Leben und Werk der Christine de Pizan


Seminararbeit, 2002

11 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I Geschichtlicher Kontext

II Leben und Werk der Christine de Pizan
1. Zur Vita
1.1. Kindheit und Ehejahre
1.2. Jahre des Leidens
1.3. Schaffenszeit
2. Ausgewählte Literatur
2.1. Le Livre de la Cité des Dames
2.2. Le débat sur le roman de la rose
2.3. Biographie über Karl V

III Die Frau im Spätmittelalter

I. Geschichtlicher Hintergrund

Während der Regierungszeit von Karl V., 1364 - 1380, war in Frankreich weitestgehend Frieden. Als er starb war sein Nachfolger Karl VI. erst 12 Jahre alt. Da jedoch auch die Mutter Karls VI gestorben war, rivalisierten die drei Brüder des Königs, Ludwig von Anjou, Johann von Berry und Philipp um die Macht. Das Problem dabei war in erster Linie, dass jeder von ihnen ein Landesherr war und die Interessen des eigenen Landes in den Vordergrund zu stellen versuchte. Innenpolitische Krisen, ständige Kämpfe und Zwistigkeiten stürzten das Land in Unruhe. Noch ein weiterer Streit flammte zu dieser Zeit auf, nämlich der Streit der Päpste um die Tiara. Gregor XI hatte nach vielen Jahren der Sitz der Päpste von Avignon nach Rom zurückverlegt. Der nächste Papst, Urban VI, war jedoch zu grausam, um für dieses hohe Amt geeignet zu sein, so daß ein anderer Papst gewählt wurde, nämlich Clemens VII, ein Franzose. Dieser wiederum zog wieder nach Avignon. Die beiden Päpste versuchten von ihrem jeweiligen Sitz aus, die Christenheit auf ihre Seite zu bringen. Eine neue einflußreiche Institution spielt eine immer größere Rolle bei geistlichen und religiösen Fragen, die Universität von Paris. Ihr Ziel war es, als Oberhaupt der Kirche einen Rat von weisen Universitätsangehörigen zu wählen. 1388 wurde Karl VI mit 22 Jahren König von Frankreich. Aber schon kurze Zeit später erlitt er einen epileptischen Anfall und trieb Frankreich mit seiner Regentschaft fast in den Ruin. Seine Onkel übten einige Zeit einen sehr großen Einfluß auf den jungen König aus, bis sich dieser dazu entschied alleine zu regieren.

Die Ratgeber seines verstorbenen Vaters Karl V, die sogenannten Marmousets, wurden wieder zu Rate gezogen. Sie stammten aus dem Großbürgertum und schafften es durch diverse Veränderungen die Finanzprobleme des Königs weitestgehend zu lösen und auch die Verwaltung neu zu organisieren. Im Jahre 1395 entspannte sich die Lage Frankreichs ein wenig. Martin V war inzwischen zum neuer Papst gewählt worden, die Steuern wurden verringert und Frankreich und England, die ewig im Streit miteinander waren, versöhnten sich wieder. Als jedoch der Herzog von Lancester König von England wurde, war der Friede mit Frankreich aufs neue gefährdet. Aber auch innerhalb des Landes loderte ein Streit auf, nämlich zwischen Johann ohne Furcht, Herzog von Burgund und Ludwig von Orléans. 1407 wurde Ludwig schließlich nach lang andauernden Kämpfen und Streitereien von Johanns Männer ermordet. Obwohl Johann ohne Furcht die Tat gestand, schaffte er es nach einige Jahren wieder die Gunst des Volkes zu erlangen und begnadigt zu werden. Ludwigs Sohn Karl wollte seinen Vater jedoch rächen und es kam zum Bürgerkrieg zwischen den Burgundern und den Armagnacs, den Anhängern des Königs. In Paris machten die Metzger, den Burgundern treu, einen Aufstand, plünderten und töteten Andersgesinnte und drangen schließlich sogar in den Palast des Thronfolgers ein. In Pontoise wurde 1413 ein Friedensvertrag zu Gunsten der Armagnac unterschrieben. Doch kurze Zeit später besetzten die Engländer die Normandie. Die französischen Fürsten vertrugen sich jedoch immer noch nicht und waren nicht bereit zusammen gegen die Engländer zu kämpfen, was zur Folge hat , daß der König von England nach dem Vertrag von Troyes 1420 zum Nachfolger der Königs von Frankreich bestimmt wurde. Eine unerwartete Wende kam als Johanna die Jungfrau, das von den Engländern besetzte Orléans befreite. Somit wurde den Engländern der Plan vereitelt, nach Bourges vorzurücken, wo sich der französische Thronfolger Karl VII aufhielt. Somit erlangte Frankreich seinen rechtmäßigen König wieder.

II. Leben und Werk der Christine de Pizan

1. Zur Vita

1.1. Kindheit und Ehejahre

Christine de Pizan wurde 1365 in Venedig geboren. Ihr Vater Tommaso di Benvenuto da Pizzano ist ein angesehener Wissenschaftler, genauer Arzt und Astrologe. Sie bekommt noch zwei jüngere Brüder, Aghinolfo und Paolo. Mit drei Jahren zieht sie an den französischen Königshof, an dem Karl V. herrscht, da ihr Vater dorthin berufen wird. Als Astrologe solle er wichtige Ereignisse und günstige Stunden voraussagen und als Mediziner der Leibarzt des Königs sein, aber auch als politischer Ratgeber dienen. Es zeigt sich bald, daß sie sehr wißbegierig und intelligent ist. Und obwohl es zu dieser Zeit eher ungewöhnlich für ein Mädchen ist, eine intellektuelle Ausbildung zu bekommen, bringt ihr Vater ihr sehr viel bei, wie z.B: Latein, Philosophie und andere wissenschaftliche Fächer. Der französische Königshof war damals ein kulturelles und intellektuelles Zentrum in Europa, besaß eine umfangreiche Bibliothek und bildete somit den idealen Hintergrund für Christines geistige Entwicklung. Ihre Mutter hätte jedoch lieber ein „richtiges“ Mädchen, das webt, stickt und Hausarbeiten lernt und will nicht, daß Christine so viel mit ihrem Vater lernt. Sie versucht daher diese Zeit zu reduzieren, indem sie Christine so oft wie möglich im Haushalt einspannt. Christine erwähnt in ihrem Buch „Le Livre de la Cité des Dames“:

„Aber die weibliche Meinung deiner Mutter, die dich, wie es für Frauen gemeinhin üblich ist, mit Handarbeiten beschäftigen wollte, stand dem entgegen.“ (Stadt der Frauen, S. 185)

Sie hatte eine sehr glückliche Kindheit, auch wenn sie es später bereuen sollte, daß sie nicht mehr von dem enormen Wissensschatz ihres Vaters profitieren konnte. Wobei aber auch gesagt werden muß, daß sie sich auch viel durch Selbststudium aneignete. 1380, mit 15 Jahren heiratet sie den, von ihrem Vater für sie auserwählten, 25-jährigen Etienne du Castel, der kurze Zeit später königlicher Hofsekretär und Notar wird. Sie beschreibt diese Beziehung als sehr innig und sie führen eine glückliche Ehe zusammen. Mit ihm bekam sie drei Kinder - ein Mädchen und zwei Jungen. Im selben Jahr stirbt der König Karl V, der den Vater sehr geschätzt und auch reichlich bezahlt hatte. Der Vater verliert von einem Tag auf den anderen seine Stellung und wird kurze Zeit später schwer krank. Er stirbt 1385 als Christine gerade 20 ist. Etienne du Castel hält seine Familie mit seiner Stellung als Hofsekretär, die er immer noch inne hat, über Wasser. Doch 1389 erliegt er völlig unerwartet an einer Seuche, vermutlich die Pest.

1.2. Jahre des Leidens

Nachdem ihr Vater und ihr Mann gestorben sind, muß sie alleine für ihre Kinder und ihre Mutter sorgen. Sie hätte zwar die Möglichkeit wieder zu heiraten, wie es eigentlich auch üblich gewesen wäre, aber sie wollte ihrem Mann über den Tod hinaus treu bleiben. Die Familie verarmt völlig. Christine versucht verzweifelt das Geld, daß ihrem Mann noch zugestanden hätte beim Rechnungshof einzutreiben, was ihr aber erst nach 21 Jahren durch einen Prozeß, der seinerseits 13 Jahre dauerte, gelingen sollte. Insgesamt steht sie mehrmals vor Gericht und hat manchmal für vier Prozeße gleichzeitig zu bewältigen.. Ihre zwei Brüder, die auch noch bei ihr wohnen, werden zu einer Belastung und beschließen nach Italien

zurückzukehren, um von den Vermögenswerten des Vaters in Bologna zu leben. Christine versucht ihr Geld „arbeiten“ zu lassen, indem sie Händler eine kleine, ihr verbleibende Summe anvertraut, welche damit Geschäfte machen sollen. Diese jedoch behaupteten bestohlen worden zu sein und so verliert sie auch ihr letztes Geld. Außerdem werden von ihr auch noch ungerechterweise Zinsen für die Hinterlassenschaften ihres Vaters verlangt. Sie ist abhängig von Gönnern, auf die sie stundenlang im Justizpalast warten muß. Nach und nach muß sie ihren Besitz verkaufen. Anfangs nur kleinere Sachen, wie Bilder oder schöne Truhen doch schließlich verkauft sie auch die drei Besitzungen nicht weit von Melun an der Marne, das Erbe ihres Vaters. Doch nicht nur das Geld macht ihr Sorgen, sondern auch das Gerede anderer, die über ihre Armut und ihre ausweglose Situation spotten. Sie leidet noch immer sehr unter dem Verlust ihres Mannes und es überfällt sie eine schwere Niedergeschlagenheit, von der sie sich erst nach 13 Jahre wieder befreien kann. Sie wird oft krank und hat Fieberanfälle. Doch trotz all dieser Schicksalsschläge, versucht sie, sich und ihrer Familie den Niedergang der früher so geschätzten Familie nicht anmerken zu lassen und ihre Würde zu bewahren.

1.3. Schaffenszeit

Anfangs arbeitet sie wahrscheinlich als Kopistin anderer Werke, um wenigstens ein bißchen Geld zu verdienen. Da es aber nicht reicht, fängt sie selber an zu schreiben. Sie liest nebenbei viel und erweitert ihr Wissen. Als sie 29 Jahre alt ist erschienen ihre ersten Gedichte über Liebe und Einsamkeit aber auch zu den politischen Zuständen in Frankreich. Schließlich faßt sie alle Gedichte zusammen zu dem Gedichtband „100 Balladen“, den sie reich verziert, der Königin Isabella übergibt. Ihr erstes Buch heißt „Buch vom langen Lernen“, in dem sie von einer Vision schreibt, in der sie sich mit der Sybille von Cumae unterhält. Außerdem schreibt sie Bücher zur Verteidigung der Würde des weiblichen Geschlechts. Sie war der Meinung, daß die Frau über dieselben geistigen Fähigkeiten verfüge, wie der Mann und sie ihm deshalb auch eine Gefährtin und nicht seine Sklavin sein sollte. 1405/06 erscheint das bekannteste Werk von ihr „Das Buch von der Stadt der Frauen“ (le Livre de la Cité des Dames), welches auch als Auslöser für die Querelle des femmes gilt, eine bis ins 19. Jahrhundert andauernde Dikussion über den Wert der Frau. Themen waren z.B. die ethischen und praktischen Fähigkeiten des weiblichen Geschlechts und die Stellung der Frau gegenüber dem Mann.

Andere Themen ihrer Bücher waren: Liebe und Beziehungen zwischen Männern und Frauen, moralische Merksätze und lehrhafte Geschichten, eine umfangreiche Biographie über Karl V., zeitkritische Ansichten, z.B. zur Beendigung des Bürgerkrieges in ihrem Land und allgemein für den Frieden. Ab 1405 äußert sie sich immer wieder zu Problemen der Zeit, verbreitet ihre Vorstellung zur Reform der französischen Gesellschaft und zum Frieden. Ihre Bücher sind schon zu ihren Lebzeiten sehr beliebt und sie hat sehr viele adlige Gönner, wie z.B. König Karl VI und seine Frau Isabella, der Herzog Jean de Berry, Philipp der Kühne von Burgund, der König von Navarra; Und sie wurden teilweise schon im 14. und 15. Jh. ins englische, flämische und italienische übersetzt. Zu Christines Charaktereigenschaften kann man sagen, daß sie energisch, selbstbewußt, gebildet und am Zeitgeschehen interessiert war. Zu ihrer außergewöhnlichen Stellung verhalf ihr nicht nur ihre günstige Ausgangsposition als Tochter eines Gelehrten ebenso wie das Leben im kulturellen und intellektuellen Umfeld des Königshofes und des französischen Hochadels Christines, sondern auch ihre Arbeitslust, ihr Durchhaltervermögen und literarisches Können. Abgesehen davon, daß sie als die erste Frauenrechtlerin und Berufschriftstellerin der Geschichte bekannt ist, publizierte sie ihr Werke auch selber, d.h. anfangs kopierte sie die Bücher selber, beauftragte dann ein „Schreibbüro“ und die berühmte pariser Malerin Anastasia verzierte die Werke mit Bildern, die den Text untermalen sollten. Um 1418, mit 53 Jahren, zieht sie sich in das Dominikanerkloster in Poissy zurück, in dem auch ihre Tochter lebt, da sie sehr enttäuscht von der politischen Lage in Frankreich ist und erweitert dort in Ruhe ihr Wissen. 1429 erscheint ihr letztes literarisches Werk „Gedicht auf die Jungfrau von Orléans“. Sie beeinflußte noch viele Schriftsteller jahrhundertelang später, bis hin zu Rainer Maria Rilke. Es gibt von Christine de Pizan ungewöhnlich viele Bilder, die sie selbst von sich anfertigen ließ. Sie schreibt nicht nur in vielen ihrer Werk autobiographisch sondern veröffentlicht auch Bilder von ihr, wie z.B. beim Lesen von Werken anderer Schriftsteller, beim Schreiben; zu ihren Füßen befindet sich oft ein Hund. Dieser symbolisiert ihre Treue zu ihrem verstorbenem Mann, da sie ja beschlossen hat, nie wieder zu heiraten. Auf folgendem Bild ist Christine in ihr Schreib- und Studierstube zu sehen (Wege in die Stadt der Frauen, S.44).

2. Ausgewählte Literatur

2.1. Le Livre de la Cité des Dames

Das Werk besteht aus drei Büchern und ist als Dialog zwischen Christine mit den drei Tugenden Vernunft (raison), Rechtschaffenheit (droiture) und Gerechtigkeit (justice) aufgebaut. Zu Anfangs wird geschildert, wie Christine in einen Zustand lähmender Traurigkeit verfällt, begleitet von Selbstzweifel und Lethargie. Da erscheinen die drei allegorischen Frauengestalten, um Christine aus ihrer Depression zu holen. Die drei Frauen wollen mit Christines Hilfe eine Stadt der Frauen aufbauen, ,,...um künftig allen hochherzigen und rechtschaffenen Frauen einen Ort der Zuflucht, eine umfriedete Festung gegen die Schar der boshaften Belagerer zu bieten... " (Stadt der Frauen, S. 42).

Der Fremdbestimmung soll die Selbstbestimmung weichen und Christine wird zur Anwältin der Frauen, welche nicht mehr auf den Schutz der Edelleute zählen können. Der Ort der Frauenstadt ist das Feld der Literatur, errichtet wird sie auf den Fundamenten der Vernunft und die Bausteine sind Beispiele besonders tugendhafter und vorbildlicher Frauen: Alle drei haben einen Gegenstand in ihrer Rechten, der ihre jeweilige Aufgabe unterstreichen soll. Frau Vernunft ist hält einen Spiegel als Sinnbild der Selbsterkenntnis, die nur mit dem Mittel der Selbstreflektion möglich ist. Die Vernunft legt die Fundamente und errichtet Mauern zur Verteidigung. Die zweite Dame ist Frau Rechtschaffenheit (Dame Droiture). Sie trennt das Gute vom Bösen, also das, was richtig und in Gottes Sinne ist, von dem, was falsch, voll Sünde und vom Teufel ist. Dementsprechend ist ihr Gegenstand ein Lot, welches diese Unterscheidung vornimmt dazu dient, die Berechnungen für den Bau der Frauenstadt anzustellen und deren Inneres zu konstruieren. Die letzte Figur stellt sich als Frau Gerechtigkeit (Dame Justice) vor.

,,Wir, die drei vornehmen Frauen, die du hier siehst, sind wie ein einziges Wesen, denn die eine kommt nicht ohne die andere aus; was die erste verfügt, ordnet die zweite an und setzt es in Gang, und dann führe ich es weiter und bringe es zum Abschluss." (Stadt der Frauen, S. 46)

Die Gerechtigkeit hingegen urteilt und richtet über den Menschen in einer für den Menschen vielleicht nicht immer einsichtigen Art und Weise. Urteilssprüche im Sinne der absoluten Gerechtigkeit darf sich der fehlende und zu Selbstgerechtigkeit neigende Mensch nicht anmaßen. Sie stellt die göttliche Gerechtigkeit dar, mit der richtenden Waagschale als Szepter, welche das Zeichen der göttlichen Trinität trägt. Die Gerechtigkeit schließt den Bau der Frauenstadt ab.

Zuerst einmal werden verachtende Vorurteile gegenüber Frauen aus dem Weg geräumt und es werden die Gründe untersucht, warum Männer Frauen so verleumden. In ihrer Argumenrtation wird der Sündenfall im Paradies sogar als ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der (christlichen) Menschheit dargestellt, da er die Menschwerdung ermöglichte. Außerdem ist mit der Ebenbildlichkeit Gottes auch die Frau gemeint.

,,... vielmehr ist darunter die Seele zu verstehen, die das oberste geistige Prinzip ist und, darin der Göttlichkeit gleich, alle Zeiten überdauern wird. Diese schuf Gott und versah den weiblichen Körper mit einer ebenso guten, edlen und in jeder Hinsicht gleichwertigen Seele wie den männlichen." (Stadt der Frauen, S. 55)

In der Seele und sogar auch hinsichtlich ihrer Intelligenz sind Mann und Frau gleichwertig.

Somit kann die Frau nicht von Geburt aus dem Manne unterlegen oder gar minderwertig sein. Die geringere physische Stärke der Frauen wird mit geistigen Fähigkeiten kompensiert. Pizan kritisiert das Bildungssystem der damaligen Zeit, das den Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten einräumte wie den Männern. Schließlich lobt sie die allgemeine Lebensklugheit bzw. den gesunden Menschenverstand der Frauen, die diese täglich bei der Arbeit im Haushalt beweisen. Im zweiten Buch der ,,Stadt der Frauen" wird nun der Innenraum, anhand der Problematik des sittlichen und moralischen Handelns, der Frauenstadt errichtet. Die Aufgabe der Stadt der Frauen ist, alle tugendhaften und vorbildlichen Frauen zu versammeln, um gemeinsam gegen Anschuldigungen der Männerwelt vorgehen zu können. Im dritten und letzten Buch der ,,Stadt der Frauen" wird der Bau der Frauenstadt beendet und zu guter letzt die Königin, die Jungfrau Maria, begrüßt. Hiermit entziehen sich die Frauen der (geistigen) Vormundschaft der Männer, indem sie die Jungfrau Maria zu ihrem eigenen Oberhaupt ernennen. Am Ende des ,,Buchs von der Stadt der Frauen" hält Christine eine Rede an alle tugendhaften Frauen gleich welchen Standes und fordert sie auf, die Stadt gut zu pflegen und zu verteidigen. Sie gibt ihnen auch Ratschläge im Umgang mit ihren Männern und warnt sie vor Schmeichlern, die nur daran denken, den ehrsamen Frauen ihren guten Ruf zu nehmen, denn „die Rechnung bezahlt letztendlich immer Ihr!" (Stadt der Frauen, S. 289)

2.2. Le débat sur le roman de la rose

Ohne es zu ahnen, geriet Christine in den ersten feministischen Streit der Geschichte. Zu ihrer Zeit, also dem 14. Jahrhundert, gab es ein Buch, daß großen Anklang bei der Leserschaft fand, nämlich der Rosenroman von Guillaume de Lorris. Das Werk besteht aus zwei Teilen, der erste - aus Liebeslyrik bestehend - würde bereits 1245 verfaßt. Es geht dabei um die Liebe zu einer Rose und den Weg durch Gefahr, Eifersucht und üble Nachrede. Das Gedicht bleibt unvollendet, bis ein halbes Jahrhundert später Jean de Meung, ein pariser Professor eine Fortsetzung schreibt. Allerdings schreibt er es nicht in der Tradition der höfischen Dichtkunst weiter. Statt den personifizierten Empfindungen, benutzt de Meung nur abstrakte Begriffe wie z.B. den Genius, eine Männerfigur, der die Theorien und Lehren der Universität mit hilfe von Analysen darlegt. Aber auch die Vernunft und die Natur treten in seinem Werk auf. Das eigentliche Thema, nämlich die Suche nach der Liebe wird außer Acht gelassen. Er schreibt sogar, daß, die Liebe lediglich eine Instinktbefriedigung für den Mann ist und tut seine Verachtung für die das weibliche Geschlecht kund. Denn er wirft den Frauen Koketterie und Durchtriebenheit vor und behauptet, ihr einziger Lebensinhalt wäre, den Mann zu grunde zurichten, da sie ohnehin kein Gewissen hätte. Hier zeigt sich ganz klar, das Aufkommen eines Andersdenken in der mittelalterlichen Literatur. Aber nicht nur in der Literatur, auch in der Realität wurden die Wissenschaften zunehmend zur Männerdomäne. Jean de Meung war eine geachtete Persönlichkeit, was Christine jedoch nicht davon abhielt, ihm zu widersprechen und die Aufmerksamkeit vieler anderen mit einem Gedicht auf sich zu lenken. 1399 schrieb sie das Gedicht „Epistel an den Gott der Liebe“ (Epître au dieu d’Amour).

Hiermit tun wir kund, Daß uns und unserem Gericht Beschwerden, Auch herzergreifende Klagen vorgetragen wurden, Von allen hohen Frauen, Bürgerinnen, jungen Mädchen, Kurzum: von allen Frauen Die uns ergeben um Hilfe bitten.

Jene zuvor genannten edlen Frauen Beklagen sich also bitterlich Über Treulosigkeit, Kitteleien, Verleumdungen, Verrätereien, schwerste Beleidigungen, Hinterhältigkeiten und manch andere schwere Kümmernisse, Die ihnen täglich von jenen Verrätern zugefügt werden, Die sie tadeln, verleumden und betrüben.

(Christine de Pizan, Biographie, S.91)

Christine will mit diesem Werk zeigen, daß die Edelmänner und Intellektuellen ihrer Zeit sich nicht mehr so ritterlich benehmen, wie sie es eigentlich sollten, sondern die Frauen verleumden und sämtliche Argumente gegen sie aufführen. Mir ihrem Scharfsinn erkennt Christine, daß die höfischen Werte immer mehr verfallen, das Bild des starken, kämpfenden Mannes an Bedeutung gewinnt und die Frau somit in die Opferrolle gedrängt wird. Christine schreibt an den Profoß von Lille, ein Anhänger de Meungs, einen Brief. Darin widerlegt sie Stück für Stück die Anschuldigungen an die Frauen und zitiert noch Beispiele aus der Bibel, wie z.B. Rebekka und auch aus dem wirklichen Leben, wie die Königin Johanna. Der Magister Contier Col, welcher auf der Seite des Profoß von Lille steht, weist sie in einer kurzen Nachricht streng zurecht, derartige Kritik zu lassen, ohne jedoch näher auf ihre Kritikpunkte einzugehen. Daraufhin greift Christine wiederum zur Feder und setzt sich zur Wehr. Dieser Briefwechsel erregt allmählich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Auch der Profoß von Lille antwortet ihr in einem Schreiben, geht aber ebenfalls nicht auf ihre Argumentation ein, sondern verweist auf die unanfechtbare Autorität Jean de Meungs. Christine bekommt Unterstützung von dem Universitätsprofessor Jean Gerson. Dieser hält eine öffentlich Predigt, in der die Meinung de Meungs anfechtet. Auf diese Diskussion hin wird am Hof der Rosenorden gegründet, dem viele der adligen Herren beitreten, um sich für die Ehre der Frauen einzusetzen. Christine hat sich endlich Gehört verschafft und wird Hüterin des Rosenordens. Sie trägt diesen öffentlichen Streit in Form einer Bittschrift vor die Königin. Auch dem Profoß von Paris will sie für sich gewinnen und schickt ihm eine chronologische Zusammenfassung des bisherigen Geschehens. Der Streit zog sich über mehrere Jahre hinweg und die fronten verhärteten sich. Der Kanoniker Pierre versucht Christine ebenfalls von ihrer Meinung abzubringen und obwohl sie der Sache langsam müde ist, zeigt sie auch ihm die Stirn, indem sie auch seine Argumentation widerlegt. Ende 1402 behielt Christine das letzte Wort in der ersten antifeministischen Diskussion über den Wert der Frau.

2.3. Livre des faits et bonnes moeurs de Charles

Im Januar 1404 wird Christine von Philipp dem Kühnen, König von Burgund zu sich gebeten. Sein Interesse wurde durch ihr Werk „Das Buch vom Wandel des Schicksals“ (Livre de mutation de fortune) geweckt. Er möchte, daß Christine eine Biographie über seinen Bruder Karl V schreibt, damit sich das vom Schicksal gebeutelte Land ein Beispiel an diesem großen und weisen König nehmen kann. Diese Bitte ist eine große Ehre für Christine, denn bis dahin war es üblich, daß Mönche oder Mitglieder des Königshauses derartige Biographien schrieben. Dieses neue Werk würde nicht nur ihr Ansehen steigern sondern auch einer Rolle bei der Erziehung künftiger Thronfolger spielen. Es soll ein großes Geschichtswerk in Form einer Kompilation werden, daß gut dokumentiert und recherchiert ist. Dafür stellt Philipp ihr seine Bibliothek zur Verfügung. Sie nimmt sich viel Zeit für die Vorbereitung, besorgt sich Werke, wie die „Große Chroniken Frankreichs“ (Grandes Chroniques de France), die „Normannische Chronik“ (Chronique normande) und die „Großen Chroniken“ (Grandes Chronique). Da sie ja lange in unmittelbarer Nähe des Königs gelebt hat, weiß sie auch viele Einzelheiten, z.B. bestimmt Vorlieben, Zitate, die er gern benutzte und auch Geschehnisse während seiner Regierungszeit. Außerdem sucht sie die Menschen auf, die jahrelang im Dienste des Königs standen, den Kammerdiener, seinen Sekretär und seinen Koch. Noch im selben Jahr beendet sie den ersten der drei Teile der Biographie. Philipp der Kühne erliegt jedoch einer Grippeepidemie und stirbt ohne das neue Buch gesehen zu haben. Nicht nur für Christine war diese Nachricht schrecklich, sondern auch für das Land, denn dem König von Burgund war es unter anderem möglich gewesen, die Rivalität zwischen Burgund und Frankreich in Schach zu halten. Sein Nachfolger wird sein Sohn Johann, der den Beinamen ohne Furcht erhalten sollte. Er zeigt keinerlei Interesse an Kunst und Literatur. Christine beginnt trotzdem den zweiten Band vom „Buch der Taten und guten Sitten Karls V“ (Livre des faits et bonnes moeurs de Charles V) und schon nach zwei Monaten den letzten Teil.

III. Die Frau im Spätmittelalter

Das Erziehungsideal, die Vereinigung von Gelehrsamkeit, Sittlichkeit und Religiosität, jener Zeit beschränkt sich weitestgehend auf die Männer. Es setzte sich jedoch langsam der Gedanke durch, dass auch den Frauen ein Mindestmaß an Bildung und Erziehung zusteht, um ihre Tugend durch Bildung zu fördern. Dies betrifft jedoch nur Frömmigkeit, Sittlichkeit und Tugendhaftigkeit und stellt auch einen kleinen Teil des Gesamtstudiums, das den Männern zustand. Sobald die Frau jedoch heiratete, also zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr, endete auch die Möglichkeit sich zu bilden für sie - sofern sie denn überhaupt Gelegenheit dazu gehabt hatte. Es gab eigentlich kaum eine Alternative zu Ehe und Mutterschaft für die mittelalterliche Frau, abgesehen des vom weltlichen Geschehen abgeschiedenen Klosterlebens. Sie hatte sich dem Mann prinzipiell unterzuordnen und zu fügen, da dieser von der Gesellschaft her als der Gebieter galt. Zunächst fand sich jede Ehefrau als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft der verheirateten Frauen wieder, welche eine sehr wichtige Rolle spielte, da sie als soziales Netz fungierte. Man half sich gegenseitig bei Geburten und ähnlichem und die Frauen konnten sich auf diese Weise ihrer gesellschaftlichen Stellung sicher sein. Die Kehrseite war sicherlich die soziale Kontrolle, die auf diese Weise zustande kam. Die alleinige Berechtigung für eine Ehe war letztendlich die Nachkommenschaft. Konnte eine Frau kein Kind zur Welt bringen, führte das in der Regel zur Trennung bzw. zum Verstoß der Frau. Der Alltag einer Frau im Mittelalter sah, aufgrund der unterschiedlichen Standeszugehörigkeit sehr verschieden aus. Im Gegensatz zu den Bäuerinnen und der Frauen der Handwerker verfügten die reicheren Damen in der Stadt über Freizeit. Christine de Pizan hatte das Glück in einer reichen Familie, die sogar am Königshof verweilte, aufzuwachsen. Doch das, was sie letztendlich zum Schreiben veranlaßte war der Verlust ihres geliebten Mannes und die Armut und Demütigungen, die sie ertragen mußte. Seit Jahrhunderten ist sie vielen ein Vorbild, als Schriftstellerin aber auch als Beispiel dafür, wie man in einer so schwierigen Situation, wie der ihrigen weiterhin den Mut behält und sich gerade auch als Frau durchsetzen und Erfolg haben kann.

Literaturverzeichnis:

Albistur, M./ Armogathe, D.; Histoire du féminisme français, du moyen âge à nos jours, Paris, 1977, S. 53-67

Baader, R./ Dietman F.; Die französische Autorin vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wiesbaden, 1979, S.27-48

Echtermann, A.; Christine de Pizan und ihre Hauptwerke zur Frauenthematik (1399- 1405), Eine Einführung. In: E. Gössmann, (Hrsg.), Kennt der Geist kein Geschlecht?, München, 1994, S. 1-75

Fietze, K.; Frauenbildung in der „Querelle des femmes“. In: E. Kleinau / C. Opitz, Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Band 1, Frankfurt a. M., 1996, S. 237- 251

Pernoud, R.; Christine de Pizan, Biographie, München, 1997, 5. Auflage Pizan, C. de; Das Buch von der Stadt der Frauen, Berlin, 1986

Zimmermann, M.; Wege in die Stadt der Frauen, Texte und Bilder der Christine de Pizan, Zürich, 1996

http:// mitglied.tripod.de/~historica/frauen/ren1.htm (12.07.2001)

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Details

Titel
Leben und Werk der Christine de Pizan
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
11
Katalognummer
V107350
ISBN (eBook)
9783640056231
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leben, Werk, Christine, Pizan
Arbeit zitieren
Anna Naumann (Autor:in), 2002, Leben und Werk der Christine de Pizan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107350

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