Lachen und Gewalt in Heinrich Wittenwilers Ring


Examensarbeit, 2000

90 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Gewalt im Mittelalter
1.1. Begriffsbestimmung
1.2. Die Rolle der Gewalt im Alltag
1.3. Gewalt und Krieg
1.4. Ungezügelte Gewaltausübung als grundsätzlicher Bestandteil der Affektkultur im Mittelalter

2. Die Gewaltdarstellung im Ring
2.1. Das Turnier
2.2. Die Minnewerbung
2.3. Das Hochzeitsfest
2.4. Die Mechanik der Gewalt
2.5. Der Krieg
2.6. Methodischer Diskurs

3. Die Komik der Gewalt im Ring
3.1. Die parodistische Komik
3.2. Groteskes Schreiben
3.2.1. Die Körperlichkeit der Gewalt
3.2.2. Die groteske Komik
3.3. Lachen und Gewalt
3.3.1. Wer lacht wann?
3.3.2. Die Abschwächung der Gewalt durch Gelächter
3.3.3. Aggressives Lachen
3.3.4. Karnevalslachen
3.3.5. Lachen und Weinen

4. Didaxe, Komik und Gewalt im Ring
4.1. Die Logik der Didaxe und ihre mißlungene Präsentation im Ring
4.2. Minnelehre und Tischzuchten im Kontext der Gewalt
4.3. Tugendlehre und Gewalt
4.4. Kriegslehre und Gewalt
4.5. Komik und Lehre

5. Die Sprachgewalt des Textes
5.1. Die Obszönität der Figurenrede
5.2. Die Komik der Sprachspiele
5.3. Die Namen der Figuren
5.4. Die Verschriftlichung der Gewalt
5.4.1. Die Verschriftlichung der Gewalt im Brief
5.4.2. Die Verschriftlichung der Gewalt im Wort

Zusammenfassung - Ein anthropologischer Diskurs

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Ring 1, Anfang des 15. Jahrhundert von Heinrich Wittenwiler geschrieben, ist einer der spannendsten Texte, die uns aus dem Mittelalter überliefert sind. Diese Spannung ergibt sich vor allem aus der, in der Forschungsliteratur immer wieder betonten, ungewöhnlichen Montage von lehrhaften und komischen Textpassagen. Max Wehrli nennt dieses Epos "Haupt- und Schlüsselwerk des Spätmittelalters"2. Was jedoch ist der Schlüssel zum Werk selbst? Die Sekundärliteratur bietet verschiedene an: z.B. Didaxe und Komik (H. Ruh), historischer und gesellschaftlicher Kontext (C.E. Lutz), die Kunst der Parodie (H.R. Jauss), Festkultur und Grobianismus (W. Haug), liminale Ästhetik (M.E. Müller), Dekonstruktion und Negation (H.-J. Bachorski) und die "Freude am Bösen" (W. Röcke). Die Forschungsansätze sind denkbar verschieden und die Einschätzungen dieses "Unikums"3 schwanken zwischen extremen Positionen. Die einen sehen in dem Werk ein "Laien- doktrinal in Unterhaltung verpackt"4 oder ein "ernsthaftes Buch vernünftiger Lebens- führung"5 und andere lesen es als "radikale Dekonstruktion"6 und "explosive Collage von 'Lachen und Weinen', Didaxe und 'Nicht-mehr-schönen-Künsten'".7

Diese Arbeit will 'Gewalt' und ihre Präsentation im Ring als Schlüssel verwenden, um diesen Text für eine moderne Interpretation zu öffnen. Bisherige Interpretationen hatten die Gewaltdarstellung im Ring kaum im Blick. Zwar wird vom 'rohen Treiben', von 'frechen Szenen' und 'derbster Ausgelassenheit' gesprochen, doch nur in vereinzelten Beiträgen ist von einer "Explosion unkontrollierter Gewalttätigkeit"8 und von "lustvoller Brutalität"9 die Rede. Letztere Formulierungen stehen in ihrer Akzentsetzung Wießners Kommentar, Wittenwiler hätte "mit unleugbaren Geschick - hin und wieder recht gewaltsam zugreifend - den lehrhaften Stoff, den er sich zurechtgelegt hatte"10 verwoben, gegenüber. Die Akzentuierung Wießners Aussage soll in dieser Arbeit verschoben werden: nicht die

Lehrhaftigkeit, sondern die Darstellung der Gewalt ist Mittelpunkt der Handlung. Im tal ze Grausen (v. 55) ist Gewalt nicht 'hin und wieder' präsent, sondern sie zieht sich durch den gesamten Text und ist damit textkonstituierend. Als Arbeitshypothese soll gelten, daß Gewalt Grundlage und Brennpunkt des Rings ist, obwohl der Text ganz anders angelegt scheint. Die scheinbare Lehrhaftigkeit des Textes, die die Forschung immer wieder zu einem didaktischen Diskurs verleitet hat, wird durch die Darstellung der Gewalt zerstört.

Der Begriff 'Gewalt' ist weitgefächert und muß, um als Arbeitsbegriff für den Ring relevant zu sein, genau eingegrenzt werden. Welche Formen von Gewalt kannte das Mittelalter und welche sind im Ring zu finden? Welche Rolle spielte Gewalt im alltäglichen Zusammenleben und in den Geschlechterbeziehungen der Menschen? Wie selbstverständlich war der Ausbruch eines Krieges im späten Mittelalter, und wodurch wurde er gerechtfertigt? Die Beantwortung dieser Fragen ist notwendig, um die Gewaltdarstellung im Ring genauer beurteilen zu können, die sich auf eben diese Felder bezieht. Es ist Aufgabe des 2. Kapitels die unzähligen Momente der Gewaltdarstellungen, verbaler und körperlicher Art, im Text herauszuarbeiten. Dabei gilt es zum einen zu untersuchen, ob die Gewaltdarstellung einer gewissen 'Logik' folgt, und zum anderen den von Werner Röcke geprägten Begriff einer "Mechanik der Gewalt"11 im Ring näher zu beleuchten. Das Besondere der Gewaltdarstellung im Ring ist ihre sonderbare und hervorstechende Körperlichkeit und die damit eng verbundene Komik des Textes. Beide Aspekte, Körperlichkeit und Komik, stehen im engen Zusammenhang mit einem weiteren Blickpunkt dieser Arbeit - der Sprache Wittenwilers. Es ergeben sich somit für die Betrachtung der Gewaltdarstellung im Ring drei Diskurse: (1.) der komische Diskurs, (2.) der körperliche Diskurs und (3.) der sprachliche Diskurs. Es wird zu zeigen sein, daß die Gewaltdarstellung im Ring, geprägt durch diese drei Diskurse, einen didaktischen Charakter dieses Textes ad absurdum führt.

Letztendlich ist die Akzentuierung des Gewaltdiskurses im Ring eingebettet in die Umorientierung der Literaturwissenschaft in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts von einem sozialgeschichtlichen auf einen affekt- und mentalitätsgeschichtlichen Kontext.12 So wird abschließend versucht, den Ring im Hinblick auf Mentalitätsgeschichte und historische Anthropologie zu öffnen und produktiv zu machen.

1. GEWALT IM MITTELALTER

Bekanntlich kann man Texte unterschiedlich lesen, interpretieren und nutzen. Die Lesart, die in dieser Arbeit vorschlagen wird, verwertet den Ring als mentalitätsgeschichtlichen 'Informant', der Auskunft geben soll über die unterschiedlichen Praxisbereiche der spätmittelalterlichen Gesellschaft in Bezug auf Gewalterfahrung und Gewaltausübung. Damit ist das Verhältnis von Recht und Gewalt, von Dorfleben und Gewalt, von Geschlechterbeziehungen und Gewalt, von Festen und Gewalt, und nicht zuletzt von Kriegen und Gewalt gemeint. Doch nichts würde dem Ring mehr Unrecht tun, als ihn zu einer "Quelle" zu degradieren, denn der Ring ist ein literarischer Text, und literarische Texte sind "nicht Ausdruck eines alltäglichen Alltagswissens, sondern thematisieren es programmatisch, formen es bewußt um, und spitzen es zum Außergewöhnlichen zu".13 Bachorski schlußfolgerte daraus, daß diese "Verformungen" von Realität somit die spezifische Leistung von Literatur wären, "aus der ihre Bedeutung und Funktion in den unterschiedlichen Diskurspraktiken einer Gesellschaft abzuleiten ist".14 Unter diesem Aspekt soll der Ring im nachfolgenden untersucht werden. Um jene "Verformungen" im Text herausfinden zu können, versucht das 1. Kapitel, die kultur- und affektgeschichtliche Rolle der Gewalt in der mittelalterlichen Gesellschaft zu skizzieren.

1.1. BEGRIFFSBESTIMMUNG

Das Mittelalter kannte zwei verschiedene Gewaltbegriffe: potestas und violentia. Während sich violentia auf den Naturzustand des Menschen und seine Triebhaftigkeit bezieht, meint potestas die Herrschergewalt, welche unter anderem die violentia regulieren sollte. Da es sich demzufolge bei der potestas um kirchliche und königliche Gewaltausübung im Sinne eines Herrschafts- und Machtanspruchs handelt, ist dieser Begriff für den Ring, in dessen Handlung Bauern agieren, eher unerheblich. Die Gewaltdarstellung im Ring umfaßt sowohl körperliche Gewaltanwendung und verbale Gewalt als auch psychische Gewalt im Sinne einer bewußten Schadenszufügung. Diese Arten von Gewalt stellen sich dem Leser nicht nur in den Kriegsszenen dar, sondern sie ziehen sich durch den gesamten Text. Für diese Hausarbeit ist dementsprechend der Begriff der violentia maßgeblich.

1.2. DIE ROLLE DER GEWALT IM ALLTAG

Das Spätmittelalter wird als Epoche der Krise und des Zerfalls eingeschätzt; begründet wird dies im allgemeinen mit dem Zusammenbruch der höfischen Kultur. Häufig wird der Gedanke des Umbruchs hervorgehoben, während der moralische Aspekt "Sittenlosigkeit" bei der Beurteilung des Spätmittelalters eine eher untergeordnete Rolle spielt.15 Doch auch um diesen Gesichtspunkt muß es in einem Gewaltdiskurs gehen. Kennzeichnend für das späte Mittelalter ist zum einen die Intensität des Erlebens, die Genußsucht und der Prunk, zum anderen aber auch Rachsucht, Hochmut und Habgier, verbunden mit einer brutalen Grausamkeit. Gewalt zog sich durch fast alle Bereiche des Alltags:

Wer in der auch heute - vergleichsweise - recht sicheren Situation mitteleuropäischer Städte lebt, kennt in der Regel nicht die dauernd im Hintergrund lauernde Gefahr, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, mit der man im Mittelalter leben mußte.16

Die Gewaltbereitschaft im Mittelalter war hoch und die Gelegenheit zur Gewaltanwendung mannigfaltig. Sowohl allgegenwärtige Kriminalität, Bandenkriege, lokale Fehden als auch die Möglichkeit eines täglich zu erwartenden Kriegsausbruchs machten das Leben mit Gewalt zur 'Gewohnheit'. Sogar in der Rechtsprechung herrschte mit dem Recht auf Blutrache das 'Gesetz der Gewalt'. Ob aus Rache oder durch Fehden, Brandstiftungen waren im Mittelalter keine Seltenheit und boten wiederum Anlaß zu weiteren Gewalttaten. Es ist bekannt, daß zahlreiche mittelalterliche Städte, unter anderem durch Brandstiftung, in einem Jahrhundert mehrmals abbrannten.

Gewalt und Ehre bildeten im Mittelalter eine Einheit. Vor allem in der Artusepik ist ein enger Zusammenhang von Krieg und Gewalt erkennbar, der auf Motiven der Ehre, des Abenteuers und der Bewährung beruht. In Friedenszeiten, wiederum, boten mittelalterliche Turniere die Arena für Ehrgewinn und Ehrverlust. Obwohl im Turnier eine ästhetisierte, 'gewaltfreie' Gewalt angestrebt wurde,17 stand auch hier Gewaltausübung für gesellschaftlich hohes Ansehen.

Auch die Geschlechterbeziehungen waren im Mittelalter von Gewalt beeinflußt. Dem Ehe- und Familienleben war Gewaltanwendung und -erfahrung nicht fremd. Der Mann züchtige die Frau, körperliche Bestrafung bei Ehebruch und das Schlagen erwachsener Kinder gehörten zur Normalität:

Wer heute als Kind gewaltfrei erzogen wurde, kann sich die Bange vor prügelnden Erwachsenen nicht mehr vorstellen, die Kindheit im Mittelalter wohl durchgehend geprägt hat, wie die Zeugnisse von Augustinus (um 400) über Guibert von Nogent (um 1100) bis Johannes Butzbach im 16. Jahrhundert zeigen.18

Im Liebesdiskurs der Mären, z.B., stellt Gewalt die dominante Kommunikationsform zwischen den Geschlechtern dar. Der inhaltliche Schwerpunkt des Mär ist die Ehe und die Didaxe, wobei das didaktische Mittel die Gewalt ist. Gewalt und Gehorsam bilden in der mittelalterlichen Ehe eine Einheit. Körperliche Strafe folgte auf Ungehorsam und korrespondierte mit der mittelalterlichen Rechtsauffassung.

Ebenso wie im Mär spielt im Fastnachtspiel die Darstellung von Gewalt eine nicht unerhebliche Rolle. Oftmals verschmelzen Maske, Tanz, Komik und Unfug zu handfesten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Saufgelage und Festlichkeiten sind häufig Ausgangspunkt für eine Szenerie der Gewalt. Vor allem die Bauern, die in einer Zeit des Mangels lebten, nutzten das Fest, um eine Zelebrierung des Überflusses zu inszenieren und 'mal über die Stränge zu schlagen'. Sowohl im Fastnachtspiel als auch in der Schwankdichtung ist es meist der Bauer, dessen Leben als roh, tölpelhaft und boshaft beschrieben wird. Besonders das Bild vom Bauern ist uns aus dem Mittelalter meist als "höchst verächtlich"19 überliefert. Das mittelalterliche Dorf war, diesen literarischen Überlieferungen entsprechend, eine düstere und etwas unheimliche Gegend, "wo Schönheit und Tugend des Hofs unbekannt sind, wo Bauern wohnen und arbeiten, deren Dummheit, Primitivität und Triebhaftigkeit sie eher den Tieren als Menschen gleich macht".20 Wittenwilers Bauerndarstellung entspricht diesem Bauernbild, und kann doch nicht als realistisches Abbild des mittelalterlichen Landlebens aufgefaßt werden: zu chaotisch geht es in Lappenhausen zu, zu närrisch sind die Bauern charakterisiert, zu selbstzerstörerisch ihr Handeln, zu motivationslos ihre Gewaltausbrüche.

1.3. GEWALT UND KRIEG

Krieg und Gewalt sind keineswegs mittelalterliche Spezifika, und doch kann man das Mittelalter aufgrund seines kriegerischen Charakters und seiner Alltäglichkeit von Gewalt als eine Epoche charakterisieren, die wesentlich von Gewalt bestimmt war:

Die Hoffnung auf ein ehrenvolles Überleben im Gedächtnis der Menschen ließ viele ihre Angst überwinden, um blutige Taten zu vollbringen, die zu den Idealen jeder kriegerischen Gesellschaft zählen, auch zu der des christlichen Mittelalters.21

Kämpfe zwischen Königreichen sowie Bauernkriege und Eroberungskriege waren kennzeichnend für das Mittelalter. Friede war an sich kein hohes gesellschaftliches Gut. Erst im Spätmittelalter wurde allgemeiner Frieden zu einem verbreiteten Ideal, "das man bei einigen politischen Denkern wie etwa Heinrich von Gorkum (1377/78) findet, aber auch in der allgemeinen Hoffnung auf einen Friedenskaiser".22

Die Rechtfertigung von kriegerischer Gewalt im Mittelalter bedurfte plausibler Gründe. Diese Begründung erfolgte auf unterschiedliche Weise. Ausgangs- und Mittelpunkt waren die kirchenverbindliche Lehre vom gerechten Krieg. Drei Bedingungen mußten gegeben sein: (1.) Der Krieg wird von Herrschern als legitim erklärt, um entweder das Vergehen eines schuldigen Volkes zu bestrafen oder (2.) um Frieden, Gerechtigkeit und staatliche Ordnung wiederherzustellen. (3.) Kriege können auch eine religiös-politische Legitimation erhalten, z.B. wenn Christen gegen heidnische Muslime ins Feld zogen. Mittelalterliche Kriege dienten außerdem dem Ehrgeiz oder der Rache. Ihr Zweck heiligte die militärischen Mittel.

Für die Bearbeitung des Rings ist es bedeutsam herauszustellen, daß jeglicher mittelalterlicher Gewalt gemeinsam war, daß sie, wenn auch auf unterschiedliche Weise, begründet und gerechtfertigt worden war. Kriege waren weder zweckfrei noch selbstverständlich. Der Ring ist jedoch ein Text, der auf eine Grundlage für die Explosion kriegerischer Gewalt verzichtet.

1.4. UNGEZÜGELTE GEWALTAUSÜBUNG ALS GRUNDSÄTZLICHER BESTANDTEIL DER AFFEKTKULTUR IM MITTELALTER

Das Affektgefüge des Menschen setzt sich aus den unterschiedlichsten Trieben des Menschen zusammen. Der mittelalterliche Mensch war zum einen seiner Triebhaftigkeit ausgesetzt und zum anderen mit einer immer stärker werdenden Triebreglementierung konfrontiert. Zwar traf diese Reglementierung auf fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu (Tischzuchten, Minnedidaktiken u.a.), und Affekte wurden dadurch gedämpft, aber es gab kaum eine Reglementierung, welche zur Dämpfung des "Angriffstriebs"23 hätte beitragen können. Norbert Elias schreibt dazu in seinem historisch-anthropologischen Werk Ü ber den Prozeßder Zivilisation:

Die Entladung der Affekte im Kampf war vielleicht im Mittelalter nicht mehr ganz so ungedämpft, wie in der Frühzeit der Völkerwanderung. Sie war offen und ungebunden genug, verglichen mit dem Standard der neueren Zeit.24

In einem Diskurs über 'Angriffslust' und 'Angriffstrieb' macht er deutlich, warum der mittelalterliche Alltag durch eine derartige Normalität von Gewalt geprägt war. Gewaltausübung war demnach lebensnotwendig, die ständige Bereitschaft zum Kampf mit der Waffe in der Hand nicht nur für den Ritter kennzeichnend, sondern auch für den Bürger in der Stadt und den Bauer auf dem Land. In einer Kriegergesellschaft, in der Rauben, Plündern und Morden zum Standard gehörten, stellte Gewalt für die Menschen im Mittelalter das einzige Mittel dar, ihre Angst zu überwinden. Es existierte keine strafende gesellschaftliche Gewalt, die einzige Gefahr, die bestand, war die, vom Stärkeren im Kampf besiegt zu werden:

Die Grausamkeitsentladung schloß nicht vom gesellschaftlichen Verkehr aus. Sie war nicht gesellschaftlich verfemt.25

Elias spricht jedoch nicht nur über die Notwendigkeit von Gewalt, sondern im gleichen Atemzug über die Lust an Gewalt. Für die Bearbeitung des Rings ist diese "gesellschaftlich erlaubte Freude"26 am Quälen und Töten und die Zweckmäßigkeit sich so zu verhalten, von außerordentlicher Bedeutung.

2. DIE GEWALTDARSTELLUNG IM RING

Der Prolog des Rings kündigt drei Teile des Textes an:

Daz erste lert hofieren

Mit stechen und turnieren,

Mit sagen und mit singen

Und auch mit andern dingen.

Daz ander kan uns sagen wol,

Wie ein man sich halten schol

An sel und leib und gen der welt:

Daz hab dir ü r daz best gezelt.

Daz dritte tail dir ch ü ndet gar,

Wie man allerpest gevar

Ze n ö ten, chrieges zeiten

In stürmen, vechten, streiten. (vv. 17ff)

Für einen Gewaltdiskurs in diesem Text, scheint auf den ersten Blick, nur der dritte Teil Relevanz zu besitzen. Doch es ist nicht allein der Krieg zwischen den beiden rivalisierenden Dörfern Lappenhausen und Nissingen, welcher Schauplatz von Gewaltszenen ist. Gewalt ist von Beginn an im Text präsent, und sie wird im Verlauf der Handlung immer dominanter, hemmungsloser und brutaler, bis sie letztendlich im Krieg ihren absoluten Höhepunkt findet.

Es ergeben sich folglich vier inhaltliche Schwerpunkte des Textes, die nachfolgend unter dem Aspekt der Gewaltdarstellung untersucht werden sollen:

1. das Turnier (vv. 180-1281),
2. die Minnewerbung (vv. 1282-2622),
3. das Hochzeitsfest (vv. 5533-6455) und
4. der Krieg (vv. 6456-9652).

Ziel dieses Kapitels ist es, die Genese der kriegerischen Gewalt im Ring aufzuzeigen und dabei die unterschiedlichen Formen der Gewalt herauszuarbeiten.

2.1. DAS TURNIER

Si schrien all gemainchleich: / 'Hört, ir herren, arm und reich, / Der muot hab, heut ze stechen, / Schilt und sper ze prechen / Durch aller frawen eren, / Der schol sich gen uns keren!' (vv. 183ff)

Das höfische Turnier stellte im Mittelalter ein soziales Privileg des Adels dar. Neben dem praktischen Zweck, militärische Fähigkeiten einzuüben, bot es sowohl eine Art der Vergesellschaftung als auch die Möglichkeit für die Teilnehmer, öffentlich Ruhm und Ehre zu erlangen. Auch wenn körperliche Gewaltanwendung mit Schwert und Schild die Funktionen des höfischen Turniers begleitete, so handelte es sich doch um eine Reglementierung, ja sogar Ästhetisierung von Gewalt. Literarische und bildliche Überlieferungen zeugen von gewissen Regeln, unter denen die Turniere stattfanden, sowie von abgestumpften Waffen, die verwandt wurden. Das Turnier stellte einen kulturellen Höhepunkt im höfischen Leben dar; Zuschauer (meist Frauen) und die turnierenden Ritter standen gleichermaßen im Rampenlicht. Nicht zuletzt war eine zentrale Funktion des Turniers der Minnedienst. Im Ring stehen all diese Ziele und Funktionen des höfischen Turniers im völligen Gegensatz zum turnieren der Bauern. Nicht nur der Gegensatz, sondern auch die Dekonstruktion und somit die offensichtliche Infragestellung dieses kulturellen Modells reglementierter Gewalt soll nachfolgend gezeigt werden.

Eigentlich wollen die Protagonisten durch aller frawen eren (v. 187) turnieren. Besonders Bertschi, der Held der Handlung, will sich vor Mätzli, seiner Minnedame, auszeichnen. Doch sehr zeitig wird aus dem ursprünglichen Minneturnier laut Bertschi eine "marter":

Er fluochet allen frawen rain:

'Ir gunken, kotzen, bösen breken,

Daz euch derübel tot m ü ess streken

Um die marter, die ich duld

Nit anders dann umb ewer huld!

War zuo habt es mich nu pracht?' (vv. 559ff)

Das eigentliche Ziel der Minnewerbung verliert im Verlauf des Turniers immer mehr an Kontur. Die dörperheit der Turnierteilnehmer und ihre offensichtliche Erregung angesichts der bevorstehenden Gewaltzufügung, dienen nicht ihrem Ehrgewinn, als eher dem Beweis ihrer Lächerlichkeit. Gegenseitige Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu abwechselnden Ehrverletzungen (vv. Angriffslust: 951-1025) stauen Wut an und steigern ihre

... 'Enkainr ist schlahens werd

denn der h ü errensun, der Twerg,

Der den ars w ü scht an daz phait:

Daz schol uns allen wesen laid.' (vv. 956ff)

Frischgeschliffene Messer werden gezogen [ 'Drutz, morder, drutz!' (v. 1006)], noch bevor das eigentliche Turnier begonnen hat. Das verbale Aggressionspotential drückt sichtliche Vorfreude auf körperliche Gewaltausübung aus:

'... Dar umb so sch ü llen wir nu reiten

Mit ein ander und nit peiten

Auf den schalk mit plossen swerten

Und in von ein ander serten!' (vv. 634ff)

Die Figur des bauernfeindlichen Neitharts, der plötzlich im Geschehen auftaucht, ist nur noch 'ein Tropfen auf den heißen Stein'; die Feindseligkeit schwelt schon in der Bauerngemeinschaft und implodiert letztendlich durch ihn. Zwar erscheint Neithart auf den ersten Blick friedfertig, dieser Gestus dient jedoch von vornherein der Provokation und Eskalation von Gewalt und zeigt auch bei ihm eine erkennbare Gewaltbereitschaft: Her Neithart ward der rede fro, / Wie wol ers nit erzaigti do (vv. 357f.).27 Während er Strohkeulen als Turnierwaffen vorschlägt, versteckt er in seiner eigenen Keule ein Stück Eisen. Doch Müller bemerkt richtig:

Nicht erst Neitharts Regelverstöße pervertieren die unter seiner Regie erprobten Formen einer höfisch modulierten Gewalt. Bereits in den Diskussionen um die auszuwählenden Turnieropfer tritt exemplarisch hervor, wie der soziale Zusammenhang in idiosynkratisch aufeinander reagierende Einzelwesen zerfällt.28

Viele literarische Bezüge zu mittelalterlichen Werken sind im Ring zu finden. Der Bezug zu der Figur des Neitharts ist innerhalb eines Gewaltdiskurses jedoch besonders interessant. Der Schwankroman "Neidhart Fuchs" präsentiert z.B. auch zahlreiche Gewaltphantasien, wobei der Text immer weniger Gründe für die Gewalt erkennen läßt.

Für den Ring gilt jene Grundlosigkeit von manifester und imaginierter Gewalt in besonderen Maße. Das Turnier bietet keine Arena für die Dämpfung des 'Angriffstriebes', sondern eher eine Gelegenheit für dessen Ausbruch. Auch von edlen Gründen für dieses Turnier ist nichts zu spüren; die Darstellung des Geschehens gleicht vielmehr einer "Narrenparade"29 von tödlichem Ausmaß. Im ziellosen Aufeinanderstürmen der Bauern zerfällt das höfische Ritual des Turniers in vergleichbarer Weise, wie sich die körperliche Integrität der Turnierteilnehmer in grotesken Körperbilden auflöst:

Sämtliche Körperöffnungen und -auswüchse geraten in ihrer aufgeregten Betätigung in den Blick, Inneres ergießt sich nach außen, Äußeres wird einverleibt [...].30

Auch in der Beichtszene verhalten sich die Bauern, wenn auch autoaggressiv, dermaßen gewaltsam, daz in daz bluot / Ze mund und nasen aus schluog (vv. 682f.). Es wird gekratzt und geschlagen, daß das Blut aus den Augen spritzt (v. 1112), gestochen, daß dem maiger mund und nase pluot (v. 443), Körper - zumindest in der Imagination - von ars an aufgerissen (v. 1089) und ziellos aufeinander zugestürmt wie sam wildeu swin von Flandern (v. 1163). Die Lappenhausener verhalten sich im wahrsten Sinne des Wortes 'tierisch brutal' und werden vor allem im Nachturnier häufig mit Tieren assoziiert, so daß eine Unterscheidung von Mensch und Tier kaum möglich erscheint:

Doz daz die alten sahen,

Gemainchleich seu des jahen, Daz si pei iren zeiten

So pöschleich nie gestreiten

Sahen, sam da was geschehen,

Scholt mans f ü r ein ernst ersehen;

Wolt mans aber zellen

Für ein schimph, daz vellen,

So sprachens, daz seu nie chain schimph

Gesahen mit dem ungelimph.(vv. 1188ff)

So wie die "alten" weiß auch der Leser kaum, wie Ernst und Spaß zu trennen sind. Lachen und Gewalt bilden in der Turnierszene, wie in der gesamten Handlung, eine Einheit.

Die frawen lachten sich ze tot (v. 400), heißt es metaphorisch zu Beginn, doch wenig später wird einer "frawe" dieses Gelächter zum tödlichen Verhängnis:

Und auch Chountzen weib, der Jützen,

Die von lachen und von ch ü tzen

Obnen ab der pr ü gi viel

Also hart auf iren giel,

Daz ir die sel nit bleiben wolt

Und fuor do hin, daz faren scholt. (vv. 1214ff)

Sogar das Turnier-Publikum wird von "Zersetzung und Zerstörung"31 nicht verschont. Die Toten aber scheinen nicht weiter von Interesse zu sein. Während des Turniers sterben außer Frau Jützen noch zwei weitere Personen, deren Tod jedoch auch nicht weiter kommentiert, geschweige denn beklagt wird: Ze eilen was in also not / Daz sich ir zwen ervielen ztot. (vv. 656f.).

Mitten im Geschehen erläutert Neithart den Bauern Sinn und Funktion des Turniers [ 'Ewer eren pin ich fro ...' (v. 919)], und der Text bringt damit explizit die Funktionen des höfischen Turniers zum Ausdruck:

Der turner und daz stechen

Sind nit erdacht um daz allein,

Daz man hofier den frawen rain:

Sei sein auch dar zuo jo gemacht,

Daz man da mit die ritterschafft

Erzaig und dar zuo lerne.(vv. 899ff)

Aber Ritterlichkeit, Ehre und höfischer Frauendienst sind keine dem Handeln der Turnierenden im Ring angemessenen Begriffe. Wenn das höfische Turnier Spiegel der höfischen Kultur und der ritterlichen Welt ist - "ein Spiel, in dem das Rittertum sich über Jahrhunderte hinweg selbst erzogen und ausgebildet und in dem es sich zugleich selbst erkannt hat",32 so ist mit Blick auf die Turnierinszenierung in Wittenwilers Text Schlimmes zu erwarten. Der "von vornherein grundsätzlich befriedete Raum"33 des ritterlichen Turniers, stellt sich im Ring als Ort der Affektentladung und Aggression dar.

Die sich daraus ableitenden Schlußfolgerungen für das gesellschaftliche Miteinanderleben der Ring -Figuren sind verheerend. Es bewahrheitet sich im Verlauf der epischen Handlung, daß das Lappenhausener Turnier ein kleines Abbild der großen 'Ring -Welt' ist.

Folgt man Elias, so kam dem mittelalterlichen Turnier in der Reglementierung ungezügelter Gewaltausübung eine zentrale Rolle zu. Im Lappenhausener Turnier ist jedoch die Freude an ungehemmter Gewaltausübung unverkennbar und führt zu Chaos und nicht zu Vergemeinschaftung, zu Tod und Verletzung und nicht zu Ruhm, zu Lächerlichkeit und nicht zu Ehrgewinn. Das Motiv der ere weicht am Ende dem Motiv des 'Nutzens', auch wenn es 'nur' zwei Figuren sind, die von diesem Gewaltexzess profitieren und sich darüber freuen: der Pfarrer, der die Toten bestatten darf (vv. 1229-1233) und der Wundarzt, der sich um die verletzten "recken" kümmern kann, die so sere warent gschlagen (vv. 1238-1243).

2.2. DIE MINNEWERBUNG

[...] 'Du bist mein morgensterne; / Pei dir so schlieff ich gerne. [...]' (vv. 1862f.)

Noch weit mehr als mit dem Wort turnieren, wird mit dem Wort minne ein zentrales Selbstdeutungsmuster des Adels aufgerufen. Die wesentlichen Merkmale des Minnekonzepts waren der Dienst an der vrouwe, die Öffentlichkeit und Zelebrierung der minne am Hof und Ehrgewinn. Das minnen war weniger eine erotische, geschweige sexuelle Handlung, als vielmehr eine angestrebte Verhaltenskultivierung. Die Werbung Bertschis, der mehrmals als minner benannt ist, stellt eine fatale Inszenierung dieses bedeutungsvollen adligen Modells höfischer Kultur dar.

Nachdem Bertschis Minnewerbung um Mätzli im Turnier unrühmlich gescheitert ist, setzt er seinen Minnedienst mit anderen Mitteln fort. Seine Werbung ist aber, wie im Turnier, von Gewalt geprägt. Der Übergang von Trieb zu Gewalt ist dabei fließend, und im Liebesdiskurs des Rings handelt es sich um eindeutig sexuelle Triebkräfte, die zum Zwecke ihrer Befriedigung auch vor Gewalt nicht zurückweichen. Bertschis sexuelle Gier, die schon in der Zeichnung am Beginn des Textes und später in seiner Anerkennung der Lehren mit dem Blick auf Mätzlis Schoß [ Triefnass andacht die was gross / Gen seines lieben Mätzlein schoss (v. 5207f.)] zur Geltung kommt, zeigt sich außerdem in einer Szene, die unmittelbar nach dem Turnier folgt:

Und dient frawn Mätzen nacht und tag.

Mit sinnen und gedenken

Von ir mocht er nicht wenken.

Des nahtes gie er alweg aus

Und schlaich hin zuo irs vattern haus.

Den laim den raiss er von der maur

Und peiss dar in: es was nicht saur. (vv. 1283ff)

Für W. Röcke ist diese merkwürdige Szene Ausdruck des engen Zusammenhangs zwischen Minnewerbung und Gewaltwunsch. Mit Bezug auf Freud bietet er für den Gewaltdiskurs im Ring eine interessante Interpretation dieser Szene und sieht in ihr "die Gewalt in der - von Freud so genannten - 'kannibalischen Sexualorganisation', die auf die 'Einverleibung' des oder der Geliebten ausgerichtet ist, hier aber zum Lehm fressenden Minnewerber verschoben worden ist."34 Der werbende Bertschi wird hier vom Erzähler im wahrsten Sinne des Wortes als liebeshungrig gezeichnet.

Bertschis 'gewaltvolle' Werbung zeigt sich des weiteren anhand "körperlicher Symptome"35 und "latenter oder manifester Gewalt- und Vergewaltigungsphantasien".36 So richtet sich die Gewalt zuerst gegen ihn selbst [ Do martret in der minne gluot / So ser, daz im die nas pluot. (vv. 1326f.)] und dann beim ersten Stelldichein gegen Mätzli [ 'Naina, Mätzli, naina, nain!' / Bertschi sprach; er was nicht faul: / Die hand schluog er ir für daz maul. (vv. 1429ff). Es folgt eine Vergewaltigungsphantasie, in der Tier und Mensch kaum mehr auseinanderzuhalten sind [ Sei cratzt, er rauft, die kuo die stach: / Daz wunder nie chain man gesach. (vv. 1438f.) und Bertschi knapp mit dem Leben davonkommt (vv. 1444f.). Doch die Minne treibt ihn weiter. In einer nächsten, sehr komischen,37 aber wiederum gewalttätigen Szene fällt Bertschi sam der tiefel ungeheuer (v. 1497) durch das Hausdach seiner Geliebten, landet im Herdfeuer, und wieder einmal wird ein metaphorischer Ausdruck - der minne gluot - zu schmerzvoller Realität. Der von sexueller Begierde getriebene Minnediener Bertschi (v. 1425) erzeugt "Chaos und Verbrechen",38 welches letztendlich in der Gewaltanwendung auf Mätzli mündet. Diese wird von ihrem wütenden Vater geschlagen (vv. 1536-1539) und mit ein stoss (v. 1544) und obszönen Beschimpfungen in den Speicher gesperrt. Dort beginnt Mätzli ir vil praunen mutzen zu ziehen, rupfen, schlagen, reißen, flechten, zwicken, drohen und schelten bis daz ir das maul geswar (vv. 1566-1579). Die Übergänge von Trieb und Gewalt sind hier wieder fließend; die sexuelle Selbstbefriedigung Mätzlis geht einher mit aggressivem Handeln gegen sich selbst. Später wird ihr ein 'höfischer' Liebesbrief, der an einen Stein gebunden ist, den Kopf verletzten, so daz im daz pluot aus gieng (v. 1930) und sie ohnmächtig zusammenbricht. Schließlich wird sie auch noch vom Arzt erpreßt und zum Geschlechtsverkehr genötigt [ '... Dar zuo so ist mein wille, / Daz du dich habist stille ...' (vv. 2138-2184)], welcher aber nicht ohne Lustgefühl ihrerseits beschrieben wird. Vom eigentlichen Ziel der Minne, der Erhöhung der Frau, ist durch die Darstellung Mätzlis innerhalb eines solchen gewalttätigen Minnediskurses nichts zu spüren.

Die unterschwellige Gewalttätigkeit des Liebesdiskurses im Ring, der vor allem durch sexuelles Begehren geprägt ist, zerstört das höfische Minnekonzept, welches durch die in dieser Textsequenz häufig vorkommenden Wörter minne und minner39 ständig aufgerufen wird. Seit Elias ist unstrittig, daß die höfische minne als Triebreglementierung und Verhaltenskultivierung zu lesen ist. Die minne im Ring hingegen scheint, auf das Geschlecht zentriert zu sein, und ist damit nach Bachorski als "äußerst skeptischen Diskurs über das Wesen der Minne"40 zu verstehen. Die Auffälligkeit des Minnediskurses im Ring besteht jedoch nicht nur in seiner sexuellen Triebstruktur, sondern vor allem in der damit einhergehenden körperlichen Gewalt. Der typisch seelische Schmerz der höfischen Minne ist hier durch körperlichen Schmerz ersetzt worden. Einzig in den Minnebriefen, geschrieben von Nabelreif (vv. 1878-1908) und Chrippengras (vv. 2261-2554), ist eine höfisch-religiöse Stilisierung der Minne sichtbar, und nur dort kann die Macht der Affekte für einen Moment gedämpft werden.41

2.3. DAS HOCHZEITSFEST

'Ich sirt dirs weib mit sampt der gsweigen, / Triefnas, pringst du uns nit schier / Wein und mett und dar zuo pier; / Da mit verleust du unser huld.' (vv. 5812ff)

Wie dem Turnier und der Minne kam dem höfischen Fest in der mittelalterlichen Gesellschaft eine zentrale Bedeutung zu. Die hochgezit stellte innerhalb des höfischen Lebens, als ein dem Alltag enthobener Feiertag, den Höhepunkt des Hoflebens dar und sollte einen 'idealen Zustand' konstruieren. Feste stifteten durch kollektiven Genuß Gemeinschaft. Sie realisierten den Zusammenhalt dieser Gemeinschaft durch vreude. Neben der Demonstration von Harmonie war auch die Inszenierung von Macht wesentlicher Bestandteil des Festes. Die Festbeschreibungen in der Literatur folgen fast alle dem selben Schema: Einladung - Vorbereitungen zum Fest - Ankunft und Empfang der Gäste - festliche Bewirtung - Unterhaltung und Geselligkeit - Beschenkung zum Abschied. Dabei galt es, bestimmte Regeln, Normen und Zeremonien einzuhalten. Im Vergleich zu dem in der Literatur des hohen Mittelalters tradierten Fest, ist die Hochzeit im Ring ein "orgiastisches Fest [...], das in den Krieg umkippt".42 Das von Wittenwiler entworfene Fest ist nach dem mißglückten Turnier und Bertschis chaotischer Minne- werbung in seinen gewalttätigen Momenten noch radikaler und kontraproduktiver.

Erste Aggressivitäten unter den Hochzeitsgästen - auch die "bösen Nachbarn" (vv. 5305f.) wurden eingeladen - zeigen sich beim Hochzeitsessen in Form eines extremen 'Futterneides'. Bertschis und Mätzlis Hochzeit ist kein Fest des Überflusses, sondern des Mangels, und so fangen die Gäste an, sich um das Essen zu streiten. Die gewalttätigen Ausmaße dieses Streits werden mit Schmerz assoziierenden Körperreaktionen beschrieben. Sie trinken und essen so schnell, daß ihnen fast die Luft ausgeht (v. 5662), die Augen tränen (v. 5669), die Ohren niederhängen (v. 5670) und die Zähne im Maul abbrechen (v. 5698). Hände und Löffel werden im Kampf um Kraut und Brühe kriegerischen Speeren gleichgesetzt (v. 5731-5738) und auf die letzten vier Eier stürzen sich die Gäste in einer wüsten Prügelei wie die wilden per (v. 6026). Es wird nicht miteinander, sondern gegeneinander gegessen.43 Dabei steht das mimetische Begehren der Esser im Vordergrund. Das Begehren um das Gleiche produziert eine gewisse Mechanik des gemeinsamen Mahls: nicht der geäußerte Wunsch nach der Speise, sondern das Greifen danach führt zum Streit, weil der Andere im selben Moment auch danach greift. Der Nachahmer scheint sich des Gewaltpotentials der Nachahmung nicht bewußt zu sein.44 Das Fest zeigt, daß ein Mittel, um Unterlegenheit zu kompensieren, die Gewalt ist. Hast und Gier bestimmen das Hochzeitsmahl und führen sogar zum Tod eines Gastes, der an einer Gräte erstickt - ein Mitesser weniger, so der lapidare Kommentar des Erzählers:

Also fuor do Farindwand

Da hin gen Schl ä uraffen land

Mit seiner sel: daz was ir fuog;

Den leib man in den Neker truog. (vv. 5909ff)

Einen 'gewaltsamen Höhepunkt' des Festes stellt die Verprügelung des Gastgebers durch seine Diener dar, welche in eine äußerst brutale und gleichzeitig obszöne Folter ausartet:

Seu gussen im des wassers her

In den ars und auch enzwer

Pei den painen namends in

Und possten seinen hintern hin

An einn paum, daz es derknal. (vv. 5831ff)

Freude und Leid liegen, wie so oft in diesem Text, dicht beieinander:

Während sich der Leser fragen mag, wie Bertschi diese Tortur überleben kann, wird von der Freude der Gäste berichtet, die diese Behandlung für richtig halten (vgl. V. 5837f.).45

Diese Szene erhält durch die offensichtliche Lust an ausgiebigen und brutalen Quälereien eine neue Qualität im Gewaltdiskurs des Rings. Wittenwiler, so Kopanski, setze Mittel ein, deren Funktion über eine Parodierung hinausgehe, und die in anderen Werken nicht zu finden wären.46 Dieses Mittel ist die literarische Präsentation von Gewalt. Der Darstellungsmodus des Festes im Ring ist nicht, wie immer wieder versucht worden ist,47 mit dem literarischen Verfahren des Grobianismus zu erklären, denn im Ring ist nicht nur die Freude an der Darstellung verkehrter Verhaltensweisen zu erkennen, sondern gleichzeitig die Freude an der Darstellung von brutaler Gewalt. Der Grobianismus bedient sich der Gegenbildlichkeit. Es bleibt fraglich, ob die Inszenierung des Hochzeitsfestes im Ring das Gegenteil dessen dargestellt, was eigentlich gemeint ist, denn durch die chaosstiftenden Gewaltszenen ist nicht eindeutig, was der Autor wirklich im Sinn hatte. Vielmehr sollte von grobianischen Elementen gesprochen werden, die in Verbindung zur angenommenen "Doppelnatur"48 des Menschen im Mittelalter zu sehen sind. In der Gegenüberstellung des körperlich-animalischen Menschen und des geistig-vernünftigen Menschen, drückt das grobianische Element die Emanzipation der animalischen Triebe aus.

Der Prozeß der Zivilisation ist nach Elias ein Prozeß der Distanzierung von der Natur. Er zeigt diesen Verlauf an konkreten Beispielen auf, u.a. an der Entwicklung der Tischsitten seit dem Mittelalter. Ihr zufolge entspricht der Standard der Eßtechnik einem bestimmten Standard der menschlichen Beziehungen und der Affektgestaltung. Trifft Elias' Annahme zu, daß Tischsitten einer Gesellschaft direkte Rückschlüsse auf ihre Affektkultur zulassen,49 dann ergibt sich aus der Darstellung der undifferenzierten Art der Tischsitten im Ring ein direkter Zusammenhang zur Genese der Gewalt. Gemeinschaft und Freude hat das Fest im Ring jedenfalls nicht gestiftet. Es fungiert in diesem Text eher als Grundlage für einen grausamen Krieg zwischen den Hochzeitsgästen, der ein "apokalyptisches Ausmaß"50 annimmt.

Der eigentliche Ausbruch der kriegerischen Gewalt hingegen ist in den Minnediskurs verlagert. Das Fest löst sich in einen sexuell konnotierten Hochzeitstanz auf, bei dem die Burschen mit "eifrigem Gegriffel der Minne dienten" (v. 6423). 'Tittlein' springen aus dem Busen (v. 6406), Kleider werden aufgerissen (v. 6409), Hosen fallen herunter, 'Spiegel' zerbrechen und Splitter fahren in die Haut (vv. 6225-6235). Das Fest gleich mittlerweile einer Orgie, die sämtliche Regeln eines höfischen Festes sprengt. Das sexuelle Spiel geht schließlich in Gewalt über, wenn der Lappenhausener Eisengrein, der wolt in Greduln minn verprinnen (vv. 6449f), die Nissinger Jungfrau Gredel durch Kratzen ihrer Hand zum Bluten bringt. Durch der minne gluot51 kippt das Fest urplötzlich in eine Schlägerei zwischen den Lappenhausenern und den Nissingern um. Wie in einer Spirale bewegt sich diese brutale Schlägerei auf einen unausweichlichen Krieg zu. Zuerst wird an den Haaren gerissen, bis an die Stelle des Reißens die Fäuste treten, an die Stelle der Fäuste die Speere und an deren Stelle die Schwerter und Lanzen. Es wird gekratzt, gebissen und gewürgt - mindestens sieben Tote fordert diese Schlägerei. Die abschließende Schändung der Nissinger Frauen durch die Lappenhausener erinnert an kriegstypische Massen- vergewaltigungen:

Seu viengen pei den henden

Die m ä tznen ellenden

Ze sertenn und ze schenden;

Daz chond in niemant gwenden. (vv. 6672ff)

Bertschi ist über den Ausgang des Festes tief erschüttert und muß seine eigenen Hochzeitsglocken zu Kriegsglocken umfunktionieren:

Do ditz der preutgom so dersach,

Es schuoff im laid und ungemach.

Er lieff hin in den wendelstain

Und laut die gloggen all gemain

Ze sturm ...(vv. 6604ff)

Während in Nissingen schon der Kriegsrat tagt, Boten entsandt werden und jedermann der Sinn nach Krieg steht [ Won ze streitten stüend ir sin (v. 6969)], verbringen Bertschi und Mätzli die Hochzeitsnacht. Auch diese bleibt von Aggressivität und Gewaltanwendung nicht verschont. Bertschi küßt Mätzli in das maul hin in (v. 6985), Mätzli huob ze schreien an so vast - / Man hort esüber ein halben rast (vv. 6990f.), Bertschi jedoch packt sie wie ein Mann Und graiff sei chrefticleichen an! / Wie schier er ir die pain auf kert, / Sam in der schreiber hiet gelert, / Und macht sich zwüschen seu enmitten! Er tet nach seiner vordern sitten. (vv. 7041ff). Die gewaltsame Bemächtigung der Frau durch den Mann, die in mehreren mittelalterlichen Quellen zutage tritt, findet in dieser Szene ein besonders deutliches Echo.52 In der äußerst aggressiven Metapher, die Mätzli nutzt, um ihre angebliche Angst vor dem Geschlechtsakt zu bekunden, scheint die Brutalität des kommenden Krieges schon anzuklingen:

Mätzli do mit ungemach

Wainent zuo dem knechte sprach:

'Ja, ich waiss wol, wie im ist:

Du pists ein gsell mit falscher list

Sam einr, der vogel vahen wil:

Der pfeiffet suoss und macht sein vil

Und, so seu koment in sein hab,

So würgt er in die chragen ab.' (vv. 7022ff)

Die Hochzeitsnacht, die zum einen grotesk-brutal gestaltet ist und zum anderen mit dem Ausbruch des Krieges zeitlich zusammenfällt, stellt im Text einen entscheidenden Schnittpunkt von Gewalt, Minne und Sexualität dar.

2.4. DIE MECHANIK DER GEWALT

Daz stuond nicht wol, es was ein schand, / Won die junchfraw an der vart / Von dem chretzen plüetend wart. / Dar umb so cham der gpauren schimph / Nach ir gewon ze ungelimph. (vv. 6453ff)

Der Anlaß der Gewalt im dritten Teil des Rings ist Liebesbegehren, und selbst dieses ist schon gewalttätig, blutig und entgrenzt. Doch Eisengreins Kratzen von Gredels Hand ist zwar Auslöser, aber nicht Grund für den Ausbruch des Krieges. Die Darstellung des Hochzeitsfestes deutet auf ein enormes Gewaltpotential der Bauerngemeinschaft hin. Schon während des Mahles gibt der Erzähler einen expliziten Hinweis auf den bevorstehenden Krieg: Des lachet man: es war nicht zeit, / Daz sich derheben scholt ein streit. (vv. 6245f.). Der Krieg hat noch nicht begonnen, doch gewisse Details kündigen ihn unwiderruflich an. So werden während der Rauferei bereits kriegerische Waffen, wie der sper (v. 5738) verwendet, und überirdische Mächte greifen ein: Do sat der tiefeläschen drein. (v. 6448) Doch obwohl die Gewalt im Ring von Beginn an auf ihren absoluten Höhepunkt zusteuert, ist die plötzliche 'Geburt' des Krieges aus dem Fest in ihrer Mechanik für den Leser sehr überraschend. Der Text beschreibt zwar den Ausgangspunkt der kriegerischen Gewalt, gibt aber keine plausible Erklärung, sondern zeigt nur Funktionsregeln. Er funktioniert nicht nach einer Logik der Kausalität, die Voraussetzungen und Gründe für kriegerisches Handeln nennen würde, vielmehr beschränkt er sich auf eine Mechanik von Verletzen-Rache-Gegenrache-neue-Rache (vv. 6734-6769). Gredels körperliche Verletzung führt zur Ehrverletzung ihres Onkels Schinddensack. Scheint das kriegsauslösende Moment im Ring im Vergleich zu anderen Kriegen in der Literatur (Raub der Helena etc.) doch eher nichtig, so ist die zugrunde liegende Funktionsregel, nämlich die Verletzung der ere, als Grund für einen Streit nicht zu unterschätzen. Hinsichtlich der enormen Bedeutsamkeit des Ehrbegriffs besaß auch die rache in der mittelalterlichen Literatur einen hohen Stellenwert:

Die Verletzung des lip, der Person, war gleichbedeutend mit der Verletzung der ere; verletzte Ehre war die Ursache zahlreicher Zweikämpfe, Fehden, Kriege.53

Im Ring wird die Ehre zu einem Ideal erhoben, "das sogar über die Erhaltung des Lebens gesetzt werden muß, nimmt man es denn ernst":54

'Won besser ist nach weiser ler

Fraischleich sterben umb die er

Dann mit schanden leben, secht!' (vv. 6830ff)

Das Konzept der ere ist ein konstitutives Moment der mittelalterlichen, höfischen Gesellschaft. Aber es wird im Ring auf eine dermaßen nichtige und niedere Ebene verschoben, daß es kaum wahrnehmbar ist - im Vergleich zum Raub der Helena oder zum Mord an Siegfried ist das Kratzen einer Hand als Motiv für einen Kriegsbeginn in der damaligen Literatur mehr als außergewöhnlich. Das Konzept der rache hingegen ist nicht unbedingt greifbarer, aber übertrifft im Ausmaß seiner Darstellung im Text das Modell der Ehre bei weitem.

Gegenseitige sexuelle Androhungen, die jeweils andere Familie zu schänden (vv. 6468- 6474), führen zu einer Ehrverletzung nach der anderen und dann letztendlich zum rauffen (v. 6476) und wuotten (v. 6681). Sprachliche Aggressionen werden dabei sofort in körperliche Gewalthandlungen umgewandelt. Aus einer verhältnismäßig kleinen Verletzung ergibt sich, wie in einem Triebwerk, neue Gewalt und Gegengewalt.55 Dabei erinnert diese 'Mechanik' an das Schmetterlingsprinzip der Chaostheorie. Ein kleiner handgreiflicher Streit in Lappenhausen ist Auslöser eines apokalyptischen Krieges und setzt eine Vervielfachung des bisherigen Gewaltpotentials in Gang. In einer rasanten

Geschwindigkeit aufeinanderfolgender Übertrumpfungen der Gewaltandrohung wird das Fest zum Krieg.

Der Krieg im Ring entsteht nicht aus Herrschaftsinteressen, sondern hauptsächlich aus einer persönlichen Schuld einiger Akteure. Die Möglichkeit einer rechtlichen oder moralischen Bewertung des Kriegsbeginns ist dadurch ausgeschlossen. Es ist kein Zusammenhang von Recht und Gewalt erkennbar. Aber trotz des Verzichts auf eine plausible Rechtfertigung der kriegerischen Gewalt, läßt der Erzähler diese Gewalt entstehen. Der ursprüngliche Zweck des Streits, nämlich die Rache für Gredels 'Schändung', ist im Verlauf der nachfolgenden Handlung nicht mehr erkennbar.56

2.5. DER KRIEG

In was der mensch recht sam ain ai / Und knustend flaisch und pain enzwai. (vv. 9387f.)

Vor der Inszenierung des Krieges versucht der Text innerhalb einer Kriegslehre ein Regelsystem für diesen Krieg zu entwerfen, das sich folgendermaßen zusammensetzt: Kriegsrat (vv. 6683-7557), Appell an die gütliche Einigung(vv. 6842-6860), Suche nach Bündnispartnern (vv. 7620-8086), Fragen der praktischen Kriegführung (vv. 8098-8563). Beide Parteien suchen nach rationalen Begründungen für den bevorstehenden Krieg, doch der Darstellungsmodus der Gewalt und die in sich kontradiktive Kriegslehre machen eine Bewertung des Krieges unmöglich. Es scheint völlig abwegig, nach Legitimität oder Illegitimität des Krieges zu fragen, da der Text Gewalt und Krieg als einzige Option des Handelns anbietet, wenn nicht sogar diktiert. Der Appell an die gütliche Einigung durch Schilawings Botschaft wahrt zwar die höfische Form des minne oder reht, bietet aber von vornherein keinen Ausweg - zu entfesselt und zu triebhaft stellt sich die Gewalt dem Leser in den Kriegsszenen dar. Und so wurden die Bauern von fröden springend, / Wüetend ser und dar zuo singend (vv. 7602ff) als der Krieg nun endlich beschlossene Sache war.

Die Schlacht zwischen den beiden Dörfern sprengt den Rahmen eines Bauernkrieges. Die Verbündeten der Nissinger und Lappenhausener kommen aus aller Welt: Städter und Dörfler, mythisches Personal und literarische Figuren, Ritter und Bauern, Heiden und Christen kämpfen mit und -gegeneinander und verleihen dem Streit der beiden Bauerngemeinschaften die Dimension eines Weltkrieges. Es findet jedoch im Ring kein Krieg statt, der nach bestimmten kriegerischen Strategien und Praktiken funktioniert oder durch einen sichtbaren Nutzen für eine der beiden Seiten gekennzeichnet wäre. So wechseln z.B. Zwerge und Recken spontan das kriegerische Lager, weil sie 'traditionell' mit den Hexen und Riesen verfeindet sind (vv.7929-7940). Der Krieg beginnt mit einem Kampf des mythischen Personals. Gemäß der literarischen Tradierung handeln Riesen und Recken, Bauern und Ritter nicht nach pragmatischem Kalkül, sondern immer aus Ehrsucht und unreflektierter Gewaltlust heraus, was durch ihre hietens gir (v. 8660) demonstriert wird. Wildes gferte (v. 8755), schaden und rach (v. 8737) prägen die ersten Kampfszenen, so daß man schon wenig später bis an die versin in dem pluot (v. 8854) watet. Der Gewaltausübung ist im gesamten Verlauf des Krieges jedes Mittel recht, und es scheint, als hätten die Kriegsteilnehmer den Zweck dieses Krieges vergessen (wenn sie ihn überhaupt jemals gekannt haben). Es findet ein Vernichtungsrausch statt, in dem Freude und Tod zu einer Einheit verschmelzen: Ir fröd ist unser tod (v. 8498). Die Lust am Töten und Verstümmeln des menschlichen Körpers wird plastisch in Szene gesetzt. Körperteile werden abgetrennt (vv. 8923f.), Augen geblendet (v. 8938), Menschen im wahrsten Sinne des Wortes wie Heu und Stroh niedergemäht (vv. 9136f.), aufgespießt sam die hüener an eim spiss (v. 5236), erwürgt (v. 8781) u.a., so daß das Blut auf dem Schlachtfeld steigt und steigt:

Secht, do was es vesperzeit!

Dar zuo wisst, das an dem streit

Ieder do ze f ü essen wuot

An die knie auf in dem pluot! (vv.9142ff)

Gekämpft wird mit Schlingen, Netzen, Schleudern, Kettenkugeln, Mistgabeln, giftigen Borsten, Beilen, Äxten, Sensen u.ä. Schon die Urwüchsigkeit der Waffen ist Ausdruck für die Natur- und Triebhaftigkeit dieses Krieges. Das gleiche gilt für die Formen der Gewalt: spucken, beißen, reißen, zerquetschen, verschlingen, blenden. "Den Gegner nicht nur zu töten, sondern seinen Leib auch zu verstümmeln, zu zerteilen, zu zerstreuen"57, ist leitender Grundsatz dieses Krieges. Im ekstatischen Gemetzel kommt es auch mal vor, daß sich die Gewalt gegen den eigenen Körper richtet:

Er graiff im zuo dem augen hin

Und zukt ims zuo sein ungewin,

Das es im gen der nasen hieng.

Da mit der ris sein aug gevieng

Und zoch es gantz und gar her aus;

Er sprach: 'Des acht ich nit ein laus;

Ich gesich mir noch genuog.' (vv. 8976ff)

Von aventuire, heroischen Helden und ritterlicher Kampftechnik ist auf diesem blutgetränkten Schlachtfeld nichts zu spüren. Zerstörungswut ist als einzige Motivation für das sinnlose Gemetzel im Text erkennbar. Beeindruckendstes Beispiel dafür ist die Figur des wilden mans auf einem Hirsch, der völlig unmotiviert mitten im Kriegsgeschehen auftaucht. Schon sein Name deutet auf eine unzivilisierte und zornige Natur hin. Der wilde man verkörpert am deutlichsten das literarische Bild eines Naturzustandes des Menschen, der vollkommen auf seine Triebhaftigkeit reduziert ist. Keiner der beiden Kriegsparteien zugehörend, wirft er sich dennoch mit Enthusiasmus ins Kriegsgetümmel, tötet, verschlingt und beißt jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Seine Kriegsbeteiligung wird im Text nicht begründet, es ist nur von seinem eigenen Nutzen die Rede:

Und wolt die streiter all gemain

Nider legen so allain;

Won er gedacht in seinem sinn:

'Ir vechten daz ist mein gewin,

Daz seu unter enander tuond.' (vv. 8727ff)

Welch' "gewin" gemeint ist, bleibt völlig unklar, denn auch er stirbt - gemeinsam "gezähmt" von Hexen und Zwerge, die zuvor noch gegeneinander kämpften.

Es ist ein widersinniger Krieg, der jeglicher Logik entbehrt. Es ist weder möglich, 'gut' und 'böse', noch Recht und Unrecht zu unterscheiden. Es bleibt nur die Lust an Gewalt. 'Wenn zwei sich streiten, so freut sich dritte' - meist, indem er sich irgendeinen daraus ergebenden Vorteil zu Nutzen macht. Gewaltausübung ist der einzig erkennbare Nutzen, den der wilde man aus dem Krieg zieht. Seine Figur ist als Metapher für den gesamten Krieg zu sehen, dessen eigentlicher Inhalt die Gewalt darstellt.

Nachdem nun auch die Lappenhausener und Nissinger im Kampf aufeinander gestoßen sind, ist noch immer kein Sieg der einen oder anderen Partei auszumachen; einzig der Blutpegel steigt: man in dem pluot / bis untz an den gürtel wuot (vv. 9409f.). Die Wende des Krieges wird herbeigeführt durch den Verrat einer Lappenhausenerin, die den Nissingern während eines Waffenstillstandes die Tore öffnet. Die Ausrottung von Lappenhausen wird rasch beschlossen. Männer, Frauen und Kinder sollen getötet werden (vv. 9523-9532). Nach der äußerst detaillierten Kriegsbeschreibung, wird dieser Akt des Mordens an der Zivilbevölkerung indes nicht erzählt. Der Erzähler bemerkt nur sichtlich knapp, daß alles nach Plan geschehen sei:58

Und, was her Pütreich hiet gedacht,

Daz ward auch alles vollepracht.

Des wurdens sälich und auch reich

Und machten sich auch all geleich

Wider haim hin auf den weg. (vv. 9535ff)

Es bleibt offen, warum diese Szene, die letztendlich das grausame Ende des Krieges einläutet, nicht erzählt wird. Warum auch immer - dem mittelalterlichen Publikum wird es nicht schwergefallen sein, sich seine eigenen Vorstellungen davon gemacht zu machen, schließlich waren Plünderung und Brandstiftung in der Realität keine Seltenheit. Drastisch wird in einem Bild des Grauens Bilanz dieses Krieges gezogen:

Des sach er [Bertschi] da von toten mannen

Mangen grossen hauffen ligen.

Die warend auf enander gdigen

Von des pluotes güssen so. (vv. 9657ff)

Bertschi, der zuvor als 'heufressendes Monster' seine Feinde verschreckt und verjagt hatte, muß nun erfahren, daß er der einzige Überlebende ist und zieht sich nach Jammern und Klagen als Einsiedler in den Schwarzwald zurück (vv. 9661-9699).

2.6. METHODISCHER DISKURS

Der Wittenwilersche Text entwirft relativ geschlossene Verhaltenssysteme, indem er Formen höfischer Vergesellschaftung zitiert. Turnier, Minnewerbung und Fest, die als friedliche, Gewalt negierende, feudale Gesellschaftsformen konzipiert wurden, werden literarisch aufgerufen. Im Ring ist jedoch jegliche Form der Vergesellschaftung von Gewalt geprägt, und so können jene Gesellschaftsformen nur Versuche einer Reglementierung von Gewalt darstellen, da sie, einmal aufgerufen, sofort wieder destruiert werden. Folglich erscheinen diese kulturellen Organisationsformen als unbrauchbar. Sie scheitern und zerbrechen an zwanghafter, triebhafter Gewalt. Sogar der Krieg selbst, in seinem Wesen sich durch Gewalt definiert, wird durch die Zügellosigkeit der Gewalt im Ring als zentrales Gesellschaftskonstrukt angezweifelt. Weder ritterliche Regeln, heroische Kampfeskraft noch Ehrgewinn sind zu erkennen. Jegliche Ordnung, Zivilisation, Rationalität und Tradition geht am Ende der epischen Handlung in einem Meer von Blut unter.

3. DIE KOMIK DER GEWALT IM RING

Im 2. Kapitel ist die Radikalität und das Ausmaß der Gewaltdarstellung im Ring aufgezeigt worden. Dabei wurde deutlich, daß die Mechanik der Gewalt als Besonderheit des Textes anzusehen ist. Im folgenden Kapitel soll eine weitere Eigenart des Textes im Umgang mit Gewalt ersichtlich werden: die enge Verschränkung von Gewalt und Lachen.

Der Ring ist ein komischer Roman. Die Literaturwissenschaft hat oft versucht, ihn näher einzugrenzen. So ist er als Schwank- oder Narrenroman, als Fastnachtspiel oder parodistischer Roman benannt worden.59 Er enthält zwar Elemente dieser Gattungen, doch entzieht er sich immer wieder einer eindeutigen Zuordnung. Gründe dafür sind in der Verschmelzung von Komik und Gewalt zu suchen. Der Ring, der sich hinsichtlich der Funktionsweisen der Gewalt von anderen Texten abgrenzt, unterscheidet sich aufgrund der Einheit von Lachen und Gewalt auch hinsichtlich der Funktionsweisen des Komischen von anderen komischen Texten. Es ergeben sich folgende Fragen: Was ist komisch am Ring ? Wie funktioniert das Lachen im Text? Worin genau besteht der Schnittpunkt von Gewalt und Komik? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, den Begriff des Komischen näher zu bestimmen und seine Arten zu benennen, um ihn dann auf den Ring in seiner Beziehung zur Gewalt anzuwenden. Im Ring steht die Komik im Dienst der Gewalt und erfüllt damit einen ganz bestimmten Zweck. Diesen Zweck herauszuarbeiten, ist nicht zuletzt das Anliegen dieses Kapitels.

Der Ring provoziert das Publikum zum Lachen. Doch erst der komische Effekt löst Gelächter aus. Odo Marquard erklärt in seiner berühmten Formulierung vom Komischen diesen Effekt wie folgt:

Komisch ist und zum Lachen reizt, was im offiziell Geltenden das Nichtige und im offiziell Nichtigen das Geltende sichtbar werden läßt.60

Will man diese Definition auf die Verschränkung von Lachen und Gewalt im Ring anwenden, so gelten die Lehren und ständig aufgerufenen höfischen Topoi als das "offiziell Geltende" und die Triebe der Ring -Figuren als das "offiziell Nichtige". Den komischen Effekt evoziert der Ring durch die unterschiedlichsten komischen Schreibweisen: Parodie, Groteske, Karnevaleske. Dementsprechend zahlreich sind seine Lachformen. Doch Lachen läßt sich nicht über die Analyse komischer Strukturen erfassen, erst eine Theorie des Lachens schafft die Voraussetzung für das Verständnis des Komischen sowie seiner literarischen Formen.61 Es demzufolge notwendig, auf Schwerpunkte der theoretischen Bestimmung des Lachens im Mittelalter einzugehen. Dabei sind die Funktionsweisen des Lachens und die sich daraus ergebenen literarischen Strategien von Bedeutung: Die mittelalterlichen Lizenzen des Lachens waren nicht eindeutig. Die problematische Bestimmung des Lachens im Mittelalter ist vor allem auf die theologische Verurteilung des Lachens zurückzuführen. Lachen kontrastierte mit dem notwendigen Ernst des christlichen Glaubens und wurde als Selbsterhöhung des Menschen über Gott interpretiert. Während im Hochmittelalter Lachen und Komik nur selten erlaubt waren, konnte sich im 12./13. Jahrhundert eine kultivierte Komik entwickeln, die aber unter der Prämisse stand, einen didaktischen Zweck zu erfüllen. Spott und Hohn, Gelächter über Laster und Übel waren, außer in der Satire, noch ausdrücklich verboten. Erst in der komischen Literatur des Spätmittelalters werden die mala, z.B. die Abhängigkeit vom Körper, der menschliche Trieb, die Freude am Obszönen, das Häßliche, körperliche Exkremente oder auch die Durchbrechung sexueller Tabus, als Teile des Lebens anerkannt. Die Geschichte des Lachens ist also gleichzeitig eine Geschichte von der Öffnung zur Welt. Die komische Literatur verabschiedete sich von den moralischen Versuchen der mittelalterlichen Didaktik, das 'Übel' zu bekämpfen. Sie stellt 'Gut' und 'Böse' nebeneinander und ist durch eine auffällig "paradoxe Verknüpfung von Freude und Bösartigkeit" gekennzeichnet.62

Wann, wie und worüber wurde gelacht? Zwei wichtige Eckpfeiler sind in diesem Zusammenhang das 'befreiende Lachen' und das 'bedrohliche Lachen'. Beide Formen deuten die Ambivalenz des Lachens an. Hinsichtlich der Verschränkung von Lachen und Gewalt, wird zu zeigen sein, daß Körperlichkeit und aggressive Tendenzen schon immer in Verbindung zum Lachen gesehen wurde, und daß sich daraus für das Mittelalter ganz bestimmte literarische Inszenierungen ergaben. Formen mußten gefunden werden, in denen das Lachen legitim war. Denn so wie Sexualität und Gewalt gehörte auch das Lachen zu den Trieben, die reglementiert werden sollten. Die mittelalterliche Lachkultur ist nicht zuletzt durch M. Bachtin in ihrer widersprüchlichen Logik herausgearbeitet worden.63 Die lachende Infragestellung der "autoritären Wörter", wird von ihm immer wieder betont, und ist für den Ring besonders hinsichtlich des Verhältnisses von Didaxe und Lachen von Interesse.

Eine Vielzahl der komischen Momente im Ring ergeben sich aus kontextuellen Bezügen, seien sie historischer oder literarischer Art. Bei der folgenden Analyse soll die Prämisse gelten, "daß Komik nicht aus Stoffen oder Inhalten entsteht, sondern erst aus dem Bezug und in der Entgegensetzung zum 'Ernst' und zum 'Erhabenen' bzw. zu den Werten, Idealen und Normen der 'positiven Lebensordnung'".64 Jene referentiellen Bedingungen der Komik müssen vom Leser erst erschlossen werden, und für den modernen Leser wird dies etwas schwieriger sein als für das mittelalterliche Publikum, da der Text häufig nur durch kleinste Zeichen auf verschiedenste mittelalterliche Konzepte anspielt. Kröll verweist mit Recht auf eine sogenannte "Lachkompetenz"65 des Lesers, die notwendig wäre, um das Komische zu entschlüsseln. Komisch ist also das, worüber man lacht. Doch nicht alles, worüber gelacht wird, ist komisch. Immerhin gibt es auch das spontane Lachen als Ausdruck der Lebensfreude oder als Manifestation vitaler Überlegenheit, das Lachen als Bewältigungsstrategie eines nicht lösbar erscheinenden Widerspruchs und schließlich das aggressive Lachen, wie z.B. im Fall der Schadenfreude. Letztere 'Lachform' ist im Ring dominierend und somit für den Gewaltdiskurs in diesem Text von enormer Bedeutung.

3.1. DIE PARODISTISCHE KOMIK

Parodien sind "literarische Erzeugnisse, die irgendeinen als bekannt vorausgesetzten Text oder - in zweiter Linie - Anschauungen, Sitten und Gebräuche, Vorgänge und Personen scheinbar wahrheitsgetreu, tatsächlich verzerrend, umkehrend mit bewußter, beabsichtigter und bemerkbarer Komik, sei es im ganzen, sei es im einzelnen, formal nachahmen oder anführen".66 Der Ring spielt durchgängig mit 'Bekanntem'; seien es literarische Texte oder gesellschaftliche Verhaltensmuster. Das parodistische Spiel ist jedoch vor allem in Turnier und Minnewerbung erkennbar. Das Turnier, dem Leser als zentrale Selbstdarstellung des adligen Rittertums bekannt, wird allein schon durch den Fakt, daß Bauern es veranstalten, parodiert und erscheint damit komisch. Unvereinbare Gegensätze (so z.B. der Bauer als Turnierteilnehmer) werden in eine Einheit gedrängt - ein Vorgang, der Lachen provoziert.67 Gesteigert wird dieses Verfahren dadurch, daß mitten in den Kampfhandlungen ein Müller und ein 'Ritter' beginnen, um einen Esel zu feilschen (vv. 485-492). Die Verschränkung unterschiedlicher inkompatibler Mentalitäten (z.B. adlige Ehre und Feilscherei) macht zum Großteil die Komik dieses parodistischen Verfahrens aus. Die Beschreibung des Turnierverlaufs hält sich an die bekannten Vorgaben der höfischen Literatur, doch verkehrt sie die wichtigen Details. Es sind keine Helden, die zum Turnier antreten, sondern lächerliche Figuren, die von vornherein keine Chance vom Erzähler bekommen, ein 'vernünftiges' Turnier zu Stande zu bringen. Triefnas, / ein held reht sam ein giesfas (vv. 111f.), Chuontz... / ein helde sam ein waldmies (vv. 115f.), junkher Troll: / Ein cheker sam ein anchenzoll (vv. 123f.) etc. Der Aufmarsch der Bauern, die Beschrei- bung ihrer Waffen, Wappen, ihrer selbst - alles ist der Lächerlichkeit preisgegeben:

Si sassen ritterleichen

Auf saumernsätteln reichen

Auf eseln und auch veltrossen:

Es möht ein juden han verdrossen. (vv. 173ff).

Aber, so einfältig die Bauern dem Leser auch erscheinen mögen - die Gewalt, zu der sie fähig sind, entbehrt jeglicher Harmlosigkeit und ist zudem noch äußerst komisch.

Das mittelalterliche Turnier war ein Ritual, eine Selbstinszenierung des Adels nach festgelegten Regeln, welche im Verlauf der Zeit unter dem Einfluß der steigenden Gesittung und der kirchlichen Verbote sogar einer gewissen Humanisierung unterlag. Vor diesem Hintergrund wirkt die Gewalttätigkeit der tölpelhaften Bauern mit ihren Spießen lächerlich, aber gleichzeitig beängstigend leichtfertig. Die Unbedingtheit, mit der sich die dörflichen Turnierenden selber aufreiben, kann als Indiz für den eigentlichen Anlaß des Bauernturniers gelten: die Freude an der ungehemmten Gewaltausübung, am Genuß des direkten Auslebens der Affekte. Die Turnierfunktion (Bertschi will sich vor den Augen Mätzlis auszeichnen) wird durch Darstellung und Ergebnis konterkariert, denn Bertschi als komischer Held zeichnet sich nicht durch Tapferkeit und ritterliche Fähigkeiten aus, sondern durch tölpelhaftes Versagen. Der 'Turnierheld' im Minnedienst wird zu einer negativen Figur, die sich den höfischen Verhaltensmustern entzieht, sie verhöhnt und zerstört.68 So verflucht Bertschi, wenn auch im körperlichen Schmerzempfinden, die Frauen, die er eigentlich zu ehren gedachte (vv. 558-564).

Jauss definiert Parodie als Herabsetzung eines Helden aus erwarteter Vollkommenheit und vorgegebener Idealität. Dabei ist der Held nicht an sich selbst komisch, sondern vor einem bestimmten Erwartungshorizont bzw. weil er diese Erwartungen oder Normen negiert. Jauss nennt dies: 'Komik der Gegenbildlichkeit'. Ein Vergleich zwischen Parodie und Parodiertem sei dabei notwendig involviert.69 Bertschis Herabsetzung im Turnier beruht zum Einen auf der Beschreibung seines Äußeren (vv. 111-114) und seines tölpelhaften Wesens und zum Anderen auf der Gewalt, die ihm zugefügt wird. Sein Gegenspieler im Turnier ist ausgerechnet Neithart, der aus dem 13. Jahrhundert als Minnesänger 'Neidhart' und später als 'Neithard Fuchs' bekannt ist: während Neidhart, der Minnesänger, parodistische Elemente verwendet, ist die Figur des 'Neithard Fuchs' als gewaltbereiter Bauernfeind geläufig. Der Neithart im Ring übertölpelt Bertschi und dessen Spießgesellen. Dazu begibt er sich auf deren Niveau. Auch bei ihm ist Freude an der Gewaltanwendung und Übertölpelung zu erkennen. Parodistische Komik und Gewalt kommen in ihrer Einheit besonders in den Neithartszenen zur Geltung. Bertschi, der zweimal versucht, Neithart anzugreifen, fällt beim ersten Mal hart auf seinen giel, / Daz er wainet und auch grain (vv. 557f.) und wird beim zweiten Mal vor Schmerz ohnmächtig. Ein Minnediener im Turnier darf sich derart nicht 'benehmen'. Dieser Widerspruch erzeugt Lachen, obwohl dem Leser Bertschis Versagen durchaus nachvollziehbar ist, da das Gewaltpotential, welches Neithart und dem gesamten Turnier innewohnt, ausführlich beschrieben wird:

Er [Neithart] gab dem minner einen stoss,

Daz man in selten mer hiet funden;

Do was er also stark gepunden,

Daz er mit kainr gep ä rde

Mocht ch ü men von dem ph ä rde.

Daz cham alz zuo seinen schanden:

Hangend ward er in den panden

Der merhen auf die h ü efe.

Ob ich es rechte br ü efe,

Ze hart im an der selben vart

Gestrigelt ward sein har und bart.

Und wär man im ze hilf nit chomen,

Daz schläpfen hiet imd sel benomen.

Doch ward im von we geswinden. (vv. 601ff).

Das Turnier als Modell kultureller Inszenierung reglementierter Gewalt wird im Ring ins Gegenteil verkehrt. Dies geschieht durch die Logik der Parodie und durch die dargestellte Lust an Gewalt. Dabei erwächst das parodistische Lachen aus der Diskrepanz zwischen Erwartetem und tatsächlichen Verhalten, aus der Verknüpfung von Unvereinbarem sowie aus dem lachenden Vergnügen am komischen Helden:

Die gegenbildliche Komik entspringt der Herabsetzung des Idealen auf ein Niveau, das dem Leser oder Betrachter eine Identifikation mit dem Helden erlaubt, die er gegenüber dem Druck der Autorität als Entlastung, als Protest oder auch als Solidarisierung erfahren kann.70

Das parodistische Lachen ist also ein Lachen über den Helden. Das Publikum lachtüb e r Bertschis Versagen, seine Tollpatschigkeit und Dummheit und distanziert sich gleichzeitig von seinem Verhalten. Es ist ein Lachen über ein Verhalten, welches ideale Normen verfehlt, aber die offizielle Ordnung gegenbildlich stets mit evoziert. Wie das Turnier, wird auch der Minnesang parodiert. Bertschis Minnedienst ist gegenbildlich zum höfischen Minnedienst konzipiert, dabei sind eindeutige Referenzen zur höfischen Minne häufig gegeben, z.B.:

'gluot ist gvallen in die gluot,

Feur ist chomen zuo dem feur:

Daz schaft die minn, die aventeur.' (vv. 1517ff).

Die Minnewerbung erweist sich für Bertschi erneut als lebensbedrohlich, nämlich als er durch das Hausdach fällt (vv. 1491-1499). Auch Mätzli, die Minnedame, erleidet nur Schaden durch Bertschis Minnedienst, da sie, als Folge seines Handelns, erst vom Vater geschlagen (vv. 1532-1548) und später vom Arzt sexuell erpreßt wird (vv. 2138-2148) wird. Die Ernsthaftigkeit der Minnetheorie parodierend, stellt der Text gleich zu Beginn den Minnediener Bertschi vor, der seiner Minnedame so sehr ergeben ist, daz er nach ir zerserten wolt (v. 102). Es ist die Komik des Textes, daß diese Verkündigung im weiteren Handlungsverlauf im wahrsten Sinne des Wortes ihr Ziel erreicht. Die parodistische Komik eröffnet macht eine Diskrepanz von Ideal und Wirklichkeit, von 'Theorie' und 'Praxis' der Minnetheorie. Bertschi und Mätzli sind nicht in der Lage, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Sie scheitern an der permanenten Trieb- und Gewaltstruktur ihres Handelns. Bertschis erstes Stelldichein mit Mätzli, welches die Werbung in die Vergewaltigungsorgie verkehrt, parodiert jedoch nicht nur die höfische Minne, sondern nach Röcke auch die Verkündigung der Geburt Christi:

Zwar wird dieser Text im Ring nicht zitiert, bleibt aber in dessen Gewaltphantasien nach wie vor erkennbar.71

Für ein zeitgenössisches Publikum ist die Parodie eines biblischen Textes sicher komisch, daß jedoch dafür Gewalt- und Vergewaltigungsszenen benutzt werden, ist in einer christlichen Gesellschaft auffallend provokant. Die Verkündigung von Jesus bedeutet Frieden und vorweihnachtliche Freude. Die Verkündigung von Gewalt dagegen - Chaos. "Parodieren" so Bachtin "ist die Herstellung eines promenierenden und dekuvrierenden Doppelgängers, Parodie ist umgestülpte Welt. Deswegen ist sie ambivalent."72 In der Parodie ist das Parodierte noch erkennbar und Hierarchien der verkehrten Welt bleiben erhalten. Genau dies ist im Wittenwilerschen Text zum großen Teil nicht mehr gegeben, da die "umgestülpte Welt" im Ring geprägt ist von Gewaltorgien und Gewaltphantasien, welche jegliche Ordnung zerstören und zersetzen. Die Kunst der Parodie in Wittenwilers Ring liegt darin, daß sowohl Vorbild als auch Nachahmung angegriffen werden.

Die gegenbildliche Komik des Textes wird zu großen Teilen von einem karnevalesken Lachen überlagert, "dem nichts mehr heilig, richtig oder gar lehrhaft ist".73 Oft ist die Bauernwelt im Ring mit einer karnevalesken Narrenwelt verglichen worden.74 Der Narr ist im Mittelalter Träger der nichtoffiziellen Wahrheit; das karnevaleske Lachen ein Lachen, daß sich eine Gegenwelt zur offiziellen Welt aufbaut.75 Welche Wahrheit aber, und welche Gegenwelt wird im Ring herbeigelacht? Eine Eindeutigkeit ist im Text nicht gegeben. Es ist vor allem die Groteske, die in ihrer Verbindung mit Parodie und 'Karnevaleskem' für die Zerstörung aller verläßlichen Zusammenhänge verantwortlich ist.

3.2. GROTESKES SCHREIBEN

Im Turnier stolpert Bertschis Pferd über eine Erbse, worauf hin Bertschi schmerzvoll zu Boden geworfen wird (vv. 552-558). Der Erzähler benutzt ein groteskes Gestaltungsmittel, um einmal mehr ein Gewaltmoment seines Textes darzustellen. Die Groteske ist eine 'entfremdete Welt'. Sie setzt "eine bestimmte Struktur voraus, deren Kennzeichen sich aus einem Vergleich des Dargestellten mit der sichtbaren Realität ergeben: die Aufhebung 'der klaren Trennung zwischen den Bereichen des Geräthaften, des Pflanzlichen, Tierischen und Menschlichen, die der Statistik, der Symmetrie, die der natürlichen Größenordnung'; oder anders ausgedrückt, Kennzeichen bilden eine Vermischung nicht zusammengehörender Sachbereiche, ein Zusammenzwingen von Heterogenem, Deformationen usw., also eine Verfälschung bzw. Umkehrung natürlicher Erfahrungs- und Erkenntniswerte"76 Groteske Komik ist die Lust an der Entgrenzung des Vertrauten und Normalen. Die Groteske überwindet dabei die Formen der Natur. Besonders deutlich wird dieses Verfahren in der Kuhstallszene (vv. 1426-1447), in der Mensch und Tier verschränkt dargestellt werden:

Die Vermengung menschlicher und tierischer Züge ist tatsächlich eine der ältesten Formen der Groteske.77

Für den Ring ist groteske Komik konstitutiv. Grotesk und gleichzeitig komisch ist der Text vor allem in seiner Darstellung des Krieges. Es ergibt sich somit ein interessanter Zusammenhang: je gewalttätiger die Handlung, desto grotesker der Darstellungsmodus. Diese Wechselbeziehung im Ring ist kein Zufall, denn nichts ist grausamer und gewaltbereiter als die menschliche Vorstellungskraft,78 und gleichzeitig gibt es keine Körperform des Menschen, denen sich die 'produktive Phantasie' des Menschen verweigern könnte. Der Darstellungsmodus der Phantasie wiederum ist die Groteske.

Die kriegerische Gewaltdarstellung stellt eine ästhetische Erweiterung des Gewaltkonzepts im Ring dar. War das Chaos bislang noch einigermaßen steuerbar, so gerät im Krieg alles aus den Fugen. Der Krieg ist ein groteskes Durcheinander. Sowohl Gewalt als auch Kämpfer sind entfesselt. Phantastische Gestalten - Riesen, Zwerge, Hexen und Recken - führen einen Krieg, der einer heroischen Heldenepik des Mittelalters völlig fremd ist, auch wenn Recken wie Dietrich, Hildebrand, Roland u.a. daran teilnehmen. Der drastische Gegensatz der Gewalt im Ring zur heroischen Epik besteht vor allem in der Körperzentriertheit und Körperentgrenzung der Figurendarstellung. Die Verzerrung des menschlichen Körpers ist ein wichtiges Merkmal grotesken Schreibens.

3.2.1. DIE KÖRPERLICHKEIT DER GEWALT

Groteske Darstellung zeichnet sich durch eine extreme Körperlichkeit aus, die im Mittelalter meist als negativ empfunden wurde. Verrenkte Leiber, menschlich agierende Tiere, halbanimalische Körper, Leiber von 'Freßsäcken' und 'Schluckbrüdern' finden sich oftmals in Verbindung zu Todsündendarstellungen. Der nackte und lustbesessene Körper mit all seinen Öffnungen will seine Bedürfnisse ohne Rücksicht auf soziale, religiöse oder ästhetische Normen ausleben und entfalten. Der Leib regiert die Seele, das Fleisch den Geist. Groteske Darstellungen können somit auch als 'normenwidriges Sprechen mit dem Körper' bezeichnet werden.79 Die groteske Schreibweise unterstützt demnach die epische Handlung, in der ständig Normen und Regeln mißachtet werden.

Den grotesken Gestalten liegt eine besondere Vorstellung vom körperlichen Ganzen und von dessen Grenzen zugrunde.80 Im Ring wird die körperliche Integrität der grotesken Figuren völlig aufgehoben, indem sich ihre Gliedmaßen tendenziell verselbständigen. Reimbrecht wird mit einem Stein der Daumen von der Hand abgerissen (vv. 8923f.), einem Riesen wird ein Auge herausgerissen das es im gen der nasen hieng (v. 8978), ein Wolf dampft flammenartig aus dem Maul und bläht damit seine Feinde dermaßen auf, daß es deren Leben kostet (vv. 8831-8835), und Dietrich von Bern zerschlägt den Riesen Egge in zwei Teile, was dieser erst merkt, als er sich bückt und in zwei Hälften zerfällt (vv. 9032- 9051). Körper werden mit Lust und Brutalität zersäbelt und zerhackt - Heiden ziehen mit ihren giftigen Pfeilen die Haut der Feinde vom Körper (v. 9095) und Schwyzer mähen die Glieder der Heiden wie Heu und Stroh (vv. 9136f). Materialität und Partialisierung der Körper im gegenseitigen Kampf kennzeichnen das groteske Schreiben in diesen Szenen:

Nach dem Bauch und dem Geschlechtsorgan kommt, in der Reihenfolge der wichtigsten 'grotesken' Körperteile, der Mund, in den die zu verschlingende Welt eingeführt wird, und danach der After. [...] Das groteske Gesicht läuft im Grunde auf einen aufgerissenen Mund hinaus.81

Schlingen, Schlucken und offene Münder machen schon beim Hochzeitsmahl die groteske Schreibweise des Autors deutlich. Das Mahl gerät zur "Freßorgie, in der die Figuren sich im Verschlingen der Welt selbst destruieren":82

Seu hieten auch ein andern sin:

Ob in ichtz emphiel da hin

Von dem löffel und dem drüssel,

Daz daz wider käm ind schüssel;

Won die mäulr in warend weit

Und offen gar ze aller zeit. (vv. 5779ff).

Aber auch im Krieg taucht dieses Motiv wieder auf, diesmal verbunden mit einem grausamen Akt körperlicher Gewalt:

Dannocht was er [Reimprecht] nicht ze faul

Und gient vil weit her mit dem maul.

Er wolt sei han verschlunden.

Des cham ze denen stunden

Einer mit dem messer sein

Und stiess ims in den schlund hin ein:

Da mit so hiet der auch sein end. (vv. 8939ff).

Wurde im 2. Kapitel gezeigt, daß durch die radikale Zersetzung von R e g e l n , der Krieg im Ring einzig der Logik der Gewalt folgt, so kann jetzt ergänzt werden, daß auch die Zersetzung von Kör p e r n die Darstellung des Krieges weitgehend bestimmt.

3.2.2. DIE GROTESKE KOMIK

Die Groteske beginnt dort, wo die Übertreibung phantastische Ausmaße annimmt und es ist bezeichnend für den Ring, daß die Phantasie als aggressivste, aber gleichzeitig auch als komischste Form im Text inszeniert worden ist. Die Groteske allein ist jedoch nicht Grund genug für die Komik des Textes. Komisch wird er erst durch die Verbindung von grotesker Gewalt und Alltagserfahrung. Jauss bringt in seinem Aufsatz zur Rechtfertigung des Häßlichen in der mittelalterlichen Literatur den Zusammenhang von häßlicher und grotesker Figurengestaltung zur Geltung. Dabei verweist er darauf, daß in der mittelalterlichen Kunst die Vermischung von menschlicher und tierischer Gestalt, das gegenbildlich Dämonische bedeutet.83 Durchgängig werden im Ring menschliche und tierischen Merkmale miteinander verwoben, und die Protagonisten erscheinen dadurch als triebhafte Naturwesen, die Unbehagen und Erschrecken einflößen - hervorzuheben ist hierbei die Figur des wilden man. Jauss schreibt weiter:

Der Horror der grotesken Gestalt durch einen witzigen Vergleich aus der Alltagswelt verharmlost und damit gebrochen. [...] Der in die Wirklichkeit gezogene Vergleich hebt den Horror des Grotesken wieder auf! [...] Wo sich der Raum des Grotesken mit der Alltagswirklichkeit berührt, setzt sich das eingespielte Weltverständnis gegen das Unheimliche des Grotesken durch und macht die Idealität des gestalthaft Häßlichen bewußt: der Übergang aus der grotesken in die gewohnte Welt bezeichnet die Grenze, an der das Groteske seine Irrealität nicht mehr verbergen kann und in das Komische umschlagen muß.84

Diese 'gewohnte Welt' wird im Ring auf verschiedene Art und Weise hervorgerufen: sei es durch die vertrauten Arbeitsgeräte und durch alltägliche Arbeitsweisen, mit denen der Krieg in Verbindung gebracht wird:

Do lieffend dis mit iren segen

Den haiden auf das veld engegen

Und huobend an ze m ä jen do

Der haiden pain sam häw und stro. (vv. 9136ff) -

oder durch die Verwendung vertrauter Zeichen als Wappen wie z.B. Mistgabeln oder Eier (vv. 105-160). Herr Schneck aus Nissingen schafft es, sieben Lappenhausener auf einen Schlag zu töten und erinnert dabei an habituelle Kochkünste: Die huob er auf, der selbig fiess, / Sam die hüener an eim spiss. (vv. 9237f.) und die Torenhofener, ausgeruht und frisch, stürzen sich wie die Ferkel vom Trog in die Schlacht (vv. 9381f.). Die Recken verspotten die mit Bergen schmeißenden Riesen, indem sie auf die "misogyne Vorstellung vom ü belen wip im alltäglichen Ehekampf"85 anspielen: Erdschollen und auch mist / Wirfft ein weib, das zornig ist. (vv. 9022f.) etc.

Die Funktion der Groteske kann verschieden sein. Sie kann spielerisch und unterhaltsam sein und Lachen bezwecken. Sie kann im religiösen Bereich moralisatio und admonitio intendieren, was parallel dazu im weltlichen Bereich zu Satire hinführt. Sie kann zu Distanz und Identitätsverlust des Lesers führen - Folge wäre das Grauen und die im Mittelalter tiefverwurzelte Höllenangst. Sie kann schließlich auch geistige Bewältigung des dargestellten Inhalts und Bannung bedeuten.86 Als reine Unterhaltungslektüre ist der Ring aufgrund seiner zahlreichen Lehren nicht lesbar. Genauso wenig greift die neuzeitliche

Interpretation der Groteske, sie transferiere "Welt-Sicht zum Welt-Rätsel"87. Auch der satirische Charakter der grotesken Darstellung muß hier negiert werden, denn dieser birgt immer eine didaktische Absicht in sich, und Didaxe wird, wie später noch zu zeigen sein wird, durch die Gewalt des Textes zerstört. Viel eher kann man die Groteske im Ring als 'geistig-lachende Bewältigung' der dargestellten Gewalt deuten.

Während die Parodie ein Lachenüb e r den Helden impliziert, birgt die Groteske ein Lachen m i t dem Helden in sich, d.h. das Publikum verlacht zusammen mit den Figuren soziale Normen und Restriktionen:

Die groteske Komik entspringt der Heraufsetzung des Kreatürlichen und Materiell-Leiblichen auf ein Niveau, das den Abstand zwischen dem Leser oder Betrachter und dem Helden in einem lachenden Einvernehmen aufgehen läßt, das von der 'Lachgemeinde' als Befreiung des Sinnlichen oder als Triumph über Gewalten der normativen Welt und in alledem als Sich-Durchsetzen des Lustprinzips erfahren werden kann.88

Der Leser ist von allen moralischen Tabus entlastet, da das Lachen als Befreiung von den geltenden Regeln erfahren wird. Bertschi, das 'heufressende Monster' (vv. 9641-9652), das sich seinen Weg in die Einsiedelei durch Leichenberge und Blutströme bahnen muß (vv. 9653-9671), ist in dieser Situation der groteske Held, der sogar angesichts des grausamen Endes, zum Lachen verführt.89 Sowohl an Bertschi und seiner grotesken Darstellung als auch an der gesamten grotesken Inszenierung des Daseins in Lappenhausen kann sich das Lachen des Lesers entzünden. So ist es möglich, die Ring -Welt sowie die reale Welt, welche von Kriegen, Gewalt und Aggressionen gezeichnet sind, zu belachen. Der groteske Darstellungsmodus dient im Ring nicht nur einer Befreiung des Leibes im Sinne "der Begattung, der Geburt, des Wachstums, des Essens und Trinkens, der körperlichen Ausscheidungen"90, sondern auch einer Befreiung vom aggressiven Potential des menschlichen Körpers.91 Groteskes Lachen entsteht aus der Lust an der Entgrenzung des Vertrauten und Normalen, es überwindet dabei eine Hemmschwelle, die 'normalerweise' die Freude an Gewalt und Bösartigkeit unterdrückt.

Im Ring ist die groteske Komik Mittel zum Zweck. Sie macht die Gewalt des Textes 'salonfähig'. Die zum Teil grausamen bis barbarischen Gewaltakte der Handlung werden in ihrer Bedrohlichkeit abgeschwächt, indem sie durch ihre grotesk-komische Darstellung Lachen provozieren. Das Lachen über Gewalt ist für den Ring genauso elementar, wie die Gewaltdarstellung konstitutiv ist. Da die Einheit von Lachen und Gewalt im Text sogar wiederholt wörtlich wiedergegeben wird, ist es für diese Arbeit von Interesse, in einem Diskurs über die Theorie des Lachens, die Funktionsregeln des Lachens im Mittelalter aufzudecken, und dabei mit den Mechanismen im Ring zu vergleichen.

3.3. LACHEN UND GEWALT

Schon das alltägliche Selbstverständnis vom Lachen ist vielschichtig und das Vokabular dementsprechend beträchtlich. Es reicht vom 'heiterem Gelächter', daß fröhliches Vergnügen ausdrückt bis zum 'auslachen' und 'verlachen' und verweist mit letztgenannten Wörtern auf die destruktive und aggressive Dimension des Lachens. Im Kontext der Gewalt sind sprichwörtliche Redewendungen wie 'totlachen', 'Lachkrämpfe', 'ansteckendes Lachen', 'sich den Bauch halten vor Lachen' oder 'platzen vor Lachen' bedeutungsvoll.92 Die im Wortschatz zu Tage kommende Körperlichkeit des Lachens ist Hinweis auf die Tendenz des Gelächters zu Aggression und körperlicher Gewalt. Lachen ist also ambivalent. Es ist befreiend (s.o.), aber auch subversiv und bedrohlich. Allein der Sprachschatz des Phänomens 'Lachen' zeigt, daß Gelächter neben dem Akt der Befreiung, auch einen Akt der Bedrohung in sich trägt. Im Mittelalter wurde das bedrohliche Moment des Lachens, daß beim 'aus- und verlachen' auch den Wunsch des Menschen nach Überlegenheit über andere ausdrückt, als möglicher Angriff auf Gott interpretiert und das Lachen demzufolge als sündhaft erklärt. Die Kunst und die Literatur stand vor der Aufgabe, 'Lachstrategien' hervorzubringen, um diese Bedrohlichkeit zu mildern und zu zivilisieren.

Für einen Diskurs des Lachens und der Gewalt ergeben sich zwei Betrachtungsweisen: auf der einen Seite die manifeste Gewalttätigkeit der epischen Ring -Figuren, auf der anderen Seite das Gewaltpotential des Lachens. Erst die Schnittpunkte beider Aspekte können die Verschränkung von Gewalt und Lachen in diesem Text erklären.

3.3.1. WER LACHT WANN?

Was eine Gesellschaft komisch findet, worüber sie lacht, das wechselt im Lauf der Geschichte, weil es zum Wandel des Normenbewußtseins gehört. Das Komische selbst dagegen ist kein Sozialprodukt, und das Lachen, das ihm antwortet, kein Warnungssignal, keine Strafe (zu der es in einer Gesellschaft werden kann), sondern eine elementare Reaktion gegen das Bedrängende des komischen Konflikts.93

Der moderne Leser kann über den Ring ebenso lachen, wie das mittelalterliche Publikum es konnte. Dies wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf alle mittelalterlichkomischen Texte zutreffen. Beim Ring jedoch wird gelacht über Gewalt, und ob Mittelalter, Neuzeit oder Moderne - Gewalt war und ist der menschlichen Gesellschaft immanent. Tritt die Gewalt in eine Beziehung zu einer bestimmten Norm, sei es im Mittelalter die Notwendigkeit ihrer Legitimierung oder in der Neuzeit eine zivilisatorische Schranke, setzt eine komische Wirkung ein:

Nur durch die Beziehung auf eine Regel, der es widerstreitend gegenübertritt, ergibt sich das Komische. [...] Die Provokation gehört zum Schema des komischen Konflikts, und zwar die unangemessene Provokation, die einen Widerspruch in sich begreift.94

Erscheint dieser Widerspruch nicht lösbar, wird gelacht.

Zum lachen ist es ja nur, weil wir damit nicht fertig werden.95

Für das Lachen im Ring würde diese Feststellung Plessners bedeuten, daß der Leser allen Widersprüchen, die sich aus der Gegenüberstellung von Gewalt und höfischen Konzepten oder aus der Beziehung von gewalttätigem Körper und Geist ergeben, hilflos gegenübersteht. Das Publikum kapituliert vor der Radikalität der Gewaltinszenierung. Es antwortet auf die "sichtbar werdende Veränderlichkeit der Verhältnisse nicht mit Ändern oder Stabilisieren, also nicht mit einer Aktion, sondern einzig mit einer Aktion statt der Aktion: mit Lachen".96

3.3.2. DIE ABSCHWÄCHUNG DER GEWALT DURCH GELÄCHTER

Des lachtens all von rechtem zorn (v. 5454)

Der Begriff des Komischen ist ambivalent. Das Komische produziert häufig ein helles und befreiendes Lachen, aber wir kennen auch das Lachen, das 'im Halse stecken bleibt' oder die Komik, die zum 'totlachen' ist. Häufig lacht der Mensch auch über etwas, was ihm befremdlich ist, was Angst und Unsicherheit in ihm auslöst. Der mittelalterliche Mensch überwand im Lachen seine Furcht:

Das scharfe Empfinden des Sieges über die Furcht ist ein wesentliches Moment des mittelalterlichen Lachens. Dieses Empfinden drückt sich in einigen Eigentümlichkeiten der Lachgestalten des Mittelalters aus. In ihnen ist stets die besiegte Furcht gegenwärtig: in der Form des abstoßend Komischen, in der Form umgestülpter Symbole der Macht und Gewalt, in den komischen Gestaltungen des Todes, in der fröhlichen Zerstückelung. Alles Bedrohliche wird ins Komische gekehrt.97

Die 'fröhliche Zerstückelung' ist im Ring in radikalster Art und Weise umgesetzt. Körper werden lustvoll zerhackt und zerstückelt:

Man hiet den Eggharten zersorten

Umb und umb ze allen orten: (vv. 9278f.)

[...]

Des chament Narrenhaimer do

Mit ä xen und mit piellen

Und auf die veinde viellen.

Dis hieten besser gl ü k dann seu

Und schluogend oft ein man in dreu. (vv. 9311ff)

[...]

Bis das der Fülzan ze hart

Mit sampt der stang zerhaket wart. (vv. 9332f.)

Die Furcht, die es für den mittelalterlichen Leser des Rings zu überwinden galt - ist die Furcht vor der Radikalität der Gewaltdarstellung. Die latente Gewalttätigkeit der Protago- nisten, ihre Triebverfallenheit, ihre Freßgier, ihre obszöne Sexualität und Lasterhaftigkeit waren der offiziellen, asketischen Welt des Mittelalters fremd. Gemäß der mittelalterlichen Auffassung von der Einheit von Körper und Geist sind die Ring -Figuren dementsprechend häßlich beschrieben. Mätzlis Beschreibung z.B. parodiert dabei sehr offensichtlich das höfische Schönheitsideal (vv. 75-96). All die o.g. Ausdrucksformen, dazu zählt auch die Häßlichkeit der Figuren, sind nach mittelalterlicher Auffassung Merkmale des Bösen. Im Ring wird das Böse im Moment des Lachens abgeschwächt - ein Verfahren, das ganz im Sinne der zeitgenössischen Mentalitätsgeschichte liegt, nach der die mala als Teile der menschlichen Natur akzeptiert und sogar positiviert werden sollte.98 Eine Besonderheit des Lachens im Ring liegt folglich darin, daß es nicht seine Aufgabe ist, die angebliche Belehrung99 angenehmer, sondern die manifesten Gewaltmomente für den Leser erträglicher zu machen.

3.3.3. AGGRESSIVES LACHEN

Hüdeln tett der spot vil we (v. 6149)

Die Abfederung des Bösen durch das Lachen ist jedoch nur ein Aspekt des Zusammenhangs von Lachen und Gewalt. Das Lachen selbst birgt auch ein Moment der Gewalt in sich und zwar genau dann, wenn es sich als 'Auslachen' darstellt. Lachen kann so zu einer schmerzvollen Erfahrung werden:

Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man.100

Lachen tritt an die Stelle aggressiver Gewalt; zerstörerische Wünsche werden in aggressives Gelächter verschoben.101 Es handelt sich hierbei um kein helles, befreiendes Lachen, sondern um ein Gelächter, das psychischer Gewalt gleichkommt, im Ring aber meist mit körperlicher Gewalt einhergeht.. So verwendet z.B. Neithart aggressiven Spott als Waffe im Wettkampf mit Bertschi, indem er Bertschis aufgeregtes Stottern nachäfft: Bertschin tet der spot vil we (v. 546), und dieser kurz darauf schmerzvoll vom Pferd fällt (vv. 556f.) Neithart selbst muß lachen, bevor er hinterrücks einen Bauern vom Pferd sticht:

Neithart lachen do began;

Chnotzen rait er hintnan an

Und huob in auf von seinem phert:

Er warff in nider in die erd. (vv. 1134ff)

In den Turnierszenen des Rings sind auch die zuschauenden Frauen Träger eines aggressiven Gelächters. Sie lachen über die Männer, die in ihrer Trieb- und Tölpelhaftigkeit dem eigenen Gewaltpotential und dem Neitharts ausgesetzt sind. Frau Jützen, die über den körperlichen und finanziellen Schaden der Turnierteilnehmer lacht, wird dafür vom Erzähler mit dem Tode bestraft (vv. 1214-1231). Ihr 'teuflisches Gelächter' befördert ihre Seele direkt in die Hölle, ...do hin, daz faren scholt (v. 1219). Man könnte diese Textstelle als Warnung des Autors vor aggressivem Lachen interpretieren, und würde sie damit in eine lange Tradition stellen. Schon Aristoteles warnte davor, daß das Lächerliche der Komödie schmerzen und verletzten könne.102 Doch es ist bezeichnend für den Ring, daß eine Textstelle diese Assoziation zwar anbietet, jedoch die gesamte Komik der Handlung neben parodistischem, groteskem und sexistischem Gelächter, vor allem aggressives Lachen produziert. Schimph ist in diesem Zusammenhang das zentrale Wort des Textes, das in seiner Bedeutungsvielfalt (Scherz, Kurzweil, Spott, Schmach, Verhöhnung) diesen Akt der Aggression am treffendsten beschreibt:

Was er vor mit singen fro,

Des traurt er so mit wainen do.

Daz was der andern aller schimph. (vv. 5943ff).

Freude und Leid liegen in dieser Szene wieder exemplarisch beieinander, und der Kummer einer Person (in dem Fall wurde Her Guggoch mit einer List vom Essen abgehalten) ist lachendes Vergnügen der anderen.

Unglück zu verhöhnen und körperliche Gebrechen zu verlachen, wurde im Mittelalter verurteilt. Aggressiver Spott war nur in seiner Verbindung mit einem satirischen Zweck akzeptabel, und so galt es für einen zweckfreien komischen Text (als dieser soll der Ring hier verstanden werden), den Zusammenhang von Lachen und Gewalt entweder abzuschwächen oder Lizenzen für aggressives Lachen zu entwickeln.

3.3.4. KARNEVALSLACHEN

Nach Bachtin, der als erster die 'mittelalterliche Lachkultur' detailliert untersuchte, ist der universelle Charakter des mittelalterlichen Lachens unverkennbar und äußert sich am konsequentesten im Karnevalsgeschehen.103 Dabei stellt er drei Eigenarten des mittelalterlichen Lachens heraus:

1. Sein Zusammenhang mit der materiell-leiblichen Welt - Speisen, Trunk und Sexualität.
2. Sein Verhalten zur Freiheit, die sich auf die Feiertage beschränkte. Der Feiertag setzte die Verbote und Schranken des offiziellen Systems außer Kraft.
3. Seine Verbindung zur nichtoffiziellen Wahrheit des Volkes, indem das Lachen "das Element des Materiell-Leiblichen in seiner wahren Bedeutung" aufdeckte.104

Das wohl wesentlichste Moment des Karnevalslachen im Bezug auf das Lachen im Ring ist das Privileg über offizielle Normen und Regeln zu lachen - ein Verhalten, das außerhalb des Feiertagsrahmens nicht zulässig war. Wittenwiler nutzt, neben Parodie und Groteske, auch die Legalität des Karnevalslachen, um die aggressive Komik und die manifesten Gewaltmomente seines Textes abzuschwächen. Wendungen wie narrenvart (v. 6197) oder Narrenhaimer ... mit iren oren von dem esel (vv. 7969-7971) erinnern an karnevaleskes Treiben und haben die Literaturforschung oftmals zu Interpretationen des Rings als Narrenroman oder Fastnachtsspiel veranlaßt.105 Doch ähnlich der parodistischen Komik, entzieht sich auch die karnevaleske Komik einer eindeutigen Bestimmung.

Karneval bedeutet die zeitweilige Verkehrung jeglicher Ordnung, wobei das Chaos durch eine raumzeitliche Begrenzung kontrolliert werden kann. Der Ring aber provoziert Lachen über die Verfehlungen des Menschen, daß von keiner Feiertagsstruktur aufgefangen wird. Von bloßer "Umkehrung epischer und realer Gesetzmäßigkeiten"106, mit der Ruh eine Fastnachtshandlung des Rings nachweisen will, kann in diesem Text keine Rede sein, da sich durch das entfesselte Chaos im abschließenden Krieg sämtliche Unterscheidungs- möglichkeiten zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse aufheben. Ebenso ist es ungerechtfertigt, die Figuren als Narren oder Fastnachtfiguren zu bezeichnen. Dazu sind die komischen Figuren stellenweise zu widersprüchlich. Mal erwecken sie den Eindruck "besonnen" und "weise"107 zu sein, mal wirken sie dumm und lächerlich. Der Nissinger Bürgermeister Strudel hält z.B. in seiner Rede vor dem Kriegsrat (vv.6815-6861) ein auf den ersten Blick ein besonnenes Plädoyer, was sich jedoch beim zweiten Blick als ein Ultimatum ohne Gegenleistung darstellt, das von der Gegenpartei nur abgelehnt werden kann.

Das karnevaleske Lachen war im Mittelalter legal, denn der Karneval "verabsolutiert nichts, er verkündet die fröhliche Relativität eines jeden".108 Nach Bachtin ist das Lachen des Karnevals ambivalent, es vereinigt "Tod und Wiedergeburt, Verneinung (Spott) und Bejahung (Triumph)".109 Das Lachen im Ring kann z.T. 'karnevalesk' bezeichnet werden, und möglicherweise liegen im karnevalesken Ansatz des Textes solche Phänomene wie die Rückkehr der im Turnier Gefallenen begründet.110 Doch wie schon mehrmals in dieser Arbeit gezeigt, reicht e i n Ansatz allein als Interpretation der vielen Phänomene dieses Textes nicht aus. So nutzt Wittenwiler zwar die Struktur des Karnevals111 als Lizenz für seine aggressive Komik, aber damit ist nicht gesagt, daß der Ring ein Karnevalsroman ist und seine Figuren somit Narren. Denn so verkehrt sich die Wirklichkeit im Karneval auch darstellt, die Anerkennung der offiziellen Ordnung außerhalb der Karnevalsstruktur ist trotz allem gegeben. In Wittenwilers Epos indessen hat sich die Verkehrung dermaßen verselbstständigt, daß sie "gültige Ausgrenzungen, Negativierungen und Positivierungen nicht akzeptiert und damit auch die gängigen Hierarchien in ein unentwirrbares Chaos zusammenrutschen läßt, so daß Alles mit gleichem Recht und gleicher Wichtigkeit nebeneinander steht und durcheinander fährt...".112 Der mittelalterliche Mensch war fähig, die offizielle Welt anzuerkennen, sie aber gleichzeitig fröhlich zu parodieren und zu verlachen. Die "aufrichtige Loyalität"113 zur offiziellen Welt ist wesentliches Merkmal des Feiertagsgelächter. Es kennzeichnet aber den Ring, daß genau diese Anerkennung der Regeln der offiziellen Welt durch die Figuren nicht gegeben ist.114 Bachtin verweist auf eine Lachkultur, die im 14./15. Jahrhundert beginnt, " die Grenzen der Feiertage zu überschreiten".115 Das Lachen im Ring entspringt dieser Kultur und bereitet somit, folgt man Bachtin, die höchste Ausprägung des mittelalterlichen Lachens bei Rabelais vor, in der Form eines "neuen geschichtlichen Bewußtseins, das frei und kritisch ist".116 Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Text neben Parodie und Groteske auch die Karnevalstruktur nutzt, doch nur um den 'grammatischen Regeln' des mittelalterlichen Lachens Folge leisten zu können und die Gewalt so zu mäßigen.

3.3.5. LACHEN UND WEINEN

Das Grimmsche Wörterbuch verweist auf die "formelhafte Verbindung" von 'lachen' mit den Gegensätzen 'weinen', 'trauern' oder 'zürnen':

man kann lachen, dasz die thränen in die augen treten; das körperliche weinen ist also gleichsam der höchste grad des körperlichen lachens117

Im Ring ist die Verbindung von 'Lachen' und 'Weinen' äußerst auffällig. Nachdem die Lappenhausener Bauern beim ersten Stechen jämmerlich versagt haben, hält Eisengrein ihnen den Spiegel vor das Gesicht: '... Es mügt wol encher selber spotten.' (v. 316). Darauf hin beginnen sie sich selbst zu martern: 'Ieder schluog sich an den giel: / Des schimpz begond sei reuwen.' (vv. 318f.) Freude und Leid stehen im Ring in einem engen Zusammenhang, denn die Gewaltdarstellungen bergen häufig beides in sich, Lachen und Weinen:

Erst huob sich jammer, angst und not.

Die frawen lachten sich ze tot. (vv. 398f)

[...]

Secht, do huob sich jammers chlagen:

Ir ghort es nie pei ewern tagen!

Wie schier ze wainen was geraten

Ir lachen, daz si vor taten!(vv. 439ff).

So wie die Stimmungs- und Gefühlslagen der Ring -Figuren häufig kurz aufeinander wechseln, so ergeht es auch dem Leser. Schallendes Gelächter aufgrund genial gestalteter Situationskomik geht über in beklemmendes Lachen und umgekehrt.

In seiner Studie über Lachen und Weinen 118 begreift Plessner beide Phänomene als menschliche Ausdrucksformen. Ihre Analyse steht bei Plessner nicht im Dienst einer Ästhetik, Komik oder Psychologie, sondern der Theorie der menschlichen Natur. Plessners Überlegungen sind deshalb für diese Arbeit von Interesse, weil das Zusammenspiel des Menschen mit seinem Körper bei ihm im Mittelpunkt steht. Die Körper der Figuren im Ring sind ständigen Deformationen und Verletzungen ausgesetzt. Die gewaltsame Destruktion ihrer Körper ist häufig von Lachen oder Weinen begleitet. Diese beiden außergewöhnlichen Körpergebärden sind nach Plessner Ausdruck der Desorganisation des Verhältnisses des Menschen zu seinem Körper:

Diese Desorganisation...wird jedoch..., wie eine sinnvolle Reaktion verstanden. Man lacht und weint nur in Situationen, auf die es keine andere Antwort gibt.119

Die Figurenwelt, die Wittenwiler im Ring entwirft ist geprägt von der Freude am Bösen, von der Lust, zu zerstören und Schmerz zuzufügen. Ein 'Warum' und 'Wieso' scheint nicht beantwortbar. Plessners Theorie ist genau an diesem Punkt anzusetzen.

Zu lachen oder zu weinen bedeutet, "an eine Grenze gekommen zu sein, die nicht nur faktisch, sondern prinzipiell jede Möglichkeit der Auseinandersetzung unterbindet".120

Jene Grenze stellt im Ring die sich verselbständigende Gewalt dar. Triebstruktur, Autonomie und Darstellungsmodus der Gewalt machen es unmöglich, sie zu begründen, zu rechtfertigen und zu erklären. Sowohl Leser als auch Figuren des Textes reagieren auf Gewalt mit Lachen oder mit Weinen. Die Art der Grenze wird erst ersichtbar, "wenn sich die normale Daseinssituation des Menschen vergegenwärtigt".121 Unter 'normal' versteht Plessner ein Orientierungsmuster, das, wenn auch verschwimmend, Vertrautes von Fremden unterscheidet. Alles, was den Menschen umgibt, muß irgendeine Bewandtnis mit diesem Orientierungsgerüst haben. Als dieses können die zitierten Lehren im Ring betrachtet werden. Doch die Dynamik des Textes, seine Gewaltstruktur und das Handeln der Bauern machen die Lehren als Orientierungssystem unbrauchbar. Der Leser ist in eine widersprüchliche Lage versetzt, und diesen Zustand der Anspannung kann er durch Lachen oder Weinen lösen. Auch diese Funktionsweise des Lachens ist dem Ring durch die radikale Darstellung von Gewalt zuzuschreiben.

Das Lachen im Ring hat also mehrere Funktionen: die Gewalt abzuschwächen, die Angst vor ihr zu überwinden, die Positivierung der mala und die Verschiebung unbewußter gewalttätiger und obszöner Wünsche in aggressives Gelächter. Dabei ist die Freude am Bösen, nicht nur als Überwindung der Angst vor den menschlichen Trieben zu interpretieren, sondern auch als Lust am Trieb und damit an Gewalt. Bachorski sieht das Geschehen im Ring als Fest, das sich "unter dem Vorzeichen des befreienden Lachen...an der Suspendierung aller Normen und dem Triumph der Triebe berauscht".122 Doch die Komik des Rings ist fast immer mit etwas 'Grauenvollem' verbunden, so daß ein wirklich 'befreiendes Lachen' unterbunden wird. Es wurde außerdem angedeutet, daß Versuche der Forschung, den Ring in die Nähe des Fastnachtspiels anzusiedeln, scheitern müssen, weil ein Nebeneinander von offizieller Welt und Verkehrung nicht gegeben ist, es sich folglich auch nicht um Karnevalslachen im Bachtinschen Sinne handeln kann. Das Zusammenspiel parodistischer und grotesker Komik, lachendem Vergnügen und Aggressivität, sexistischobszönem Gelächter und verletzendem Spott ist untrennbar mit der Gewaltdarstellung im Ring verbunden, oder anders gesagt, es ermöglicht erst ihre Darstellung, welche Wittenwiler in faszinierender Weise gelungen ist.

4. DIDAXE, KOMIK UND GEWALT

Das von der Ring -Forschung immer wieder erwähnte Mißverhältnis von Lehre und völligem Versagen der Bauern, ist nicht zuletzt ausschlaggebend für die Komik des Textes. Normativer Zwang und subjektives Bedürfnis erzeugen eine Spannung, die Lachen provoziert. Das Verhältnis von Didaxe und Komik ist maßgeblich durch die Gewaltdarstellung im Ring beeinflußt. Jene Einflußnahme soll in diesem Kapitel gezeigt werden.

Die im Ring zahlreich zitierten Lehren gaben der Forschung immer wieder Anlaß, in einem didaktischen Diskurs über die Lehrabsichten Wittenwilers zu mutmaßen. Vor allem die ältere Forschungsliteratur versteht den Ring als episch-didaktischen Text, der unterhaltsam höfische Regeln und Normen vermittelt.123 Die Diskrepanz zwischen Lehre und Handlung wurde oftmals versucht, in einer negativ-didaktischen Lektüre des Rings aufzulösen.124 Die Forschungsliteratur zeigt aber auch, wie strittig das Thema der Didaxe im Ring ist.125 Jüngere Beiträge zweifeln den didaktischen Charakter des Wittenwilerschen Epos sogar grundsätzlich an.126 Letztere Sichtweise soll im Folgenden verdeutlicht werden.

Für einen Gewaltdiskurs ist die Bezugnahme auf die zahlreichen Lehren im Ring insofern von Interesse, da nicht zuletzt das "widersprüchliche Nebeneinander von Didaxe, Triebstruktur und Komik"127 die Spannung des Textes ausmacht. Es ist allerdings zu fragen, ob ein wirkliches 'Nebeneinander' durch die radikale Darstellung von Gewalt noch gegeben ist, oder man nicht eher von einer gewaltsamen Zerstörung der didaktischen Struktur sprechen muß.

4.1. DIE LOGIK DER DIDAXE UND IHRE MISSLUNGENE PRÄSENTATION IM RING

Didaxe beruht auf Eindeutigkeit, auf Zweckorientierung, auf gezielter Belehrung - letztendlich auf der Gebrauchsfunktion von Literatur. Typisch für didaktische Texte ist die im Mittelalter weitverbreitete exemplarische Schreibweise. Ein Exempel wird statuiert, welches einem vorgegebenen Zweck dient. Der literarische Text fungiert als Bestätigung des moralischen Zwecks. Die moralische Besserung des Menschen erfolgt durch seine Erkenntnis. Nach Bachtin ist es das "autoritäre Wort (das religiöse, politische, moralische Wort...usw.)",128 das dem Leser Wissen und Lehren vermitteln:

Es [das autoritäre Wort] bewegt sich (klingt) in einer hohen Sphäre, nicht in der des vertrauten Kontaktes [...] Das autoritäre Wort verlangt von uns bedingungslose Anerkennung und keineswegs freie Aneignung und Assimilation an unser eigenes Wort. Deshalb läßt es keinerlei Spiel mit dem einrahmenden Kontext, mit seinen Grenzen zu [...].129

Die Lehren im Ring, ihre Einbettung in die Handlung, der spielerische Umgang des Erzählers und der Erzählfiguren mit ihnen widerspricht der Bachtinschen Auffassung vom "autoritären Wort". Die Bauern verweigern die bedingungslose Anerkennung der "autoritären Worte", statt dessen eignen sie sich die Lehren frei an, interpretieren sie um oder lehnen sie ab. So wird z.B. die Brauchbarkeit der Haushaltslehre diskutiert, indem ihre Vor- und Nachteile genannt werden (vv. 4983ff). In der Darbietungsform der disputatio wird über die Lehre diskutiert - sie wird angezweifelt und Didaxe damit subjektiviert. Subjektivität ist der 'herkömmlichen' Didaxe jedoch wesensfremd. Straubel, der Apotheker, weigert sich, seine medizinischen Weisheiten preiszugeben und muß erst mit Geld bestochen werden, damit er über die Gesundheit belehrt (vv. 4204-4217). Dieser eigennützige Umgang mit einer Lehre ist im mittelalterlichen Didaxekontext an sich eine unerhörte Provokation, doch die ökonomischen Beweggründe für Straubels Handeln erscheinen dem Leser durchaus einleuchtend.

Bei all' dem ist auffällig, daß zur Gestaltung des angeblich didaktischen Teils im Ring, erneut Gewaltphantasien benutzt werden. Der theoretische Umgang der Bauern mit den Lehren, ihre Diskussionen und ihr Meinungsaustausch über sie erweisen sich als physische Anstrengung, die über Schwindelgefühle bis zum Ertrinken und Verbrennen reicht:

Noch ward der tädinch also vil

Hin und wider ze dem zil,

Daz in swindelt in den sinnen;

Ieder schre: 'Ich wil verprinnen

Und dertrinken in der witz,

In dem rat und in dem switz.[...]' (vv. 3495ff).

Daz du nicht kanst, daz lerne! (v. 4074) heißt es im Ring. Im Text gibt es 93 Belege130 für das leren und lernen, und doch muß die Belehrung als gescheitert gelten. Das "autoritäre Wort" geht in den vielen Überlagerungen der Negationen und in der Gewaltorgie unter. Sogar die direkte Präsentation von Wissen ist der Gewalt ausgesetzt und scheitert beinahe an ihr:

Der rat w ä r graten zschanden,

Hiet mans nit understanden

mit stangen und mit rechen. (vv. 3041ff).

Die unantastbare Eindeutigkeit des didaktischen Worts wird im Ring aufgehoben, da es durch Diskussionen, durch 'Für und Wider', dialogisiert wird. Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit der Lehre sind dadurch stark eingeschränkt. Der Kontext ist der distanzierten "höheren Sphäre" der Lehre nicht angemessen, sondern pragmatische, materialistische und egoistische Motive bestimmen das Handeln. Das Agieren der Bauern steht in völligem Widerspruch zum präsentierten Verhaltenskodex des Mittelalters (Paternoster, Laiendoktrinal, Tugendlehre etc.). Die Bauern führen die Lehren im Munde und scheinen doch nicht in der Lage, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Jener Widerspruch wird verstärkt durch die gewalttätige Art und Weise mit der die Bauern die Lehren mißachten. Das Leben im tal ze grausen scheint nicht durch offizielle Regeln und Gebote steuerbar; zu sehr folgen die Bauern ihrem eigenen Trieb und ihrer Lust. Die Logik der Gewalt ist offenbar ihr einzig gültiges Handlungsmuster. Die mittelalterlichen Ordnungssysteme sind entfesselter Gewalt und gleichzeitigem Gelächter ausgesetzt. Sie erscheinen damit unbrauchbar. Die Didaxe und die ihr allgemein innewohnende optimistische Sicht auf die Welt wird im Ring mit dem Zusammenbruch der Welt konfrontiert.

4.2. MINNELEHRE UND TISCHZUCHTEN IM KONTEXT DER GEWALT

Im Prolog begründet der Autor sein Verfahren wie folgt:

Nu ist der mensch so chlainer stät,

Daz er nicht allweg hören mag

Ernstleich sach an schimpfes sag,

Und fräwet sich vil manger lai.

Dar umb hab ich der gpauren gschrei

Gemischet unter diseu ler,

Daz sei dest senfter und becher (vv. 32ff)

Damit kommt er, zumindest formal, der mittelalterlichen Funktionsbestimmung des Unterhaltsamen nach: die Didaxe für den Leser angenehmer zu machen. Im nachfolgendem Text jedoch, führt das gpauren geschrei nicht zur unterhaltsamen Verstärkung der Lehren, sondern zu ihrer Negation.

Die zitierten Lehren im Ring fordern Maßhalten, Weisheit, Gerechtigkeit, Respektieren der Gebote, Scham, Zucht und Bescheidenheit im Sozialverhalten, anständiges Tischverhalten, gesitteter Umgang mit Frauen u.ä. Keine dieser mittelalterlichen Tugenden wird von den Bauern in ihrem Handeln berücksichtigt. Zwar schreibt der Arzt für Mätzli einen gesitteten Liebesbrief an Bertschi, der den Formen des höfischen Minnediskurses entspricht (vv. 2261-2554), doch zuvor erzwingt er durch Erpressung den Geschlechts-verkehr mit der Jungfrau (vv. 2115-2252). Bertschi wiederum ist durch selbigen Brief dermaßen in seiner Liebe zu Mätzli bestärkt, so daß er bereit ist, jeden Preis für seine Leidenschaft zu zahlen:

'Ich wil und muoss sei haben,

Hietz mir all mein freunt erschlagen.

Wie ich mag, sei muoss mir werden

Scholt ein gantzes land verderben.' (vv. 2625ff).

Es ist bezeichnend für den Ring, daß das gewalttätige und rücksichtslose Ausmaß der Minnekonzeption ausgerechnet zu Beginn des zweiten Teils, der die Lehren präsentiert, akzentuiert wird. Unter diesem finsteren Vorzeichen beginnt schließlich Bertschis zweifelhafte Belehrung, der kurz zuvor ein von sexuellen Gewaltphantasien überschattetes erstes Stelldichein mit seiner Minnedame hatte (vv. 1426-1447). Die Minnelehre, "das ideologische Modell der reinen Liebe und das Sakrament der anerkannten Ehe"131 wird somit sexueller Gewalt und gleichzeitig einem parodistischen Lachen ausgesetzt. Der Versuch, religiöse Lehren132 in den komplexen und zugleich komisch-zynischen Handlungskontext zu integrieren muß scheitern, da "die Bilder der Sünde im allgemeinen weit attraktiver als die der Tugend und deshalb diskursiv kaum zu beherrschen [sind]".133

Gleichermaßen erhalten auch die Tischsitten und das zentrale Konzept des "Maßhaltens" im Handeln der Bauern keine Entsprechung. Die entfesselte Leiblichkeit beim Hochzeitsmahl geht einher mit grobianischer Verkehrung. Sexuelle Gewaltandrohungen stehen dabei auf der Tagesordnung:

'Ich sirt dirs weib mit sampt der gsweigen

Triefnas, pringst du uns nit schier

Wein und mett und dar zuo pier;

Da mit verleust du unser Huld.' (vv. 5812ff).

Die Hochzeitsgäste verstoßen ununterbrochen gegen höfische Norm, indem sie z.B. vor Hunger den üblichen Tanz auslassen (vv. 5533-5535), worauf hin sich die Diener in Hast und Gier auf die ersten Suppen stürzen, die ihnen nach dem Brauch zustehen:

Ze fressen ward dem einn so not,

Daz er vil nahent sich ze tod

Verpr ü get hiet in seinem schlund.

Auf so sprang er do zestund

Und schluog die sch ü ssel mit der faust,

Daz die supp her aussher taust

Mit sampt dem prot bis auf die erd (vv. 5541ff).

Die Unmäßigkeit des Essens hat im Ring häufig nahezu tödliche Konsequenzen. So auch bei Pentza Trinkavil (v. 144), dessen Durst erst erloschen ist, wenn er am ertrinken ist (v. 259). Die Maßlosigkeit der Bauern, beschrieben in gewalt-phantastischen Vergleichen, ist konstituierende Charaktereigenschaft der Figuren im Ring. Sie widerspricht eindeutig dem Tugendkatalog des Mittelalters. Der brutalste Verstoß gegen die Tischzuchten zeigt sich in der Verprügelung des Gastgebers. Bertschi reagiert auf das professionelle Unvermögen seiner Diener mit Gewalt: Er nam den einen pei dem part / Und rauft in, daz er schreient wart. (vv. 5825f.), welche mit brutaler Gegengewalt der Diener beantwortet und von den Gästen lachend kommentiert wird (vv. 5827ff). Gewalt erzeugt Gegengewalt - für die Ring -Figuren ein durchaus legitimes Handlungsmuster: Die Gäste hiettens für die pest gericht (v. 5838).

Die höfische Tischzucht wird im Verlaufe des Mahls mehrmals durch Wörter wie hofleich (v. 5714), nach hofes sitten (v. 5596), seu assen hofeleichen gar (v. 6079) etc. aufgerufen, doch durch die Maßlosigkeit und Leiblichkeit der Figurendarstellung wieder zerstört. Dabei ist auffällig, daß die Gewaltszenen des Hochzeitsmahls über übliche grobianische Muster hinausgehen: die Lust an der Darstellung verkehrter Verhaltensweisen schlägt um in die Lust an der Darstellung von Brutalität und Obszönität. Wenn nur eine Negativdidaxe der Sinn des Hochzeitsmahls sein sollte, so ist zu fragen, warum die Präsentation falschen Verhaltens mit Elementen des Brutalen und Obszönen versehen worden ist?134 Ein Erklärungsansatz dafür, scheint im aggressiven Gelächter zu liegen. Werner Röcke äußert über den deutschen Schwankroman des Spätmittelalters:

Nicht das befreiende Lachen zeichnet [...] das ridiculum des Schwanks aus, sondern eine höchst 'paradoxe Verknüpfung von Freude und Bösartigkeit', von komischen Vergnügen und Aggressivität, Lachen und Lust am Schadentrachten.135

Aggressives Lachen ist, wie im vorigen Kapitel gezeigt, wesentlicher Bestandteil der Komik im Ring. Es bietet sich demnach die Interpretationsmöglichkeit, die Darstellung des Hochzeitsmahls und Minnewerbens ziele nicht auf eine didaktische, sondern viel eher auf eine komische Wirkung.

Das Hochzeitsmahl setzt gültige Kategorien der Weltorientierung außer Kraft. Auch als Negativexemplum ermöglicht es keine Wiederherstellung der Ordnung. Die Gäste sind "per definitionem darauf aus, ... den Wirt zu schädigen"136 und die wenigen Speisen durch eroberungslustigen, aggressiven Einsatz zu erbeuten. Durch die Einbettung "unvereinbarer Gegensätze und monströser Steigerungen"137 in eine permanente Gewaltstruktur mit teilweise grotesken Ausformungen werden Orientierungsmöglichkeiten zerschlagen oder zumindest in Frage gestellt. Ebenso wie Kopanski, bemerkt Schmid einen "in allen erzählenden Teilen der Handlung [vorkommenden] Überschuß an aggressiven Phantasien, der in der Didaxe nicht recht aufgehen will".138 Die Figuren werden, so Schmid weiter, "Opfer der von ihnen nicht beherrschten Triebe"139 und scheinen eher für ihre Triebhaftigkeit, als "für ihre moralischen Defizite"140 bestraft zu werden. Die Bedeut- samkeit der Lehre erscheint infolgedessen zweifelhaft.

4.3. TUGENDLEHRE UND GEWALT

Im zweiten Teil des Ring -Epos reiht sich eine Belehrung nach der anderen. Diese Handlungsanweisungen zur richtigen Lebensführung wurden von der Forschung meist im Widerspruch zum Agieren der Bauern gesehen. Der Widerspruch löst sich jedoch etwas auf, betrachtet man die Lehre selbst unter dem Gesichtspunkt der Gewalt und Aggressivität.141

Negativ-didaktische Interpretationen der epischen Handlung verstehen den Ring als Vermittlung lebenspraktischer Strategien, die vom richtigen Zerlegen von Fisch bis zu Fragen der Kriegstaktik reichen. Es ist aber gezeigt worden, daß diese Techniken durch aggressiv gestaltete gesellschaftliche Beziehungen vermittelt werden. Sie stehen somit in einem markanten Gegensatz zur mittelalterlichen Lehre von der rechten Lebensführung, die grundsätzlich gewalttätiges Verhalten untersagt.. Es wird aber bei näherer Betrachtung deutlich, daß der Wittenwilerschen Tugendlehre eine überzeugende Vorstellung von rechtem und gutem Leben fehlt. Die Gewaltkonzeption im Ring erhält dadurch eine weitere Dimension, denn sogar in den Lehren zeigt sich ein soziales Klima, daß aggressive Züge trägt. So begegnen dem Leser in der vorgetragenen Tugendlehre 'widerwillige Wohltäter', 'gewaltsame Unterdrücker', 'Erpresser', 'böse Gattinnen' und 'unredliche Gefährten'142 (vv. 4526ff). Die exemplarischen Figuren der Tugendlehre, erscheinen als Typen, die dem Leser Schaden zufügen wollen; doch sind es Figuren, die nicht durch ihre Triebhaftigkeit aggressiv handeln, sondern durch eiskalte Berechnung und ohne Rücksicht zu nehmen auf Andere:

Die Welt, von der die Lehre spricht, mit der es auszukommen gilt, erweist sich somit als nicht minder bedrohlicher Kampfplatz als die Welt der epischen Handlung.143

Die Tugendlehre z.B. beschreibt das alltägliche Geschäft des Nehmens und Gebens als aggressives Handlungsfeld:

Lass dich auch vil wench betragen,

Gab ze geben wider gaben!

Niemant lass dichüberwinden,

Es sei mit gaben oder schinden! (vv. 4644ff).

Das Wort ü berwinden signalisiert geradezu die Situation einer Kampfhandlung, in der überwältigt und verteidigt werden soll. Das empfohlene Handeln in der Tugendlehre des Rings basiert weniger auf intakten sozialen Beziehungen, als vielmehr auf korrupten und feindseligen Verhältnisse. Eine in der Tugendlehre entwickelte 'Logik des Nutzens' erfordert gründliches Mißtrauen und vorsichtiges Verhalten, welches wiederum im drastischen Gegensatz zur ungezügelten Affektauslebung der Bauern steht. Ob die Triebhaftigkeit des epischen Personals dadurch in ihrer Darstellung verlacht, verspottet oder kritisiert wird, soll dahingestellt sein, interessant erscheint auf jeden Fall die natürliche Bösartigkeit beider Welten - der von epischer Handlung u n d Lehre. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch die durch die Lehren empfohlene Gewalt an Frauen: "... Dar umb so sitz ir [der Hausfrau] auf dem nak / Und halt sei sam den fuchs im sak! ..." (vv. 5073-5098). Die Formulierung Sei [die Ehefrau] lat sich piegen und auch smiegen / Sam ein kindel in der wiegen. (vv. 2981f.) deutet zweifellos auf die gewalttätige Erziehung der Frau durch den Mann hin.

Wie gezeigt, beherrschen die Figuren des Rings weder die Tischsitten oder das Turnierwesen, noch sind sie in der Lage ihre Triebhaftigkeit und ihre Körperfunktionen zu steuern. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind dadurch permanenter Gewalt- tätigkeiten ausgesetzt, was anscheinend auch nicht durch das Wissen um mittelalterliche Tugend und Sitte gebannt werden kann. Die Lehre findet in dem von Trieb, Gier und destruktiver Aggression geprägten sozialen Leben keinen Platz mehr. Sie wird vielmehr von ihm vereinnahmt.

4.4. KRIEGSLEHRE UND GEWALT

Der enorme Überschuß an Aggression und Lust bei Fest und Turnier ist als e i n e Form der Diffamierung des autoritären Wortes zu verstehen, die andere Form des 'Angriffs' auf die Didaxe besteht in der "manischen Zerstörung"144 jeglicher Ordnung in den orgiastischen Kriegsszenen.

Der Grausamkeit und Affektgeladenheit dieses Krieges steht die mittelalterliche Kriegslehre gegenüber, im Ring zum einen aufgerufen durch die Debatten im Nissinger und Lappenhausener Kriegsrat, zum anderen durch allgemeine Überlegungen zur praktischen Kriegführung. In den Debatten fällt der Versuch, gerechte und ungerechte Kriege zu unterscheiden, auf. Auch die Frage, ob man überhaupt Krieg führen dürfe, wird erörtert und bezieht sich damit auf die notwendige Legitimation des "gerechten Krieges" im Mittelalter. Die komische Diskrepanz hierbei zeigt Riffians Einwand, man könne keinen gerechten Krieg nach kaiserlichen Gesetzen führen, da dazu der Adelsstand vonnöten wäre (vv. 7209ff). Dieses Mißverhältnis wird aufgelöst, indem die mittelalter- liche Arbeitsaufteilung, nach der die Bauern arbeiten, die Geistlichen beten und die Adeligen Krieg führen, im Ring eine gesellschaftliche Schichtung erfährt.145 Die Bauern erheben sich bedenkenlos selbst in den Adelsstand (vv. 7257ff), "wobei sie offenbaren, daß die tatsächliche Grundlage adliger Existenz allein in der Gewalttätigkeit liegt"146: '[...] Wer dann zritter werden wil, / Der chum zuom streit! Da macht manr vil [...]' (vv. 7280ff).

Die Begründung des Krieges im Ring durch die Bauern konzentriert sich auf das Konzept der ere. So meinen zunächst die Nissinger, sie müßten sich mit spiessen, feur und schützen (v. 6765) rächen, um ze schlahen, und ze prennen, / Ze rauben und zschalmützen (vv. 6763f.), damit sie ihre Ehre wiedererlangen. Gemäß der Weisheitslehre wäre es besser, um der Ehre willen grausam zu sterben, als mit Schande zu leben (vv. 6830-6832). Es ist auffällig, daß ausgerechnet der Krieg, der Höhepunkt der Gewalt, mit dem höfischen Begriff ere legitimiert werden soll - höfisches Ehrverhalten entspricht keineswegs dem Handeln der Bauern, sondern wird eher per definitionem von ihnen negiert. In den widersprüchlichen Diskurs der Ehre tritt zudem noch die Kategorie des Nutzens ein: 'Was nicht enhat der eren schein, / Daz mag auch nimer nütz gesein.' (vv. 6800f.). Der Sinn der Kämpfenden soll auf er und guot und auf gewin (v. 8596) gerichtet sein.

Das erkennbare Nützlichkeitsdenken in diesen Textpassagen sowie ein gewisses pragmatisches Denken147 wird jedoch auf verschiedenste Art und Weise wieder konterkariert. So schließen sich die Verbündeten den beiden Kriegsparteien nur an, weil sie eigene Rachegelüste und Zwecke befriedigen wollen, nicht aber weil die ausführliche Diskussion über Recht und Unrecht des Krieges irgendeine Bedeutung hätte (vv. 7911- 7944). Strudels Vortrag über die praktische Durchführung eines Feldzuges enthält unter anderem detaillierte Anweisungen des Kämpfens - 'Feinde abstechen', 'Hälse brechen', 'niederringen', 'niederschlagen', 'Fußvolk würgen' etc. (vv. 8389-8404) - doch endet er mit seinem knappen Fazit, jeder solle doch tun, was ihm einfällt:

'Dar umb nempt euch kain ungemach!

Nach ewer gwonhait halt daz gricht

und acht vil wench der ander gschrift!

Tuot, sam euch gewissen ist:

Secht, daz ist die beste list!' (vv. 8432ff).

Ebenso stehen das Kriegsgemetzel und die apokalyptische Vernichtung den langen Ausführungen über Schlachtordnung und Gliederung des Heeres gegenüber (vv. 8146- 8426). Der Krieg im Ring zeigt, daß auch die Lehre vom gerechten Krieg in der epischen Handlung keinen Bestand hat, denn er erfährt keine hinreichende Begründung, so wie es die Lehre fordert (vgl. vv. 7296-7355). Am Ende verwirft der Verlauf des Krieges jegliche Überlegungen zu Nutzen oder Gerechtigkeit, geschweige denn zum Grund des Kampfes - zu unreflektiert stellt sich dem Leser die Lust am Vernichten, Quälen und Morden dar.

Die Ring -Figuren bemühen sich um eine Legitimation des Krieges; Kriegslehre und göttliches Recht werden zitiert. Damit versucht der Text durch den Kriegsrat die Gewalt in einen Begründungszusammenhang zu bringen, ist aber gleichwohl im Verlauf der Handlung nicht in der Lage, diesen aufrechtzuerhalten. Das tradierte Wissen, wie Kriege funktionieren, ist vorhanden und kann aufgerufen werden. Das Geschehen macht jedoch deutlich, daß sie so nicht mehr funktionieren können. An dieses Wissen und die Lehren kann sich bestenfalls noch erinnert werden, aber sie können keinerlei Orientierung bieten. Die Gewalt im Ring wird nicht begründet. Sie dient keinem erkennbaren Zweck. Der Text bietet kaum Gründe dafür, die Vernunft walten zu lassen. Neid, Hunger und Lust an Gewalttätigkeit stehen als Motive im Mittelpunkt des Geschehens. Zwar findet man Gewaltphantasien auch in anderen mittelalterlichen Werken, aber den Ring kennzeichnet die Lust am Töten um ihrer selbst willen und das ist seine Besonderheit.

4.5. KOMIK UND LEHRE

Die 'richtigen' Verhaltensweisen sind im Text immer präsent, sei es durch zitierte Lehrpassagen oder durch die gegenbildliche Komik in der epischen Handlung. Der offengelegte Widerspruch zwischen den offiziell gegebenen Normen und der subjektiven Bedürfnisstruktur der Bauern provoziert Lachen. Dabei handelt es sich vor allem um aggressives Gelächter über die Figuren und den Schaden, den sie sich gegenseitig zufügen. Es ist gleichwohl gezeigt worden, daß die Lehren nicht geeignet sind, die Triebe und Affekte der Bauern aufzufangen. Bachorski verweist daher mit Recht auf die "Gefahr eines Lachens mit den Helden über soziale Normen und Restriktionen".148 Die Mißachtung der Lehren seitens der Bauern wird lustvoll vom Erzähler in Szene gesetzt, so daß nicht nur die Gewaltstruktur der Handlung, sondern auch das Lachen mit den Figuren und dem Erzähler über etablierte Wertesysteme eine radikale und zerstörerische Potenz erhält. Eine eindeutige moralische Didaxe ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich. Das Lachen im Ring wird konstant dadurch ausgelöst, daß offizielle Ideologien verschoben, negiert, hinterfragt und zerstört werden. Der Didaxe ist ein solch destruktiver Umgang mit dem mittelalterlichen Lehrgebäude fremd. Sie soll Sinn stiften, und nicht aufwirbeln. Die "fröhliche Relativität, Instabilität, Offenheit und Unabgeschlossenheit"149 der lachenden Welt, nimmt der Lehre ihre Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit. Die Komik macht folglich die Belehrung nicht angenehmer, noch dient sie einem lehrhaften Zweck.150 Sie führt eher tendenziell zur Sabotage der Belehrung.

Was ist aber nun mit dem unterhaltsamen gpauren geschrei im Prolog gemeint - die Gewalttätigkeit und Triebhaftigkeit der Bauern? Der Unterhaltungswert der Gewaltdarstellung im Ring ist enorm, obwohl die fehlende didaktische Wirkung die Gewalt noch radikaler erscheinen läßt. Auch andere literarische Formen des Mittelalters nutzen die Darstellung von Gewalt in Verbindung mit der Inszenierung eines Gelächters, so z.B. die Osterspiele. Allerdings bleibt hier der Zweck der Darstellung immer erkennbar: die Vergegenwärtigung des Heilsgeschehen. Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung sind zwar szenische Gewaltmomente, sie erfüllen aber eine ganz bestimmte religiös- belehrende Funktion. Die schon oftmals betonte Besonderheit der Gewaltdarstellung im Ring, wird wegen der fehlenden Funktionsbestimmung erneut unterstrichen. Die ohnehin schon brutale Gewaltdarstellung, erscheint durch ihre Zweckfreiheit noch barbarischer. Der Leser wird mit der gewaltsamen Zerstörung der Lehren konfrontiert. Das Scheitern der Didaxe am Chaos von Gewalt und Zerstörung bleibt nur erträglich, weil es von Gelächter begleitet wird.

5. DIE SPRACHGEWALT DES TEXTES

Die Besonderheit des Rings wurde bereits an mehreren Punkten festgemacht: die vordergründige Gewalttätigkeit der Bauern, die hervorstechende Körperlichkeit der Gewalt und der damit verbundene groteske Darstellungsmodus, die Verschränkung von Gewalt und Lachen und die verschiedenen Arten des Lachens, das ambivalente Verhältnis von Lehre und Gewalt und nicht zuletzt die auffällige Betonung der Sexualität der Figuren als handlungstreibendes Moment des Textes. Eine weitere wesentliche Ursache für die Eigenheit des Rings blieb bislang unerwähnt, steht aber in unmittelbaren Bezug zu o.g. Gründen: das Spiel des Erzählers mit der Sprache.

Die Sprache ist das Mittel, mit dem literarische Produkte geschaffen werden. Der Ring verwendet anstelle einer, mehrere Sprachformen. Diese stehen in ihrer Unterschiedlichkeit nicht einfach nur nebeneinander, sondern sind gleich einer Collage zusammenmontiert. Die Verknüpfung verschiedener Sprachstile, z.B. der höfische Stils der Minnelehre mit dem bayrischen Dialekt der Bauern, volkstümliche Redensarten und Sprichwörter mit der klaren, knappen und lakonischen Sprache des Erzählers (vor allem wenn Tod oder Gewalt beschrieben werden), der religiösen mit der obszönen Sprache oder der imaginären Sprache mit der realistisch anmutenden Darstellung, verhindert die Interpretation der Ring - Welt als geschlossenes und einheitliches System. Die Kombinierung unterschiedlicher sprachlicher Welten führt zur Ambivalenz des gesamten Textes und damit zur "Aufhebung des Anspruchs jeder dieser Sprachen auf alleinige und unhinterfragbare Gültigkeit".151

Die Sprache der einzelnen Figuren wird nach ihrem Wesen abgestuft: die plumpe Sprache der Bauern, die ironische Höflichkeit Neitharts, die trockene Sprache der Männer und die keifende der Frauen in der Ehedebatte, die Diplomatensprache des Städtekongresses etc. In diesem mannigfaltigen Sprachgefüge sind zwei wichtige Teile in einer groben Differenzierung auszumachen: zum einen "eine Sprache der Vernunft, der Didaxe und des moralischen Wollens"152, zum anderen eine "Sprache des Leibes, des Obszönen, der Lust an der Sexualität und am Tabubruch".153 Der Text verbindet somit zwei verschiedene Sprachebenen - die der Vernunft und die der unkontrollierten Affekte - und erreicht damit, auf sprachlicher Ebene eine anthropologische Grundüberzeugung des Mittelalters literarisch wiederzugeben: "die Doppelnatur des Menschen als 'animal rationale' und als Naturwesen".154

Im folgenden soll auf die komische und gleichzeitig aggressive Diktion innerhalb dieses Sprachgefüges näher eingegangen werden. Komische Motive aller Art reichen vom tölpelhaften Alltag bis zur Phantastik einer blutigen Schlacht. Dabei ist die scheinbare Freude des Erzählers an Chaos und Zerstörung immer bemerkbar. Das teilweise sprachliche 'Wirrwarr' reicht bis zu Anzeichen des Sprachverfalls; die Sprachverhältnisse spiegeln den epischen Handlungsverlauf wieder. Die Dekonstruktion der Ring -Welt läßt sich auf die inszenierte Zersetzung der Sprache übertragen. Damit ist Sprache im Ring nicht nur ein Mittel, um zu erzählen, sondern wird auch zum Gegenstand der Reflexion. In diesem Kapitel soll verdeutlicht werden, daß sich die Dimension des Gewaltkonzepts bis auf die Sprache des Textes erstreckt und Lachen vielfach durch das Spiel mit Sprache erzeugt wird. Außerdem soll versucht werden, neben der Inszenierung von Lachen, weitere Möglichkeiten auszumachen, die der Erzähler nutzt, um die Gewalttätigkeit der Handlung zu dämmen: das literarische Mittel der Intertextualität und die höfische Schriftform des Minnebriefes. Nachstehende Punkte sind hierbei von Interesse:

1. die Obszönität der Figurenrede
2. die Komik der Sprachspiele
3. die Namen der Figuren
4. die Verschriftlichung der Gewalt.

5.1. DIE OBSZÖNITÄT DER FIGURENREDE

Obszöne Wörter dienen der ausführlichen Schilderung des Geschlechtsverkehrs und des Skatologischen bzw. Exkrementellen. Die Lexik des Obszönen ist eng mit einer entgrenzten Körperlichkeit verbunden, die, wie gezeigt worden ist, für die groteske Komik des Textes bezeichnend ist. Im Ring sind obszöne Wörter durchgängig zu finden. Ihre Verwendung unterstreicht oftmals den gewalttätigen Charakter der epischen Handlung. Karl Rosenkranz, der in seinem berühmten Werk "Ästhetik des Häßlichen" auch auf das Obszöne eingeht, sieht seine Funktion im Affront:

Das Obszöne besteht in der absichtlichen Verletzung der Scham. Schon eine zufällige und unabsichtliche Entblößung erweckt Verlegenheit, vielleicht einen peinlichen komischen Moment, aber sie ist nicht obszön.155

Das Obszöne und Sexuelle im Ring tragen jedoch trotz ihrer aggressiven Tendenzen auch zum großen Vergnügen des Publikums bei. Gewalt und Komik des Textes treffen sich häufig im obszönen Wort. Nach Rosenkranz sei die Komik in dieser Verbindung notwendig, da sie die sexuelle Gemeinheit ästhetisch befreien würde.156

Eine der sicherlich anstößigsten Textstellen, in der sich Gewalt, Obszönität und Lachen exemplarisch verschränken, ist die Verprügelung Bertschis beim Hochzeitsmahl: Seu gussen im des wassers her / In den ars und auch enzwer[...] (vv. 5827-5836). An anderer Stelle werden die körperliche Gewalt und das Lachen über die lächerlichen Turnierhelden mit der Entblößung des männlichen Geschlechts verbunden. Während der Eine auf dem Arsch des Pferdes liegt, do sach man seinen gsellen / Her aus der prüeche prellen (vv. 397f.), versucht der Andere, Neithart zu stechen, so daz im wol halb / Aus dem nest emphiel daz kalb (vv. 421f.). Die Freude der Bauern über das Obszöne ist offenkundig. Sie lachen über die unseriösen Mißgeschicke ihrer Kameraden und sparen ihrerseits nicht mit sexuellen Anspielungen: 'Ge hain, Ü eli mit der nasen, / Hilf deim weib der kuo grasen!' (vv. 425f.).157 Die wörtliche Rede der Figuren ist vielfach ihrem Verhalten angemessen: sie ist roh, sexistisch und anstößig.158 Wörter, wie ' scheissen ', ' fartz ', ' sirt ', ' kat ', ' ars ', ' gsellen ', ' mutzen ' u.ä. durchziehen den Text. Groteske Körperkonzeption und obszöne Sprache ergänzen sich auf vortrefflichste Weise. Sämtliche Körperöffnungen stehen in Beziehung zur Außenwelt, es wird ausgeschieden und einverleibt.159 Haug spricht unverblümt von einem einzigen "Gefurz, Gekotz und Gepisse".160

Der Text ist in radikalster Art und Weise durch eine obszön-sexistische Sprache geprägt. Den Frauen gegenüber erhält die Sprache der Bauern einen oftmals pornographischen Anstrich.161 Besonders auffällig ist die Verwendung dieser Sprache im Kontext der höfischen Minnewerbung. In der höfischen Umwelt ist der Bereich des Obszönen tabuisiert, besonders die persönliche Rede soll nach höfischer Vorschrift jegliche Anstößigkeit vermeiden.162 Im Ring sind hingegen sogar im höfischen Minnediskurs, der durch Ablauf der Werbung und bestimmtes Vokabular immer wieder aufgerufen wird, sexuelle Motive für das Handeln der Figuren textbestimmend.163 So wird der sexuelle Trieb von Mätzli in der Masturbationsszene befriedigt und genossen (vv. 1564-1634), und auch die Beschreibung von Bertschis und Mätzlis Hochzeitsnacht konzentriert sich auf beider Lust und Freude am Sex.

Während bloße obszöne Wörter nur Zoten und 'niederer' Komik dienen können, bedient sich Wittenwiler vor allem der obszönen Metapher. Die Entblößung des Spielmanns Gunterfais vor Mätzli wird z.B. gesteigert durch die Wahl seines Instruments, der Sackpfeife. Sexuelle Konnotationen sind auf diese Weise immer wieder in den Text eingebaut.164

Die obszöne Sprache des Textes ist meist von Lachen begleitet. Seit der Psychoanalyse von Sigmund Freud ist die Verbindung vom Komischen, Sexuellen und Obszönen wissenschaftlich etabliert. Freud bestimmte als einen Ausgangspunkt der Komik die Entblößung.165 Sexuelles, das eigentlich verborgen bleiben soll, wird im "obszönen Witz"166 komisch aufgedeckt, die entblößte Figur komisch vorgeführt. Der "obszöne Witz" wird aber nicht selten zum "feindseligem Witz (der zur Aggression, Satire oder Abwehr dient)".167 Freud beschreibt somit theoretisch, was im Ring literarisch im obszönen Wort umgesetzt ist, nämlich die lachende Unterstreichung eines aggressiven Textes:

Er [der tendenziöse Witz] ermöglicht die Befriedigung eines Triebes (des lüsternen und feinseligen) gegen ein Hindernis und schöpft somit Lust aus einer durch das Hindernis unzugänglich gewordenen Lustquelle.168

Nutzt man Freuds Erkenntnis, so kann damit die dem 3. Kapitel zugrundeliegende Hypothese weiter fundiert werden, daß das Lachen im Ring oftmals als gewalttätiger Akt fungiert.

Nicht zuletzt hängt die Komik des Obszönen mit der extrem ausgeprägten Körperlichkeit zusammen, die ein Lachen provoziert, das "der Heraufsetzung des Materiell Leiblichen der menschlichen Natur entspringt".169 Sie kann aber ebenfalls mit der Bachtinschen Lachkultur erklärt werden. Demnach diente die Inszenierung des Leiblichen dem Volk dazu, herrschende Normen zu attackieren.170 Durch die obszöne Komik werden zivilisatorische Hemmungen der Zuhörer verdrängt, und die ursprünglichsten, bislang verdrängten Triebe entdeckt.

Obszönität (so auch Grausamkeit und Häßlichkeit) ist ein ästhetisches Grenzphänomen, das in der mittelalterlichen Literatur nur unter bestimmten Bedingungen zur Darstellung gelangte. Dazu zählt, daß es seine Existenzberechtigung nicht in sich selbst findet, sondern nur wenn es eindeutige Absichten verfolgt, wie z.B. einen moralischen Zweck.171 Wittenwilers obszöne Sprache basiert aber auf keinem hinreichenden Zweck. Die Obszönität des Textes konnte trotzdem bis zu einem gewissen Grad normalisiert werden. Jenes ist zurückzuführen, auf den virtuosen Umgang Wittenwilers mit der Sprache und vor allem auf die unzähligen Sprachspiele im Text.

5.2. DIE KOMIK DER SPRACHSPIELE

Der Umgang mit Sprache bietet neben der Verfremdung von bekannten Gattungen und literarischen Mustern eine Fülle von anderen komischen Momenten wie z.B. Wort- und Sprachspiele. Das Lachen im Ring muß demzufolge auch auf die Erzählkunst und Sprache des Textes angewandt werden.

Wortspiele konstituieren mehrere Lesarten. Sie funktionieren entweder im Mechanismus der Gegenbildlichkeit (Didaxe) und ermöglichen somit die Rezeption als 'geschlossenes Kunstwerk', oder sie fungieren als Elemente der Dekonstruktion im Bezug auf das aufgerufene Wertesystem und ermöglichen die Rezeption als 'offenes Kunstwerk'. Sprachspiele erlauben außerdem eine unmittelbare, naive, lachende Rezeptionshaltung. Eine didaktische Lesart ist für den Ring nicht zutreffend, da die unzähligen Sprachspiele für einen rationalen, d.h. belehrenden Diskurs zu viele Zweideutigkeiten produzieren. Es handelt sich vielmehr um eine 'Kunst der Verwirrung', die sich folgender sprachlicher Mittel bedient:

1. Polyseme: Und hiettens für die pest gericht [Urteil/Mahlzeit] (v. 5835), gsäss [Wohnsitz/Gesäß] (v. 7248), ring [Weltenlauf/Fingerring/Kompendium] (v. 8) u.a.

2. Homonyme: esler pauren [edler pauren] (v. 59), geswantzt [getantzt] (v. 6212), rittigmäss [rittermäss] (v. 128), numer dumer amen ! [In nomine domini, amen!] (v. 321) u.a.

Die Kreuzung von esel und edel ist insofern komisch, da das wenig edle Tier und der Adel in unmittelbare Nähe gerückt werden und "damit zugleich eine Hybride des gesamten Textes auf[ge]zeigt [wird]: die zwischen dem Erhabenen und dem Niedrigen, Häßlichen, Gewöhnlichen".172

3. Synonyme: mutzen (v. 1566) - fleken (v. 1568) - futzen (v. 1572) - maul (v. 1579) - pletz (v. 1592) u.a.

4. Paradoxie: Sei was von adel lam und krumpf (v. 76), ein held reht sam ein giesfas (v. 110) u.a.

5. Sprichwörter: langes har / Und churtzen muot (vv. 1585f.), Dar zuo wie daz weter ist, / Daz du deinen mantel gswind / Mügen keren gen dem wind! (vv. 4515ff), Derälleu dink dergründen wil, / Der siert sich selbs und schafft nit vil. (vv. 3719f.) u.a.

6. Lautmalerei: So, du du du hürrensun, so? / Des ha-ha-hast du dich verwegen? / Du ma-ma-machst nit mer geleben! (vv. 537ff), Da, da, nüssli, da, / Mätzli! Sta, sta, hägili, sta! (v. 2139f.), Es tantzt her Scholl-lo-lo-lo-loll-lo-lo- / Lo-lo-lo-loll-lo-lo-lo-lo-lo-lo- lo-lo-loll, / Es swantzt her Scho-o-o-o-o-o-oll. (vv. 6443ff) u.a.

Sprache hat hier nicht mehr nur die Funktion, eine Handlung mitzuteilen. Sie ist gleichzeitig auch Gegenstand der Reflexion. Bertschis Stottern (vv. 537-548) zeigt seine Unfähigkeit zur sprachlichen Verständigung. Gewalt verhindert Kommunikation. Sein Sprachzerfall wird vom Gegner (Neithart) bewußt nachgeäfft und verspottet. Damit wird im Ring sogar Sprache genutzt, um Aggressionen auszuleben. Trolls Tanzlied (vv. 6436-6445) hingegen zeigt, daß vom allgemeinen Verfall und Untergang auch die Sprache selbst betroffen ist. So wie hier die sprachlichen Zeichen zerfallen, werden die Körper in der anschließenden Rauferei (vv. 6475-6679) und im nachfolgendem Krieg (vv. 8657-9652) zersetzt.

5.3. DIE NAMEN DER FIGUREN

Die sprechenden Namen der Ring -Figuren sind bestechendes und markantes Beispiel für die Sprachgewandtheit des Erzählers. Die große Bedeutung der Namen bezeugt die ausdrückliche Betonung der Figurenbenennung durch den Erzähler selbst: Den neunden ich euch tauffen wil: / Er haisset Pentza Trinkavil (vv. 143f.). Die Namen sind ein wichtiges Element der Komik, die vor allem im Gegensatz von 'Sprecher' und Lehre zum tragen kommt. Nicht zufällig redet Saichinkruog über die Haushaltsführung, Lastersak über christliches Leben und Nabelreiber über die Minne etc. Die Ernsthaftigkeit der Lehren wird durch die anrüchigen Namen der jeweiligen Sprecher einmal mehr frag- würdig - um so mehr, als daß die Namen dem Wesen der Figuren entsprechen.

Bereits aufgrund der Namensgebung kann auf die Lasterhaftigkeit und Triebhaftigkeit der Bauern geschlossen werden. Dementsprechend spielen sie auf körperliche Häßlichkeit, Dreck, unkultiviertes Verhalten, übersteigerte Sexualität, mangelnde Kontrolle der Körperfunktionen und negative Charaktereigenschaften an. Viele Namen sind zudem ausgesprochen obszön (Rüerenzumph, Nagenflek, Chützeldarm u.a .).173 Figuren werden mit Tieren in Beziehung gesetzt (Farindkuo, Ochsenchäse u.a.) oder mit maßlosem Fressen und Saufen als markantem Charakteristikum versehen (Füllenmagem, Lekdenspiss, Fülzan u.a.). Allein die Namen deuten auf die groteske Ring -Welt hin, in der die Mensch- Tier-Unterscheidung aufgehoben ist, "hemmungslos verschlungen wird und die Bäuche über die Köpfe herrschen".174 Andere Figuren werden mit moralischen Defiziten [ Höseller (Angsthase), Leugafruo ('Lüge früh') u.a.] verbunden oder mit beschädigten, abnormalen Körpern (Burkhart mit demüberpain, Chnotz, Schilawingg u.a.). Für den Gewaltdiskurs ist interessant, daß mehrere Namen auch aggressive Konnotationen tragen: Blasindäschen, Deupenpain, Galgenswanch, Laichdenman ('Betrüg den Mann'), Reuschindhell ('Fahr zur Hölle'), Scheubinsak, Schindenak, Schürenprand, Siertdasland ('Verwüste das Land!'), Snaufermann, Tirawätsch ('Vorsicht Ohrfeigen!'), Varindwand, Wüetreich u.a . Zerstörung und Vernichtung ist vorprogrammiert, wenn die Träger ihren Namen gerecht werden. Der oftmals verwendete Imperativ verweist vor allem auf das Prinzip des Schadens, welches das Sozialverhalten in der Ring -Welt bestimmt.

Die auffälligste Besonderheit der Namenswelt im Ring ist, daß Name, Träger und Handeln des Trägers in nahezu magischer Beziehung stehen. Dabei besteht die Komik in der Paradoxie, daß der Name das Wesen der Figur bestimmt - Ursache und Wirkung sich also verkehren. Die Figuren sind gewissermaßen in ihrem Namen gefangen, sie können nur so agieren, wie sie heißen. Gelegentlich werden sie auch Opfer ihrer Namen: z.B. erkennt der Arzt Chrippenkrah sofort, daß ein Mädchen namens Rüerenzumph leicht zu verführen ist:

... 'Mätzli Rüerenzumph,

Dein nam ghört wol zuo deinem stumph:.

So ghört mein stumph zuo deinem muot. (vv. 2116ff).

5.4. DIE VERSCHRIFTLICHUNG DER GEWALT

5.4.1. DIE VERSCHRIFTLICHUNG DER GEWALT IM BRIEF

Es wurde schon ausgeführt, daß die Radikalität der im Text dargestellten Gewalt nur durch das gleichzeitig inszenierte Lachen ertragen werden kann. Eine weitere Möglichkeit die 'Gewalt der Affekte' zu dämpfen, ist ihre Verschriftlichung.175 Zum einen wird das sexuelle Begehren Mätzlis und Bertschis in die Briefform der höfischen Minnedidaktik verschoben, zum anderen der Krieg der Lappenhausener und der Nissinger Bauern durch das sprachliche Mittel der Intertextualität "literarisiert".176

Nach der gewalttätigen Kuhstallszene, dem Bild vom lehmfressenden und durch das Hausdach fallenden Bertschi, der Verprügelung Mätzlis durch ihren Vater und ihre Einsperrung in den Speicher wird beider Begehren, das bisher nur zu Chaos und Gewalt geführt hatte, in Briefform verschriftlicht.177 Beide Briefe bedienen sich dabei der Vorgaben der höfischen Minnedidaktik. Interessanterweise wird Mätzlis Minnebrief ausgerechnet von Chippenkrah geschrieben, von demjenigen der sie entehrte, und Bertschis Brief von Nabelreiber, der mit seinem obszönen Namen ebenfalls in Ambivalenz zur Minnelehre steht.

Die sexuellen Anspielungen in diesem Minnediskurs bleiben jedoch nicht nur auf die Namen der Schreiber beschränkt, sondern lassen sich auch in den Briefen selbst finden. Während Bertschis eigener Brief noch explizit den Wunsch nach körperlicher Liebe ausdrückt: "Pei dir so schlieff ich gerne." Sexualorganisation' (s.o.) erinnert:

Dar zuo han ich mich vermessen,

Daz ich f ü rbas nit wil essen

Noch gedrinken dhainer stund,

Mich tr ö sti dann dein roter mund. (vv. 1868ff),

stellt Nabelreibers Brief Bertschi als 'hoffenden Minnediener' dar, der mit dem eigenen Tod droht, würde er nicht erhört:

Und wurd, daz nicht schol werden,

Daz ich auf diser erden

Die gnad enmöcht erwerben,

So wist, daz ich verderben

Mües und dar zuo sterben! (vv. 1904ff).

Das triebhafte Wesen Bertschis ist auch in Nabelreibers Brief nicht gänzlich wegzudenken, und zeigt sich letztendlich erneut in der Überbringung der Liebesbotschaft. An einem Stein befestigt, wirft er den Brief zur eingeschlossenen Mätzli in den Speicher, welcher ihr dermaßen heftig den Kopf verletzt, daß sie kurzzeitig ohnmächtig und blutend zu Boden geht (vv. 1923-1940):

M ä tzli was gevallen

Mit ars und mit allem

Ab dem banch, da sei do sas,

Daz sei irs gemüetz vergas. (vv. 1937ff).

Bertschi hatte Nabelreiber gebeten, für ihn einen Brief an Mätzli zu schreiben, andernfalls müsse er Qualen erleiden, verderben und sterben (vv. 1656-1663). Bertschis Verlangen nach Mätzli hatte aber von Beginn an nicht nur zu seiner eigenen Qual geführt, sondern während des Turniers auch zu Schmerz, Pein und Tod der anderen Dorfbewohner. Der Brief, und damit die Verschriftlichung seines Begehrens, sollte dem ein Ende setzen: Wilt du mir ditz vertreiben, / Ein briefel muost du schreiben (vv. 1660f.). Doch Mätzlis Verletzung durch selbigen Brief, führt dieses Verfahren ad absurdum. Kann man den Brief einerseits als "Dämpfung der Gewalt"178 interpretieren, indem die sexuelle Triebstruktur der Protagonisten in eine dem Publikum bekannte Form des Minnebriefs verschriftlicht wird, so fungiert er andererseits als weiterer Baustein einer gewalttätigen epischen Handlung.

Auch Chrippenkrahs Brief (vv. 2261-2554) ist als Versuch der "Zivilisierung der Gewalt"179 anzusehen. Er nutzt das allegorische Verfahren, indem er sich des Motivs des Himmelsbriefes bedient. Mätzlis sexuelles Verlangen (vv. 2091-2094), welches sie zuvor in einem eigenen Brief zum Ausdruck brachte, kann somit in einem religiösen Kontext abgeschwächt werden. Doch auch Chrippenkrahs Brief bringt keine eindeutige Ablehnung von Sexualität im Kontext der Minnelehre zum Ausdruck. Mätzlis sexuelles Begehren wird vielmehr dahingehend gemäßigt, "daß es im Rahmen der kirchlichen Ehelehre legitimiert wird"180 (vv. 2373-2388).

Als weiteres Verfahren, die Gewalt im Ring zu mäßigen, kann die Darstellung des Krieges mit Hilfe literarischer Referenzen aufgefaßt werden.181 Schon Edmund Wießner verwies in seiner Ring -Ausgabe auf die außergewöhnliche Darstellung des Krieges, die auf den Leser "bald ergötzlich, bald grauenhaft"182 wirke. Die ambivalente Schilderung des Krieges ist ebenfalls der Sprachgewandtheit des Erzählers zuzuschreiben - diesmal indem er intertextuelle Bezüge einfließen läßt. Terror und Brutalität des Krieges sowie die Bedrohlichkeit eines blutgetränkten Schlachtfeldes werden in Beziehung zu literarischen Gestalten aus der höfischen Epik gebracht. Lanzelot, Tristan, sogar der artuische Vorzeigeritter Gawan werden als mögliche Verbündete der grobschlächtigen Bauern erwähnt, können aber aus Zeitgründen nicht kommen (vv. 8025-8034). Dafür nehmen berühmte Gestalten der Heldenepik am Krieg teil:

Es was der Perner (glaub es mir!)

Und sein maister Hiltprant,

Dietleib von Steierland

Und der werd Wolffdietreich. (vv. 8066ff).

Die ungezügelte Gewalt, das archaische Rasen und Toben der triebhaften Bauern werden durch den Bezug zur Welt der Ritter und Helden und damit zu militärischer Disziplin und Tugendhaftigkeit in ihrer Radikalität entschärft. Das semantische Umfeld der ritterlichen aventiure findet Eingang in einen barbarischen Krieg und nimmt diesem somit etwas von seiner Grausamkeit. Doch es wäre nicht der Ring, würde die intertextuelle Methode nur eine Seite der Betrachtung haben. Durch die Integration von Helden wie Dietrich und Hildebrand in die groteske Welt des Rings fließt zwar ein schon bekanntes Gewaltpotential in den Krieg ein, doch die automatisierte Kampftechnik der Helden kann in der Kriegsorgie des Rings nicht bestehen - die Helden und Recken, die alten Figuren, sind herbeizitiert worden, aber ohne ihre früheren Erfolge feiern zu können. Auch sie müssen wie die Bauern, Hexen und Zwerge untergehen. Die Heldenepik an sich ist durch das intertextuelle Verfahren in ein kontroverses Licht versetzt. Der unheroische Anlaß des Krieges im Ring macht das Heroische lächerlich.183 Gleichermaßen werden alle literarischen Referenzen, sei es die artuische aventuire -Bereitschaft, die höfische Minnekultur oder die Figur des Neithart in irgendeiner Form fragwürdig gemacht oder gar denunziert.

5.4.2. DIE VERSCHRIFTLICHUNG DER GEWALT IM WORT

Die Spottlust des Dichters und seine Freude an der Inszenierung von Gewalt und Zerstörung gibt auch der Wortschatz des Textes preis. Schon im einzelnem Wort wird Gewalttätigkeit verschriftlicht, doch durch die Mehrdeutigkeit zahlreicher dieser Wörter lachend entschärft. Zudem benutzen die Figuren in der wörtlichen Rede Schimpfwörter schwerster Art, wie z.B. Neithart: 'Ir faiger ketzer!' (v. 812) - ein mittelalterlicher 'Kraftausdruck', der den Vorwurf der Bestialität in sich birgt.184

Bertschi spricht zu Beginn der Handlung davon, er wolle sich für Mätzlis Minne zerserten (v. 102). Ein einziges Wort erfaßt damit das gesamte Ausmaß der folgenden Geschehnisse. Es wird gewissermaßen zur Devise des Handelns. Dabei ruft zerserten"weit aggressivere Assoziationen auf als der zitierte Topos, der verderben oder sterben verlangt".185 Für das derbe Wort "serten" hat Wittenwiler eine bemerkenswerte Vorliebe und bringt es in mannigfach schillernder Bedeutung an: als Drohung, Frauen zu schänden (v. 5812, 6469 u.a.), im Sinne des Belästigens und Quälens (v. 1324, 2321, 2757, 2864 u.a.), in der Bedeutung von 'Hauen' und 'Zerschlagens' (v. 637, 7595, 8394 u.a.), als Bestandteil des Namens Siertdasland (v. 3628, 4963 u.a.) etc.186 Insgesamt taucht es mit verwandten Formen annähernd 30 Mal auf und gehört damit in seiner Assoziationsbreite zwischen 'zerstören' und 'schänden' zu den Leitbegriffen des Textes. Ebenso verweist das Wort 'schlahen' auf den gewalttätigen Charakter der Handlung. Es taucht über 100 Mal im Text auf, und ist dadurch eines der häufigsten Verben, die der Erzähler benutzt.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Sprache als Ausdruck der Gewalt im Ring fungiert. Die aggressive Dimension des Textes ist maßgeblich durch den Wortschatz bestimmt. Die Verschränkung von Lachen und Gewalt innerhalb des eben beschriebenen Sprachdiskurses ergibt sich durch die Verwendung unzähliger Sprachspiele, die zum großen Teil die Komik des Textes ausmachen. Insbesondere die Figurenbenennung zeugt von Macht und Gewalt sprechender und gleichzeitig komischer Namen. Die Verschriftlichung des sexuellen Begehrens in einem Minnebrief kann des weiteren als Versuch der Dämpfung von Gewalt interpretiert werden. Schließlich ist der Sexualtrieb der Ring -Figuren oftmals Grund für ihr gewalttätiges Handeln. Intertextualität indessen schafft während der Lektüre eine Ebene der Vertrautheit, mit der sich das Wüten und Toben der Bauern im Alltag und das Blutgemetzel im Krieg besser 'verdauen' läßt. Die Sprachgewalt und der Sprachwitz des Textes müssen demzufolge als wesentliche Elemente der Verknüpfung von Lachen und Gewalt angesehen werden.

Die Zusammenfassung - Ein anthropologischer Diskurs

Die epische Handlung des Rings beginnt mit Bertschi, der sich, in Liebe entflammt zu Mätzli, in ein Minneabenteuer stürzt, und sie endet mit seinem resignativen Rückzug in den Schwarzwald als Einsiedler. Dazwischen liegen Gewalt und Chaos, Tod und Verderben, Krieg und Zerstörung - ein Szenario, das nicht zu ertragen gewesen wäre, hätte es nicht trotz aller Grausamkeit unentwegtes Lachen provoziert. Es gibt kaum einen Text des Mittelalters, der Gewalt und Lachen so radikal ineinander verschränkt hat.187

Nicht nur Bertschis Werbung ist von Gewalt geprägt, sondern auch jegliche Kommunikation und Vergesellschaftung. Es ist gezeigt worden, daß Gewaltausübung, Gewalterfahrung sowie Freude an Gewalt zentrale Themen des Rings sind. Der Darstellungsmodus dieser Gewalt ist die Komik. Sie funktioniert nach parodistischen, grotesken und karnevalesken Pattern und ist nicht zuletzt dem ironischen Erzählstil zuzuschreiben. Das Lachen, das diesen komischen Strategien entspringt, ist zum Großteil auf eine "mittelalterliche Lachkultur" (Bachtin) zurückzuführen. Durch die gegenbildliche Verkehrung, Verzerrung und Umstülpung wird ein lachender Befreiungsakt von Normen und Autoritäten in Gang gesetzt. Die durch den Prozeß der Zivilisation reglementierten Triebe werden wiederentdeckt, enthemmt und lachend ausgelebt. Es wird über die Unmäßigkeit des Fressens und Saufens gelacht sowie über Obszönitäten und Körperflüssigkeiten, über zitierte, aber gleichzeitig mißachtete Lehren, über Tollpatschigkeit, chaotisches Durcheinander und Dummheit. Über weite Strecken des Textes ist diese Komik radikal und vernichtend:

In der komischen Erzählweise [des Textes] steckt immer schon eine Opposition gegen das Erzählte, ein Anflug von Subversion gegen das Bestehende, eine Geste der Skepsis gegenüber dem eigenen Entwurf.188

Doch all' das würde nicht ausreichen, eine Besonderheit des Rings hinsichtlich der Inszenierung von Lachen zu begründen. Diese, so die Ausgangshypothese dieser Arbeit, besteht genau darin, daß die genannten Lachobjekte in einen permanenten Gewaltzusammenhang gebracht werden. Zum befreienden Lachen gesellt sich ein aggressives, sexistisches und bedrohliches Lachen. Aggressives, verletzendes Gelächter war jedoch im Mittelalter unstatthaft. Zwar versucht der Text, wie gezeigt - durch Verschriftlichung, Intertextualität und Groteske -, die Bedrohlichkeit des Lachens zu dämpfen, doch er scheitert daran. Der Versuch muß unweigerlich scheitern, da die Gewalt, über die gelacht wird, völlig zweckfrei inszeniert worden ist. Sie ist in keinen erkennbaren Begründungszusammenhang zu bringen. Die Gewalttätigkeit ist motivationslos, und ihre Ursache kann nur auf die Triebhaftigkeit der Figuren reduziert werden. Das Wesen und die Mentalität der Bauern scheint einziger Grund für die Brutalität ihres Handelns zu sein. Das Kratzen der Hand einer Jungfrau als Auslöser eines Krieges ist in seiner 'Nichtigkeit'189 zwar komisch, doch als Zweck nicht hinreichend. Ein Zweck muß jedoch gemäß mittelalterlicher Literaturvorgaben ersichtlich sein.

Recht und Unrecht sind keine Kategorien, mit denen das Gewaltausmaß im Ring, vor allem der kriegerische Höhepunkt als blutiges Gemetzel, bewertet werden kann. Der Text entwirft das gnadenlose Szenario einer Gesellschaft, die an der Unmöglichkeit zerbricht, Recht und Unrecht, Legitimation und Illegitimation von Gewalt eindeutig zu unterscheiden. Frieden und gewaltfreies Miteinanderleben werden zwar durch die Lehren zitiert, aber durch das Geschehen negiert. Die Lehren erscheinen demzufolge sinnlos - viel mehr noch, sie selbst scheinen in ihrer vordergründigen Betonung des 'Nutzens', aggressives Handeln im Alltag nahezulegen. Eine rechtliche oder moralische Bewertung des Krieges, der den Höhepunkt der Gewaltinszenierung darstellt, wird durch den Erzähler unmöglich gemacht; es gibt keinen Zusammenhang von Recht und Gewalt. Dadurch bleibt nur die Triebverfallenheit und die daraus resultierende zwanghafte Gewalt der Figuren als Erklärung.

Dieses Resümee treibt den Ring in einen anthropologischen Diskurs, dessen These wie folgt gesellschaftstheoretisch formuliert werden kann: Wittenwiler entwirft das literarische Bild eines Naturzustands der Menschen, der durch keinerlei staatliche Macht reglementiert wird. Die staatliche Macht ist nicht gegeben, da alle denkbaren didaktischen Partien des Textes schon im Ansatz zerstört werden: die höfischen Vorschriften können als kulturelle Ordnungssysteme nicht mehr fungieren.

Die Beschreibung des Naturzustands im Ring konzentriert sich, neben Sexualität, 'Fressen und Saufen', vor allem auf die Gewaltbereitschaft des Menschen. Wenn man Wittenwilers Text auf die mittelalterliche Grundüberzeugung von der Doppelnatur des Menschen als rationales und triebhaftes Wesen bezieht, so stellt sich die Gewaltbereitschaft als überwältigender Bestandteil dieser ambivalenten Wesensstruktur des Menschen dar. Damit steht der Text im unmittelbaren Zusammenhang zum philosophischen Denken des Mittelalters, in dessen Verlauf der "natürliche" Mensch und seine Triebstruktur immer mehr Beachtung fand. Die mala, verwurzelt im Sinnbezirk des Schlechten und Bösen, "sollten als Teil der menschlichen Natur akzeptiert und sogar positiviert werden".190 Nicht nur die Seele, sondern auch die Natur des Menschen wurden seiner Geschöpflichkeit zugerechnet. Doch während Thomas von Aquin noch von der Vernunft der menschlichen Natur überzeugt ist,191 scheint im Ring dieser Optimismus verloren gegangen zu sein. Im Zentrum der mala im Ring stehen Triebverfallenheit und eine damit verbundene zwanghafte Gewalt, "vor der jegliche Vernunft oder jedes Bemühen um ihre Mäßigung zum Scheitern verurteilt ist".192 Wittenwilers Text ist damit eingebettet in die allgemeine Übergangssituation vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild, in der mehr und mehr offensichtlich wird, daß "ein Gesetz der natürlichen Dinge unabhängig von der finalen Ordnung des Universums besteht".193

Zwar kann man den Ring als resignative Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen der zeitgenössischen Anthropologie bewerten,194 doch ergeben sich andere Interpre- tationsmöglichkeiten, mißt man ihn an modernen anthropologischen Überlegungen, so etwa an Sofskys Traktatüber die Gewalt.195 In seiner düsteren Radikalität erinnert das Gewaltkonzept des Rings an diese anthropologische Studie, in der Sofsky ein schwarzes Paradoxon entwirft, das die condition humaine umreißt. Gewalt war der Grund, daß Kultur entstand. Menschen fühlten sich von Mitmenschen bedroht und suchten nach zivilisierenden Maßnahmen, um ihre Existenz zu sichern, ohne das ureigene Mittel der Selbsterhaltung, die Gewalt, nutzen zu müssen. Doch auch der Gesellschaftsvertrag konnte die Gewalt der Menschen nicht dämmen. Viel eher, so zeigt Sofsky, hat sich die menschliche Vergesellschaftung als Geschichte potenzierter Gewalttätigkeiten erwiesen, und ist Kultur Nährboden von Gewalt geworden. Wittenwilers Text kann als literarische Entsprechung dieser anthropologischen Sicht auf Gewalt bewertet werden. Er zeigt, daß höfische Gesellschaftsformen unbrauchbar geworden sind und Gewalt das einzig gültige Lebenskonzept zu sein scheint. Der allgemein als 'Krise des Spätmittelalters' bezeichnete gesellschaftliche Umbruch des frühen 15. Jahrhundert äußert sich im Ring als Gewaltausbruch.196

Der Mensch war und ist durch kulturelle Strukturen gezwungen, sich anzupassen und zu unterwerfen. Glück oder Freiheit "sind im Bauplan der kulturellen Schöpfung nicht vorgesehen" - die Gewalt ist das wirkungsvollste Mittel, gegen diese kulturellen Formen zu rebellieren.197 Im Ring ist diese Rebellion durch die gewaltsame Zertrümmerung des mittelalterlichen Lehrgebäudes zu erahnen. Eine weitere Verbindung von Sofskys Überlegungen zum Ring ist zu finden, indem er beschreibt, wie sich eine zunächst noch zweckorientierte Gewalt, die er bis auf die natürliche Jagdleidenschaft des Menschen zurückverfolgt, so pervertiert, daß ihr Wesen manifest wird. Die Funktionsweisen dieser Gewalt, entsprechen häufig der Mechanik der Gewalt im Ring: das Kratzen der Hand einer Jungfrau führt zu einem emotionalen Zusammenstoß zweier Sippen, der in unglaublicher Geschwindigkeit und inszenierter Selbstverständlichkeit zum Krieg führt. Die Eruptionen der gewalttätigen Handlungen im Ring, die dem Leser so unwillkürlich und notorisch erscheinen, können mit Sofsky wie folgt erklärt werden:

Die Feindschaft muß dem Kampf keineswegs vorausgehen. Häufig entwickelt sie sich erst im Verlauf der Auseinandersetzung. [...] Selbst wenn die Anlässe nichtig, die Ziele belanglos sind, im Zusammenstoß entfacht sich die Feindschaft. Der erste Schlag provoziert den Gegenschlag, der erste Verletzte fordert Vergeltung, die Toten schreien nach Rache.198

Das leicht entflammbare Gewaltpotential der Ring -Figuren ist also nicht nur auf ihre Triebverfallenheit zurückzuführen. Folgt man Sofskys Ausführungen zur inneren Dynamik des Kampfes,199 erhält die Gewalt im Ring ihren kontinuierlichen Charakter nicht wegen natürlicher Triebkräfte, sondern wegen spezifisch menschlicher Potenzen:

Er [der Kampf] beginnt nicht mit dem Angriff, sondern mit der Verteidigung. Ohne Gegenwehr kein Kampf. [...] Wer die Gewalt des Kampfes abschaffen wollte, der müßte die Menschen der Fähigkeit berauben, sich des anderen zu erwehren.200 [...] Die Mißhandlung des anderen gründet sich in der Handlungsfähigkeit des Menschen.201

Während des Hochzeitsmahls spielt genau jene Verteidigungshaltung eine sehr wesentliche Rolle und zwar genau dann, wenn es darum geht, die soeben 'erbeutete' Speise zu sichern. Die Hochzeitsgäste kämpfen um Essen und Getränke und verletzen dabei die anderen und sich selbst.202 Das Prinzip dieses Kampfes erschließt sich aus dem grundsätzlichen Begehren um das Selbe. Was der eine hat, will der andere auch.203 Neben Sofsky ging auch Rene Girard der Frage nach dem Ursprung der Gewalt nach, in seiner vielbeachteten anthropologischen Studie Das Heilige und die Gewalt. 204 Girards Ansatzpunkt ist der Mythos einer sogenannten 'schöpferischen' Gewalt, die am Anfang aller sozialen Gemeinschaften steht. Dabei geht es ihm darum zu zeigen, daß die überlieferten Riten von 'Opferung und Heiligung' als kollektive Gewaltakte zu interpretieren sind, die nicht etwa symbolisch, sondern als real und historisch aufzufassen sind. Girard verweist, wie Sofsky, auf ganz bestimmte Gründe für die Entfesselung der Gewalt, die allzu oft als "irrational"205 bezeichnet werden würde. Einen dieser Gründe sieht Girard in der Rolle der Menschen als natürliche Rivalen:

Der Rivale begehrt das gleiche Objekt wie das Subjekt. Der Verzicht auf den Vorrang von Objekt und Subjekt zugunsten des Rivalen kann nur eines bedeuten. Die Rivalität ist nicht die Furcht einer zufälligen Übereinstimmung der beiden Wünsche, die auf das gleiche Objekt zielen. Das Subjekt begehrt das Objekt, weil der Rivale es selbst begehrt. Indem der Rivale dieses oder jenes Objekt begehrt, gibt er dem Subjekt zu verstehen, daß das Objekt begehrenswert ist.206

Es ist also nach Girard das mimetische Verhalten, das für Rivalität und Gewalt unter den Menschen verantwortlich ist.207 Im Ring ist die feindliche Stimmung unter den Hochzeitsgästen durch die Situation der Nachahmung erkennbar:

Die andern all die sahent zuo

Recht sam die wolf gen ainer kuo.

Dennoch was des ais ein tail:

Daz hieltens vast; es war nicht vail. (vv. 6089ff).

Die Rivalität der Bauern beim Essen wird in dieser Szene sogar der natürlichen Konkurrenz der Tierwelt gleichgesetzt, was das aggressive Potential der Festmahlssituation noch entscheidend verstärkt. Durch die mimetische Tendenz des Wünschens und Begehrens der Menschen läßt sich der gewalttätige Charakter des Hochzeitsfestes im Ring erklären. Sogar der Tod eines 'mitessenden Kontrahenten' wird in Kauf genommen (vv. 5901-5916). Mimetischer Wunsch und Gewalt sind also miteinander verbunden, da jedes Mal wenn der Nachahmer das begehrt, was der andere ihm bezeichnet, ihm die Gewalt des feindlichen Begehrens entgegentritt.208 Ein Teil der Gewalt im Ring kann demnach als "mimetische Gewalt", die eine Ansteckungsgefahr in sich birgt, bezeichnet werden. Dabei resultiert die Gewalt nicht etwa aus einer Ungleichheit, sondern aus der Gleichheit von Menschen, die das Gleiche wollen. Die Regeln und Verbote jedoch, die einen willkürlichen Wunsch und die Konvergenz der Wünsche auf ein und dasselbe Objekt verhindern und damit letztendlich die Zerstörung der Gemeinschaft abwehren, so wie es Girard zeigt, sind im Ring nicht spürbar. Die Gewalt ist im Ring zentral und allgegenwärtig. Ihre Fokussierung ist in der Lage, inhaltliche Ungereimtheiten des Textes zu klären, so z.B. Bachorskis Verwunderung:

Daß der Erzähler seine Figuren regelmäßig hat scheitern lassen, liegt auf der Hand, weniger klar ist jedoch, worin die Logik ihres Scheiterns begründet liegt.209

Die Logik ihres Scheiterns kann, möglicherweise mit der Logik der Gewalt erklärt werden, die häufig, wie oben gezeigt, ganz bestimmten Regeln unterliegt.

Das Anliegen der vorstehenden Ausführungen war, zu zeigen, daß das Phänomen der Gewaltdarstellung im Ring nicht nur auf die Triebhaftigkeit der tölpeligen Bauern reduziert werden muß, sondern mit Hilfe moderner Anthropologie ein weitaus komplexeres Erklärungsmuster möglich ist. Damit bewegt sich dieser anthropologische Diskurs innerhalb eines Prozesses, der durch die Verlagerung der mediävistischen Forschungsdiskussion von einem sozialgeschichtlichen auf einen affekt- und mentalitätsgeschichtlichen Kontext gekennzeichnet ist.210 Diese anthropologische Orientierung ermöglicht es, bei der Funktionsbestimmung von Literatur, über Fragen nach gesellschaftlichen Selbstdeutungen oder sozialen Sinnangeboten hinauszugehen und die literarhistorische Erforschung um bestimmte "Grund- und Grenzerfahrungen [des Menschen] im thematischen Umfeld von Körperkommunikation und Sexualität, Individualitätsproblematik, Liebe, Ehe, Krankheit, Jugend, Alter und Tod, Verwandtschaftssysteme und Glaubensvorstellungen"211 zu erweitern. Auch Wittenwilers Text läßt sich wie folgt mit dem anthropologischen Themenschwerpunkt "Gewalt" neu bestimmen.

Das Ziel der historischen Anthropologie soll unter anderem sein, "Strukturen einer geschichtlichen Epoche in ihrer anthropologischen Verfaßtheit"212 aufzuzeigen, d.h. es wird versucht, historische Veränderungen - Epochenschwellen- auf die mögliche Veränderung elementarer Verhaltensweisen zu untersuchen. An dieser Stelle ist erneut Norbert Elias zu erwähnen, der in seinem historisch-anthropologischen Werk Prozeßder Zivilisation 213 zeigt, daß im Übergang zur Neuzeit neue Verhaltensmuster herausgebildet wurden, daß Affekte nicht mehr ausgelebt werden konnten, sondern unter Kontrolle genommen werden mußten, und das all dies' Voraussetzung für soziale Stabilität war. Dabei macht Elias deutlich, daß die "Dämpfung spontaner Wallungen, Zurückhaltung der Affekte, (und die) Weitung des Gedankenraums über den Augenblick hinaus in die vergangenen Ursache-, die zukünftigen Folgeketten"214 wichtige Prämisse für die zivilisatorische Entwicklung war. Für den Gewaltdiskurs im Ring ist jene Einschätzung insofern von Interesse, als eine 'Zurückhaltung' oder 'Dämpfung' hier nicht zu ersehen, geschweige denn eine Reflexion der Figuren über ihr Handeln zu erkennen ist. Dies könnte als Ausdruck eines tiefen Skeptizismus des Autors bewertet werden, hinsichtlich der Möglichkeit, die spätmittelalterliche Gesellschaft zu zivilisieren, da Wittenwiler eine zügellose Affektkultur beschreibt, die in permanente Gewaltausbrüche ausartet:

Wittenwiler entwirft ein Szenario dauernder und unkontrollierter Erregung, der Herrschaft der natürlichen Neigungen und des Begehrens, die jegliche Ordnungsentwürfe und Formen von Gesittung, Recht oder Moral durchbrechen. Dabei ist der Übergang von der Triebstruktur zur Gewalt fließend und auch Bertschis Werbung von Anfang an von Gewalt geprägt.215

Zieht man andere literarische Darstellungen der Gewalt im Mittelalter zum Vergleich heran, so ist im Ring eine Wandlung der anthropologischen Gewaltstruktur zu erkennen. Gewalt spielt z.B. auch im Nibelungenlied eine zentrale Rolle, doch auch wenn das Gemetzel an Etzels Hof die Zerstörung jeglicher höfischen Kultur bedeutet, so diente der Text der Lobpreisung von ere und triuwe und erfüllte damit seinen Zweck. Ebenso rast und wütet Hug Schapler in einem regelrechten Rausch der Gewalt, aber er ist dazu gewissermaßen legitimiert, da er sich den Thron erkämpfen will. Gewalt wird in diesem Text als wichtigstes Prinzip der Gesellschaft gekennzeichnet. Sie ist Zentrum politischen Handelns, sie schafft und gefährdet die politische Ordnung, und nicht zuletzt wird durch sie Herrschaft erworben. Ihr Zweck ist diesem Text also eindeutig festgelegt. In der Geschichte von den vier Heymonskindern ist, wie im Ring, der schnelle Wechsel von Fest zu Gewalt ein markantes Merkmal. Auch hier ist auffällig, daß der Krieg unabwendbar scheint und das rasante Umschlagen von festlicher Gemeinsamkeit in Krieg und Gewalt als Selbstverständlichkeit inszeniert wird. Doch auch in diesem Text ist die 'Ehre' und Ehrverletzung' als eindeutiges Handlungsmotiv gegeben.216 Beide Texte, Die vier Heymonskinder und Der Ring, illustrieren, wie aus kleinsten Details immer wieder Kriege ausbrechen können. Dennoch sticht der Ring auch in diesem Vergleich hervor - zu klein erscheint das Detail der aufgekratzten Hand und zu lächerlich das angeblich verletzte Ehrgefühl der tölpeligen Bauern. Noch einmal ist zu betonen: Gründe oder Legitimationen für die Gewalt im Ring sind nicht erkennbar, weil sich die Gewalt völlig verselbständigt hat. Eine anthropologische Herangehensweise an den Text steht somit vor der Feststellung, daß sich im Vergleich zu anderen mittelalterlichen Texten der Themenkomplex 'Gewalt' im Ring verändert darstellt. Wenn Wandlungen anthropologischer Strukturen als Indiz historisch tiefgreifender Veränderungen angesehen werden können,217 so ergeben sich neue Bewertungsmöglichkeiten des Textes.

Wittenwilers Text als 'Medium der Konfliktbewältigung' und 'Indikator krisenhafter Entwicklungen' im neuzeitlichen Sinne zu sehen, ist eine relativ junge Betrachtungsweise, die mehreren spätmittelalterlichen Texten von der neueren Forschung zuteil wird.218 Genau in diesem Kontext ist die veränderte Funktionsbestimmung des Rings zu sehen. Er muß nicht mehr nur als didaktischer Text gelten, er kann auch als literarischer Ausdruck einer gesellschaftlichen Krise gelesen werden, die sich in der permanenten Gewaltbereitschaft der Menschen äußert, was wiederum nur durch die Inszenierung von Lachen ertragen und legitimiert werden kann. Dabei läßt der Text durchaus anthropologische Abgründe von Gewalt erkennen, doch zeigt er sie mit literarischen Bildern219 und noch nicht wissenschaftlich-theoretisch formuliert, wie etwa bei Sofsky:

Trotz aller sittlichen Anstrengungen, trotz aller Bemühungen, die Brutalität zu zähmen - das Böse ist unvergänglich. Die primitivsten Schichten der Seele sind das wahrhaft Unsterbliche.220

Wittenwilers Ring, so Röcke, würde keine Perspektive anbieten, sondern verharre in Resignation. Zwar wäre er auf die Aufhebung der mittelalterlichen Lehrsysteme angelegt, doch liefere er keine Alternative.221 Die Frage ist, ob ein literarischer Text das überhaupt muß, geschweige denn kann. Die angebotene Lösung, anstelle einer Perspektive, ist Lachen. Für Bachorski wiederum stellt sich der Ring als Dekonstruktion der Welt dar. Dabei deutet er die aggressive Dimension des Textes als radikale Form des Umgangs mit seiner außertextuellen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit, so Bachorski, wäre gekennzeichnet durch wenig Autorität und Moral und durch ein Bewußtsein, daß darauf verzichten würde, ordnend oder sinnstiftend zu sein.222 Der dekonstruktive Charakter des Textes ist wohl gegeben, aber es ist zu ergänzen, daß die Besonderheit der Dekonstruktion in ihrem gewalttätigen Charakter liegt. Es ist das außerordentliche Merkmal des im Text erkennbaren Krisenbewußtseins, daß die Krise ein enormes Gewaltpotential involviert. Die rekursive Negation im Text ist nicht nur simple Verneinung jeglicher Normen, sondern äußerst aggressive Negierung aller bisherigen Zuverlässigkeiten. Die 'Komisierung' dieser Aufhebung, so erneut Bachorski, bewege sich, trotz aller Modernität des Textes, in traditionellen erzählerischen Bahnen; das Verlachen von Autoritäten und Normen schließe an die mittelalterliche Lachkultur an.223 Auch dies ist in der vorliegenden Arbeit bestätigt worden - Wittenwiler nutzt, die im Mittelalter weit verbreiteten, parodistischen, grotesken und karnevalesken Lachstrategien. Doch ist auch versucht worden, zu betonen, daß die Komisierung über die Thematisierung von Gewalt erfolgt, deren Besonderheit zudem in ihrer zweckfreien Inszenierung liegt. Der Erzähler des Rings provoziert Lachen über Gewalt in einem Text, der sich herkömmlichen Darstellungen von Gewalt entzieht, wobei die Gewalt in keinem mittelalterlichen Funktionszusammenhang steht. Von herkömm- licher Komisierung kann also, trotz traditioneller Verfahren, keine Rede sein - über anscheinend motivationslose Gewalt, Lachen zu inszenieren, ist eher als 'modern' zu bezeichnen.224

Die zweckfreie komische Inszenierung der Gewalt ist im Mittelalter ebenso neu wie der destruktive Charakter eines Textes. Bachorski betont, daß der Ring seine ganze Energie auf die Zerstörung überkommener Gewißheiten verwenden würde und resümiert: der destruktive Charakter des Rings möge bisweilen auch schon reichen, um seine Außerordentlichkeit zu zeigen.225 Nicht nur stellenweise, sondern als Gesamtwerk ist der Ring ein außergewöhnlicher, literarischer Text. Er erinnert in seiner konstanten Verweigerung von Sinnstiftung an die mittlerweile anerkannte Auffassung, daß Antworten und Konzepte auf gesellschaftliche Krisenphänomene von der Kunst nicht gegeben werden müssen und ist somit als mittelalterlicher Text äußerst 'modern' konzipiert. Wittenwilers Text kann in dem Sinne durchaus mit dem Pessimismus und der Komik des künstlerischen Konzepts von Samuel Beckett vergleichbar:

Was er [S. Beckett] vorführt ist furchtbar. Weil es furchtbar ist, ist es komisch. Er zeigt, es gibt keinen Ausweg, und das ist natürlich irritierend, weil es tatsächlich keinen Ausweg gibt. (Peter Brook)226 Auch was Wittenwiler vorführt, ist teilweise furchtbar, auch s e i n Text ist komisch, auch e r bietet keinen anderen Ausweg als eben den des Lachens. Bertschis Rückzug in den Schwarzwald ist durch die völlig lakonische Erzählweise eher ironisch konnotiert, als daß er einer ernstgemeinten Schlußaussage gleichkäme:

' [...] Wer heut lebt, der stirbet morn!

Wie schier ein man auch hat verlorn

Alles, das er ie gewan!'

[...]

Also fuor er hin so bald

Enmitten in den Schwartzwald.

Da verdienet der vil gw ä r

In gantzer andacht an gev ä r

Nach disem laid das ewig leben. (vv. 9684-9696)

Der Prozeß der Zivilisierung ist vonstatten gegangen, Triebe wurden reglementiert, die höfische von der bürgerlichen Gesellschaft abgelöst, doch die Fähigkeit der Menschen zu Gewalt, die Befürwortung von Krieg und Verbrechen sind noch heute aktuell, was sich im Verlauf der Geschichte bis heute bestätigte. Zwar kann der Einzelne im Krieg seiner Lust nicht mehr unmittelbar Spielraum geben - Angriffslust und Affektentladung haben in der zivilisierten Gesellschaft eine strenge Regelung erfahren - doch in "verfeinerter, rationali- sierter Form"227 haben diese Affekte auch heute ihren legitimen, wenn auch genau umgrenzten Platz.

Der Mensch wird mit dem Gewaltpotential seiner eigenen Gattung nicht fertig und, der Leser ist dankbar dafür, darüber lachen zu können und zu dürfen. Der Ring bietet dazu die Möglichkeit. Er ist ein komischer Roman, der sich die Gewalt als 'Lachobjekt' auserkoren hat. Die Komisierung der Gewaltstruktur der Gesellschaft und des menschlichen Phänomens, Lust an Gewalt zu finden, ist die Besonderheit des Wittenwilerschen Rings. Der souveräne Einsatz von Sprache, Intertextualität und literarischen Verfahren des Lachens macht ihn zu einem einmaligen Text des späten Mittelalters. Das "Traktat" von W. Sofsky ist in seiner Radikalität politisch unbrauchbar, doch persönlicher Pessimismus und Resignation sind mittlerweile anerkannte Diskurse in der Wissenschaft. Auch der Ring mag für gesellschaftsrelevante Zwecke als untauglich gelten - aber er ist ein zweckfreier Text und in seiner Verschränkung von Gewalt und Lachen ein künstlerisches Meisterwerk.

LITERATURVERZEICHNIS

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[...]


1 Der Ring wird hier zitiert nach der Ausgabe: Heinrich Wittenwiler: Der Ring. Nach dem Text von Edmund Wießner ins Neuhochdeutsche übersetzt und herausgegeben von Horst Brunner. Stuttgart 1991

2 Wehrli, Max: Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter. Stuttgart 1980, S. 724

3 ebd., S. 724

4 Ruh, Kurt: Ein Laiendoktrinal in Unterhaltung gepackt. Wittenwilers Ring. In: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformzeit. Hrsg. von Ludger Grenzmann und Karl Stackmann. Stuttgart 1984. (Germanistische Symposien. Berichtbände. 5), S. 344-354

5 Wießner, Edmund: Kommentar zur Heinrich Wittenwilers 'Ring'. Leipzig 1936

6 Bachorski, Hans-Jürgen: Irrsinn und Kolportage. Studien zum Ring, zum Lalebuch und zur Geschichtsklitterung. Habil.schrift (masch.) Bayreuth 1992

7 Röcke, Werner: Das Lachen, die Schrift und die Gewalt. Zur Literarisierung didaktischen Schreibens in Wittenwilers Ring. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. 1993, S. 265

8 Röcke 1993, S. 265

9 Bachorski 1992, S. 112

10 Wießner, Edmund (Hrsg.): Heinrich Wittenwilers Ring. Leipzig 1931, S. 6

11 Röcke, Werner: Gewalt kommt über uns. In: Jeismann, Michael (Hrsg.): Das 14. Jahrhundert. Bremen 1999, S. 26-33

12 Röcke, Werner: Historische Anthropologie. Editorial. In: Zeitschrift für Pädagogik. VIII-2/1998, S. 261

13 Müller, Jan-Dirk: Volksbuch / Prosaroman im 15./16. Jh. - Perspektiven der Forschung. In: IASL Sonderheft 1. Tübingen 1985, 1-128. Zitiert nach: Bachorski 1992, S. 67

14 ebd.

15 vgl. Riha, Ortrun: Die Forschung zu Heinrich Wittenwilers Ring 1851-1988. Würzburg 1990, S. 223

16 Dinzelbacher, Peter: Einleitung. In: Dinzelbacher, Peter: Angst im Mittelalter. Paderborn 1996, S. 14

17 Schon aus dem 13. Jahrhundert sind stumpfe Turnierschwerter und das Verbot des Speers bekannt. Siehe dazu: Gamber, Ortwin: Ritterspiele und Turnierrüstung im Spätmittelalter. In: Fleckenstein, Josef (Hrsg.): Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Beiträge zu einer vergleichenden Formen- und Verhaltensgeschichte des Rittertums. Göttingen 1985, S. 517

18 ebd., S.14

19 Röcke, Werner: Bilder vom Bauern, vom Untergang und vom glücklichen Landleben. Zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in Johann Fischarts 'Fürtreffliches artliches Lob / deß Landluses / Mayersmut und lustigen Feldbaumans leben' und in Heinrich Wittenwilers 'Ring'. In: Wenzel, Horst (Hrsg.): Typus und Individualität im Mittelalter. München 1983, S. 103-123

20 ebd.

21 Dinzelbacher 1996, S. 12

22 ebd., S. 15

23 Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation. Amsterdam 1997, Bd. I, S. 357ff

24 ebd., S. 358

25 ebd., S. 361

26 ebd.

27 Müller, Maria E.: Liminale Ästhetik. Versuch über Heinrich Wittenwilers Ring. In: Jahrbuch-der- Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft. Frankfurt/M. 1994/95, 8, S. 227

28 ebd.

29 Bachorski 1992, S. 77

30 ebd.

31 ebd., S. 78

32 Fleckenstein, Josef: Einleitung. In: Fleckenstein 1985, S. 14

33 ebd.

34 Röcke 1993, S. 266

35 ebd., S. 265

36 ebd.

37 Auf den komischen Effekt dieser Textstellen soll im 3. Kapitel näher eingegangen werden.

38 Röcke 1993, S. 267

39 Wießner, Edmund: Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers "Ring". Bern 1970, S. 128

40 Bachorski 1992, Anmerkung 236

41 Für Röcke wiederum stellen sich diese Briefe auch nur als "Sublimierung der Gewalt" dar. In: Röcke 1993, S. 275. Näheres dazu im 5. Kapitel.

42 Haug, Walter: Von der Idealität des arthurischen Festes zur apokalyptischen Orgie in Wittenwilers Ring. In: Haug, Walter/Warning, Rainer (Hrsg.): Das Fest. München 1989. (Poetik und Hermeneutik. 14.), S. 177

43 Die Beschreibung des Hochzeitsmahl erinnert an die noch heute geläufige Redewendung von der 'Schlacht am kalten Bufett'.

44 vgl. Girard, Rene: Das Heilige und die Gewalt. Frankfurt/M. 1992 (insbesondere Kapitel VI Vom mimetischen Wunsch zum monströsen Doppelgänger.) Es ist nach Girard das mimetische Verhalten der Menschen, das aus jeder individuellen Begierde sogleich Rivalität und Gewalt erwachsen läßt. Näheres dazu in der Zusammenfassung.

45 Kopanski, Franz: ...SAM SÄW ZUM NOSCH. Anmerkungen zum Hochzeitsmahl in Heinrich Wittenwilers 'Ring'. In: Amsterdamer Beiträge zur Älteren Germanistik. 41/1995, S. 190

46 vgl.ebd., S. 189

47 vgl. Riha 1990

48 Bereits Augustinus geht von einer Doppelnatur des Menschen aus einer göttlichen und tierischen Natur aus, was ihn zu der Frage führte, ob der Mensch zur Nicht-Sünde überhaupt in der Lage sei. Thomas von Aquin beharrt später auf der Möglichkeit, daß die Geistigkeit des Menschen, seine Triebhaftigkeit bezwinge. Im Ring wird das Gebot der Vernunft und moralische Existenz durch die zitierten Lehren angedeutet, doch auch diese sind in sich nicht schlüssig und werden von der Triebverfallenheit übertrumpft. vgl. Röcke, Werner: Schälke - Schelme - Narren. Literaturgeschichte des "Eigensinns" und populäre Kultur in der frühen Zeit. In: Buschinger, Danielle/Spiewok, Wolfgang (Hrsg.): Schelme und Narren in den Literaturen des Mittelalters. (Greifswalder Beiträge zum Mittelalter. Serie 3, Tagungsbände und Sammelschriften, Band 16.) Greifswald 1994, S. 132ff

49 vgl. Elias 1997, Bd. I, S. 167ff

50 Haug 1989, S. 171

51 Es soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, daß schon einmal durch der minne gluot Blut floß. (v. 1326f.). Interpretiert man blutende Körperteile als einen Ausdruck von Gewalt, so ergibt sich für die Erzähllogik ein wechselseitiger Bezug von minne gluot und zerstörerischer Gewalt, welcher für den Text konstitutiv ist.

52 vgl. Schröter, Michael: Zur Intimisierung der Hochzeitsnacht im 16. Jahrhundert. Eine zivilisationstheoretische Studie. In: Bachorski, Jürgen (Hrsg.): Ordnung und Lust. Trier 1991, S. 361

53 Ehrismann, Otfrid: Ehre und Mut, Aventiure und Minne. Höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter. München 1995, S. 66

54 Bachorski 1992, S. 135

55 vgl. Röcke 1993, S. 267

56 vgl. ebd.

57 Röcke 1983, S.112

58 vgl. Ruh 1984, S. 348

59 vgl. Riha 1990

60 Marquard, Odo: Exile der Heiterkeit. In: Preisendanz, Wolfgang/Warning, Rainer (Hrsg.): Das Komische. Poetik und Hermeneutik. München 1976, Bd. 7, S. 143

61 vgl. Haug, Walter: Schwarzes Lachen: Überlegungen zum Lachen an der Grenze zwischen dem Komischen und dem Makabren. In: Fietz, Lothar u.a. (Hrsg.): Semiotik, Rhetorik und Soziologie des Lachens. Tübingen 1996, S. 50

62 vgl. Röcke, Werner: Schwanksammlung und Schwankroman. In: Bennewitz, Ingrid/Müller, Ulrich (Hrsg.): Von der Handschrift zum Buchdruck. Spätmittelalter. Reformation. Humanismus. 1320-1572., Reinbek bei Hamburg 1991, S. 180-196

63 vgl. Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. München 1969

64 Kröll, Katrin: Die Komik des grotesken Körpers in der christlichen Bildkunst des Mittelalters. In: Kröll, Katrin (Hrsg.): Mein ganzer Körper ist Gesicht. Freiburg 1994, S. 16

65 ebd.

66 Lehmann, Paul: Die Parodie im Mittelalter. Stuttgart 1963, S. 3

67 vgl. Röcke, Werner: Lizenzen des Witzes: Institutionen und Funktionsweisen der Fazetie im Spätmittelalter. In: Röcke, Werner/Neumann, Helga (Hrsg.): Komische Gegenwelten. Lachen und Literatur im Mittelalter und Früher Neuzeit. Paderborn 1999, S. 79

68 vgl. Röcke, Werner: Über die Lust am Unsinn. 'Tendenziöser Witz' und Infantilismus im komischen Roman des Spätmittelalters, insbesondere im 'Lalebuch' von 1597. In: Kühnel, J./Mück, H. O./Müller,U. (Hrsg.): Psychologie in der Mediävistik. Gesammelte Beiträge des Steinheimer Symposions (= GAG Nr. 431). Göppingen 1985, S. 302f.

69 vgl. Jauss, Hans Robert: Über den Grund des Vergnügens am Komischen Helden. In: Preisendanz 1976, S. 104f.

70 ebd., S. 107

71 Röcke 1993, S. 274

72 Bachtin 1969, S. 54

73 Bachorski 1992, S. 169

74 vgl. Ruh 1984

75 vgl. Bachtin 1969, S. 32

76 Blank, Walter: Zur Entstehung des Grotesken. In: Harms, Wolfgang/Johnson, L. Peter (Hrsg.): Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Berlin 1975, S. 36f.

77 Bachtin 1969, S. 15

78 vgl. Sofsky, Wolfgang: Traktat über die Gewalt. Frankfurt/M. 1996, S. 224

79 vgl. Kröll 1994, S. 64f.

80 vgl. Röcke 1993, S.2 72

81 Bachtin 1969, S. 16f.

82 Bachorski 1992, S. 109

83 vgl. Jauss, Hans Robert: Die Klassische und die Christliche Rechtfertigung des Häßlichen in Mittelalterlicher Literatur. In: Jauss, Hans Robert (Hrsg.): Die nicht mehr schönen Künste. München 1968(= Poetik und Hermeneutik Bd. 3), S. 154

84 ebd., S. 154f.

85 Röcke 1993, S. 273

86 vgl. Blank 1975, S. 45

87 ebd.

88 Jauss, Hans Robert: Über den Grund des Vergnügens am komischen Helden. In: Preisendanz 1976, S. 107

89 Sein ironisches Fazit 'Wer heut lebt, der stirbet morn!' (v. 9684) leistet dabei einen nicht unerheblichen Beitrag.

90 Bachtin 1969, S. 33

91 Dazu Wolfgang Sofskys Traktatüber die Gewalt, das den Menschen als gewaltdisponiertes Gattungswesen charakterisiert: "Jeder kann dem anderen gefährlich werden, weil der menschliche Körper eine potentielle Waffe ist. [...] Der Körper dient als Werkzeug der Gewalt.", S. 30f.

92 Siehe dazu auch: Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1885, Bd. 6, S.18ff

93 Plessner, Helmut: Philosophische Anthropologie. Lachen und Weinen. Das Lächeln. Anthropologie der Sinne. Frankfurt/M. 1970, S. 96

94 ebd., S.98

95 ebd., S. 99

96 Marquard, Odo: Exile der Heiterkeit. In: Preisendanz 1976, S. 143. Marquard bezieht sich bei seiner Analyse jenes Ohnmachtgefühls auf Plessner. Er unterscheidet sich aber von ihm in seiner Herangehens- weise. Während Plessner 'Lachen' über den Menschen und sein Verhältnis zum Körper zu erklären sucht, benutzt Marquard dafür ein sozial-geschichtliches Bezugssystem. (vgl. Anm. 60) Siehe hierzu auch Haug, der Marquards Formel als "unzureichend" bezeichnet. Die Prämisse dieser Definition wäre, die Bereitschaft, den Widerspruch komisch zu nehmen, denn "ein offiziell geltendes Gesetz z.B., das sich als untauglich und somit als nichtig erweist, braucht nicht zwingend einen komischen Effekt zu haben, es kann auch Empörung auslösen und zur Aktion, zur Abschaffung drängen". In: Haug 1996, S. 49f.

97 Bachtin 1969, S. 35f.

98 vgl. Röcke 1993, S. 264

99 Daß es sich beim Ring um keinen eindeutig didaktischen Text handelt, wird im 4. Kapitel näher erläutert.

100 Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Herausgegeben von Rolf Toma. Köln 1994, S. 127

101 Siehe dazu das Grimmsche Wörterbuch (Anm. 92), daß 'Lachen' unter Punkt 4 im Sinne 'höhnend','verachtend', 'verspottend' anführt. (S.18ff)

102 vgl. Röcke 1985, S. 301

103 vgl. Bachtin 1969, S. 32

104 vgl. Bachtin 1969

105 vgl. Riha 1990, S. 193ff

106 Ruh 1984, S. 350

107 Rocher, Daniel: Rabelais, Wittenwiler und die humanistische Anschauung des Kriegs. In: Janota, Johannes u.a. (Hrsg.): Festschrift. Walter Haug und Burghart Wachinger. Tübingen 1992, Bd. II, S. 647

108 Bachtin 1969, S. 51

109 ebd., S. 54

110 Frau Jütze (vv. 1214ff und 6230ff), Pentza Trinkavil und Jächil Grabinsgaden (vv. 694f. und 5849ff bzw. 6382)

111 Ich übernehme Bachorskis Begriffsverständnis vom 'karnevalesken', der, mit Bezug auf Bachtin, damit das Verfahren der Verkehrung und Entgrenzung und die textliche, ideologisch-ästhetischen Struktur analog zur Karneval-Feststruktur meint. vgl. Bachorski 1992, S. 103

112 ebd., S. 103

113 Bachtin 1969, S. 40

114 Siehe dazu: 4. Kapitel 'Didaxe, Komik und Gewalt'

115 Bachtin 1969, S. 42

116 ebd.

117 Grimm 1885, S. 18

118 Plessner 1970

119 ebd., S. 149

120 ebd., S. 150

121 ebd.

122 Bachorski, Hans-Jürgen: Der Ring: Dialogisierung, Entdifferenzierung, Karnevalisierung. In: Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft. 8/1994-95, S. 245

123 vgl. Ruh 1984

124 vgl. Brunner, Horst: Nachwort. In: Wittenwiler, Heinrich: Der Ring. Hrsg. von Horst Brunner. Stuttgart 1991

125 vgl. Riha 1990, S. 211ff

126 vgl. Bachorski 1992

127 Röcke 1993, S. 262

128 Bachtin, Michail: Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. von Rainer Grübel. Frankfurt/Main 1979, S. 229

129 ebd., S. 229f.

130 vgl. Wießner 1970, S. 117f.

131 Bachorski, Hans-Jürgen: Das System der Negationen in Heinrich Wittenwilers Ring. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 80 (1988), S. 280

132 Chrippenchras Minnebrief ist als Entwurf eines religiös positivierten Frauen- und Ehebildes in Analogie zur Gottesmutter Maria zu sehen.

133 Bachorski 1992, S. 139

134 vgl. Kopanski 1995, S. 192

135 Röcke, Werner: Die Freude am Bösen. Studien zu einer Poetik des deutschen Schwankromans im Spätmittelalter (FoGÄDL 6). München 1987, S. 24

136 Schmid, Elisabeth: Leben und Lehre im Ring. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. 4. 1986/1987, S. 291

137 Kopanski 1995, S. 193

138 Schmid 1986/87, S. 274

139 ebd., S. 275

140 ebd.

141 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich zum großen Teil auf den Aufsatz von E. Schmid (siehe Anm.136).

142 vgl. ebd., S. 282f.

143 ebd., S. 285

144 Bachorski 1992, S. 134

145 vgl. ebd., S. 136

146 ebd.

147 vgl. Bachorski 1992, S. 135f.

148 ebd., S. 166

149 Lachmann, Renate: Vorwort. In: Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Hrsg. von Renate Lachmann. Frankfurt 1987, S. 8 und 24ff

150 E. Lutz verweist z.B. darauf, daß die Komik der "Stabilisierung der neuen Gemeinschaft zwischen Alten Geschlechtern und zugewandten Zünftlern" diene. In: Röcke 1993, S. 261

151 Bachorski 1992, S. 377

152 Röcke 1994, S. 137

153 ebd.

154 ebd.

155 Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg 1853. (Hrsg. von Wolfhart Henckmann.Darmstadt 1973), S. 235

156 vgl. ebd., S. 246

157 Siehe dazu Bachtin 1969, S. 16, der darauf verweist, daß Mund und Nase wesentliche Körperteile des grotesken Körpers sind wobei die Nase den Phallus vertritt. Die Obszönität dieser Textstelle ist also im Namen zu finden.

158 'Der tiefel müess sein phlegen, / Miss ich im nit einen stich, / Daz er werd gagent untersich!' (vv. 452ff), 'So, sau, so, sau, so, du, so?' (v. 5621), 'Daz ich dein muoter clei! [...]' (v. 8972) u.a.

159 'Er müess dertrinken in dem kat' (v. 1274), Sei hieten sich vil nach beschissen / Von rechter forcht, die si do hieten (v. 623f.) u.a.

160 Haug 1989, S. 176

161 'Sim so, du hüerr, sim so, du, so? / Wänst, es seigin hodenschleg? / Daz din derübel tiefel phleg!' (vv. 1153ff), 'Ir teuscherin!' (v. 1323), 'Da sitz und scheiss! / Der ars ist dir ze dik und feiss.' (vv. 1546f.) u.a.

162 vgl. Stempel, Wolf-Dieter: Mittelalterliche Obszönität als literaturästhetisches Problem. In: Jauss 1968,S. 191 und 195

163 Der minne feur sich also mert, / Daz sei [Mätzli] dem gsellen ward so hold / Und hölder dann dem liechten gold. (vv. 1615ff), Die minn die war seu reiten / Also ser, daz seu vergassen / was seu trunken oder assen.(vv. 1621f.) u.a.

164 vgl. Hochzeitstanz (vv. 6187-6445)

165 vgl. Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Leipzig 1985, S. 181

166 ebd., S. 78

167 ebd. Beide Witzarten faßt Freud unter dem Begriff des "tendenziösen Witzes" zusammen.

168 ebd., S. 81

169 Jauss 1976, S. 104

170 vgl. Bachtin 1987

171 vgl. Stempel l968, S. 193

172 Bachorski 1992, S. 171

173 Ich benutze die Namenszusammenstellung von Bachorski 1992, 167ff

174 ebd., S. 167

175 vgl. Röcke 1993, S. 275

176 ebd., S. 279

177 Es ist Ausgangsthese der nachfolgenden Ausführungen, daß der Sexualtrieb der Figuren im Ring wesentliches Moment der Gewaltstruktur des Textes ist, d.h. gewalttätiges Handeln oftmals Folge sexuellen Begehrens ist.

178 Röcke 1993, S. 277

179 ebd.

180 ebd.

181 Gleichermaßen läßt sich die gesamte intertextuelle Konstruktion des Textes als bändigendes Mittel der Gewalt interpretieren.

182 Wießner 1931, S. 13

183 vgl. Bachorski 1992, S. 150

184 vgl. Wießner 1936, S. 49

185 ebd., S. 81

186 vgl. ebd., S. 19

187 Zu nennen wären neben dem Ring z.B. das Lalebuch oder Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel.

188 Bachorski 1992, S. 50

189 An dieser Stelle ist erneut Marquards anerkannte Definition vom Komischen heranzuziehen (vgl. Anm. 86). Der 'nichtige' Kriegsanlaß im Ring macht in diesem speziellen Fall, das offiziell Geltende erkennbar, nämlich die Tatsache, daß Kriege zuweilen aus kleinsten Details heraus entstehen.

190 Röcke 1993, S. 264

191 "Das Gesetz ist in den Menschen, weil es evident vernünftig ist, seine Vernünftigkeit aber liegt in seiner Bezogenheit auf das Ziel des allgemeinen Glücks, eigentlich also in der Ordnung, durch die die Triebe der einzelnen unvollkommenen Individuen auf eine vollkommene Gesamtheit bezogen und dadurch mit sich übereinstimmend gemacht werden... Es ist der Sinn der ganzen thomistischen Trieb-, Sünden- und Gnadenlehre, daß die Ordnung der Triebe auf jenes oberste Ziel, in dem sie allein mit sich übereinstimmen können, von der Einheit in dieses oberste Gute bedingt ist" Zitiert nach: ebd., S. 281

192 ebd., S. 265

193 ebd.

194 vgl. ebd.

195 Sofsky 1996 (siehe Anm. 78)

196 Siehe hierzu Norbert Elias, der auf die inner-gesellschaftlichen Spannungen verweist, die die Herausbildung eines "dritten Standes" im Spätmittelalter bewirkten und welche von feindseligen Auseinandersetzungen geprägt waren. In: Elias 1997, Bd. 1, S. 263f.

197 vgl. Sofsky 1996, S. 214

198 ebd., S. 142f.

199 vgl. ebd., S. 138

200 ebd., S. 139

201 ebd., S. 224

202 Des nam do Chrimbolt eben war / Und fasst daz ai so gantz und gar; / Er warff es ieso in den mund / Und schlikt es ein in einer stund. / Des wär er gstorben an der zeit: / Do was im der schlund so weit, / Daz das ai im durch den kragen / Gäntzleich fuor bis in den magen; / Des sprach er: 'Hie, wie guot, wie guot! / Nu ist mein tail vor euch behuot.' (vv. 6063ff)

203 Erst ist das Kraut Objekt der Begierde (vv. 5711-5804), dann der Most (vv. 58445870), später der Fisch (vv. 5871-5945) und schließlich vier Eier (vv. 6018-6370).

204 Girard 1992 (siehe Anm. 44)

205 vgl. ebd., S. 11

206 ebd., S. 214

207 Siehe dazu Kapitel VI "Vom mimetischen Wunsch zum monströsen Doppelgänger" in: Girard 1992

208 vgl. ebd., S. 218

209 Bachorski 1992, S. 115

210 vgl. Peters, Ursula: Historische Anthropologie und mittelalterliche Literatur. In: Janota 1992, S. 64

211 ebd., S. 86

212 Lepenies, Wolf: Probleme einer historischen Anthropologie. In: Rürup, Reinhard (Hrsg.): Historische Sozialwissenschaft. Göttingen 1977, S. 131

213 Elias 1997 (siehe Anm. 23)

214 vgl. ebd., S. 143

215 Röcke 1993, S. 265

216 Kaiser Karl I. erschlägt während des Festes einen Abgesandten der Heymonssippe und diese schlägt aus verletztem Ehrgefühl als Sippe zurück, woraus ein großer Krieg entsteht.

217 vgl. Lepenies 1977, S. 138

218 vgl. Peters, Ursula: Mittelalterliche Literatur - ein Krisenphänomen'? Überlegungen zu einem funktionsgeschichtlichen Deutungsmuster. In: Poag, James F. / Fox, Thomas C. (Hrsg.): Entzauberung der Welt. Tübingen 1989

219 Das Bild vom 'wilden man' ist wohl als die eindringlichste Wiedergabe dieser Abgründe zu interpretieren. In seiner Figur verdoppelt sich gewissermaßen die Gewalt, indem sie Gewalt ausübt als auch erfährt.

220 Sofsky 1996, S. 225

221 vgl. Röcke 1993, S. 282

222 vgl. Bachorski 1992, S. 176ff

223 vgl. ebd., S. 178

224 International anerkannte Filme wie Pulp Fiction oder True Lies hatten in den neunziger Jahren enormen Erfolg und beeinflußten die Filmindustrie entscheidend. In den hochgradig gewalttätigen, aber gleichzeitig extrem komischen Filmszenen ist die Gewalt völlig hemmungslos inszeniert worden.

225 vgl. Bachorski 1992, S. 180

226 Zitiert in: Birkenhauer, Klaus: Beckett. Reinbek bei Hamburg 1971, S. 167

227 Elias 1997, S. 372f. Elias spielt hier an auf Sportwettkämpfe wie z.B. Boxen, auf Film und Fernsehen etc. Das Ausleben von aggressiven Affekten im Zusehen und Zuhören ist für ihn eincharakteristischer Zug der zivilisierten Gesellschaft.

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Lachen und Gewalt in Heinrich Wittenwilers Ring
Autor
Jahr
2000
Seiten
90
Katalognummer
V107277
ISBN (eBook)
9783640055500
Dateigröße
738 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lachen, Gewalt, Heinrich, Wittenwilers, Ring
Arbeit zitieren
Katja Grossmann (Autor:in), 2000, Lachen und Gewalt in Heinrich Wittenwilers Ring, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107277

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