihe zum Thema „Das glaube ich“ teil. Er selbst verfasste eine etwa eineinhalb Seiten umfassende Stellungnahme mit dem Titel „Alter Glaube in einer neuen Welt“. Das Dokument, dass später in einem Buch unter dem Titel der Sendereihe erschienen ist, erläutert eindrucksvoll Hammarskjölds Glauben.

„Die Welt, in der ich aufgewachsen bin, war geprägt von den Prinzipien und Idealen einer Zeit weit von unserer, und, so mag es scheinen, weit entfernt von den Problemen, die einen Menschen im Zwanzigsten Jahrhundert erwarten“ (Van Dusen 1967: 24). Dennoch stellt er fest, dass er sich im Kreis bewegt habe, und dass eben jene Ideale auch für ihn wieder an Bedeutung gewonnen haben. Er erklärt damit auch, dass die Prinzipien, die ihm in seiner Erziehung beigebracht wurden, nun wieder einen Stellenwert hätten, und ihm wertvoll seien.

Im zweiten Teil des Interviews vertieft er diesen Gedankengang, und legt die Einflüsse seiner Mutter und seines Vaters dar. So habe er von seinem Vater, aus der Tradition vieler Soldaten und Staatsdiener, gelernt einen selbstlosen Dienst für ein Land, oder die Menschheit zu leisten. „Dieser Dienst erfordert eine Aufgabe aller persönlicher Interessen, aber ebenso den Mut, unbeirrbar für seine Überzeugungen aufzustehen“ (van Dusen 1967: 24).

Von Seiten seiner Mutter hingegen habe er gelernt, dass alle Menschen gleich seien, „als Kinder Gottes, und von uns behandelt werden sollten wie unsere göttlichen Lehrer“ (van Dusen 1967: 25).

Was aber bedeutete das nun für Hammarskjöld? Er entdeckt also eines Tages, dass diese Grundsätze in ihm verwurzelt sind und noch heute Gültigkeit besitzen. „Ich fühle, dass ich diese Überzeugungen ohne jeden Kompromiss mit den Anforderungen der intellektuellen Ehrlichkeit, die der Schlüssel zur Erwachsenwerdung des Geistes ist, in Einklang bringen kann“ (van Dusen 1967: 25). Diese Grundsätze brachten ihn auch auf die Spur der mittelalterlichen Mystiker, denen er sich eng verbunden sah. Wichtige Denker der Mystik, wie Johannes vom Kreuz, Thomas à Kempis und Meister Eckhardt entwickelten sich zu bedeutenden Eckpfeilern des Hammarskjöldschen Glaubensbildes. Er lernte, Glauben als „Verhältnis der menschlichen Seele zu Gott“ (Specker 1999: 51) zu sehen, „weniger als eine Sache von Lehre und Doktrin, als vielmehr eine Sache fundamentaler Erfahrung“ (Specker 1999: 51).

Auch auf Albert Schweizer beruft sich Hammarskjöld in diesem Interview. „In seiner Arbeit fand ich außerdem den Schlüssel, der dem modernen Menschen die Welt der Evangelien erschließt“ (Specker 1999: 52).

Aber besonders auf die Mystiker kommt er noch einmal zu sprechen. Das Buch „Nachfolge Christi“ von Thomas à Kempis wurde sein ständiger Begleiter, und wurde auch bei seiner letzten Reise bei ihm gefunden. Dies zeigt schon den großen Einfluss, den die Werke der Mystiker auf ihn hatten. So kommt Hammarskjöld auch im Interview auf den Begriff der Liebe zu sprechen. „Liebe - dieses oft fehlgebrauchte und mißverstandene Wort - meinte für sie [die Mystiker] einfach ein Überfließen der Kraft, mit der sie sich selbst angefüllt erfuhren, wenn sie in wahrer Selbstvergessenheit lebten“ (Specker 1999: 53).

Die Selbstvergessenheit taucht hier wieder auf, die schon in den „Zeichen am Weg“ eine Rolle spielte, als sich Hammarskjöld als reines Werkzeug bezeichnete (vgl. 3.). In dieser Selbstvergessenheit bis hin zur Selbstaufopferung war es ihm möglich, den schwierigen Posten des Generalsekretärs auszufüllen, und mit ganzem Engagement, und gegen alle Widrigkeiten für die Ideale der UN-Charta einzutreten.

5. Der Einfluss Martin Buber’s

Hammarskjöld war von Martin Buber’s „Ich und Du“ offenbar äusserst fasziniert. Dies reichte so weit, dass er das Werk ins Schwedische übersetzte. Martin Buber wurde am 8. Februar 1878 in Wien geboren. In seiner Jugend sagte er sich von den jüdischen Religionsgebräuchen los, was ihn aber nicht davon abhielt später ein überzeugter Vertreter des Zionismus zu werden. Buber beschäftigte sich ebenfalls lange Jahre mit Mystikern wie Meister Eckhart. 1916 begann er mit den Arbeiten an „Ich und Du“, dass 1923 fertiggestellt wurde. Buber erhielt für seine Werke unter anderem den Friedenspreis des deutschen Buchhandels (1953) und den Erasmus - Preis (1963). Er war Ehrendoktor an der Sorbonne in Paris und der Universität Heidelberg. Er starb am 13. Juni 1965 im Alter von 87 Jahren in Jerusalem. (Schmidt 2001) „Ich und Du“ beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Menschen untereinander und zu Gott. Die Grundaussage, die Buber trifft, ist, dass wir nur durch authentische Beziehungen und Begegnungen mit anderen Menschen unsere ewiges Selbst, bzw. das ewige Du des Gegenübers entdecken können.

Er teilt Begegnungen und Beziehungen in zwei Gruppen ein: Die Ich-Es-Beziehung und die Ich-Du-Beziehung, wobei letztere die vollkommene Form ist. Der zentrale, bedeutende Begriff bei der Ich-Es-Beziehung ist der des Objektes. Diese unvollkommene Art der Beziehung sieht das äußere des Gegenübers, betrachtet ihn nicht ganzheitlich, sondern hauptsächlich als Gegenstand. Wer nur in dieser Ich-Es- Beziehung lebt, wird dafür mit Isolation und Einsamkeit bezahlen müssen, da in der Beziehung zu einem Objekt keine tiefergehenden Freundschaften geschlossen werden können. Dennoch ist die Ich-Es-Beziehung nicht grundsätzlich als schlecht anzusehen, da wir alle in einer Welt der Objektbeziehungen leben. Zunächst einmal betrachten wir alles, das außerhalb unserer Selbst liegt als Objekte. Die bedeutende Frage ist, welche Art der Beziehung man dominieren lässt. Dies sollte die Ich-Du- Beziehung sein. (Barich 2001)

Die Ich-Du-Beziehung ist komplexer. Hier begegnen sich zwei Menschen auf einer tieferen Ebene. Die Ich-Du-Beziehung setzt praktisch das Zusammentreffen zweier Seelen voraus, das Zusammentreffen in einer Gesamtheit, die den ganzen Menschen, sein Denken und seine Innersten Gefühle mit einschließt. „Wenn man ‘Du’ zu einer anderen Person sagt, teilt man das Mysterium des eigenen Seins, man antwortet mit der Ganzheit des Selbst dem „Du“, dass dich anspricht, man trifft den anderen auf der Ebene des Geistes. Buber definiert ‘Geist’ als das, das zwischen zwei Menschen entsteht, wenn sie sich auf der Ich-Du-Ebene begegnen“ (Barich 2001).

Wer in die Ich-Du-Beziehung eintritt, nimmt die Realität also von einem höheren Punkt wahr, betrachtet seinen Gegenüber nicht mehr als Objekt. Das hat zur Folge, dass man sich seiner einzigartigen Bestimmung bewusst wird, und man fähig ist, Entscheidungen aus diesem tieferen Bewusstsein, dem zentralen Willen der das Leben leitet, heraus zu treffen.

In dieser Einkehr und Erkenntnis begegnen wir unserem ewigen Ich, dass nichts anderes ist als Gott. Wir erfahren die Gegenwart Gottes als Kraft, die unserem Leben Bedeutung gibt. So gibt uns die Begegnung mit dem eigenen „Du“ die Kraft und den Mut den Problemen des Lebens und der Welt entgegen zu treten. Auch schafft es den Begriff des Feindes ab. Der Feind ist nur ein Lebewesen in Gottes Welt, der vielleicht nur mehr Zuneigung und mehr Verantwortung benötigt, als andere.(Barich 2001)

So wirkte Buber’s „Ich und Du“ auch auf Dag Hammarskjöld. Sein innerer Dialog mit Gott war stets vorhanden, er handelte, laut „Zeichen am Weg“ stets nur als Werkzeug Gottes. So scheint er sein „Du“ gefunden, und aus diesem heraus sein Handeln bestimmt zu haben. Auch seine große Achtung vor anderen Kulturen und anderen Ansichten zeigt sich vereinbar mit Buber’s Lehre. Die, von Hammarskjöld eingeführte, stille Diplomatie, ist ebenfalls in diesem Kontext erwähnenswert. Sie ermöglichte es allen Seiten, aufeinander einzugehen, gewissermaßen in einem Ich- Du-Verhältnis, ohne in der Öffentlichkeit womöglich das Gesicht zu verlieren.

Die Einflüsse Buber’s auf den Politiker Hammarskjöld sind also unverkennbar. Er war sich immer des Grundsatzes bewusst, dass man erst eine Person wird, „wenn man in Beziehung mit anderen Menschen tritt“ (Barich 2001). Dies prägte auch seinen Umgang mit Verhandlungspartnern, auf die er offen und ehrlich zuging.

6. Der UN-Meditationsraum

Hammarskjölds Einflüsse haben im Gebäude der Generalversammlung der UN auch eine konkrete Form des Ausdrucks gefunden. Den Meditationsraum in der Lobby des Gebäudes gestaltete der Generalsekretär nach seinen Wünschen um. Der Raum wurde ohne jegliche religiöse Symbole eingerichtet. „Die Vereinten Nationen müssen all die verschiedenen Bekenntnisse und Einstellungen anerkennen und achten, die von ihren Mitgliedsländern vertreten werden“ (Specker 1999: 160). Unter dieser Prämisse wurde der Raum frei von allen Symbolen schlicht gestaltet. In der Mitte wurde ein Block aus Eisenerz installiert, auf den ein einziger Lichtstrahl fällt. Sonst wird der Raum von keinem Licht erhellt. Im Nachhinein wurde noch ein Fresko des schwedischen Künstlers Bo Beskow hinzugefügt.

In der Beschreibung des Raumes äußert sich Hammarskjöld zu den einzelnen Bestandteilen. Mit dem Stein „sehen wir hier in der Mitte des Raums ein Symbol für das Licht des Himmels, das der Erde, auf der wir stehen, täglich Leben spendet; es mag vielen ein Symbol sein für das Licht des Geistes, das der Materie Leben verleiht“ (Söderberg 1962: 94). Hier kann man wieder Anleihen bei Buber erkennen, wenn vom Leben spendenden Geist die Rede ist. Weiter soll der Stein ein Zeichen sein für das Feste und Beständige, und eine Art Altar darstellen. „Das Material des

Blocks lenkt unsere Gedanken auf die Notwendigkeit zwischen Zerstörung und Aufbau, zwischen Krieg und Frieden zu wählen“ (Söderberg 1962: 94). Der Lichtstrahl wiederum weist hin auf das Leben und, wie bereits erwähnt, den Geist.

Das Fresko blieb ebenfalls frei jeglicher religiöser Symbole, da es jeden, egal welcher Konfession oder Religion angehörig, zur Meditation einladen soll. Auch über den Sinn des Raumes an sich äußert sich Hammarskjöld. „Dieses Haus, der Arbeit im Dienst des Friedens geweiht, sollte einen Raum haben, der dem Schweigen und der inneren Stille gewidmet ist“ (Söderberg 1962: 92). Auch hier wird wieder die Unterscheidung zwischen innerer Stille und „äußerem“ Schweigen augenscheinlich.

Der Raum wurde Ende der 80er Jahre wegen eines Mißbrauchs des Raumes geschlossen und erst 1998 wieder eröffnet. Die Beschreibung Hammarskjölds wurde dann auf einer Tafel im Meditationsraum angebracht.

Zwischenzeitlich scheinen also einige Besucher Hammarskjölds Worte vergessen zu haben: „Dies ist ein Raum, der dem Frieden und jenen geweiht ist, die ihr Leben für den Frieden hingeben. Es ist ein Raum der Stille, in dem nur Gedanken sprechen sollten.“ (Söderberg 1962: 92).

7. Hammarskjöld, der unabhängige Staatsmann

Hammarskjöld war in einer krisenbehafteten Zeit Generalsekretär der Vereinten Nationen. War sein Vorgänger Tygvie Lie noch an der Schwierigkeit der Unparteilichkeit gegenüber den Supermächten gescheitert, wurde Hammarskjöld trotz der Schwere seiner Aufgabe von allen Seiten geschätzt. Als er sich bei der Kongo-Krise erstmals massive Kritik einhandelte, versuchte er noch einmal persönlich in die Verhandlungen einzugreifen, und kam ums Leben. Warum aber, wurde er von allen Seiten derartig geschätzt? Sicherlich muss man hier bei seinen Einflüssen seitens der Mystik und Martin Buber’s ansetzen. Die Selbstaufopferung der Mystiker, wie auch das Konzept der Ich-Du-Beziehung bei Buber zielen auf eine Verantwortlichkeit gegenüber Gott ab. Die höchste Instanz der Selbstkontrolle ist die Zwiesprache mit dem tiefsten Inneren. Diese ist als Zwiesprache mit Gott anzusehen.

Vor diesem Hintergrund konnte Hammarskjöld frei von Verpflichtungen seiner Aufgabe nachgehen. Er sah sich keiner Großmacht verpflichtet, auch nicht seinem Heimatland Schweden, sondern nur seinem eigenen Gewissen, und somit Gott. Dieser führte ihn, das Werkzeug.

„Der Zusammenhang von Politik und Glaube bei Dag Hammarskjöld besteht letzendlich darin, daß er seine Aufgabe gegenüber Gott darin sah, ganz und gar Generalsekretär der Vereinten Nationen zu sein; (...) Sein Dienst war seine Art und Form Gott zu dienen, und in diesem Dienst vertraute er ganz auf Gottes Hilfe . Enger können Glaube und Politik kaum zusammenhängen“ (Specker 1999: 161). So scheint es gerade sein tiefer Glaube gewesen zu sein, der Hammarskjöld zu dem großen Politiker machte, der er war. Er gab ihm Selbstsicherheit, innere Ruhe, Kraft und Unabhängigkeit. Gerade weil er sich so sehr einer höheren Instanz verpflichtet fühlte, konnte er von widrigen Einflüssen auf Erden relativ unbeeindruckt bleiben. Der ungewöhnliche Mensch und große Staatsmann Hammarskjöld war also vermutlich in erster Linie ein tiefgläubiger Mensch.

Vielleicht machte ihn die Suche nach Heiligkeit oder Erlösung zu dem bedeutenden Menschen, der er war.. Sagte er doch selbst: „In unserer Zeit durchkreuzt die Straße zur Heiligkeit notwendigerweise die Welt des Handelns:“

Literaturverzeichnis:

Adam, Armin: Hunger nach Welt; In: Süddeutsche Zeitung; 26. März 2001; S. 18

Barich, John: A few Thoughts on Martin Buber’s I and Thou;

http://www.rjgeib.com/barich/papers/martin-buber.html; Stand: 27.03.2001

Dahlin, Maria; Tottermann, Petra: Dag Hammarskjöld;

http://www.igc.org/napf/dag_hammarskjold.html; Stand: 27.03.2001

Hammarskjöld, Dag: Markings; New York 251970

Hammarskjöld, Dag: Zeichen am Weg; München/Zürich 81974

Hoffmann-Herreros, Johann: Dag Hammarskjöld. Politiker-Schriftsteller-Christ; Mainz 1991

Knyphausen, Anton Graf: Einleitung zu „Zeichen am Weg“; In: Hammarskjöld, Dag: Zeichen am Weg; München/Zürich 81974; S. 5-14

Nobel e-Museum (Homepage): Dag Hammarskjöld:

http://www.nobel.se/peace/laureates/1961/hammarskjold-bio.html; Stand: 27.03.2001

Nordmeyer, Barbara: Dag Hammarskjöld; http://www.anthros-online.de/Biografien/dag_hammarskjoeld.htm; Stand: 27.03.2001

Rovine, Arthur W.: The first fifty years. The Secretary-Geberal in World Politics 1920-1970; Leyden 1970

Schmidt, Andreas: Biographie Martin Bubers; http://www.buber.de/de/biographie.html; Stand: 27.03.2001

Söderberg, Sten: Hammarskjöld. Eine Bildbiographie; München 1962 Specker, Andreas: Leben als Opfer ? ; Augsburg 1999

van Dusen, Henry P.: Dag Hammarskjöld: The Inner Person; In: Cordier, Andrew W., Maxwell, Kenneth L.: Paths to World Order; New York / London 1967; S. 22 - 44 van Dusen, Henry P.: Dag Hammarskjöld. A Biographical Interpretation of Markings; London 1967 (b)

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Details

Titel
Zum Zusammenhang zwischen Theorie und Politik bei Dag Hammarskjöld
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
PS Dag Hammarskjöld und die UNO
Autor
Jahr
2000
Seiten
13
Katalognummer
V107367
ISBN (eBook)
9783640056408
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenhang, Theorie, Politik, Hammarskjöld
Arbeit zitieren
Rainer Bock (Autor:in), 2000, Zum Zusammenhang zwischen Theorie und Politik bei Dag Hammarskjöld, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107367

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