Die Bedeutung der Industrie in der Wirtschaft - Österreich - Ungarn ( 1867 - 1914)


Ausarbeitung, 2002

10 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Die Bedeutung der Industrie in der Wirtschaft Österreich - Ungarn ( 1867 - 1914)

Um die wirtschaftliche Situation der damaligen Zeit zu verstehen ist es notwendig nicht nur die Vorgänge in Österreich Ungarn zu kennen, sondern auch die anderen Ereignisse der wichtigsten Staaten Mitteleuropas zu erwähnen. Weiters ist es auch wichtig, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik in dieser oft von Kriegen und Unruhen durchwachsenen Zeit zu kennen.

Am Anfang meiner Arbeit will ich einen kurzen Überblick über die Geschehnisse in diesen Jahren zeigen.

1867 Die Krise der Donaumonarchie: Das durch die Niederlage im Deutschen Krieg gegen Preußen geschwächte Österreich mußte den Autonomiebestrebungen der Ungarn nachgeben. Österreich wird zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn erklärt. Die Ungarn forderten den Ausgleich, der über 10 Jahre geschlossen wurde. Er beinhaltete die Vereinbarung über Handels-, Steuer-, Währungs- und Verkehrsfragen. Ebenso die Zolleinnahmen und Beiträge zur Deckung der gemeinsamen Ausgaben ( Österreich trug ca. 70 % ).

Ebenfalls wurde in diesem Jahr Kaiser Franz Joseph I. zum König von Ungarn gekrönt. Er hielt mit Militär und Bürokratie den Vielvölkerstaat zusammen, setzte aber keine Reformen durch.

Die Dezemberverfassung mit Verordnungsrecht der Regierung trat nach Auflösung des Reichsrates in Kraft.

Ebenfalls in diesem Jahr wurde die gesamtpolitische Gleichberechtigung der Nationalitäten garantiert. Dieses setzte aber die komplizierte Lösung der Nationaliätenfrage voraus. In der österreichischen Reichshälfte gelang dies von Anfang an nicht.

1868 Innenpolitisch geschlossener erschienen dagegen die Ungarn. Sie schafften eine scheinbare Bewältigung der Nationalitätenpolitik mit Hilfe des Nationalitätengesetzes. Allerdings wurde es nicht wirklich in die Tat umgesetzt. Das Problem hier war die verhängnisvolle Nationalitätenpolitik, d.h. die Magyarisierung.

1879 Ein innenpolitischer Kurswechsel, der das Ende der liberalen Ära bedeutete, vollzog sich mit der Regierungsübernahme in Ungarn durch den Vertrauensmann des Kaisers, E. Graf Taaffe.

1882 Herabsetzung des Wahlzensus durch Graf Taaffe.

1893 Beim Versuch der Einführung eines allgemeinen Wahlrechts stürzte das Kabinett von Graf Taaffe.

1894 Kasimir Felix Graf Badeni wurde Ministerpräsident und Innenminister. Er verkannte die innenpolitischen Spannungen, vor allem den Widerstand der deutschen Partei gegen die Folgen der Wahlrechtsreform. Auch die von ihm eingeführte Sprachenverordnung verschaffte Badeni viele Gegner. Badenis Politik führte zu Parlaments - und Straßenkrawallen in Wien, Graz und Böhmen. Bis 1906 wurde ein Regieren mittels des Notstandsparagraphen erforderlich.

1897 Die Badenikrise spitzt sich zu und endet mit seinem Rücktritt. Karl Lueger wurde Bürgermeister von Wien.

1905 Die Unabhängigkeitspartei löste, nach 40järiger Reichstagsmehrheit ,die Liberalen ab. Die Krone verhinderte zwar eine ungarische Abkehr vom österreichischungarischen Ausgleich, scheiterte aber, als durch Übertragung des allgemeinen Wahlrechts auf Ungarn die nationalistische, adlig-großbürgerliche magyarische Führungsschicht abgelöst werden sollte.

1914 Das slawische Nationalitätenproblem auf dem Balkan eskalierte mit dem Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar in Sarajevo ( Jugoslawien ).

1914-18 Der Erste Weltkrieg endete mit dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie. Nachfolgestaaten waren Österreich, die Tschechoslowakei und Ungarn. Teile der ehemaligen Republik fielen an Italien, Polen, Rumänien und Serbien.

Nach der Niederlage bei Königgrätz hatte Österreich auch den Einfluß in den deutschen Gebieten eingebüßt, sodaß es nur noch eine Machtposition im europäischen Osten und Südosten ausüben konnte, was zu Spannungen mit Rußland führen mußte. Da jetzt eine Einigung mit Ungarn dringend nötig war, entschloß sich Franz Joseph, die Forderungen der Ungarn zu erfüllen. So wurde 1867 durch den Ausgleich mit Ungarn die ungarische Verfassung wiederhergestellt.

Der ungarische Reichstag übte die Gesetzgebung aus, die Verwaltung und die Regierung unter dem Ministerpräsidenten ANDRÁSSY. Das Heer, die Außenpolitik und die Finanzen blieben aber mit Österreich gemeinsam. Österreich und Ungarn waren also durch eine Personal- und eine Realunion verbunden. Neben dem gemeinsamen Herrscher gab es nun auch gemeinsame Ministerien für Äußeres, Kriegswesen und Finanzen. Die neue Bezeichnung für das Reich lautete österreichisch- ungarische Monarchie. Der Grenzfluß der beiden Reichshälften war die Leitha, weshalb der östliche Teil Cisleithanien und der westliche (ungarische) Teil Transleithanien genannt wurde. Gemeinsame Angelegenheiten wurden fortan nur noch als k. u. k. (kaiserlich und königlich) bezeichnet.

In der westlichen Reichshälfte wurde der Reichsrat, der wie bisher von den Ländern gewählt wurde, wieder reaktiviert. Das aktive Wahlrecht war an die jährliche Steuerleistung gebunden (Zensuswahlrecht). Die Regierung war wieder dem Parlament gegenüber verantwortlich. Durch das Abgeordnetenhaus kamen in der Verfassung vom Dezember 1867 eine Reihe wichtiger Staatsgrundgesetze zur Annahme: Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allgemeine Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter, Unverletzbarkeit des Eigentums, freier Wahl des Aufenthaltes und des Wohnsitzes, Freiheit der Person, Briefgeheimnis und das Vereins- und Versammlungsrecht. Diese Grundgesetze gelten in Österreich zum Teil sogar noch bis heute.

Damit war die konstitutionelle Monarchie, die nach den Prinzipien des Dualismus verwaltet wurde, gegründet. Ausgeschlossen von dem Ausgleich blieben aber die Slawen, die die Hälfte der Gesamtbevölkerung stellten. Sie waren deshalb unzufrieden und neigten zu panslawistischen Ideen, also zu einem Zusammenschluß der slawischen Völker unter der Führung Rußlands.

Die Bev ö lkerungsentwicklung

Österreich:

- Die nat ü rliche Bev ö lkerungsvermehrung: Die Wachstumsrate der Deutschen war geringer als die der übrigen Nationalitäten in der Monarchie. Sie war bis in die 60er Jahre des 19. Jhdt relativ groß, erreichte in den Jahrzehnten 1870 bis 1890 die niedrigsten Werte und nahm dann bis 1910 wieder zu. Von 1870 bis zum Jahrhundertwechsel kam es in der Gegend um Böhmen auch durchaus vor, daß ein negativer Geburtenüberschuß vorlag, das heißt, das die Sterbeziffer über der Geburtenziffer lag. Gründe dafür waren: niedrige Heiratszahlen, geringere eheliche Fruchtbarkeit, große Säuglings- und Kindersterblichkeit und eine geringere Lebenserwartung der erwachsenen Bevölkerung. Diese Erscheinungen hängen unweigerlich sowohl mit Niedergang der handwerklich bestimmten Haustextilindustrie und den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der neu entstehenden Fabriksindustrie zusammen, als auch mit der Frauen und Kinderarbeit und den unzumutbaren Ernährungs-, Wohnungs- und Sanitätsverhältnissen. Erst um die Jahrhundertwende wird der sozialen Frage mehr Aufmerksamkeit geschenkt, welche natürlich auch großen Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung hatte.
- Die Wanderbewegung war bei der deutschen Bevölkerungsgruppe eher eine Binnenwanderung als eine Auswanderung, welche wirtschaftliche Vorteile gewisser Landesteile als Gründe hatte. Der Teil mit der größten Anzahl an auswandernden Personen war Tirol mit einer Gesamtzahl von 19 000 Personen in den Jahren 1846 bis 1869. Die beliebtesten Ziele bei der Auswanderung waren Deutschland und Nordböhmen va Sachsen und Preußisch-Schlesien aufgrund der höheren Löhne. Ein beliebtes Ziel war - und diese Tendenz nahm stetig zu - die USA wohin ab 1903 ca. 6000 bis 8000 österreichische Deutsche abwanderten. Eine der Folgen dieser durch wirtschaftliche Umstände veranlaßten Wanderbewegung war die räumliche Konzentration der Bevölkerung, die sogenannte Verstädterung mit all ihren sozialen Nachteilen der Arbeiterbevölkerung, welche ohnehin zum Großteil bekannt ist.

¬ Ungarn:

Die Deutschen nahmen im transleithanischen Teil des Reiches nach den Magyaren und den Rumänen den drittgrößten Teil der Bevölkerung ein. In den Jahren 1880 bis 1910 sank der Anteil der deutschen Bevölkerungsgruppe ständig, obwohl die absolute Zahl stetig anstieg. Aber ab der Jahrhundertwende wurden auch die abs. Zahlen rückläufig.

- Die nat ü rliche Bev ö lkerungsvermehrung: Die Geburtenüberschußziffer ist annähernd zur restlichen Bevölkerung Ungarns gleich, wobei dies aber stetig abnimmt, da viele deutsche Familien mit der Zeit - egal ob im bürgerlichen oder bäuerlichen Stand - den Trend hin zu Ein- bzw. Zweikindersystem verfolgen.
- Die Wanderbewegung: Die Krise der ungarischen Landwirtschaft, ungünstige Besitzverteilung bzw. Bodenknappheit und soziale Diskriminierung, verbunden mit dem Bewußtsein von der Unabänderlichkeit dieser Zustände bestimmen schon ziemlich früh eine nicht geringe Zahl von Deutschen, ihre Heimat zu verlassen. Kann man in Ungarn zuerst eine Binnenwanderung erkennen, so ändert sich dies ab ca. 1880 zu einer regelrechten Auswanderung Richtung Slawonien. Dies wird dann zu einer regelrechten Massenauswanderung mit einer Gesamtzahl von 232 000 Deutschen, die zwischen 1899 und 1913 Ungarn verlassen. Der größte Teil davon sind aber nicht Industriebeschäftigte wie in der restlichen Bevölkerung Transleithaniens üblich, sondern hauptsächlich agrarische Arbeitskräfte. In Prozent ausgedrückt: Rund 17 Prozent Deutschen unter den Auswanderern steht ein Anteil von ca. 10 Prozent an der Gesamtbevölkerung gegenüber. Besonders dramatisch erscheint die zahlenmäßige Abnahme des Deutschtums in Budapest. Um die Mitte des 19. Jhdt besteht die einheimische Bevölkerung aus ca. 50 Prozent, wobei es aber 1880 nur noch 34 Prozent Deutscher in Budapest gibt. Ein weiterer Grund zur Abnahme der deutschen Bevölkerung im transleithanischen Teil neben der Abwanderung ist die Assimilierung. Ein Beispiel an der Sprache zeigt, daß im Jahre 1890 24,5 Prozent der Deutschen auch ungarisch sprechen so beläuft sich dies im Jahre 1910 trotz der Abnahme der Bevölkerung auf 38,3 Prozent.

2. Wirtschaft und Gesellschaft

¬ Österreich:

- Land- und Forstwirtschaft: Wie schon vorhin erwähnt, dominierte in weiten Bereichen des cisleithanischen Staatsgebietes noch immer die Land- und Forstwirtschaft, wenn auch nirgends mehr die vom agrarischen Bereich Lebenden mehr als die Hälfte aller Bewohner ausmachten. In einigen Bezirken aber, hier va in Nordböhmen betrug die Anzahl der Land- und Forstwirte nur noch um die 7 Prozent. Dies machten aber der Raum Wien und Niederösterreich wett, da dort noch mehr als 50 Prozent im Agrarbereich tätig waren, in Kärnten und der Steiermark sogar mehr als 80 Prozent. In den typischen Industriedörfern Böhmens besaßen die Fabriksarbeiter neben der starken Arbeit in der Industrie noch ein kleines Stück Land um ihr karges Haushaltsbudget zu entlasten.

Das landwirtschaftliche Hilfspersonal war hauptsächlich in den Alpenländern das sogenannte Gesinde, das in den Hofverband fest integriert war. Dieses Gesinde lebte in patriarchalischen Verhältnissen, ihre Lage war sicher nicht beneidenswert. Obwohl dieses System sicher im Rückgang war, muß gesagt werden, daß sich für die Knechte und Mägde die 1848 erfolgte Aufhebung des Untertanenverbands nicht bemerkbar machte. Sie blieben weiterhin in der hausväterlichen Gewalt des Hof- bzw. Gutsbesitzers unterstellt. Für sie gab es keine gesetzlich geregelte Arbeitszeit, keine Kranken- und Altenversicherung und nur einen beschränkten Unfallversicherungsschutz; die Belohnung war gering, selbst wenn man berücksichtigt, daß neben den Bargeldlohn Verköstigung und verschiedene Naturalien traten. In den böhmischen Ländern sowie in Kärnten dominierte die ,,freie" Lohnarbeit, das heißt, daß vorwiegend Taglöhner die Tätigkeiten auf den Höfen verrichteten. Eine weitere Beschränkung im Leben eines Knechts bzw. einer Magd war das Verehelichungsverbot. In Zahlen ausgedrückt: Noch 1900 waren in Kärnten von 47 609 sogenannten ,,landwirtschaftlichen Arbeitern" bloß 2 189 verheiratet, von 20 622 Tagelöhnern hingegen 4563. Von gewissen Einschränkungen abgesehen ging es vielen Hilfskräften, die in ertragreicheren Gebieten ihren Dienst versahen, wie zum Beispiel in Oberösterreich, auf dem Ernährungssektor wesentlich besser als den Industriearbeitern, Tagelöhnern und Kleinhäuslern. Deshalb stellt sich nun die Frage - wenn man als Vergleich dazu die sozialen Mißstände im Industriesektor aufgreift - weshalb dann das Gesindewesen trotzdem ausstarb. Die Antwort darauf ist klar, denn die Menschen wollten frei sein und deshalb war das patriarchalische System nicht mehr zeitgemäß.

- Gewerbe, Industrie und Handel:

Unter den Rohstoffen spielten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kohle und Eisen eine wichtige Rolle. Vor allem die Braunkohleförderung Cisleithaniens nahm seit der Jahrhundertmitte einen beachtlichen Aufschwung, woran die Erschließung der im deutschen Sprachgebiet liegenden nordwestböhmischen Braunkohlenvorkommen großen Anteil hatte. Um 1850 entfielen immerhin rund 55 Prozent der Braunkohlenförderung auf die Alpen- und Donauländer, wo bis dahin die Wirtschaft im Übrigen sehr stark auf Holz als Energieträger gerichtet war. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hat sich die Förderung in den Alpenländern verdreißigfacht, in den Ländern der böhmischen Krone aber verdreihundertfacht. Allerdings kam es gerade dort, also in Böhmen, zu einer massenhaften Zuwanderung tschechischer Arbeiter und ab der Jahrhundertwende als Folge sozialer Mißstände zu einer Abwanderung der Deutschen, was zu Folge hatte, daß der Bergbaubereich in Böhmen allmählich von den Tschechen dominiert wurde. Ähnlich stand es auch mit der Eisenindustrie in den böhmischen Ländern, nur die Steiermark und auch Kärnten blieben beim Eisenabbau Vorreiter. Wenn auch in Böhmen die Zahl der Deutschen, die in der Eisen- und Stahlindustrie beschäftigt waren, auch um fast2 /3 sank, so konnten sie ihre dominierende Position in der Eisenverarbeitung und in der Maschinenindustrie jedoch behaupten.

Das zahlenmäßige Schwergewicht lag bei der deutschen Industriebevölkerung bei den handwerklichen und kleingewerblichen Schichten, die während der zweiten Hälfte des 19. Jhdt weiter zunahmen. Wie bereits erwähnt war die schlechte soziale Situation der Arbeiter in der Industrie in Böhmen ein wichtiger Grund warum es dort zu einer Abwanderung kam. 1853 noch wurde die Zahl der Industriearbeiter Cisleithaniens auf 568 000 geschätzt, wobei sicher aber mehr als ¾ davon Deutsche waren. Wie gesagt, besserte sich die soziale Lage der Arbeiterschaft nur langsam. Langzeitarbeitslosigkeit war ein ebenso verbreitetes Phänomen die Wanderungen zahlreicher Familien auf der Suche nach Arbeit. Es wanderten aber nicht nur ungelernte Arbeiter, die den Konjunkturschwankungen am ehesten ausgesetzt waren; gerade aus dem nordböhmischen Bereich sind auch viele Facharbeiter ins benachbarte Deutschland oder nach Wien gezogen, um dort besser zu verdienen. Der verstärkte Zustrom großer Bevölkerungsmassen (großteils aber nicht nur Tschechen) in die industriellen Ballungszentren schuf auf dem Wohnungssektor Probleme, die insgesamt gesehen nur unzureichend gelöst wurden. Der Wohnungsalltag bestand aus überfüllten und sanitätswidrigen Kleinstwohnungen, aus Untermieter- und Bettgehertum, aus Notquartieren auf Dachböden, in Kellern und anderen feuchten Räumen. Lange Arbeitszeiten, schlechte Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse führten nicht nur zur geistigen und seelischen Verelendung, sondern auch zu schweren gesundheitlichen Schäden bzw. zum vorzeitigen Tod. Als Beispiel: Von je 100 nordböhmischen Porzellanarbeitern litten 40 bis 42 an akuten oder chronischen Brustkrankheiten. In den Jahren 1869 bis 1873 hatten die Maler in der Porzellanindustrie eine durchschnittliche Lebenserwartung von 36 Jahren. In einigen Zweigen der Glasindustrie hielten die dort Beschäftigten die Arbeit gesundheitlich nicht länger als 15 Jahre aus, die überwiegende Mehrzahl starb also zwischen dem 30. Und 40. Lebensjahr. Zusammenfassend läßt sich das Ende unserer Periode Ausbruch so definieren: Die soziale Situation der Beschäftigten im Kleingewerbe , wo die Deutschen eher stark vertreten waren verschlechterte sich, während die Arbeiter in der Großindustrie von der Sozialgesetzgebung und den Ergebnissen ihrer eigenen gewerkschaftlichen Organisierung profitierten.

- Der Mittelstand: Als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung hatte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jhdt eine neue soziale Schicht herausgebildet: die Angestellten. Diese unterschieden sich nicht so sehr in ihren materiellen Grundlagen als in ihrem subjektiven Empfinden, in ihrem Selbstbewußtsein und ihrem verstärkten Sozialprestige von der großen zahl der übrigen Lohnabhängigen. Sie waren unter den deutschen verhältnismäßig stark vertreten. Typische Angestelltenberufe waren: Wirtschaftsbeamte, Handelsangestellte, Büropersonal, leitende Angestellte in großen industriellen Unternehmen, Militärs in Offiziersränge, Lehrer, Journalisten und Redakteuren usw. usf.. Gemeinsam ist ihnen allen eine primär leitende und beaufsichtigende Funktion mit stärker geistiger als manueller Tätigkeit. Wenn also die Deutschen in diesem ,,Stand" mit 54,1 Prozent gegenüber den Tschechen mit 19,8 Prozent überproportional stark vertreten waren, liegt damit ein Merkmal der Deutschen für die Dominanz im wirtschaftlichen und sozialen Bereich nahe.
- Das Gro ß b ü rgertum: Innerhalb der Industriebevölkerung bildeten natürlich auch bei den Deutschen die großbürgerlichen Unternehmer, Fabrikanten und Großhändler zahlenmäßig eine sehr dünne Schicht. In der weitaus überwiegenden Mehrzahl können diese Wirtschaftsführer den Deutschen zugerechnet werden. Stieg die zahl der deutschen Spitzenleute aus dem Wirtschaftsbürgertum später auch an, ändert das nichts daran, daß diese Schicht sehr schmal blieb und daß die ihr Angehörenden hauptsächlich in Wien, daneben in Teilen der böhmischen Länder und nur ganz sporadisch in den Alpenländern zu finden war. Ein großer Teil dieser Spitzenleute war aus Deutschland oder aus dem

Westen Europas eingewandert; unter diesen spielte auch die Juden eine große Rolle. Von den bereits ansässigen Wirtschsaftstreibenden gab es nur wenige die bereits hier hinein geboren worden sind. Die meisten arbeiteten sich hoch und nahmen durchaus die Lebensform des Adels an. Da der Adel aus seiner Position als Politik- und Wirtschaftsführer konkurriert wurde, kam es zu einer regelrechten ,,Abhängigkeit" der beiden Gesellschaftsschichten da sie in Ballungszentren wie z.B. in Wien doch ziemlich nahe beieinander lebten.

Ungarn:

- Die Sozio ö konomische Lage des Deutschtums:

a) Das Bürgertum: Die Hauptursachen für den wirtschaftlich-gesellschaftlichen Zusammenbruch des Bürgertums der alten deutschen Städte in Nordwestungarn und in der Zips liegen in der Aufhebung der Zünfte, der Stagnation des Bergbaues und im Verfall der Kleinindustrie. Ein geringeres Ausmaß hat der wirtschaftliche Niedergang in westungarischen deutschen Städten wie Ödenburg und Preßburg. Die letzte Einnahmequelle des transleithanischen Bürgertums, der Weinbau, versiegt durch die in den siebziger Jahren auftretende Reblaus, die die Ernte zunichte macht. Um gesellschaftlich nicht abzusinken, beschreiten viele Söhne deutscher Bürgerfamilien die Beamtenlaufbahn oder wählen intellektuelle Berufe. Vom allgemeinen Niedergang bleiben nur die Bürger der jungen deutschen Städte in Südungarn verschont. Der Grund dafür ist, daß sich die Deutschen nicht in die ungarische ständische Gesellschaft eingegliedert haben, wie es in der nördlichen bzw. nordwestlichen Regionen der Fall war. Das wirtschaftliche Leben der Deutschen in Südungarn ist geprägt durch den Aufschwung des Weinhandels, sowie durch Gründung von Kreditanstalten, Industriegesellschaften und Zeitungen.

Im Jahre 1910 ergab die Volkszählung für die im Handel und Kreditwesen 47 800 deutsche Beschäftigte, wobei davon 27 000 Juden waren, die sich allerdings zur deutschen Sprache bekannten. Eigentlich sehr viel, wenn man bedenkt, daß zur dieser Zeit die Personen israelitischer Konfession weniger als 10 Prozent der ganzen Bevölkerung ausmachte.

b) Das Bauerntum: Im nordwestlichen Teil Oberungarns und in der Zips geht der wirtschaftliche Verfall des Bauerntums auf die zwischen 1879 und 1897 häufigen Mißernten und auf den Niedergang der Tierzucht zurück. Bedeutend günstiger ist die Lage deutscher Bauern in Westungarn. Denn hier gibt es deutschen Großgrundbesitz sowie wohlhabende deutsche Bauern. Entscheidend für die guten Lebensbedingungen eines Teiles der Bauern sind u.a. die gute Fruchtbarkeit des Bodens, die relative Intensität der Bewirtschaftung, der Weinbau, die Waldwirtschaft und schließlich die Nähe Wiens. Beim deutschen Bauerntum in Südungarn sind im Zeitraum von 1879 und 1897 zeitbedingte Veränderungen zu beobachten. So schafft die Aufhebung der Leibeigenschaft für die Bauern günstige Bedingungen. Hier besitzen sie - im Gegensatz zu den magyarischen, serbischen und rumänischen Bauern - größere Flächen und Boden von guter Qualität, ihre Landwirtschaft ist einträglich, ihre Viehzucht gut entwickelt, ihr Handel mit dem Süden bedeutend. Auf die günstigen Jahren nach dem Ausgleich folgen Agrarkrise und Naturkatastrophen. Eine Wandlung der bisherigen wirtschaftlichen Lage setzt ein. In der neuen Situation kommt es zur Intensivierung der Landwirtschaft, zum Ausbau landwirtschaftlicher Industriezweige, zur Entstehung von Milchgenossenschaften und zum Aufblühen der Geflügelzucht.

Vergleicht man die Zahlenangaben für die Besitzverhältnisse der deutschen Bauernschaft mit denen der anderen Nationalitäten, so ergibt sich ein sehr günstiges Bild: Das Deutschtum, das 7,9 Prozent der landwirtschaftlichen Bevölkerung Ungarns ausmacht, erreicht bei den Wirtschaften mit 11 bis 29 Hektar 14,6 Prozent, bei den Grundbesitzen mit 5 bis 11 Hektar 10,8 Prozent. Mit diesen Prozentzahlen der deutsche Anteil an den mittleren Besitzkategorien erheblich höher als der deutsche Anteil an der Agrarbevölkerung Ungarns.

c) Handwerker, Industrielle und Industriearbeiterschaft: Eine weitere bedeutende soziale

Gruppe des Ungarndeutschtums stellen die Handwerker, Industriearbeiter und Bergleute dar. Diese Gruppe entspricht im Jahre 1910 einer Zahl von 244 000 Personen.

Die relativ bedeutende deutsche Industriearbeiterschaft spielt dann in den ersten Jahrzehnten der ungarischen Arbeiterbewegung eine große Rolle und prägt deren Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert. Zwar reiht sich die Arbeiterbewegung vor allem beim Kampf um das allgemeine Wahlrecht in die gemeinsame Front der Nationalitäten ein, aber zum Aufschwung des deutschen Bewußtseins trägt sie nicht bei.

3. Die W ü nsche der Nationalit ä ten

Der Wiener Hof hatte durch sein Nachgeben den Ungarn gegenüber vor allem die Einheit der Monarchie erhalten wollen. Die übrigen Volksgruppen waren jedoch leer ausgegangen und deshalb schwer enttäuscht. Sie wünschten sich eine ähnliche Regelung, wie sie Ungarn zugestanden worden war. Diesbezügliche Versuche wurden meist schon in ihren Ansätzen von deutschnationalen und magyarischen Kräften vereitelt, die den Verlust ihrer Vorrangstellung befürchteten. So entwickelten sich die Emanzipationsbestrebungen der Nationalitäten sehr schnell zu einem Kampf um die Macht im Staat, der schließlich in einen Kampf der Nationalitäten untereinander und gegen den Staat mündete. Die zentrifugalen Kräfte im Vielvölkerstaat - verstärkt durch die allgemeine tendenz zum Nationalismus - traten in den letzten jahrzehnten des Habsburgereiches immer stärker hervor:

- Die Deutschen mussten nach dem Ausgleich erkennen, daß sie im eigenen Staat gegenüber den Slawen eine Minderheit darstellten. Nationalistische Kräfte, die zum Teil sogar für einen Anschluß an das Deutsche Reich eintraten waren beim Mittelstand un besonders in den gemischtsprachigen Gebieten sehr populär.
- Die Ungarn betrieben gegenüber den anderen Völkern in den Ländern der Stephanskrone einen Politik der Magyarisierung. Ein System von Zwangsmaßnahmen und Begünstigungen beraubte die Minderheiten ihrer Intelligenzschichte. Viele ungarische Intellektuelle forderten außerdem immer lauter die völlige Unabhängigkeit von Österreich.
- Die Serben, Kroaten und Slowenen lehnten die magyarische Vormachtspolitik ab. Ihr Ziel war zunächst ein eigener Ausgleich bzw. die Gleichstellung mit Österreich und Ungarn im Zuge einer ,,trialistischen Lösung" an Stelle des Dualismus. Vereinzelt wurde auch hier schon ein eigener Staat gefordert.

Ein wichtiger Faktor für die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn war nicht nur die gemeinsame Währung sondern auch die Finanzierung der gemeinsamen Regierung. Hiezu wurde eine Abgabe bestimmt, die beide zu leisten hatten, diese wurde Quote genannt. Sie fiel auf den ersten Blick für Wien sehr ungünstig aus. Die österreichische Reichshälfte hatte 70%, die ungarische Hälfte nur 30% der Kosten zu tragen. Es wurden aber nicht nur die Kosten so aufgeteilt, sondern auch die Gewinne. Von etwa 50 Millionen Gulden im Jahr bekam Ungarn 17 Millionen und Wien den Rest. Mit diesem Geld wurde die Arlbergbahn ( Eröfnung am 20. September 1884) gebaut, die Schifffahrt auf der Donau gefördert, das Schienennetz ausgebaut. Die Ungarn bauten den Engpaß Eiserne Tor an der unteren Donau aus, was in erster Linie der Österreichischen Schifffahrt zu gute kam.

Die wichtigsten Produkte der Monarchie waren Weizen, Roggen, Mehl ungarische Rinder und Pferde. Im Jahr nach Königgrätzen gab es in Österreich - Ungarn eine Rekordernte. Der Export nach Westeuropa stieg von 425 000 auf 1,4 Millionen Tonnen. Ein weiterer wichtiger Markt war der Zuckermarkt. Der Staat unterstützte die Zuckerfabriken mit beträchtlichen Exportprämien. So konnte sich die Zahl der Betriebe kontinuierlich erhöhen. 1866 gab es in den österreichischen Ländern 130 Zuckerfabriken, um die Jahrhunderwende bereits 218. Weiters wurde Zigarettenpapier in den Orient exportiert, Buntpapier nach Fern Ost, Zellstoff nach Westeuropa und österreichisches Glas (vorwiegend aus aus Erzeugnissen der böhmischen Glashütten) in fast alle Länder.

Die Eisen und Stahlindustrie konnte sich auf dem Weltmarkt gegen die deutsche und englische Konkurrenz nur schwer behaupten, deckte aber verläßlich den heimischen Bedarf. Die Textilindustrie produzierte für die wichtigsten Märkte meist zu teuer und war daher im Ausland kaum vertreten. Die chemische Produktion war fast auf Klein und Kleinstbetriebe aufgesplittert und blieb weit hinter dem europäischen Standart zurück.

Die Zahl der in der Industrie beschäftigten Arbeiter und Angestellten stieg wesentlich langsamer als im europäischen Umfeld. Obwohl im Jahre 1867 das österreichische Staatsgrundgesetz Voraussetzungen schuf, für die Arbeiter sich zu organisieren und sich zu artikulieren. Weiters wurde die etablierte Gessellschaft mit den Problemen der Arbeiter konfrontiert. Trotzdem gab es im Jahr 1910 nur 22,6% aller im Arbeitsprozess befindlichen Personen in der Industrie. Dafür gab es um die Jahrhundertwende 600 000 Dienstboten, was mit Sicherheit einen europäischen Rekord darstellt.

Auch die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn funktionierte nicht immer reibungslos und wurde oft mit unlauteren Mittel geführt. Trotz aller Zwiespältigkeiten warf der große, ungemein vielfältige Wirtschaftsraum der Donaumonarchie beträchtliche Gewinne ab. Die Handelsbilanz besserte sich fortlaufend zwischen 1876 und 1898, also zweiundzwanzig Jahre hindurch, war sie stets aktiv. Die Wiener Banken schütteten zum Beispiel zwischen 30 und 70 Prozent Dividenden aus , die sogenannten Maklerbanken verwendeten die Einlagen ihrer Kunden für bedenkliche Spekulationen, beziehungsweise sie stellten für Spekulationen unkontrollierte Kredite zur Verfügung. Der große Börsenkrach in Wien, der > der schwarze Freitag < ( 9. Mai 1873 ), wirkte sich auf die gesammte finanzielle und wirtschaftliche Lage Österreich - Ungarn bei weitem nicht so verherend aus wie die später entstandenen Berichte erzählen. Die Ursache dieses wirtschaftlichen Debakels lag nicht in der damaligen Liberalisierung der Wirtschaft, sondern man besaß zu wenig Kenntnisse um mit den neuen ökonomischen Möglichkeiten und Erscheinungen vernünftig umzugehen.

Der Staat blieb in dieser schweren Zeit nicht tatenlos. Er hatte Reserven und deckte mit 80 Millionen die ärgsten Schäden ab. Nach einer gründlichen Vorbereitung wurde im August 1892 im gesamten Gebiet der Monarchie eine Währungsreform durchgesetzt.

Ein weiteres wichtiges Ereigniss fand am 5. April 1874 in Neudörfl ( lag damals auf der ungarischen Seite und hieß St. Nikolaus an der Leitha) statt. 74 Delegierte gründeten im Auftrag von 25 000 Mitgliedern der Arbeitervereinigung die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs. Anfänglich wollte man diese Sitzung in Baden abhalten, dies wurde aber von der Regierung verboten und so mußte man nach Ungarn ausweichen. Der Kopf und die treibende Kraft der Sozialisten war der in einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie geborene Dr. Victor Adler. Sein Ziel war es, das Staatsgefüge der Monarchie zu reformieren und nicht zu zerstören. Er setzte sich für die Rechte der Arbeiter, aber auch der kleinen Händler und Handwerker ein. Im Dezember 1888 durchstreifte er als Arbeiter verkleidet die Wienerberger Ziegelwerke und veröffentlichte einen erschütternden Bericht über das furchtbare Elend der Ziegelarbeiter.

Wandruszka/Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 - 1918 (1980)

Scheucher/Wald/Lein/Staudinger, Zeitbilder 7 (1988)

Roman Sandgruber, Österreichische Geschichte - Ökonomie und Politik

Stephan Vajda, Felix Austria (1980)

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Details

Titel
Die Bedeutung der Industrie in der Wirtschaft - Österreich - Ungarn ( 1867 - 1914)
Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien
Note
3
Autor
Jahr
2002
Seiten
10
Katalognummer
V107234
ISBN (eBook)
9783640055081
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Industrie, Wirtschaft, Ungarn
Arbeit zitieren
Gerd Harbar (Autor:in), 2002, Die Bedeutung der Industrie in der Wirtschaft - Österreich - Ungarn ( 1867 - 1914), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107234

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