Zwischen Himmel und Erde - Gott und Mensch im russischen Denken


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

39 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung und Problemstellung

2. Das Dreifaltigkeitsdogma und die Zwei-Naturen-Lehre im russischen Denken
2.1 Der dogmengeschichtliche Hintergrund der christlichen Gotteslehre
2.1.1 Die Trinität in der christlichen Dogmatik
2.1.2 Das Inkarnationsdogma als Glaubensfundament
2.2 Die Trinität in der russischen theologischen Philosophie
2.2.1 Die Dreifaltigkeitslehre im heilsgeschichtlichen Kontext - das Prinzip der All-Einheit

3. Die göttliche Erlösung des Menschen- die Theosis
3.1 Der Geist und die Heilserfahrung bei Symeon dem Neuen Theologen und die Vergöttlichung bei Gregor Palamas
3.1.1 Die Theosis im russischen Denken
3.1.2 Exkurs: Die Theosislehre im reformatorischen Abendland

4. Die andere Eschatologie - die Apokatastasis
4.1 Die Allerlösung im russischen Denken
4.2 Exkurs: Die Apokatastasis im evangelischen Bereich

5. Die Sophiologie

6. Fazit

7. Fremdsprachliche Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Heilige Dreifaltigkeit, Andrej Rublov, ca. 1422-1437 AD, Trietjakov Galerie in Moskau

Zwischen Sein und Nichtigkeit gibt es kein anderes Seinsprinzip als die Trinität. Sie macht ein unaufhebbares und vereinendes Fundament des Personhaften und Gemeinschaftlichen aus und sie schenkt allem einen endzeitlichen Sinn. Während menschliches Denken die Offenbarung wahrnimmt, unterstellt es sich der Kreuzigung, um im dreifachen Licht der absoluten Wahrheit wiedergeboren zu werden. Das Bild des Einen Gottes in Drei Personen ist die einzige Norm jeglichen Seins.

Pavel Evdokimov

1. Einführung und Problemstellung

Die Bedingungen der pluralistischen Moderne konfrontieren uns mit variablen Visionen des Menschen. Die Vielfalt der philosophischen und religiösen Systeme, ergänzt durch breites Angebot der aggressiven Esoterik der New-Age-Bewegung in allen möglichen Ausprägungen, geben ein zusammengesetztes, wenn nicht unlesbares Bild vom desorientierten Menschen und seiner dramatischen Suche nach dem Lebenssinn und seiner Wesenbestimmung: „ New Age kommt mit seinem farbenreichen Angebot dem Bedürfnis nach Hilfe zur Problembewältigung entgegen. Durch New-Age-Literatur, New-Age-Zentren und - Veranstaltungen werden Lösungsvorschläge für alle seelischen und existenziellen Probleme vermittelt.1

Die Beziehungsgefüge zwischen gegebenen Deutungsmöglichkeiten sind nicht zu vermeiden und können dabei den Eindruck der ungeheueren Kompliziertheit erwecken. Der Kampf der mit sich konkurrierenden Ideen spielt sich oft in der Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens und der ständig erhobenen Absolutheitsansprüche jener Partei ab. Damit ist der Streit keineswegs ausgetragen, sondern er dauert weiter an.

In der wissenschaftlichen Literatur beobachtet man die allmähliche Entwicklung der Ideen von triumphaler Geburt bis zum stillen Absterben. In diesem ganzen Vorgang werden die philosophischen Inhalte oft mit religiösen Elementen ergänzt oder auch umgekehrt. Das Aufeinanderangewiesensein des Religiösen und Philosophischen stellt keine postulierte Notwendigkeit dar, sondern dialektische Wirklichkeit, in der die Widersprüche und Erstaunen erregende Gemeinsamkeiten nebeneinander agieren. Die sich daraus ergebende potenzielle Orientierungslosigkeit auf dem Weltanschauungsmarkt wird durch die enorme Anhäufung von Interpretationsmöglichkeiten verstärkt, die den heutigen Menschen am Scheideweg seines Daseins zeigen.

Die Frage nach dem Sein oder nach dem Sinn des Seins im teleologischen Modus wird nicht nur von den Intellektuellen, sondern auch von sog. einfachen Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus gestellt. Wie schon geschildert, ist die Auswahl der Ideen sehr reich, aber immer noch nicht vollständig. Die abendländische Kultur entdeckt neue Dimensionen ihrer Wurzel. Sei es der Pluralismus des jüdischen Geistes oder sei es die verwandte Kultur des Morgenlandes. Diese Begegnung geschieht in unmittelbarer Nähe durch die Migration der Völker oder durch wissenschaftliches Interesse. Die entstehenden klärungsbedürftigen Zweifel sind gute Ansätze zum Dialog, zum kommunikationsfähigen, d.h. aufgeschlossenen Entgegenkommen.

Besonders nach der politischen Wende in Ost- und Mitteleuropa im Jahre 1989 und in der Ära der medialen Globalisierung tauchten plötzlich neue Möglichkeiten der interkulturellen Kommunikation auf. Auf der europäischen Ebene kam es zum Gespräch zwischen Ost und West, und zwar nicht nur über die politische Zukunft des Kontinents, sondern auch über die geistliche Kondition des Menschen im Hinblick auf die philosophischen, ethischen und theologischen Debatten. Bisherige Kontakte waren entweder historischer (Fachforschung) oder sporadischer Art (ökumenische Gespräche) und waren durch die politische Situation determiniert oder sogar eingeschränkt.

Im Bereich der Theologie und Philosophie wurde man im Westen mit einem diversen Bild des Ostens konfrontiert. Das erstaunlichste war, daß Theologie und Philosophie nicht nur miteinander kooperieren können, sondern voneinander nicht zu trennen sind. Es geht nicht um das bloße Ineinandergehen der beiden Phänomene, sondern um die ontologische qualitative Einheit, die sich jedem Ausdifferenzierungsvorhaben entzieht und in der gemeinsamen Sorge um den Menschen und sein Schicksal manifestiert. Ein brisantes Beispiel dafür ist die russische Religionsphilosophie, die man aber auch Theologie nennen könnte. Die Dominanz des Theologischen darf jedoch nicht verschwiegen oder gar marginalisiert werden, weil genau darin die Besonderheit des russischen Denkens besteht.

In der vorliegenden Seminararbeit wird der Versuch unternommen, wichtige Aspekte des russischen denkerischen Reichtums aufzuhellen. Im ersten Teil wird die dogmatische Grundlage im Bezug auf die dogmengeschichtliche Kontroverse der Trinitätslehre und der altkirchlichen Christologie erläutert. Im zweiten Teil werden theologische Implikationen für das trinitarische und anthropologische Denken im Osten beleuchtet, indem die orthodoxe Heilslehre in ihrer relevanten Besonderheit des Dreifaltigkeitsdogmas und der Theosislehre nach Gregor Palamas erläutert werden. Eine gewichtige Bedeutung für die Soteriologie hat der eschatologische Aspekt der Apokatastasis, die identitätsstiftend für die theologischreligionsphilosophische Reflexion ist, sowie die Rolle der Sophiologie, der Weisheitslehre. Es werden hier auch die Elemente der abendländischen Polemik und Rezeption berücksichtigt, die aus der Sicht der evangelischen Theologie skizziert werden.

2. Das Dreifaltigkeitsdogma und die Zwei-Naturen-Lehre im russischen Denken

Die vornehmste Aufgabe jeglicher christlichen Theologie besteht darin, das Offenbarungsereignis in Jesus Christus und sein Evangelium zu bedenken und so der Kirche die Sprache zu verschaffen. Wenn man eine theologische Aussage macht, dann befindet man sich auf dem Wege zur Wahrheit Gottes und darf dabei nicht vergessen, daß den zentralen Gedanken jedes Theologisierens der Tod und die Auferstehung Christi in der trinitarischen Reflexion ausmacht. Das bereits erwähnte Ziel der Theologie ist also die Vermittlung der erlösenden Botschaft mit allen ihren Konsequenzen (Glaubensgewißheit, Ethik etc.). In diesem Kapitel wird ein Versuch unternommen, die fundamentalen Inhalte der Trinitätslehre und Christologie in ihren dogmengeschichtlichen Entwicklungen zu thematisieren und dann ihre Wahrnehmung im russischen Denken aufzuzeigen.

2.1 Der dogmengeschichtliche Hintergrund der christlichen Gotteslehre

Der christliche Glaube als die Konsequenz der göttlichen Offenbarung lebt aus der Überzeugung, daß sich Gott uns Menschen in Jesus Christus erschlossen hat. Dieses Erschließungsgeschehen wird durch drei wichtige Heilsereignisse umfaßt, und zwar von der Geburt Christi, von seinem Tod am Karfreitag und seiner Auferstehung. Diese drei Momente in der Heilsordnung (ordo salutis) weisen aufeinander hin und gehören zusammen, auch wenn die Akzente in den verschiedenen christlichen Traditionen nicht gleich gesetzt werden. Damit ist der Grund des christlichen Glaubens bestimmt.2 Die Urgemeinde lebte vom Glauben, daß Jesus der Herr ist (Kyrios Iesous!), daß er am dritten Tage nach seinem grausamen Tod von Gott auferweckt wurde. Der Begriff des Herrn war in der jüdischen Tradition nur für Gott reserviert und so wird er in der griechischen Übersetzung (Septuaginta) des Alten Testaments „der Herr“ als Synonym für den Namen Gottes gebraucht. Die frohe Botschaft (das Evangelium), die von den Frauen an die verzweifelten Jünger Jesu weitergegeben wurde, führte zur Überzeugung, daß Jesus lebt. Die Hoheitstitel, die dann Jesus von der Urgemeinde zugeschrieben wurden, sind ein Glaubenszeugnis, die bleibende Erfahrung des Heils, das in der Person Christi offenbart wurde. Die Epiphanie Gottes in Jesus ist die Bestätigung dessen, daß Gott die alles bestimmende Wirklichkeit der Liebe ist, ja, daß sein Wesen Liebe ist, die sich dem Menschen aus der unaussprechlichen Gnade zuwendet.3

Diese theologische Einsicht führte jedoch zum gravierenden Problem. Wie ist die Gottheit Jesu mit dem Monotheismusprinzip vereinbar? Wie vereinbart sich der Glaube an Jesus und schließlich an den Heiligen Geist mit dem ersten Gebot des Alten Bundes? Diese Schwierigkeit war umso brennender, daß sich die christliche Gemeinde als Teil der Synagoge verstand und erst dann ist sie zu der Überzeugung gekommen, daß sie die Neue Synagoge und das Neue Volk Gottes ist, nämlich die Kirche. Die Explikation dieses problematischen Paradoxons bestimmte die theologische Diskussion für Jahrhunderte und ist noch heute nicht ausgetragen (z.B. im Blick auf den interreligiösen Dialog mit dem Judentum und dem Islam, aber auch in der apologetischen Auseinandersetzung mit den dem Christentum fernstehenden Menschen). Das Neue Testament betont an vielen Stellen die besondere Würde Christi und bezeugt, daß „ in ihm die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt.“4 Auf besondere Weise wurde das Heil in Christus in den vier Evangelien einstimmig bezeugt, obwohl jedes Evangeliumsbuch in einem anderen kulturellen und sozialen Umfeld entstanden ist und zwischen etlichen Berichten auch widersprüchliche Unterschiede zu beobachten sind.

Es muß betont werden, daß die Evangelien keine historischen Dokumente sind, sondern, wie es vorab festgestellt wurde, die urchristlichen Zeugnisse des österlichen Glaubens. Wichtig ist auch, daß die christliche Tradition von einem Evangelium Jesu Christi in vier Gestalten spricht, so wie wir sie im neutestamentlichen Kanon vorfinden. In der systematisch-theologischen Reflexion könnte man auch sagen, daß Jesus selber das Evangelium für uns (pro nobis) ist, daß sein Sterben und Auferstehung die frohe Botschaft für uns Menschen sind. In der soteriologischen Zuspitzung heißt es wohl: Jesus ist unser Heil!

Der Glaube an die Auferstehung Christi wird das wichtigste Kriterium der christlichen Überlieferung - der Verzicht auf den Auferstehungsglauben in Hinsicht auf das Heilsereignis in Christus und demzufolge im bezug auf die eschatologische Vollendung der Schöpfung bedeutet für den Apostel Paulus das Ende des christlichen Glaubens überhaupt. Die absolute Gebundenheit an die Person Jesu ist nicht wegzudenken: „ Wenn aber Christus gepredigt wird, daßer von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“5

Das Verhältnis zwischen dem Vater und Jesus wurde zum Kernproblem des urchristlichen Ringens um die wahre Erkenntnis (Gnosis) der göttlichen Offenbarung. Hinzu kam später pneumatologischer Streit, von dem noch die Rede sein wird. Die Frage nach der Person Jesu und seiner Natur gehört ebenso zum fundamentalen Anliegen des Christentums und stellt mit der Dreifaltigkeitslehre das konstituierende Element für die Erfassung und die Verkündigung des Evangeliums dar. Man könnte sogar eine These aufstellen, daß die Notwendigkeit und innere Wahrheit der Trinitätslehre aus der christologischen Reflexion hervorgeht, auch wenn die Kernaussagen der Christologie erst 431 angedeutet und schließlich 451 dogmatisiert wurden.

2.1.1 Die Trinität in der christlichen Dogmatik

Den Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die rechtgläubige (d.h. orthodoxe) Gotteslehre stellt das Glaubenbekenntnis von Nizäa von 325 dar, das auf dem vom Kaiser Konstantin dem Großen einberufenen Konzil formuliert wurde und dann 381 in Konstantinopel auf dem zweiten ökumenischen Konzil im dritten auf den Heiligen Geist bezogenen Teil erweitert und als Niceanum-Constantinopolitanum (NC) bekannt wurde. Der Grund für die Einberufung der gesamtkirchlichen (ökumenischen) Synode war die Bedrohung durch die gnostische Sekte und der Auftritt von Arius, dem Presbyter aus Alexandrien, der die Gottheit Jesu nicht anerkannte und ihn als ein Geschöpf des Vaters predigte. Damit ist die christliche Kirche in die trinitarisch-christologischen Kontroversen geraten, die sich durch die Epochen der Kirchengeschichte unter zahlreichen Ausprägungen hinziehen sollte.

Die Konzilsväter hatten mit verschiedenen Irrtümern zu kämpfen, die sich vor Arius angehäuft haben und die von ihm auch aufgenommen wurden. Zu nennen ist der bei etlichen Kirchenvätern auch präsente Subordinatianismus, der sich einseitig auf die Einheit Gottes konzentrierte und die Seinsweisen (Hypostasen) Gottes gestuft hat, und zwar so, daß die Hypostase des Sohnes und des Heiligen Geistes unter und hinter diejenige des Vaters gestellt wurde. Das Monotheismusprinzip wird hier mit der Hilfe der platonisch gesinnten Hypostasenlehre, das hierarchische Emanieren des Seienden aus dem Sein, gedeutet.

Auch Origenes (ca. 185-254), antignostischer Kirchenvater, hat zwar den Subordinatianismus in sein Denken aufgenommen, aber es muß deutlich betont werden, daß er in seinem theologischen System die Ursprungslosigkeit beim Gezeugtsein des Sohnes immer voraussetzt. Er schließt auch die Adoption des Sohnes aus und tendiert in seiner Theologie in die Richtung der Symbiose zwischen der immanenten (innere Wahrheit des dreieinigen Gottes) und ökonomischen (heilsgeschichtliche) Trinitätslehre.

Sehr wichtig in diesem Kontext ist auch der Monarchianismus, und zwar in seinen zwei sich einander radikal ausschließenden Ausprägungen des dynamischen (Adoptianer) und modalistischen (Modalisten) Monarchianismus, der dann auch trinitarische Debatte bestimmen wird.6 Die Adoptianer, deren bedeutendster Vertreter Theodot aus Rom war, sahen in Jesus nur einen Menschen, der dank seiner besonderen Gottesfurcht, der bedingungslosen Aufgeschlossenheit auf das Heilige, von Gott zum Sohn während seiner Taufe adoptiert wurde.7 In dieser Taufe habe Jesus göttliche Kraft (gr. dynamis) bekommen, die ihn dadurch zum Sohn Gottes gemacht haben soll. Zu den Vertretern des dynamischen Monarchianismus gehörte auch Bischof Paul von Samosata aus Antiochien in Westsyrien, der in seiner Theologie das monotheistische Prinzip betonte. Nach ihm war der geschichtliche Jesus „ ein hervorragender Mensch, der durch besondere Gnade von Gott inspiriert sei; der Logos habe in ihm wie in einem Tempel gewohnt.“8 Er lehrte also, daß die Adoption des Jesus durch den präexistenten Logos „ erst in dem geschichtlichen Jesus zustande gekommen und nicht wesenhaft von Anfang an vorhanden “ war.9

Die Adoptianer hatten jedoch geringere Wirkung als die Modalisten, die Anhänger des Sabellius. Er lehrte, daß dem Sohne keine hypostatische Selbstständigkeit zukommt, weil er mit dem Vater identisch (´οµοουσιος - homoousios) ist, und zwar in dem Sinne, daß der Vater und der Sohn die Erscheinungswesen (modi) des einen Gottes sind (Vatersohnschaft). Der Vater sei demnach das Erscheinungswesen Christi und umgekehrt. Am Kreuz habe mithin nicht nur der Sohn, sondern auch der Vater seinem Wesen nach gelitten (die Idee des Patripassianismus; Pater passus est!).

Um sich nicht auf die detaillierten dogmengeschichtlichen Ausführungen einzulassen, reicht es, wenn gesagt wird, daß das bereits angesprochene Erste Konzil zu Nizäa die Formel homoousios für die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen dem Vater und dem Sohn in die theologische Sprache eingebracht und dogmatisiert hatte. Durch das Bekenntnis, daß der Sohn mit dem Vater nicht wesensähnlich (homo i ousios), sondern wesenseins (homoousios) ist, wurde die göttliche Würde des Sohnes bezeugt und die Sohnschaft zum Vater im Modus der ewigen Zeugung (nicht Geschöpf) gedeutet. Es kann also vom Sohn nicht gesagt werden, daß es die Zeit gab, da er nicht war, sondern von ihm muß gesagt und geglaubt werden, daß er immer da war, und seine Herrschaft hat weder Anfang noch Ende. Das Konzil zu Nizäa, das auch das Konzil der 318 Väter genannt wird, hat Arius erneut verdammt.10 Es soll hier nur stichwortartig angedeutet werden, daß die Festlegung der Homoousie des Sohnes mit dem Vater nicht das Ende der Streitigkeiten war. Schon vor dem Konzil zeigten sich tiefe Risse unter den Bischöfen und so konnte man unter ihnen Anhänger der verschiedenen Interpretationen der Wesenseinheit unterscheiden: von den gemäßigten (sog. Mittelpartei) und den radikalen Gegnern des Niceanum bis zu den eifrigsten Verfechtern der wörtlichen Auslegung der Homoousie. Hier ist die Person des alexandrinischen Bischofs, des Hl. Athanasius, des größten Verteidigers des Niceanum, nicht zu verschweigen.

Am zweiten ökumenischen Konzil im Jahre 381, diesmal in Konstantinopel, hat man nach der ganzen Verwirrung, die orthodoxe Auslegung der Homoousie feierlich bestätigt und den dritten Artikel pneumatologisch und ekklesiologisch erweitert.

2.1.2 Das Inkarnationsdogma als Glaubensfundament

Der Kirchenstreit wurde mit dem Konzil zu Nizäa und Konstantinopel keineswegs ausgetragen. Es gab immer noch mächtige Bischöfe, die mit den dogmatisierten Entscheidungen nichts anfangen konnten. Das Problem der Person Jesu lebte aufs Neue beim Streit um den Theotokostitel (Gottesgebärerin) für Maria, Mutter Jesu, während des Dritten Konzils zu Ephesus im Jahre 431 auf. War Jesus Gott oder nur ein Mensch? Wie ist seine Wesenseinheit mit seiner Menschlichkeit (z.B. dem Tod am Kreuz) zu vereinbaren? Ist er seiner Natur nach nur ein Halbgott oder Gott, der die Gestalt des Menschen nur im unrealen Sinne angenommen hat (himmlischer Leib) , wie es die Doketisten meinten.11

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Christologie des Bischofs Apollinaris aus Laodizea, der während der ökumenischen Synode zu Konstantinopel endgültig verdammt wurde. Im Sinne der Doketisten lehrte er die Gottheit Jesu, aber lehnte seine vollkommene Menschheit ab, indem er gleichzeitig den irdischen Leib Christi (σȐρξ − Sarx) als vergöttlicht deutete, was ihn an das andere Extremum der christologischen Debatte stellte: „ Für Apollinaris kann Christus keine menschliche Vernunft haben, ist er vielmehr ´ Gott im Fleisch ´ oder ´ inkarnierte Vernunft ´ . Vergleicht man die apollinaristische Christologie mit derjenigen der Arianer, so kann man sagen, daßinnerhalb desselben Schemas die Verbindung des Logos mit der Sarx bei Apollinaris als Vergottung der Sarx, bei den Arianern hingegen als Depotenzierung des Logos gedeutet wurde.“12

Wir haben es also mit stark differenzierten Positionen, ja mit Gegenläufigkeit der theologischen Tendenzen zu tun, die Ausdruck der Christologie von unten (Arianer und Adoptianer) und der Christologie von oben (Doketisten) sind. Die Vorstellung der beiden dogmatischen Überzeugungen hatte dann später eine enorme Auswirkung auf die Anthropologie der Kirchenväter und der russischen Denker, die sich auch als die wahren Erben und Ausleger der griechischen Väter verstanden. Es liegt auch auf der Hand, daß diese theologischen Positionen mit zwei geographischen Orten verbunden waren: Alexandrien war vor allem an der Gottheit Jesu interessiert und Antiochien plädierte für die Betonung des Menschseins Jesu von Nazareth mit deutlicher Tendenz, seine Gottheit zu tabuisieren oder gar abzulehnen und sie für häretisch zu erklären.

Die theologischen Konflikte zwischen Alexandrien und Antiochien haben die ganze christliche Welt betroffen. Im Jahre 451 hat man in der Hauptkirche zu Chalkedon ein Gesamtkonzil gehalten, das den Monophysitismus, die Überzeugung, daß in Jesus nur eine (göttliche) Natur war (Einnaturenlehre), anathematisiert hat und so in die kirchliche Sprache die Zweinaturenlehre einführte. Nach dieser Lehre hatte Jesus zwei Naturen, eine göttliche und menschliche. Er ist weder Halbgott noch Halbmensch, sondern wahrer Gott und wahrer Mensch (vere deus, vere homo). In Gegenwart des Kaiserpaares wurde der Bekenntnistext vorgelesen und von den Konzilsvätern feierlich unterschrieben. Der Text wird hier im größeren Fragment zitiert, da er fundamentale Bedeutung nicht nur für Soteriologie und Anthropologie, sondern auch für die Eschatologie hat13:

„In der Nachfolge der heiligen Väter lehren wir also alle übereinstimmend, daß unser Herr Jesus Christus als ein und derselbe Sohn zu bekennen sei, derselbe vollkommen in der Gottheit, derselbe auch vollkommen in der Menschheit, derselbe wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus Vernunftseele und Leib, mit dem Vater wesenseins der Gottheit nach und als derselbe mit uns wesenseins der Menschheit nach, in allem uns ähnlich, ausgenommen der Sünde, vor den Zeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, am Ende der Tage aber als derselbe um unseret- um unseres Heiles willen aus der Jungfrau Maria, der Gottesgebärerin, geboren, der Menschheit nach, als ein und derselbe Christus, Sohn, eingeborener Herr, in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt, ungesondert erkennbar, wobei jedoch die Unterschiedenheit der Naturen um der Einung willen keineswegs aufgehoben wird, sondern die Eigentümlichkeit einer jeden Natur gewahrt bleibt und sich zu einer Person und zu einer Hypostase verbindet; nicht als in zwei Personen geteilt oder getrennt, sondern als ein und derselbe eingeborene Sohn, Gott, Logos, der Herr Jesus Christus, wie vorzeiten die Propheten von ihm kündeten und (danach) er selbst, Jesus Christus, uns unterwies und das Symbol unserer Väter uns überliefert hat.“

2.2 Die Trinität in der russischen theologischen Philosophie

Beim Frageversuch nach dem Sinn, ja der teleologischen Erörterung der höchsten Angelegenheit des Menschen, sind Theologie und Philosophie aufeinander angewiesen, auch wenn sie sich voneinander abzugrenzen bemühen. Die philosophischen Kategorien der Ontologie und der Kosmologie bei Platon und Aristoteles waren notwendige Hilfsinstrumente für die fragmentarische Illustrierung des Weltgeheimnisses. Die theologischen Gedanken haben ihrerseits die Philosophen dazu veranlasst, die Fragen nach dem Wesen Gottes aus einem anderen Blickwinkel aufzuwerfen. Es kann jedoch nicht verschwiegen werden, daß die Differenzen beginnen auch da, wo sie sich mit Ähnlichkeiten überlappen, besonders auf der Suche der hermeneutischen Klarheit (δοξα).

Im russischen Denken scheint das Aufeinanderangewiesensein der Philosophie und Theologie noch enger zu sein, beide lassen sich nicht voneinander trennen. Es geht also nicht nur um die Dialektik, sondern um die Aufhebung der Heteronomie und die Betonung der Einheit. In seinem Werk Russische Idee stellt Nikolai Berdjaev fest: „ Im Westen gab es eine scharfe Trennung zwischen Theologie und Philosophie; religiöse Philosophie war ein seltenes Phänomen und war weder von Theologen noch von Philosophen gefördert worden. Am Anfang des Jahrhunderts kam der Philosophie in Rußland, die damals blühende Entwicklung erfuhr, allmählich religiöse Bedeutung zu und dadurch bekam auch das Glaubensbekenntnis philosophische Begründung.“14 Berdjaev geht davon aus, daß Philosophie vor allem Geschichtsphilosophie sei15 und daher mit der Theologie verbunden sein muß, weil die Weltgeschichte zugleich Heilsgeschichte ist. Deswegen ist es völlig begründet im Falle der russischen Philosophie von der theologischen Philosophie oder auch philosophischen Theologie zu sprechen. Diese Einheit ist in der Überzeugung gegründet, daß die Immanenz der transzendenten und vor unserem Verstand verborgenen trinitarischen Wahrheit die Substanz dieser Welt ist.

2.2.1 Die Dreifaltigkeitslehre im heilsgeschichtlichen Kontext - das Prinzip der All-Einheit

Die russischen Denker betonen in ihren Werken die konstitutive Bedeutung des trinitarischen Dogmas. Und so sieht Sergij Bulgakov (1871-1944) in der Trinitätslehre den Grund des christlichen Glaubens, ein unverzichtbares Kriterium jeglichen Redens über Gott: „ Das Christentum ist eine trinitarische Religion, und zwar so sehr, daßdie einseitige Konzentration der Verehrung auf die Person Jesu schon die Verleugnung dieses Glaubens ist.

Man mußwahrnehmen, daßim liturgischen Leben der Orthodoxie, in Akklamationen, Doxologien und Gebeten der Name der Heiligen Trinitätöfter als der Name Jesu vorkommt. Daran zeigt sich, daßdie Erkenntnis Christi untrennbar mit der Erkenntnis der Heiligen Trinität verbunden ist.“16

Dogmengeschichtlich gesehen ist die Trinitätslehre die Antwort auf die christologische Kontroverse, aber in der göttlichen Heilsökonomie manifestiert sie die Tiefe der göttlichen Offenbarung für die Erlösung der Menschen. Dabei muß jedoch das Element der negativen Erkenntnis mitgedacht werden, und zwar im Sinne der apophatischen Demut: je mehr wir uns dem göttlichen Geheimnis nähern, desto weniger wissen wir über Gott. Die apophatische Weisheit betont die prinzipielle Unerkennbarkeit des göttlichen Wesens im Modus der via negationis, sie ist Theologie im Vorhof der Erkenntnisfülle, zitternd komponiert sie die Melodie des Glaubenbekenntnisses im Vertrauen auf die Weisheit des Heiligen Geistes.

Diese negative Gnosis wird jedoch durch den positiven Erkenntnis- und Offenbarungsbegriff (kataphatische Theologie) ergänzt und bestätigt, und zwar in der dynamisch-dialektischen Beziehung des Ja-Nein. Beide Gegenpole sind miteinander verflochten und befinden sich immer im Anbetungszustand. Genau in diesem Sinne denkt auch Vladimir Losskij: „ Die Trinität ist das ursprüngliche Geheimnis, das Allerheiligste der göttlichen Wirklichkeit. Sie ist das eigentliche Leben des verborgenen und lebendigen Gottes. Nur die Poesie ist imstande, uns dieses Geheimnis darzustellen, und zwar deswegen, weil sie anbetet und keine Erklärungen beansprucht. Die Trinität ist ursprünglich im Verhältnis zu jedem Seienden und zu jeder Erkenntnis, die in ihr die Existenzbegründung findet. Die Trinität kann vom Menschen nicht verstanden werden; sie ergreift den ganzen Menschen und ruft in ihm den Lobgesang hervor. Wenn wirüber die Trinität jenseits der Anbetung und der persönlichen Einbezogenheit reden, dann ist unsere Sprache nicht immer angemessen.“17

Die apophatisch-kataphatische Theologie erwächst aus der Tradition des Pseudo- Dionysios Areopagita und wurde weitgehend in das systematisch-theologische Denken der Ostkirche integriert. Selbst das Konzil zu Chalkedon versucht das Geheimnis der Naturen Christi mit der Hilfe von apophatischen Begriffen „verständlicher“ zu machen. Pavel Evdokimov erinnert jedoch an die dialektische Beziehung von beiden Herangehensweisen, was schon oben festgestellt wurde: „ Jede kataphatische, positive, Erkenntnis fordert die Apophatie, die Grenze, an der alles, was unaussprechlich ist, ihr Ende im System der reflektierten Symbole hat; das ist symbolischer Realismus der Liturgie, der immer auf den epiphanischen Symbolismus hinweist.“18

Die Gegenwart Gottes in der Welt ist die allesumfassende Wirklichkeit. Sie durchdringt sämtliches Dasein, die ganze Schöpfung, die zu ihrem Schöpfer seufzt und ihn anbetet. Der Trinitätsgedanke ist in diesem Kontext kein Abstraktum, das im mystischen oder auch spekulativen Denken aufgeht, sondern alles bestimmendes Wahrheitsgeschehen. Berdjaev betont dabei die begriffliche Nähe zwischen Kultus und Kultur, die für ihn im Dienste der historischen Wahrheitsüberlieferung steht: „ Die Kultur ist mit dem Kult verbunden, entwickelt sich von religiösen Kult her, sie ist Ergebnis der Kulturdifferenzierung.19

In ähnlichem Geiste drückt Pater Pavel Florenskij (1882-1937) seine Überzeugung aus: „ Es ist kein Zufall, daßdas Wort Kultur vom Kultus stammt. Kultur ist ein organisches Mittelsystem, um die geschenkten Werte als absolut zur realisieren und herauszustellen. Aus diesem Grund ist sie Glaubensgegenstand. Der Glaube bestimmt den Kultus und der Kultus l äß t die Welt verstehen, aus der die Kultur hervorgeht.“20 Bleiben wir bei Pavel Florenski, bei dem das Trinitätsdogma im Vordergrund steht. Es ist erstaunlich, wie er die Unterscheidung zwischen der Wesensähnlichkeit (Homoiousie) und der Wesenseinheit (Homoousie) in seinem philosophischen Denken nicht nur rezipiert, sondern von ihm alles abhängig macht.

Die Wesenseinheit ist für Florenski Kriterium und Richtschnur für alle Philosophien: die Anerkennung der Homoousie verhilft zur Erkenntnis, daß die ganze Welt auf Gott hinauswill; die Annahme des Wesensähnlichkeitsgedanken zieht unüberwindbare Antinomien im Leben aller Menschen nach sich und sorgt für die zerstörerische Entfremdung, die nur durch den aufrichtigen Glauben an die Trinität, durch das Sich-von-ihr-ergreifenlassen, geheilt werden kann. Nicht der Glaube im Sinne der rationalen Wahrnehmung eines theologischen Faktums oder einer dogmatisierten Vermutung, sondern die existenziell-ontologische Erfahrung der trinitarischen Geheimnisse. Demnach sollte man nicht über die Trinität reden, sondern in ihr und von ihr leben.

In seinem Lebenswerk Stolp i utwier ž dienije istiny bekennt Pavel Florenski folgendes: „ Ü berall finden wir Antinomien vor, die man nur auf dem Wege der Kompromisse lösen kann. Diese Antinomien verbinden und harmonisieren sich, aber nur in dem einen Gott in Drei Personen. Es gibt keine andere Lösung für unsere Probleme als die Wahl zwischen der Trinität und dem Tod in der Irre.“21 Nach Florenski liegt in der heiligen Trinität die Welt verborgen.

Diese trinitarische Wahrheit entscheidet über die ontologische Lebensqualität, und um sie zu erkennen, muß man „ » wirklich in die Eingeweide der göttlichen Trinität hinein gehen « . Und dies ist nur möglich, indem man liebt. Durch die Liebe, in der trinitarischen Dynamik der gegenseitigen Kenosis und Erhöhung gelebt, kann der Mensch die räumlich-zeitliche Begrenztheit seiner Existenzüberwinden, um in die Ewigkeit einzutreten, bzw. er kann in einer unendlichen Reihe einzelner Momente der Liebe teilnehmen an einem einzigen, ewigen und unendlichen Akt der Liebe, jener Liebe der homoousia der Liebenden in Gott.“22

Das eigentliche Ziel des russischen Denkens ist die Bewahrung der trinitarischen Wahrheitsüberlieferung, die so, wie sie den Kirchenvätern erschlossen wurde auch weitergegeben werden muß. Deswegen sagt Vladimir Solovev (1853-1900) in seinem programmatischen Buch Die Russische Idee: „ Das getreue Bild der Trinität wiederherzustellen ist das Ziel der russischen Idee.“23

Bei Florenski und Solovev erfolgt eine besondere Wahrnehmung der homoousianischen Wahrheit. Durch die Liebe Gottes, in der der Mensch sich selber wieder findet, vollzieht sich das Geheimnis der Liebeserkenntnis (Kardiognosis). Die Einheit der Erkenntnis hat ihre Quelle in Gott und im Gebet zu ihm, in dieser metaphysischen Beziehung, der metalogischen Kommunikation. Das Ziel der Erkenntnis ist die Alleinheit (ɜɫɟɟɞɢɧɫɬɜɨ) mit göttlicher Wirklichkeit. Bei Solovev hat der Gedanke der Alleinheit nicht nur einen trinitarisch- anthropologischen Charakter, sondern er bezieht sich auch auf die Einheit hic et nunc. Die Alleinheit als die Gabe der Trinität, so Solovev, überwindet alle nationalen und konfessionellen Trennungen. Sie dient auch der Errichtung einer wahren Symphonie zwischen Staat und Kirche, in der sich der Staat freiwillig der Macht der Kirche unterstellt, weil sie eine wirkliche und objektive Form des Reiches Gottes sei.24 Diese Einheit ist bei Vladimir Solovev nur dann möglich, wenn sich die positiven Elemente der christlichen Kultur des Ostens und Westens vereinen: „ Der erste Schritt in diese Richtung sollte sich in der Vereinigung der Ost- und Westkirche zeigen. Die Ostkirche verfügtüber den Reichtum der mystischen Kontemplation. Die Westkirche baute eineübernationale Struktur der vom Staat unabhängigen geistlichen Gewalt auf.“25

Solovev kann diesen Einheitsgedanken nicht nur auf die Ökumene im Sinne der Wiederherstellung der sichtbaren Einheit der Kirchen beziehen, sondern er will sie auch, ähnlich wie Pavel Florenski, in die alltägliche Existenz des menschlichen Lebens integrieren. Die aus der Homoousie abgeleitete Alleinheit umfaßt auch die „Wissenschaften“, sie will die zerstörte Einheit der Theologie und der Philosophie wiederaufbauen und so die im Laufe der Geschichte zwischen Ost und West entstandenen Risse überwinden. Freilich sollte das alles nach dem homoousianischen Prinzip geschehen, das von der Orthodoxie unverfälscht bewahrt wurde und für alle Lebensbereiche akut gemacht werden soll.

Die Idee des symphonisch geregelten Zusammenlebens zwischen Staat und Kirche gewinnt hier an religiöser Bedeutung: „ Eine große Rolle spielt bei Solovev dieübertragung seines Systems ins soziale Leben. Die solovevsche Synthese der Wahrheit, der Schönheit und des Guten, die durch die Synthese von drei Verfahren des Wissens - mystisch, rational und empirisch - bewirkt werden kann, findet ihren Ausdruck in drei Wissenschaften: Theologie, Philosophie, Wissenschaft. Die Einheit dieser drei bildet die Einheit des "ganzheitlichen Wissens"; die Theosophie, - welche ihrerseits eine Seite der Ganzheit des Lebens in der Einheit der Theosophie, Theokratie und Theourgie ist. Die Theokratie (Staat) ist dabei die Ganzheit des sozial-institutionalen Lebens in Freiheit, die Theourgie (Kirche); die Ganzheit des freiheitlichen Handelns. Alle drei sind die Sphären, wo das menschliche Leben im Dienst an Gott gänzlich und freiheitlich entfalten kann.“26

Auch Pavel Florenski betont mit aller Stärke die alleinheitliche Konzeption des gesellschaftlichen Zusammenlebens und weist auf das universale und unitaristische Weltbild des Mittelalters hin, in dem die Ordnung das Leben der Menschengemeinschaft nach dem strengen Einheitsmodell reguliert: „ Florenskij charakterisierte sich selbst als einen mittelalterlichen Menschen. Er bewunderte das geschlossene und hierarchische Weltbild des Mittelalters und bekannte sich ausdrücklich zu ihm. Den Typus der mittelalterlichen Kultur sah Florenski gekennzeichnet durch Objektivität, Kollektivismus, Konkretheit, Ganzheitlichkeit, synthetische Schau und Realismus. Im Gegensatz dazu stehe der Typus der westlichen Renaissance-Kultur. Seine Merkmale seien Subjektivität, Individualismus, Abstraktheit, Analytik, Sensualismus und Illusionismus, Zersplitterung, Atomisierung und schließlich Nihilismus und Selbstzerstörung.“27 Dieselben Argumente bringt Florenski und mit ihm andere russische Denker im Blick auf die westliche Kultur und die Frage des Schönen.

Die Problematik des Verhältnisses zwischen Philosophie und Theologie (ratio et fides) war über Jahrhunderte Gegenstand dogmatischer Streitigkeiten. Pavel Florenski war in seinem philosophischen Denken ein ausgesprochener Kritiker des scholastischen und modernen zweckorientierten Rationalismus (I. Kant). Dadurch wollte er die verlorene und vergessene Einheit der Philosophie und Theologie in die Diskussion einbringen. Die dienende Funktion der menschlichen Vernunft zur göttlichen Offenbarung muß nach Florenski wiederhergestellt werden. Nach ihm: „ ist die Philosophie ihrem eigentlichen Wesen nach nichts anderes als das Begreifen und Erfassen der vernünftigen, höheren, himmlischen, transzendenten Welt. Doch unserem Wissen bietet sich diese Welt als Kult, als Verkörperung der höheren Welt in unseren konkreten Symbolen. Philosophie ist daher Idealismus, aber ein Idealismus, der sich nicht mit Gedanken beschäftigt, sondern mit dem konkreten Schauen und Erleben geistiger Wesenheiten, d.h. des Kults.“28

Das aufgegriffene Problem der Einheit von der Schönheit und dem Guten ist im russischen Denken die auffälligste Diskrepanz zwischen Ost- und Westkultur. Durch die Kunstsakralisierung, und zwar durch das Festhalten an die Entscheidungen des Konzils zu Nizäa (787), ist das Schönheits- und Einheitsprinzip im orthodoxen Kulturkreis bewahrt worden.

Die Russen erinnern an die ursprüngliche Koexistenz von Schönheit und Gutem im griechischen Begriff der καλοκαγαθȓα (kalokagathia), in dem diese zwei Größen unvermischt in der untrennbaren Homoousie verwirklicht sind. Diese Kalokagathia erschließt sich dem Menschen durch die Ikone, durch ihren Glanz in der andachtsvollen Wahrnehmung. Die russischen Religionsphilosophen erinnern an die gewichtige Stellung des Schönen, indem sie immer wieder die alte Legende der Christianisierung in Rußland in Erinnerung rufen. Die Botschafter des Fürsten Vladimir aus Kiev, die mit dem Auftrag der Wahl der besten Religion in die ganze Welt ausgeschickt wurden, begaben sich auf den Weg zu den Muslimen, Juden, Lateinern und Griechen. Nach dem Bericht der geheimen Botschafter entschied sich der Großfürst für das Christentum des byzantinischen Ritus, nachdem er diesen Bericht gehört hatte: „ Wir wussten nicht, ob wir im Himmel oder auf der Erde sind, weil solche Schönheit auf der Erde nicht anzutreffen ist.“29

Die Schönheit ist auch wichtiger Bestandteil des religiösen Denkens bei Fiodor Dostojewski, der in seinem Roman Die Dämonen mit Worten von Stepan Trofimoviþ sagt, daß die ganze Welt ohne Engländer, Deutsche und Russen leben könne, auch ohne Wissenschaft und Brot, aber nicht ohne Schönheit. Der zentrale Gedanke dieser leidenschaftlichen und dramatischen Rede ist die Feststellung: „ Die Schönheit wird die Welt erlösen !“30 Die abendländische Tradition hat in ihrer Geschichte das Element des Schönen im sakralen und alltäglichen Bereich profanisiert oder sogar verteufelt. Das Schöne als ein Teil der großen Symphonie der Schöpfung für Gott ist verlorengegangen. In der historischen Anthropologie ist das Schöne etwas, was zum Strom des Lebens gehört, was den Menschen und seine natürlichen Bedürfnisse definiert. Die abendländische Selbstkritik gibt allmählich zu, daß im rationalisierten Denkraum des Westens der Mangel am Schönen zu einer Verarmung des Geistes geführt hat.

Das Schöne in der Orthodoxie glänzt nicht nur von den Ikonen, sondern auch in der Liturgie, besonders in ihrem Höhepunkt, der Eucharistiefeier. Nach der Liturgie vom heiligen Johannes Chrysostomus singt der Chor nach der Kommunion der Laien: „ Wir haben das wahre Licht gesehen, wir haben den himmlischen Geist empfangen, wir habenden wahren Glauben gefunden. Die unteilbare Dreifaltigkeit beten wir an, denn sie hat uns erlöst!31 Das Motiv des Lichtes, das vor allem in der Vergöttlichungslehre zur Sprache kommt, ist auch ein Synonym für die absolute Schönheit, die vom dreieinigen Gott strömt und die Gläubigen erleuchtet. Die Schönheit wird hier auf besondere Weise zum Heil des Menschen offenbart, und zwar in grenzenloser Fülle, die zu ihrem Wesen gehört. Paul Evdokimov sagt: „ Das Schöne kommt unserem Geist zu begegnen; nicht, um ihn zu begeistern, sondern um ihn auf die brennende Nähe Gottes zuöffnen (...) Das Schöne kennt keine Grenzen, aber es erträgt auch kein Dissens.“32

Carl Friedrich von Weizsäcker gibt in seinem 1975 in Salzburg gehaltenen Vortrag eine kurze Schilderung der Vernachlässigung des Schönen im Westen: „ Die Kritik an der Tradition ist eine der großen Traditionen Europas. So hat auch das Misstrauen gegen das Schöne Vorläufer im abendländischen Denken seit den jüdischen Propheten, den griechischen Philosophen, der Nüchternheit der Römer. Wenigstens vier Kritiken am Schönen kennen wir aus der Tradition: Das Schöne ist nicht nützlich. Das Schöne ist nicht gerecht. Das Schöne ist nicht wahr. Das Schöne ist nicht fromm. (...) Luzifer war schön; deshalb fiel er von Gott ab. Schönheit ist die abgöttische Vollendung von etwas Weltlichem. Sie entflammt aus einem von der Gottheit abgelösten Funken ein verführerisches Feuer, dessen Nährstoff der Trieb ist, und das, wenn es ausgebrannt ist, einen Leichnam aus Asche zurücklässt (...) Nun behaupte ich aber: Schönheit ist eine Form der Wahrheit. Schönheitssinn ist ein Sinn.“33

Indem sich der Osten zum Schönen bekennt und es in den religiösen Beziehungsgefügen des Denkens verwirklicht, wird eine neue, dem Westen verschlossene Qualität des Lebens enthüllt. Das Schöne ist jedoch nicht das Absolute, sondern eine Hypostase der göttlichen Homoousie, der Alleinheit. Florenski mahnt jedoch, daß alles was wahr ist zugleich schön ist, aber nicht alles was schön ist, auch wahr sein muß.

3. Die göttliche Erlösung des Menschen- die Theosis

Der Anthropologie kommt innerhalb der theologischen Disziplinen eine enorme Bedeutung zu. Als ein Teil der christlichen Dogmatik befasst sie sich mit der Frage nach der Orientierung des Menschen und seinem Wesen in der Welt, aber vor allem vor Gott. Das Grundprinzip der Gottesebenbildlichkeit des Menschen betont die besondere Würde und Stellung des Menschen und thematisiert zugleich die durch die Sünde zerstörte Einheit zwischen Gott und Mensch. Es geht darum diese Einheit wiederherzustellen, damit die Kraft Gottes in jedem Menschen wohne. Für die russischen Philosophen, aber auch für die unzähligen mystischen Denker im Abendlande, setzt jedes Denken an Gott mit der Erscheinung Christi ein.

In seinem im Jahre 1943 in Paris publizierten Buch Lamm Gottes schrieb Sergius Bulgakov folgendes: „ Göttliche Inkarnation ist weder Katastrophe für das, was im Menschen höchstwichtig ist, noch ein Gewaltereignis, sondern seines Wesens Erfüllung. Deswegen ist Christus sowohl der vollkommene Gott, als auch der vollkommene Mensch.“34 Damit wird nicht nur die vorbehaltslose Zuwendung zum christologischen Dogma aus Chalkedon manifestiert, sondern auch der anthropologische Ansatz der russischen Philosophie.

Die Inkarnation des göttlichen Logos, die Epiphanie der zweiten Person der Trinität, ist die Ermöglichung des vollen Menschseins. Christus als der wahre Mensch, unser Bruder, der uns in allem ähnlich war, ausgenommen der Sünde (vgl. Hebr. 4,15-16), ist die erste Ikone, ja, er ist die einzige Verwirklichung und Verkörperung der göttlichen Sorge um den Menschen. Er ist Gott selber, der sich entäußert und entleert hat, damit jeder Mensch sein Menschsein in bisher nie gekannter Fülle erfahren kann.

Die Inkarnation Christi geschieht um des ewigen Heils des Menschen willen. Der Himmel nähert sich der Erde und der Glanz der göttlichen Liebe erscheint im menschlichen Fleisch Christi. Diese Überzeugung wird auf besondere Weise aus dem Gesichtpunkt der christlichen Hermeneutik in den alttestamentlichen Erniedrigungsliedern vom geschlagenen Diener Jahwes widergespiegelt, indem sie auf Christus gedeutet wird: „ Fürwahr er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.“35 Sergius Bulgakov steht auch in dieser christlichen Tradition, aber er sieht in ihr eine dem Abendland eher fern liegende Verkündigung der Vergöttlichung (Theosis) des Menschen in der eschatologischen Perspektive, die uns weiter beschäftigen soll: „ Die Inkarnation. Sie ist kein normaler soteriologischer Akt. Ihr generelles Ziel ist die Vergöttlichung, um alle himmlischen und irdischen Kreaturen unter der Herrschaft Christi zu vereinigen. Indem Gott aus der Ewigkeit zur Diesseitigkeit herabkommt, vereinigt er sich mit der Welt nicht nur von außen als ihr Schöpfer, sondern auch von innen her. Auf diese Weise ist die Inkarnation eine innerliche Grundlage der Schöpfung, ihre >Ursachlichkeit<.36

3.1 Der Geist und die Heilserfahrung bei Symeon dem Neuen Theologen und die Vergöttlichung bei Gregor Palamas

Vom traditionellen historisch-dogmatischen Standpunkt aus gesehen, ist der dogmatische Bildungsprozeß der orthodoxen Ostkirche nach dem Siebenten Ökumenischen Konzil zu Nizäa (787) zu Ende gekommen. Die erwähnte gesamtkirchliche Synode hat sich mit der Frage der Bilder befasst und hat in ihrem Horos den Ikonoklasmus (Bilderfeindlichkeit) als die Summe aller Häresien bezeichnet. Im Kampf zwischen Ikonoklasten und bilderfreundlichen Parteien wurden wiederum die alten christologischen Streitigkeiten thematisiert, wie etwa der Monophysitismus, und in den Kontroversdebatten herangezogen. Nach den kirchen-politischen Umwälzungen konnte man erneut die Entscheidungen von 787 zur Geltung bringen, nachdem sie von den politisch mächtigen Ikonoklasten rückgängig gemacht worden waren.

Das geschah freilich erst am 11. März 843, an dem während eines feierlichen Gottesdienstes in der Hagia Sophia die Verurteilungen der Ikonoklasten in Kraft blieben, wobei die Lehrsätze aller sieben Konzilien (325-787) klar als der unverzichtbare Inhalt des orthodoxen Glaubens bestätigt wurden. Dieser Tag gilt für die ganze orthodoxe Welt als das Siegesfest der Orthodoxie, an dem das synodale Bekenntnis (Synodikon) gegen die Ikonoklasten in der Liturgie vorgelesen wird. Mit diesem Beschluß hat die Orthodoxie ihren dogmatischen Kanon festgelegt und setzte alle ihre Kräfte dafür ein, diesen Glauben in unveränderter Form zu bewahren: „ Die Dogmatisierung der Bilderlehre war der vorläufig letzte große Beitrag des orthodoxen Christentums zur gesamtchristlichen Lehrentwicklung. Künftig ging es der Orthodoxie eher um die Erhaltung und Bewahrung des status quo. Die Zeit nach 843 ist vorwiegend gekennzeichnet durch Bewahrung des Erreichten und Abwehr jeglicher Veränderung.“37 Das heißt wohl nicht, daß das religiöse Leben in den dogmatischen Formulierungen erstarrte, sondern es entwickelte sich in mannigfaltiger Form. Die theologischen Divergenzen mit der abendländischen Kirche, die man bei jeder Gelegenheit ausschlachtete, waren nicht nur kirchenpolitisch begründet (die Autoritätsfrage), sondern sie zielten auf weitgehende Unterschiede im Wahrnehmungsprozeß der Glaubenserfahrung ab.

Während der Westen immer mehr in Richtung der Rationalität und der philosophisch untermauerten Apologetik ging (vor allem Früh- und Hochscholastik), konzentrierten sich die Orthodoxen auf die kirchliche Mystik. Mit Recht stellt Bulgakov in seinem Werk Die Orthodoxie fest: „ Die Mystik ist der Atem der Orthodoxie, der die Kirche mit seiner Atmosphäre umfaßt.“38

Durch die Entscheidung des bereits angesprochenen Zweiten Ökumenischen Konzils zu Konstantinopel (381) wurde der dritte Teil des nizäanischen Bekenntnisses pneumatologisch erweitert. Bis dahin gab es nur die einfache Glaubensfeststellung vom Glauben an den Heiligen Geist, zu der noch die Formel von seinem Hervorgehen allein aus dem Vater hinzugefügt wurde und seine heilsökonomische Wirkung („der Herr, der lebendig macht“). Im Westen hat man später dazu, nicht ohne Zögern des römischen Papstes, den Glaubenssatz Filioque hinzugefügt („Ich glaube an den Heiligen Geist, der vom Vater und dem Sohne hervorgeht...“), was einer der Gründe des Schismas mit Rom im Jahre 1054 war. Darin sahen die Orthodoxen den Bedeutungsschwund des Heiligen Geistes, der dadurch auf das bloße Vermittlungsinstrument der Christusoffenbarung reduziert wurde (Christomonismus). Den pneumatologischen Ansatz in der Theologie hat man seitdem in der Ostkirche sehr betont, und zwar nicht nur in der Liturgie (zahlreiche Hymnen, bes. im syrischen Bereich), sondern auch in der Klosterpraxis durch das Ausgerichtetsein auf die unmittelbare Geistergreifung.

Wichtig in diesem Gedankengang ist Symeon der Neue Theologe (949-1022), ein frommer Mönch, der die mystische Theologie des Ostens entscheidend mitgeprägt hat. Symeon sprach von der Schau Gottes, um die jeder Mensch ringen sollte, die aber nicht allen erschlossen ist oder sein kann. Mit den apophatischen Begriffen der Anfangslosigkeit, der unzertrennlichen Einheit Gottes, stellt er den Abgrund zwischen Gott und Mensch dar. Danach ist Gott der Andere, der in seinem Wesen, seiner inneren Wahrheit und Unbegrifflichkeit außerhalb der Schöpfung sei.

Symeon ergänzt diesen Gedanken durch den kataphatischen Satz, daß Gott jenseits alles Seins zugleich in dieser Welt präsent und erfahrbar ist. Durch den Heiligen Geist läßt sich Gott in wunderbarer Weise im Inneren des Menschen erfahren. Die Überwindung der Sündhaftigkeit und Erfahrung der ultimativen Heiligkeit Gottes nennt Symeon der Neue Theologe Gottesschau (θεωρȓα), die immer in der trinitarischen Wahrheit zustande kommt: „ Voraussetzung für die Schau, deren Symeon sich gewürdigt wußte und die ebenso anderen zuteil werden kann, ist, daßdas πνευµα , der Hl. Geist, ihm hilft. Angesichts der kreatürlichen Unfähigkeit des Menschen, zur Gotteserkenntnis bedarf es des Eingreifens seitens Gottes. Der Mensch mußdas Pneuma in sich aufnehmen und damit vom Tod zum Leben gelangen, ehe er der Schau gewürdigt werden kann. Dem zur Gottschau auserwählten Mystiker wohnt der Hl. Geist wesensm äß ig ein, so daßder Logos in ihm geboren wird und er Anteil an dessen Gottheit erfährt; das führt letztlich zur Gemeinschaft und Einung mit dem Logos. Mit dem Geist kommen immer Vater und Sohn zusammen, so daßdie Einwohnung trinitarisch ist.“39

Solche Menschen wie Symeon nannte man Hesychasten (´ησυχȓα − Ruhe; hesychia), also die, die in der Stille, ja im Schweigen, die Gottesschau, die göttliche Erkenntnis als Vorgeschmack des endzeitlichen Pleroma (Fülle) erfahren, und zwar vor allem im Zustand des Gebets: „ Die zentrale Frömmigkeitsform de Hesychasmus ist eine besondere Gebetsmethode in der unaufhörlich das sogenannte Jesus-Gebet gesprochen wird ( „ Jesus Christus, du Sohn Gottes, erbarme dich meiner “ oder einfach „ Herr Jesus “ ).“40 Die Sammlung von solchen Gebeten nennt man Philokalia.

Einer von solchen Hesychasten war Gregor Palamas (1269-1359), Mönch, Eremit und am Ende seines Lebens Metropolit und Erzbischof von Thessaloniki. Der Hesychasmus war die Domäne der Klöster und der anachoretischen Mönche. Er konzentrierte sich überwiegend auf das mystische Erlebnis der Nähe Gottes und bekämpfte alle philosophisch orientierten Strömungen, die in der Kirche auftraten.41 Mit einem solchen Vorwurf der philosophisch- rationalen Einstellung, wendet sich Gregor Palamas gegen einen anderen Theologen, den Barlaam von Kalabrien, der seinerseits die Hesychasten des blanken Aberglaubens hinsichtlich der Frage der göttlichen Lichtschau bezichtigte.

Der Weg zur Erklärung der Lehre der Hesychasten für orthodox war lang und führte durch die politischen Interessen der damaligen Amtsinhaber, worauf hier nicht eingegangen wird. Es ist nur zu konstatieren, daß Gregor Palamas gegen Barlaam die sogenannten Apodiktischen Traktate verfaßte, in denen er die Systematik der Hesychastenlehre (Palamismus) entwickelte und den umstrittenen Begriff der Vergöttlichung im Blick auf die Schau Gottes wieder in den theologischen Gebrauch eingeführt hat. Die θεοσις kommt in der Bibel nicht explizit vor, wohl aber implizit.42 In der biblisch-systematischen Perspektive ist das Ereignis der Verklärung Christi auf dem Taborberg, von dem die synoptischen Evangelisten berichten43, die Antizipation der Theosis für jeden Menschen. In den nachbiblischen Schriften ist dieser Begriff in den Schriften von Dionysios Areopagita und Gregor von Nazianz (†374) präsent. In den christologischen Auseinandersetzungen um die Zweinaturenlehre wurde die Vergöttlichungslehre ein wichtiger Gegenstand der Apologetik von Maxim dem Bekenner († 662)44 Als die Rückkehr der Menschen zu Gott wurde die Theosis das Ziel und Merkmal des soteriologischen Geschehens in der östlichen Theologie.45

Der Terminus Theosis geht mit Palamas in die orthodoxe Theologie und dadurch automatisch in das russische anthropologische Denken aufs Neue ein. Während die Gottesschau bei Symeon einen exklusiven Charakter hatte, d.h. nur für wenige Auserwählten erfahrbar war, so war die Theosislehre von Palamas die Krönung der Heilslehre. Der Mensch wird erlöst, indem er von Gott vergöttlicht wird. Für den Palamismus ist die Unterscheidung von Wesen und Energien Gottes fundamental. Diese Differenzierung als Realdistinktion bedient sich wieder der uns bekannten Termini der Apophatie und Kataphatie.

Das Wesen (ουσȓα) Gottes ist das uns unzugängliche, unüberschaubare und unendliche Geheimnis Gottes. Das ist seine innere Wahrheit und Wirklichkeit, die er, bildlich gesprochen, in sich hat. Die kognitive Unergründlichkeit und Unbegreiflichkeit zeigt sich im menschlichen Reden über Gott. Die Sprache erkennt ihre Grenzen und scheitert beim kleinsten Versuch, wenn sie den Vorhang der apophatischen Weisheit zu zerreißen versucht.

Die Energien (ενȑργεια) sind von uns erfahrbare Manifestationen (ad extra) der Seinsweise der Trinität. Die Energien sind nicht die eigentlichen Hypostasen der Trinität, sondern das Licht oder die Ikone, die dem erlösten Menschen aus Gnade geschenkt werden. Palamas erklärt das Verhältnis des Wesens zu den Energien Gottes im Modus der Transzendenz und Immanenz, ja, in der dialektischen Dynamik, die als ihr Ziel die Zuwendung Gottes zum sündigen Menschen hat. Diese Dynamik ist auch sichtbar am Beispiel des Glaubensbegriffs, bei dem zwischen dem unbedingten Wesen des Glaubens und seinen nicht absoluten Erscheinungsformen unterschieden wird.46 Eine ähnliche Dichotomie wurde im Kirchenkampf gegen die Ikonoklasten gebraucht: die Differenz zwischen dem „Urbild“ und dem „Abbild“.

In der Verwirklichung der Theosis ist also die Energie des dreieinigen Gottes am Werk. Da der Mensch nach der Ebenbildlichkeit Gottes geschaffen wurde und durch die Sünde von Gott abgefallen ist, braucht er Gottes Kraft, um an der Heiligkeit des Schöpfers und der in Gott immerwährenden Erkenntnisfülle teilhaben zu können: „ Wenn Gott ein Seiender ist, dann gibt es außer ihm kein zweites Seiendes; wenn aber die Menschen Seiende sind, dann mußGott selbst gem äß seiner Transzendenz ein Nicht-Seiender sein. Im Rahmen seiner Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen hält Gregor Palamas unbeschadet seineräußerungenüber die absolute Transzendenz und Analogielosigkeit des göttlichen Wesens durchaus an einer Seinsanalogie von Gott und Mensch fest.47

Die Vergöttlichung als die Erfüllung des Heilsgeschehens durch die Trinität, die nur dank der Inkarnation Christi möglich ist, bringt den Menschen zur Urquelle seines Daseins. Es ist endgültige Versöhnung des Menschen mit dem Schöpfer. Nun kommen wir zur Rezeption der Theosis bei den russischen Geschichtsphilosophen.

3.1.1 Die Theosis im russischen Denken

Die russischen Denker gehen bei der Betrachtung der Theosis direkt von dem Ansatz der Inkarnation Christi aus. Die Gottmenschlichkeit Christi ist danach nicht nur historisches Faktum, sondern auch die größte Aufgabe des Menschen, der von Natur aus ein theandrisches (gottmenschliches) Wesen sei. Durch Gott wird der Mensch in die göttliche Dimension eingebettet, wo er seine „Verwandtschaft“ mit Gott erfährt. Vladimir Solovev kann deshalb sagen: „ Das Christentum ist nicht nur der Glaube an Gott, sondern auch der Glaube an den Menschen, an die Möglichkeit der Realisierung der Gottheit im Menschen. Man kann in der Geschichte beobachten, daßalle Häresien gegen diese Wahrheit auftreten: entweder vermindern sie die Gottheit oder das Menschsein.48

Das Zusammenkommen des Menschseins und der Gottheit in Jesus ist die transzendentale Offenbarung Gottes, die zugleich dem Menschen den Lebensweg zeigt, und zwar der wunderbaren Union, in der der Mensch an der Gottmenschlichkeit Jesu teil hat und dadurch aufgrund der unverdienten Gnade vergöttlicht wird. Diesen Aspekt der Begegnung des Menschen mit Gott beschreibt Berdjaev in seinem Buch Geist und Freiheit als einen Dialog: „ Ein grundlegender Mythos des Christentums ist das Drama der Liebe und Freiheit, das sich zwischen Gott und Mensch abspielt: die Geburt Gottes im Menschen und die Geburt des Menschen in Gott. Die Erscheinung Christi, des Gott-Menschen, stiftet die vollkommene Einheit der beiden Bewegungen, verwirklicht die Einheit in der Zweiheit im theandrischen Mysterium.“49

In dieser theandrischen Bewegung zu Gott hin erschließt sich das eigentliche Ziel der Geschichte, die immer Heilsgeschichte ist. Sie wurde geschaffen, damit der Mensch in ihrem Rahmen die Wirklichkeit Gottes erfahren kann. Gott offenbart sich und führt den Dialog mit der ganzen Menschheit. Er lädt zur Partizipation an seiner Gegenwart ein, die durch die Inkarnation möglich geworden ist. Bulgakov sagt: „ Die Geschichte ist ein Dialog zwischen Gott und Mensch, ihre Zusammenarbeit - sie ist der Prozeßder Gottmenschlichkeit.“50 Der erwähnte Offenbarungs- und Kooperationsvorgang geschieht um des Menschen Heils willen und mündet in die Erlösung, die Vergöttlichung des Sünders, der von Gott geheiligt wird.

Im Blick auf die Theosis gehen manche russische Philosophen in der Tradition der Väter auf die Ikonen zurück (Evdokimov, Florenski), die die schon vergöttlichten Heiligen illustrieren und vergegenwärtigen. Die dargestellten Heiligen sind von der absoluten Macht der Sünde geheilt und durch die göttliche Liebe schauen Gott von Angesicht zu Angesicht (visio beatifica). Ihre Gesichter auf den Ikonen verraten den Beobachtern einen außergewöhnlichen Zustand der απαθεια (Apathie), der emotionalen Unbeweglichkeit, die jedoch nichts mit Gefühllosigkeit zu tun hat, wie es der moderne Wortgebrauch indiziert. Es ist ein Zustand des seligen Ergriffenseins durch den Heiligen Geist, in dem die Bedingungen der fleischlichen Existenz überwunden werden durch die pneumatische Ekstase. Die harmonische Ruhe des Herzens, das Nichtbetroffensein durch die Leidenschaft (ɛɟɫɫɬɪɚɫɬɢɟ), das Herausgerissenwerden aus dieser Welt in die Dimension der vergöttlichten Wirklichkeit, wird durch den ruhigen und vertrauensvollen Blick der Heiligen illustriert. Diese Vision und Verheißung skizziert auch der Apostel Paulus in seinem Hohelied der Liebe, auf den sich auch die Väter und russische Denker in der Frage der Schauerkenntnis immer wieder berufen: „ Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“51 In diesem Deutungszusammenhang ist die Vergöttlichung des Menschen die vollkommene Erkenntnis.

Im russischen Denken ist die Vergöttlichungslehre samt der patristischen Überlieferung präsent. Philosophen wie Florenski oder Solovev nehmen das dogmatische Theosis- Gedankengut auf und geben es weiter ohne Änderungen. Aus diesem Grund ist die Theosisfrage in dieser Arbeit vor allem auf die historisch-theologische Darstellung konzentriert, weil diese Lehre bei den Kirchenvätern und Theologen, besonders aber beim Hl. Gregor Palamas, ihre vollständigen und klaren Konturen gewinnt. Die Theosislehre als der charakteristische Ausdruck der orthodoxen Soteriologie wird aber, wie oben dargelegt wurde, mit geschichtsphilosophischen Gedanken ergänzt, deren Schärfe bei den Fragen der Apokatastasis und Sophiologie erfahrbar ist.

3.1.2 Exkurs: Die Theosislehre im reformatorischen Abendland

Tuomo Mannermaa, einer der bekanntesten finnischen lutherischen Theologen legt zutreffend den erstaunlichen Ansatz seiner langjährigen Arbeit dar: „ Theosis als Thema der Lutherforschung - eine sophistische Paradoxie ohne realen Inhalt? Was hat Luther und Lutherforschungüberhaupt mit der theosis zu tun? Vor zwanzig Jahren schon als Fragestellung eher unwahrscheinlich - mit welchem Grund heute ein wissenschaftliches Thema?52 Eine solche Fragestellung mag tatsächlich für die protestantischen Ohren recht fremd klingen, aber aufgrund der theologisch-wissenschaftlichen Forschung der letzten Jahrzehnte kann man von einer erfreulichen Nähe der reformatorischen (lutherischen) Rechtfertigungslehre und der orthodoxen Theosislehre sprechen, wohlgemerkt, der Ähnlichkeit und nicht der absoluten Gleichheit.

Mannermaa weist darauf hin, daß das Wort der Theosis (deificatio) öfters bei Luther vorkommt als der Hauptbegriff seiner während der berühmten Heidelberger Disputation (1518) formulierten Heilslehre nämlich die theologia crucis. Wenn in Luthers Epistelkommentaren und Weihnachtspredigten die inkarnatorische Wahrheit auf besondere Weise zum Ausdruck kommt, dann meint er ähnlich wie die orthodoxe Heilslehre die reale Teilhabe an der Gottheit Jesu: „ Wie das Wort Gottes Fleisch geworden ist, so ist es gewißnotwendig, daßauch das Fleisch Wort werde. Dann eben darum wird das Wort Fleisch, damit das Fleisch Wort werde. Mit anderen Worten: Gott wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde. Also wird Macht machtlos, damit die Schwachheit mächtig werde. Der Logos zieht unsere Form und Gestalt, unser Bild und Gleichnis an, damit er uns mit seinem Bilde, mit seiner Gestalt und seinem Gleichnis bekleide. Also wird die Weisheit töricht, damit die Torheit Weisheit werde, und so in allen anderen Dingen, die in Gott und in uns sind, sofern er in all dem das Unsere annimmt, um uns das Seine zu vermitteln.“53 Luther nimmt hier den Vergöttlichungsgedanken des Hl. Kirchenvaters Athanasius auf, indem er nach ihm sagt, daß Jesus Mensch wurde, auf daß wir vergöttlicht wurden.54 Freilich geschieht das durch den vom Heiligen Geist geschenkten Glauben aufgrund des Heilsgeschehens in und durch die Person Jesu Christi. Durch das Kreuz und die Auferstehung Christi wird der sündige Mensch von Gott gerecht gesprochen, ohne seine Werke, allein aus Gnade (sola gratia). Dieses Gerechtsprechen ist die passive Gerechtigkeit Gottes (iustitia dei passiva), die zugleich göttliche Barmherzigkeit ist. Durch die Erlösung hat der sündige Mensch Anteil an der Göttlichen Realität der Liebe, an seiner Heiligkeit, indem er zum ursprünglichen Zustand der durch den Sündenfall verlorenen imago Dei zurückgebracht wird. Gott nimmt im erniedrigten Christus die Sünde, Verdammung, Verwerfung auf sich und schenkt dem Sünder die unverdiente Gerechtigkeit (sog. fröhlicher Wechsel). Die Lutheraner und die Orthodoxen können mithin gemeinsam in großer Übereinstimmung von der Vergöttlichung sprechen, aber es darf nicht übersehen werden, daß das Zustandekommen der Rechtfertigung (Vergöttlichung) in der lutherischen Theologie jegliches Mitwirken (Synergismus) des sündigen Menschen ausschließt, der allein auf die Gnade des dreieinigen Gottes angewiesen ist. In der orthodoxen Heilslehre hingegen spielt der Synergismus eine entscheidende Rolle.

Eine Zusammenfassung der kompakt dargestellten Ähnlichkeiten in der lutherischen und orthodoxen Soteriologie sollten die Worte des Erzbischofs Seraphin, des Oberhauptes der Rumänisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland, sein, der anlässlich der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen dem Lutherischen Weltbund (LWB) und der Römisch-Katholischen Kirche folgendes gesagt hat: „ Wir nutzen die runde Jahreszahl 2000, um uns des umfassenden Heilswillens Gottes neu bewusst zu werden. Wir tun das mit noch gr öß erer Freude und Bereitschaft, weil die Unterzeichnung vom 31. Oktober 1999 in Augsburg, die historischeübereinkunft des Lutherischen Weltbundes mit der Katholischen Kircheüber die Rechtfertigung allein aus Glauben, ganz der alten orthodoxen Tradition der Verklärung und Vergöttlichung des Menschen entspricht und ein fast lächerliches Missverständnis zwischen Christen beendet hat. Der christliche Glaube vertieft diese Sicht: Geist und Vernunft sind nicht selbst göttlich, sie müssen "vergöttlicht", "geheiligt" werden. Die Heiligung entfremdet nicht von der Welt, sondern führt um so tiefer in sie hinein, weil Gott selbst in Demut das Fleisch der Geschichte angenommen hat.“55

4. Die andere Eschatologie - die Apokatastasis.

Der Begriff der Apokatastasis panton (αποκατȐστασις πȐντων) bedeutet Wiederbringung Aller (lat. restitutio omnium) und wurde zum ersten mal im 4. Jahrhundert vor Christus entweder von Aristoteles oder in der Alten Akademie gebildet. In der aristotelischen Ethik heißt er so viel wie „ die Rückversetzung in den naturgegebenen Normalzustand “.56 In der christlichen Deutung „ versteht man darunter eine Wiederbringung aller der Kreaturen, welche durch Sünde Gott entfremdet und der Verderbnis anheimgefallen sind, zur Gemeinschaft mit Gott, sittlichem Leben in Gott und Genußder Seligkeit.“57 Dies ist die klassische Definition aus dem 19. Jahrhundert. Im ähnlichen Ton findet man Definitionen der Apokatastasis in römisch- katholischen Lexika.58 In der Bibel taucht die Apokatastasis nur ein einziges mal auf, und zwar in den Apostelgeschichten 3,21. Die Auslegung dieses Verses ist unter den Exegeten höchst umstritten und hängt jeweils von der theologischen Position des Auslegers im Streitthema ab. Die Apokatastasis, auch wenn sie nicht wortwörtlich erwähnt wird, findet man auch implizit in anderen biblischen Fragmenten, und zwar in den paulinischen Briefen, wo der Apostel die Erlösung der Menschheit an das Ereignis des Kreuzes bindet: „ Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“59

Das Gegenteil zur Allversöhnung ist die gängige eschatologische Vorstellung über den doppelten Weltausgang nach dem Himmel-Hölle-Schema (vgl. Matthäus 25,31-46). Sie setzt die Erlösung aller Gläubigen und die Vernichtung aller Gottlosen (Annihilatio). Der Annihilationsgedanke, der zweite Tod, findet ihren Ausdruck in der Apokalypse 21,8 und wurde im lateinischen Westen besonders vom Kirchenvater Augustinus vertreten.60 In der patristischen Tradition wurde die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge im Modus der eschatologischen Heilserwartung gedeutet, was zweifellos auf den Kirchenvater Origenes zurückzuführen ist. Diese endzeitliche Erwartung ist mit Hoffnung der Erlösung für alle, einschließlich des Teufels und Dämonen verbunden, und zwar im Sinne des zweiten Glaubensartikels des NC von 381, in dem vom endlosen Reich Christi die Rede ist, das ein Zeichen für den endgültigen Sieg Christi über den Tod und Sünde ist.

Origenes hat die Apokatastasis mit Hilfe der neuplatonischen Ideenlehre verbunden und sprach von einer Bewegung der gläubigen Seelen (Seelenwanderung) zu ihrem Schöpfer hin. Seine Lehre wurde von seinen späteren Schülern (Origenisten) noch radikalisiert und zum ersten mal im Edikt des Kaisers Justinian an den Patriarchen von Konstantinopel verurteilt: „ Wer sagt oder daran festhält, die Strafe der Dämonen und gottlosen Menschen sei zeitlich und sie werde nach einer bestimmten Zeit ein Ende haben, bzw. es werde eine Wiederherstellung von Dämonen oder gottlosen Menschen geben, der sei mit dem Anathema belegt.“61 Diese Verdammungsschrift wurde auf der Fünften Ökumenischen Synode zu Konstantinopel von 543 veröffentlicht. Origenes wurde mit seinen nachkommenden Anhängern, mit den Kirchenmännern (Neonestorianer), die in die christologischen Kontroversen verwickelt waren, vom Konzil durch die Übernahme der sog. kaiserlichen Drei Kapitel und mit anderen Häretikern aus der ganzen Kirchengeschichte (z.B. Arius, Apollinaris) im Kanon 11 verurteilt.

Auch andere Kirchenväter haben von der Apokatastasis gesprochen, und zwar zwei bedeutendste Bischöfe aus Kappadozien Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa (†394), die niemals dafür verurteilt wurden und zusammen mit Basilius dem Großen (†379) die trinitarische theologische Terminologie in Ordnung brachten. Auch für die Kirchenväter und unzählige anonyme christliche Denker in der ganzen Kirchengeschichte war es wichtig, daß man von der Apokatastasis nur im Sinne von seliger Hoffnung und nicht einer dogmatisierten Lehre reden darf, sonst würde dann ihre innere Wahrheit verloren gehen und die Souveränität Gottes angetastet. Dabei erscheint die als hilfreich mehrmals erwähnte apophatische Theologie, die sich vor eindeutigen die Allmacht Gottes einschränkenden dogmatischen Formulierungen zugunsten einer Demutserkenntnis oder des anbetenden Schweigens zu schützen weiß.

Die römisch-katholische Tradition übernimmt die hergebrachte Lehre, aber in ihrer Eschatologie sieht sie noch eine Möglichkeit des Fegefeuers (Purgatorium) vor, das auch auf die Lehre von Origenes zurückgeht: „ Für Origenes ist es ausgemacht, daßjeder, der mit dem Tode aus dem Kampf gegen die Sünde scheidet, der Reinigung bedarf.“62 Dem Fegefeuer wird danach nicht vernichtende, sondern strafende und reinigende Wirkung zugeschrieben. Diese Lehre wurde aber von den griechischen Kirchenvätern, mit wenigen Ausnahmen, nicht rezipiert und wird sowohl in der orthodoxen, als auch in der evangelischen Theologie abgelehnt.

4.1 Die Allerlösung im russischen Denken

Nikolai Berdjaev stellt in seinem Werk Die russische Idee die These auf, daß es im Leben der Völker zwei Mythen gibt, die ihre Existenz dynamisieren, und zwar den Mythos vom Ursprung und den Mythos vom Ende. Bei den Russen, im Gegensatz zur rationalisierten westlichen Kultur, ist dieser eschatologische Mythos denkbestimmend, aber auch blickweitend.63 Die eschatologische Heilserwartung gehört danach zum unverzichtbaren Element des russischen Glaubens, auch wenn es um die Apokatastasis geht, die von der offiziellen Lehre verurteilt ist.

Die Allerlösung in der russischen Volksfrömmigkeit, aber auch in Werken der großen Theologen wie Berdjaev und Florenski, knüpft an den Gemeinschaftscharakter der Erlösung an. Den Russen ist die stark individualisierte und vom aufklärerischen Gemeinschaftsleben abgegrenzte Weltbetrachtung völlig fremd. Fiodor Dostojewski spricht daher im Bezug auf Russen vom Allmenschen (ɜɫɟɱɟɥɨɜɟɤ).64 Die Sobornost (Gemeinschaft) der Kirche ist für die Russen nicht nur ein wesentliches Prinzip der Ekklesiologie, sondern vergegenwärtigt sich im gemeinschaftlichen Leben des Volkes, für das auch das Ereignis der (All)-erlösung im kollektiven Sinne zu verstehen ist: „ Die Slawen gehören zu den sog. Pflanzern und Hackfruchtbauern. Ihnen ist der Kosmos ein Gewebe, in dem der einzelne nur die Funktion einer Masche ausfüllt, d.h. er hat keine Selbstständigkeit. Der Einzelmensch taucht in die Gemeinschaft. Wir kennen dieses Motiv aus allen slawischen sozialen, aber auch nationalen Bewegungen. Ein altes russisches Sprichwort sagt: Nicht der einzelne Bauer kommt in den Himmel, sondern die ganze Dorfgemeinschaft.“65

Der Glaube an die Wiederbringungshoffnung ist für russische Denker wie Evdokimov eine Möglichkeit der mystischen Union der ersten und letzten Sachen. Voraussetzung dafür ist die unaufhörliche Immanenz des Paradieses und des Reiches Gottes. Die Allmacht der Dreifaltigkeit besteht eben darin, daß sie die Einschränkungen des raum-zeitlichen Geschichtsverständnisses überwindet und den vergöttlichten Menschen in die Ära der Metageschichte führt, zu der alle Menschen gleichsam berufen sind. Die Teilnahme an die zeitlose Antizipation dieser überwundenen göttlichen Geschichte findet in der liturgischen Feier der Eucharistie statt, die an das eschatologische Heil nicht nur erinnert (Anamnese), sondern es auch vergegenwärtigt. In diesen Deutungszusammenhang paßt die Hoffnung von der Apokatastasis gut hinein, die bei den russischen Denkern mit Zeit- und Geschichteauffassung zusammengeht, und zwar in lebendiger Traditionsverbindung von Origenes bis zum Hl. Maxim dem Bekenner.

Es lohnt sich, von hier aus noch einen Blick auf Nikolai Berdjaev zu werfen, der zu den profiliertesten Verfechtern der eschatologischen Hoffnung gehörte. Nikolai Losskij schreibt in seiner Geschichte der russischen Philosophie über den ethischen Kontext der Apokatastasis bei Berdjaev und geht zum brennenden Thema der Theodizee über: „ Unglaublich wertvoll ist die Feststellung Berdjaevs, daßdie Lehre von entsetzenden, hoffnungslosen und ewigen Qualen der Hölle einen sadistischen Charakter hat. Man kann keine Theodizee formulieren mit Verzicht auf die Apokatastasislehre, also der allgemeinen Erlösung. Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Philosophie von Berdjaev ist die Apologie der Wahrheit, daßdas Christentum die Religion der Liebe, und infolgedessen der Freiheit und Toleranz ist.“66

Auch der lutherische Theologe und Autor einer Monographie über Berdjaev Wolfgang Dietrich analysiert die Wiederbringung aller Sachen bei Berdjaev im ethisch- heilsgeschichtlichen Spektrum. Er betont dabei den allen russischen Denkern gemeinsamen Einspruch gegen die westliche augustinisch-juridische Sühne-Theorie (satisfactio) zugunsten einer offenen Heilshoffnung, in der es keinen Denkraum für die strafende Vergeltung Gottes gibt: „ Nicht nur müssen alle Gestorbenen vom Tode errettet und erweckt werden, sie müssen auch von der Hölle befreit und aus der Hölle herausgeführt werden. Darin besteht die letzte undäußerste Forderung der Ethik.“67 Den ethischen Sinn der Erlösungshoffnung für alle sieht Berdjaev in der allgemeinen Verantwortung aller für alle, die aus der motivierenden Kraft der Freiheit hervorkommt. Die Nicht-Möglichkeit einer bleibenden Hölle stellt für Berdjaev den Richtschnur der christlichen Zukunftshoffnung dar und widerspricht der militanten Passivität der falsch verstandenen Apokatastasis, als auch der Pädagogik der Angst und biblizistischer Androhung mit ewigem Verdammnis.

Zum Schluß der Apokatastasisfrage gehen wir noch einmal auf Dostojewski ein, und zwar auf seinen Roman Brüder Karamasow. Im Gespräch mit Aljoscha erklärt ihm sein Bruder Ivan seinen Glauben, seinen Widerstand, und zwar nicht gegen Gott, den er anerkenne, sondern gegen die von ihm geschaffene Welt. Die Tränen eines unschuldig leidenden Kindes sind viel wichtiger als alle Begriffs- und Vorstellungsvermögen eines Fortschrittmenschen. Ivan, der in seinem Dialog die fundamentalen Fragen der Theodizee aufwirft, hält Umschau nach Hoffnung, die deutliche Züge der Allversöhnung an sich hat: „ Ich bin wie ein Kindüberzeugt davon, daßalle Leiden heilen und vernarben werden, daßdie ganze beleidigende Komik der menschlichen Widersprüchlichkeiten schwinden wird wie ein klägliches Trugbild, wie die traurige Erfindung des schwächlichen, winzigen, nur atomgroßen euklidischen Verstandes, daßendlich beim Weltfinale, im Augenblick der ewigen Harmonie sich etwas soüber alle Maßen Köstliches begeben und offenbaren wird, daßes genug sein wird für alle Herzen, genug, um jedwede Empörung zu beschwichtigen, genug um alle Gräueltaten der Menschen und alles von Menschenhand vergossene Blut zu sühnen, daßes nicht allein ausreicht, um alles zu vergeben, sondern um auch alles zu rechtfertigen, was den Menschen widerfahren ist.68

4.2 Exkurs: Die Apokatastasis im evangelischen Bereich

In den evangelischen Bekenntnisschriften wird die traditionelle Lehre vom doppelten Weltausgang dargelegt. Im lutherischen Glaubensbekenntnis, der Confessio Augustana (CA) von 1530, wird im 17. Artikel folgendes gesagt: „ Auch wird gelehrt, daßunser Herr Jesus Christus am jüngsten Tag kommen wird, zu richten und alle Toten auferwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe verdammen. Derhalben werden die Wiedertäufer verworfen, so lehren, daßdie Teufel und verdammte Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden.“69 Der dogmen-theologiegeschichtliche Kontext kann hier wegen der Reichweite des Themas nicht behandelt werden, aber es kann nur stichwortartig auf die charakteristische Bezugnahme der CA auf die Täuferfrage (Anabaptisten) und die Verdammung der Allerlösung hingewiesen werden.

Im protestantischen Bereich war die Apokatastasis in den späteren Jahrhunderten Domäne der pietistisch orientierten Theologen. In der unglaublichen Spannung zwischen Treue zur Heiligen Schrift und lebendiger Erfahrung des verkündeten und erlebten Evangeliums sprachen viele pietistische Theologen, besonders in Württembergischen Landen, die Hoffnung der Wiederbringung Aller deutlich aus, womit sie sich Verurteilungen seitens der orthodoxen protestantischen Theologen zugefügt haben. Wegen des begrenzten Umfanges dieser Arbeit werden hier nur zwei Theologen genannt, und zwar Christoph Blumhardt d. J. (†1819) und Christian Gottlob Barth (†1862), die in ihren theologischen Auffassungen die apophatische Demut heroisch repräsentierten, und zwar die Überzeugung, daß kein Mensch die Heilsökonomie Gottes im Griff hat. Blumhardt sagte folgendes: „ Eine Hölle statuieren, wo Gott in alle Ewigkeit nichts mehr zu sagen hat, das heißt das ganze Evangelium aufzulösen.“70

Wie wir gesehen haben gab es in der protestantisch-systematischen Theologie immer wieder Theologen, die es wagten, von der Hoffnung der Apokatastasis zu sprechen, auch wenn es nur ansatzweise war und größte Behutsamkeit von ihnen verlangte. Es darf hier ein bedeutender reformierter Theologe genannt werden, und zwar Karl Barth (†1968).71 Er gehörte zu den einflußreichsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts und sein Denken ist bis heute ausschlaggebend für die protestantische und ökumenische Theologie.

Karl Barth, der Auslöser der dialektischen Theologie, ging auf das Thema der Apokatastasis im Rahmen seiner modifizierten reformierten Erwählungslehre (Prädestinationslehre) ein. Nach ihr hat sich Gott in Jesus Christus für Verdammung und Spott bestimmt und allen Menschen kraft seiner Gnade für das ewige Heil prädestiniert; im Gegensatz zur orthodoxen augustinischen und von Calvin radikalisierten Prädestinationslehre. Der Faktor der Erwählung wurde zwar beibehalten, aber zugunsten des Menschen, der vom heiligen Gott die unaussprechliche Gnade des Heils erfährt, ganz im reformatorischen Sinne.

Im Zusammenhang damit ist die Hoffnung der Allerlösung denkbar, wobei man aus ihr keine dogmatische festgelegte Überzeugung machen darf: sie muß demütig die Souveränität Gottes ehren. In seinem Lebenswerk Die Kirchliche Dogmatik schreibt Barth folgendes: „ Wie der gnädige Gott keinen einzigen Menschen erwählen und berufen muß, so auch nicht die ganze Menschenwelt. Aus seinem Erwählen und Berufen folgt keine Metaphysik der Geschichte, folgt nur die Notwendigkeit seiner Bezeugung daraufhin, daßes in Jesus Christus und in seiner Gemeinde Ereignis ist. Wiederum ist aber in dankbarer Erkenntnis der Gnade der göttlichen Freiheit auch der andre Satz nicht zu wagen, daßes zu jener letzten Eröffnung und Erweiterung des Kreises der Erwählung und Berufung auf keinen Fall kommen könne und werde. Wir kennen Gottes Gnadenwahl weder als die Erwählung Jesu Christi, noch als die Erwählung seiner Gemeinde noch als die Erwählung des Einzelnen anders denn als Entscheidung seiner Barmherzigkeit. Metaphysik der Geschichte im umgekehrten Sinn würden wir auch dann treiben, wenn wir die Barmherzigkeit Gottes irgendwelche Schranken und also jenen Grenzüberschreitungen irgend ein Ende zuschreiben wollten72

5. Die Sophiologie

Die Sophiologie, die Weisheitslehre, ist ein wichtiger Teil der russischen Philosophie der epistemologischen Provenienz. Von der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats verurteilt, determinierte sie über Jahrhunderte das russische Denken.

Historisch gesehen gehört die Sophia (Σοφȓα) zum Bestandteil des christlichen Weltbildes. In der Bibel, wohlgemerkt vor allem im AT, gibt es auch etliche Stellen, an denen die Sophia erwähnt wird: „ Denn die Weisheit ist regsamer als alles, was sich regt, sie geht und dringt durch alles - so rein ist sie. Denn sie ist ein Hauch der göttlichen Kraft und ein reiner Strahl der Herrlichkeit des Allmächtigen; darum kann nichts Unreines in sie hineinkommen.“73 Selbst die Hauptkirche in Konstantinopel, in der die relevantesten dogmatischen Entscheidungen des ganzen Christentums getroffen worden waren, hieß vor der Eroberung der Türken, die Hagia - Sophia - Kirche, die Kirche der Heiligen Weisheit.

Pavel Florenski meinte, daß die Sophiadoktrin in differenzierter Form in drei geschichtlichen Perioden auftaucht, und zwar bei den Kirchenvätern als der Christus selbst, bei den Urslawen als die Verkörperung der Moral oder auch als die Mutter Gottes und schließlich in der Neuzeit im kosmologisch-ekklesiologischen Aspekt. Die durchaus verschiedenen Manifestationen der Sophia sind für Florenski Beweis dafür, daß sie insgesamt als die Suche nach der Einheit der ganzen Schöpfung verstanden werden muß.74 Dieses Deutungsmodell findet sich auch bei der Auslegung der Ikone der Göttlichen Weisheit aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die Sophia wird als ein Engel in der Krone dargestellt. Über ihr sieht man Christus und auf den beiden Seiten Mutter Gottes und den hl. Johannes den Täufer.

Im allgemeinen wird die Sophia im Rahmen der trinitarischen Paradigmata verstanden, und zwar als die vierte Hypostase (auch als das vierte Element) der Trinität. Der polnische orthodoxe Theologe Henryk Paprocki schildert einen heilsgeschichtlichen Kontext der Sophia, in dem auch der Gedanke der Theosis implizit hervortritt: „ Der Begriff des vierten Elements taucht im theologischen System der Sophiologie, das seinen Ursprung bei Athanasius hat und von Vladimir Solovev, Pavel Florenski und Sergius Bulgakov weiterentwickelt wurde, auf. Nach dieser Konzeption hat die Welt ihre Seele, die Sophia, die als das geschaffene Element und Abbild der göttlichen Weisheit nach ihrem doppelten Sündenfall - der Engel und Menschen- einem Zersplitterungsprozeßin zahllose einzelne Elemente unterlag. Sie sucht aber ständig nach den Möglichkeiten der Rückkehr zu Gott. Vor dem Fall hat die Sophia als geschaffenes Element am Leben der Heiligen Trinität partizipiert (...) In dieser Auffassung bedeutet die Formulierung des Apostels Paulus „ Gott wird alles in allem sein ” eine pantheistische Vereinigung der Welt mit Gott durch die Rückkehr der Sophia - der Seele der Welt zur ursprünglichen Einheit mit ihrem Schöpfer.“75 Die Weisheit ist ein Attribut des trinitarischen Gottes und ein Ort der Offenbarung jeder Hypostase der Trinität. Sie kann entweder den Sohn (Inkarnation), als auch den Heiligen Geist symbolisieren, weil diese zwei Hypostasen zum Vater führen.

Die Erfahrung der Sophia spielt eine besondere Rolle bei Vladimir Solovev, dem sich die Sophia in Gestalt einer Frau dreimal (zuerst in der Ostermesse, in London und Ägypten) erschienen sein soll. Solovev erzählte in seinen Berichten und Gedichten von der mysteriösen Offenbarung der Sophia in der ägyptischen Wüste und betonte ihre absolute erkenntniserschließende Funktion. Für Solovev war die Sophia beim Inkarnationsereignis am Werk und wirkt auch bei der Vergöttlichung des Menschen weiter mit: „ Die Philosophie von Solovev ist ihrem Wesen nach anthropozentrisch. Der Mensch ist der Höhepunkt der Schöpfung Die Wiedergeburt der Welt wurde von Gott mit Beteiligung des Menschen verursacht, der die göttliche Idee des Humanismus ausdrückte. Ein solcher idealer, vollkommener Mensch ist die höhere Manifestation der Sophia, der göttlichen Weisheit. Der vollkommene Mensch erschien in Christus. Deswegen ist der Gottmensch Jesus Christus eine Vereinigung des Logos und der Sophia.“76

Florenski betrachtet die Sophia vom Blickwinkel der drei Hypostasen. Als der Schutzengel der Schöpfung ist die Sophia die ideale Person der Welt. In der angesprochenen trinitarischen Perspektive ist sie die ideale Substanz der geschaffenen Welt; die Vernunft der Schöpfung, ihr Sinn und Wahrheit und schließlich die Spiritualität der Schöpfung, Heiligkeit, Reinheit und Unversehrtheit, das heißt seine Schönheit.77 Weiterhin identifiziert Florenski die Sophia, ähnlich wie Solovev, mit weiblichen Begriffen der Ecclesia und der Jungfräulichkeit, die das Werk des Heiligen Geistes sei. Die Trägerin der Sophia ist die Mutter Gottes. Die hierarchische Ordnung der Sophia entwickelt sich in einer Bewegung von der Teilnahme an der Trinität über ekklesiologische Metaphysik bis zur Mutter Gottes hin: „ Wenn die Sophia die Kirche der Heiligen ist, dann ist die Mutter Gottes die Seele und das Gewissen der Kirche der Heiligen, sie ist eine Schützerin und Fürbeterin der Schöpfung vor dem Wort Gottes, dasüber die Welt Urteil spricht und in zwei Teile losreißt, sie ist die Reinigung der Welt also wieder vor allem die Sophia.“78

6. Fazit

Die Reichweite des russischen Denkens ist unüberschaubar. Die angesprochenen Problemfelder bieten ein reiches Material für eine selbstständige detaillierte Studie. Sei es die Theosislehre in ihrem historisch-dogmatischen und modernen Ausfluß, sei es die umstrittene Apokatastasislehre oder auch die sophiologische Erkenntnis, die von den westlichen Gelehrten und Mystikern, mit wenigen Ausnahmen, gar nicht rezipiert wurde. Es bleiben noch andere Themen übrig, die hier nur ansatzweise aufgegriffen werden konnten, wie zum Beispiel das russische Verständnis der Freiheit (Berdjaev), des anthropologischen Symbolismus (Florenski), der mystagogischen Schönheit (Evdokimov), des russischen Messianismus (Chomiakow) oder der geschichtlichen Apokalyptik (Solovev). Über die in dieser Arbeit erwähnten russischen Denker hinaus, gab es noch andere prominente Philosophen, die die philosophische Landschaft der „armen russischen Seele“ in der facettenreichen Perspektive skizziert haben (A. Chomiakow, L. Šestow, S. Frank, A. Losiev).

Das Weiterleben der schönen und eindrucksvollen Tradition der griechisch-slawischen Orthodoxie, die Bereitschaft der nichtaufhörenden Apologetik gegen jeglichen Angriff des rationalen „Ungeistes“ des Westens zu pflegen, ist ein vielversprechender Impuls zum Nachdenken über die Vielschichtigkeit und Polarität des europäischen Kulturgeistes. Die Eigenart des russischen Denkens und die vorkommenden Verzahnungen mit westlichen philosophischen und religiösen Gedanken, stellen uns vor ein Bild des prächtigen Mosaik, ganz wie im Höhepunkt der byzantinischen göttlichen Liturgie, in der der einzigartige Glanz und andachtsvolle Blick der Ikonen, die allgegenwärtige Duft des Weihrauchs, eine unwiederholbare Atmosphäre eines spannenden geistlichen Erlebnisses hervorrufen. Die russische Religionsphilosophie lädt zur Grundhaltung des permanenten Erstaunens ein, indem sie die dogmatischen Wahrheiten im Modus des theologischen Reflektierens und Anbetens zu erkennen versucht.

Was immer wieder überrascht ist die Allpräsenz des orthodoxen aus der Epoche der alten ökumenischen Konzilien stammenden Geistes. Das was für viele im Westen eine theologische erstarrte Marotte der vergessenen Vergangenheit sein mag, strahlt im russischen Osten mit neuem Licht, das in unserem verweltlichten Kulturkreis allmählich wiederentdeckt wird. Dank des ökumenischen Dialogs, der sich immer noch in der Krisenlage befindet, ist man zu alten Verständigungsgesprächen der Konfessionen zurückgekehrt, wie etwa zwischen Protestanten und Orthodoxen, die gewissermaßen zwei verschiedene polarisierte Denktraditionen repräsentieren, aber immerhin Überlappungsorte für gemeinsames Zusammensein und -beten wiederfinden können. Die Spiritualität des Ostens wird in beiden abendländischen Großkirchen wieder entdeckt. Nicht nur in den ökumenischen (Ordens-)Gemeinschaften, sondern auch in traditionellen Kirchengemeinden wird der Geist des Ostens in das liturgische Leben der Kirche rezipiert. Ein Blick in die modernen evangelischen und römisch-katholischen Gesangbücher und Agenden kann hier als praktisches Beispiel herangezogen werden.

Das Erbe der russischen Philosophen, auch wenn ihre Auffassungen keine offizielle Lehre der Orthodoxie ausmachen, leistet hier einen enormen und nicht überschätzbaren Verständigungsbeitrag. Aus diesem Grund war es notwendig eine solche Kongruenz bei der Apokatastasis- und Theosisfrage aus dem evangelischen Sichtpunkt kurz zu schildern. Die Einbeziehung des ebenso reichen Dialogergebnisses auf der römisch-katholischen Seite würde den Rahmen dieser Seminararbeit sprengen und ist daher die bleibende Aufgabe für weiteres blickweitendes Nachdenken und Forschen.

Auch im gemeinsamen und derzeit von den institutionalisierten Bürokratisierungsprozessen dominierten Haus Europa, erwacht immer aufs Neue der Bedarf nach der tieferen Reflexion über die Identität des europäischen Kontinents. Die wiederentdeckten russischen Religionsphilosophen und Theologen sind in diesem Kontext als Zeugen der alten Tradition und Propheten der menschlicheren Zukunft anzusehen.

7. Fremdsprachliche Zusammenfassung

The richness of modern Russian thought amazes due to its many dimensions of sacrum. In no other religious-philosophical tradition is the Christian dogmatic teaching of the Holy Trinity and the Incarnation of Christ as much adopted as it is in the Russian philosophy of history. The philosophical thinking is not to be analysed without reflecting the history of salvation, because the unity of both is an integral part of the identity of Russian thinking. Anthropological consequences of the Christian soteriology in its orthodox manifestation show new aspects of the conditions of mankind´s existence, particularly in our modern world, which avoids to take care of its spiritual roots.

The idea of divinization (theosis), of redeemed human nature somehow participating in the very life of God, is found to a surprising extent throughout Christian history, although it is practically unknown to the majority of Christians (and even many theologians) in the Western World. In orthodox theology as well as in Russian philosophy, though, it is the prevalent doctrine. However, one may not forget the hope of the apokatastasis and the idea of eternal wisdom (Sophia), which belong to the Russian culture. The works of Fiodor Dostojewski, Pavel Florenski, Paul Evdokimov, Vladimir Solovev, Sergius Bulgakov and Nikolai Berdjaev are the most relevant examples of the uniqueness of the Russian spirit.

Bogactwo wspóáczesnej myĞli rosyjskiej zdumiewa wielowymiarowoĞcią postrzegania sacrum. W Īadnej innej tradycji religijno-filozoficznej nauczanie o Trójcy ĝwiĊtej i Wcieleniu Chrystusa nie zostaáo tak zaadoptowane jak w rosyjskiej filozofii historii. MyĞlenie filozoficzne nie moĪe byü dla Rosjan analizowane bez Īywej refleksji nad historią zbawienia, poniewaĪ (wszech)jednoĞü tych dwóch pojĊü przynaleĪy do istoty rosyjskiej myĞli. Antropologiczne konsekwencje chrzeĞcijaĔskiej soteriologii w prawosáawnym wydaniu, rzuca nowe Ğwiatáo na uwarunkowanie ludzkiej egzystencji, w szczególnoĞci zaĞ we wspóáczesnym Ğwiecie, który stara siĊ zapomnieü o duchowym wymiarze Īycia.

Idea przebóstwienia (theosis), odkupienia ludzkiej natury, uczestniczącej w Īyciu Boga w zaskakujący sposób przewija siĊ przez caáą historiĊ koĞcioáa, mimo iĪ jest prawie caákowicie nieznana przez wiĊkszoĞü chrzeĞcijan (nawet teologów) na Zachodzie. W teologii prawosáawnej i filozofii rosyjskiej pozostaje ona jednak waĪną doktryną. Nie moĪna teĪ zapomnieü o eschatologicznej nadziei powszechnego zbawienia (apokatastasis) dla wszystkich i o idei Wiecznej MądroĞci, które równieĪ są czĊĞciami rosyjskiej refleksji. Dzieáa Fiodora Dostojewskiego, Pawáa FloreĔskiego, Pawáa Evdokimova, Wáodzimierza Soáowjowa, Sergiusza Buágakowa i Mikoáaja Bierdjajewa oraz wielu innych są waĪkimi przykáadami niezwykáej oryginalnoĞci rosyjskiego ducha.

8. Literaturverzeichnis

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http://www.gnosis.art.pl/numery/gn07_paprocki_jung_i_teologia.htm (Stand vom 2. Oktober 2002)

[...]


1 Bendrath, Detlef (Hg.): New Age, Lübeck 1989, S. 7. Ebd.: „ Ob es sich um Partnerwahl, Berufsangelegenheiten oder um seelisches Leid (Depressionen, Sucht, Krankheit, Sterbefall) handelt: New Age antwortet auf alles Fragen nach Lebensbewältigung mit seinem Therapieangebot. Dies entstammt entweder der humanistischen Psychologie, der Alternativmedizin, dem religiösen Bereich (z.B. Meditationspraktiken) oder der Welt des Okkulten (spiritistische Geisterbefragung, Wahrsagen aus der Kristallkugel oder aus Karten usw.).“

2 Im weiteren Teil wird die Definition des Glaubens von W. Härle wegen der Nähe zum orth. Verständnis rezipiert: „ Glaube ist ein Vertrauen, das unbedingt ist und sich auf ein bestimmtes Gegenüber richtet (...) Der christliche Glaube hat sein Fundament in der Erkenntnis, daßGott sich in der Schwachheit, Schande und Torheit des Kreuzes Christi erschlossen hat.“ Härle, Wilfried: Dogmatik, 2. Auflage, Berlin, New York 2000, S. 57 u. 63.

3 Ebd., S. 235-282.

4 Kolosser 2,9. Vgl. dazu. Johannes 1,1-2.14.16; 20,28; Hebräer 1,1 ff.

5 1. Korintherbrief 15, 12-14 ff.

6 Vgl. Andresen, Carl/ Ritter, Adolf Martin: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, Band 1, 2. Auflage, Göttingen 1999; S. 130 f. Der Großmeister der Kirchengeschichte, Adolf von Harnack (†1930), hat in seinem Handbuch der Dogmengeschichte in diesem Kontakt in bezug auf die altkirchlichen Schriften von zwei Christologien gesprochen, die der oben dargestellten Teilung entsprechen, und zwar von einer adoptianistischen und pneumatischen, die in der christlichen Theologie gegeneinander kämpften: „ Diese beiden Christologien , die streng genommen einander ausschließen - der gottgewordene Mensch und das in Menschengestalt erschienene oder mit Fleisch bekleidete, oder ins Fleisch verwandelte göttliche Wesen , rückten sich dochüberall dort sehr nahe, wo man den in den Menschen Jesus eingepflanzten Geist Gottes als den präexistenten Sohn Gottes fasste.“ In: Harnack, Adolf von: Lehrbuch der Dogmengeschichte, Band 1: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas, 4. Auflage, Tübingen 1909, S. 212 f.

7 Siehe Matthäus 3,13-17 sowie Markus 1,9-11; Lukas 3,21.22 und Johannes 1, 32-34.

8 Adam, Alfred: Lehrbuch der Dogmengeschichte - Die Zeit der Alten Kirche, Band 1, Gütersloh 1965, S. 211.

9 Ebd., S. 212.

10 Die erste Verdammung wurde von der sog. Synode der 100 Bischöfe in Alexandrien 319/320 beschlossen.

11 Der Name der Doketisten kommt vom griechischen Verb dokein (nach außen hin zu sein scheinen). Die Doketisten glaubten nicht an die wahre Menschheit Jesu und sagten, daß Jesus in Wirklichkeit kein Mensch war, sondern er schien bloß so, als ob er ein Mensch wäre. Doketistische Inhalte sind in verschiedenen Theologien, obschon mit anderer Intensität, vorhanden und zwar nicht nur bei den Sabellianer (Modalisten).

12 Andresen/Ritter: Handbuch, S. 233.

13 Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 37. Auflage, Freiburg/Basel/Rom/Wien 1991, S. 142-143.

14 Špidlik, Tomáš: My Ğ l rosyjska - inna wizja cz á owieka, Warszawa 2000, S. 124.

15 Ebd., S. 201.

16 Buágakow, Sergiusz: Prawos á awie, Warszawa 1992, S. 117.

17 àosski, Wáodzimierz: Teologia dogmatyczna, Biaáystok 2000, S. 28 ff. 13

18 Evdokimov, Paul: Sztuka ikony - teologia pi Ċ kna, Warszawa 1999, S. 20.

19 Špidlik: My Ğ l rosyjska, S. 190.

20 Ebd., S. 191.

21 Ebd., S. 68. Der deutsche Titel lautet: Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit: Abrißeiner orthodoxen Theodizee in zwölf Briefen. Der aus Rußland stammende Heidelberger Professor Nikolai von Bubnoff hat 1925 die Auszüge aus dieser Magisterdissertation von Florenski ins Deutsche übersetzt.

22 Zak, Lubomir: Das symbolische Denken bei Florenskij und seine Bedeutung für die Epistemologie. In: http://mondodomani.org/dialegesthai/lz01.htm; Zak zitiert ein Fragment aus Stolp, Bd. 1, Moskau 1990, S. 74.

23 Ebd., S. 67.

24 àosski: Historia filozofii rosyjskiej, S. 127 f.

25 Ebd., S. 129.

26

Kostjuk, Konstantin: Der Begriff der Katholizität im orthodox-christlichen Denken. In:

http://www.welt.de/daten/2000/01/15/0115lw147122.htx (Kap. 3.1.).

27 Hagemeister, Michael: Wiederverzauberung der Welt: Florenskijs Neues Mittelalter. In: Franz, Norbert/Hagemeister, Michael (Hg.): Pavel Florenskij - Tradition und Moderne, Frankfurt/Main 2002, S. 22. 16

28 Rössler, Roman: Zur Wiederentdeckung Pavel Florenskijs in der Russischen Kirche, S. 456. In: Hauptmann Peter (Hg.): Unser ganzes Leben Christus unserm Gottüberantworten, Zürich/Göttingen 1982.

29 Evdokimov: Sztuka ikony, S. 16.

30 Dostojewski, Fiodor: Biesy, Warszawa 1972, S. 478 ff.

31 Nyssen, Wilhelm/Tyciak, Julius (Hg.) Die göttliche Liturgie unseres Hl. Vaters Johannes Chrysostomos. Quellen östlicher Theologie, Band 15, Trier 1977, S. 89.

32 Evdokimov: Sztuka ikony, S. 82 und 84.

33 Weizsäcker, Carl Friedrich von: Der Garten des Menschlichen - Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie, München/Wien 1977, S. 135 f.

34 Špidlik: My Ğ l rosyjska, S. 14.

35 Jesaja 53,4. Vgl. auch Matthäus 8,17.

36 Špidlik: My Ğ l rosyjska, S. 55. In diesem Zusammenhang ist es hier an den byzantinischen Weihnachtshymnus der Orthodoxie zu erinnern: „ Vollkommen unsere Armut teilend hast du unsere irdische Natur vergöttlicht durch dein Eingehen in sie und Teilnehmen an ihr. “

37 Andresen/Ritter: Handbuch, S. 317. Als Ergänzung zu diesem wichtigen Grundsatz ist noch an eine Person zu erinnern, und zwar an den Bf. Johannes v. Damaskus, einen der profiliertesten Dogmatiker der Orthodoxie, der Apologetikschriften (bes. Quelle der Erkenntnis) im Blick auf die Bilderlehre, die kirchliche Tradition und Autorität, sowie die Abendmahlslehre verfaßte. In der Streitschrift Gegen die Ikonoklasten stellt er fest: „ Darum Brüder, stehen wir fest auf dem Felsen des Glaubens und derüberlieferung der Kirche und versetzen wir die Grenzen nicht, die unsere heiligen Väter gesetzt haben. Geben wir jenen keinen Raum, die einen neuen Glauben einführen wollen und den Bau der heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche niederreißen wollen; denn wenn darin nur ein kleines Zugeständnis gemacht wird, wird der ganze Leib der Kirche zerstört “ - Ebd., S. 320. Diesen Gedanken werden sich auch später viele russische Philosophen zu eigen machen.

38 Buágakow: Prawos á awie, S. 161.

39 Andresen/Ritter: Handbuch, S. 329.

40 Kamppuri, Hannu T.: Theosis in der Theologie des Gregorios Palamas, S. 49. In: Luther und Theosis, Band 16, Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 49-60.

41 Die Ostkirche hat die Autonomie der Philosophie verurteilt, und zwar mit den sog. 10 Anathematismen der Synode von 1082 im Blick auf den Ketzerprozeß gegen Johannes Italos, den aristotelisch gesinnten Theologen.

42 Vgl. Galaterbrief 4,19; 1. Thessalonikerbrief 4,3; 2. Petrus 1,4; Titus 2,11.

43 Matthäus 17,1-13; Markus 9,2-13 und Lukas 9,28-36. Vgl. auch 2. Petrusbrief 1,16-21, Offenbarung 1,16.

44 Hl. Maxim der Bekenner trat gegen die Häresie des Monotheletismus auf, der besagte, daß in Christus nur ein Wille war, und zwar der göttliche. Der Monotheletismus wurde von Papst Honorius († 638) in die Kontroverse eingebracht und dann vom Patriarchen von Konstantinopel Sergius übernommen, der den Kaiser dazu veranlasste, den Monotheletismus in der sog. Ekthesis von 638 für das Reich verbindlich zu machen. Das 6.ökumenische Konzil (670/1) zu Konstantinopel hat den Monotheletismus als den Angriff auf die Zweinaturenlehre gesehen und ihn als Irrtum verdammt, indem es von dem Dyotheletismus (Zweiwillenlehre) sprach.

45 Theologische Realenzyklopädie (TRE), Band XXXIII, Berlin/New York 2002, S. 389. 23

46 Dazu ausführliche Analyse in: Härle: Dogmatik, S. 49-57.

47 Flogaus, Reinhard: Theosis bei Palamas und Luther, Göttingen 1997, S. 78. 24

48 Špidlik: My Ğ l rosyjska,, S. 44 f.

49 Ebd.

50 Ebd., S. 49.

51 1. Korintherbrief 13,12.

52 Mannermaa, Tuomo: Theosis als Thema der finnischen Lutherforschung. In: Luther und Theosis, Band 16, Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg, Helsinki/Erlangen 1990, S. 11. Zur Rezeption der Theosislehre in der protestantischen und anglikanischen englischsprachigen Theologie siehe auch den Aufsatz von Robert V. Rakestraw: Becomig like God.. Unter: www.bethel.edu/~rakob/files/THEOSIS2.html.

53 Luthers Weihnachtspredigt von 1514 in: D. Martin Luthers Werke - Kritische Gesamtausgabe, Band 1, Weimar 1883, S. 28. Darin heißt es: Ideo Deus fit homo, ut homo fiat Deus (WA 1; 28,27-28). Näheres zur Theosislehre beim jungen Luther im Buch von Simo Peura: Mehr als ein Mensch? Die Vergöttlichung als Thema der Theologie Martin Luthers von 1513 bis 1519, Mainz 1994, S. 47-103.

54 Mannermaa: Theosis, S. 19.

55 Heil- Heiligung- Heiligkeit. Der Beitrag von SE Erzbischof Seraphin, dem Metropoliten der Rumänisch- Orthodoxen Kirche in der BRD. In: http://home.t-online.de/home/niko.wy/heilig.htm.

56 Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, Darmstadt 1971, S. 440.

57 Real-Enzyklopädie für Protestantische Theologie und Kirche, Band 1, Leipzig 1877; S. 462.

58 Vgl. Kasper, Walter (Hg.): Lexikon für Theologie und Kirche, Band 1, Freiburg/Basel 1993, S. 821 ff.

59 Römerbrief 11,32. Vgl. u.a.: Kolosserbrief 1,20 und Epheserbrief 1,10.

60 Vgl. dazu Röhser, Günter: Hat Jesus die Hölle gepredigt? Gericht, Vorherbestimmung und Weltende im frühen Christentum. In: Zeitschrift für Neues Testament, 9 (2002), S. 26-37.

61 Denzinger, Heinrich: Kompendium, S. 190 (Kanon 9). 29

62 Theologische Realenzyklopädie (TRE), Band XI, Berlin/New York 1983, S. 70. In den theologischen Auseinandersetzungen um die Fegefeuerlehre im 12. und 13. Jahrhundert kommt es zu weiteren Konflikten zwischen Ost- und Westkirche, besonders nach der Einschärfung der Fegefeuerlehre von Innozenz IV. und Clemens IV., der 1274 auf dem Konzil zu Lyon die Lehre dogmatisierte. Gewichtigster Vorwurf der Orthodoxen gegenüber der Lateiner ist der Verdacht des verkappten Origenismus (!).

63 Špidlik: My Ğ l rosyjska, S. 266.

64 Ebd., S. 238.

65 Onasch, Konrad: Geist und Geschichte der russischen Ostkirche, Berlin 1947, S. 38.

66 àosski: Historia filozofii rosyjskiej, S. 280.

67 Gollwitzer, Helmut: Wiederbegegnung mit Nikolai Berdjajew. In: Evangelische Theologie 40 (1980), S. 126 ff. 31

68 Dostojewski, Fiodor: Brüder Karamasow, Band 1, 2. Auflage, Berlin/Weimar 1977, S. 361.Über die Theodizeefrage bei Dostojewski s. Kraus, Hans-Joachim: Schuld und Vergebung in F.M. Dostojewskijs Werken. In: Evangelische Theologie 53 (1993), Heft 2, S. 96-109.

69 Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 6. Auflage, Göttingen 1967, S. 72. 32

70 Evangelisches Kirchenlexikon (EKL) - Internationale theologische Enzyklopädie, Band 1, 3. Auflage, Göttingen 1986, S. 202 f. Dazu noch eine Aussage, die die enorme positive Vorsichtigkeit in bezug auf die Apokatastasis zeigt, und zwar von C.G. Barth (Ebd.): „ Wer an die Wiederbringung nicht glaubt, ist ein Ochs; wer sie aber lehrt, der ist ein Esel.“

71 Die Hervorhebung der reformierten Theologen bedeutet nicht, daß es im modernen Luthertum an Theologen fehlt, die mit gewisser Sympathie über die Möglichkeit der Allerlösung reden. Vgl. z. B. die bereits zitierte Dogmatik von Härle, S. 624 ff. In den letzten Jahren erschienen zum Thema der Apokatastasis auf protestantischer Seite zahlreiche Studien, z.B.: das zweibändige Werk von Pfn. J. Christine Janowski, Professorin für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologische Fakultät in Bern: Allerlösung - Annäherungen an eine entdualisierte Eschatologie, Neukirchen 2000. Im römisch-katholischen Bereich gab es immer wieder kühne Theologen, die von der Apokatastasis panton sprachen, z. B. der schweizerische Kardinal Hans Urs von Balthasar (†1988) mit seiner Heilshoffnung auf „ eine leere Hölle “. Im slawischen Bereich Pfr. Wacáaw Hryniewicz, Theologieprofessor an der Katholischen Universität zu Lublin (KUL) und der Leiter des ökumenischen Instituts der KUL. Hryniewicz knüpft die Apokatastasis an die vom ihm im seinen dreibändigen Werk postulierte Theologie der Passah Christi an. Vgl. auch Ders.: Chrze Ğ cija Ĕ stwo nadziei, Kraków 2002.

72 Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik, Band 2/2: Die Lehre von Gott, 3. Auflage, Zürich 1959, S. 462.

73 Weisheit 7,24-26 f. Vgl. auch Sprüche 8,22-31; Psalm 104,24; Hiob 28,23-28. Im NT setzt sich Apostel Paulus mit dem Thema der Weisheit in seinem 1. Korintherbrief 1,18-31 auseinander. Die Weisheit wird mit dem Wort vom gekreuzigten Christus identifiziert, das für viele eine Torheit ist (18), aber für die, die berufen sind, ist der gekreuzigte und anstoßerregende Christus „ die Gottes Kraft und Weisheit “ (24).

74 Špidlik,: My Ğ l rosyjska, S. 397.

75 Paprocki, Henryk: Jung i teologia. In: http://www.gnosis.art.pl/numery/gn07_paprocki_jung_i_teologia.htm 35

76 àosski: Historia filozofii rosyjskiej, S. 117.

77 Ebd., S. 204. àosski erklärt das Verständnis der Sophia bei Florenski mit Zitaten aus Stolp.

78 Ebd., S. 205. Zitat aus Stolp, 351.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Zwischen Himmel und Erde - Gott und Mensch im russischen Denken
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Russische Geschichtsphilosophie
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
39
Katalognummer
V107224
ISBN (eBook)
9783640054985
Dateigröße
836 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hauptsemianrarbeit analysiert die theologischen Implikationen im russischen Denken (Berdjaev, Evdokimov, Florenski, Losskij) im Blick auf die Trinitäts-, Theosis- und Allerlösungslehre.
Schlagworte
Zwischen, Himmel, Erde, Gott, Mensch, Denken, Russische, Geschichtsphilosophie
Arbeit zitieren
Dariusz Bruncz (Autor:in), 2002, Zwischen Himmel und Erde - Gott und Mensch im russischen Denken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107224

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