Die gesellschaftspolitische Einbindung und das spezifische Zielsystem der Universitäten


Seminararbeit, 1995

21 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Historischer Überblick
2.1. Von den Anfängen bis zum Mittelalter
2.2. Die Neuzeit
2.3. Die klassische Phase der Universität
2.4. Die Universität nach 1945
2.5. Fazit

3. Gesetzliche Aufgabenbestimmungen
3.1. Allgemeines
3.2. Die Universität im Grundgesetz
3.3. Das Hochschulrahmengesetz

4. Das universitäre Zielsystem

5. Gesellschaftspolitische Aufgaben der Universität
5.1. Kulturelle Aufgabe
5.2. Staatspolitische Aufgabe
5.3. Verteilungsaufgabe
5.4. Ökonomische Aufgabe
5.5. Fazit

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Universitäten sind in den letzten Monaten wieder in die öffentliche Diskussion geraten. Stichworte sind: Eckwertepapier, Zweiteilung des Studiums, der geplante Bildungsgipfel. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die Universität in der Gesellschaft spielt, in welchem Umfang und auf welche Weise sie in das gesellschaftspolitische System eingebunden ist, welche Aufgaben sie wahrnimmt. Jeder wird die eine oder andere Antwort auf diese Fragen parat haben, aber der Facettenreichtum der Zusammenhänge bleibt allzuoft, auch in der öffentlichen Diskussion, unberücksichtigt.

Im zweiten Abschnitt der Arbeit soll daher ein kurzer historischer Überblick die Einordnung der heutigen Universität in ihre Geschichte und auch in die Gesellschaft erleichtern. Der Bogen spannt sich vom ersten Aufkommen der Universitäten bis in die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts.

Der dritte Abschnitt nähert sich mit Hilfe zweier grundlegenden Gesetze, dem Grundgesetz und dem Hochschulrahmengesetz, der heutigen Aufgabenstellung der Universitäten, ohne dabei auf juristische Detailfragen einzugehen.

Im vierten Abschnitt wird, ausgehend von der besonderen Rechtsstellung der Universität, ein eher formaler Überblick über die Ziele der Universität gegeben und der Zusammenhang dieser Ziele mit dem politischen Zielsystem skizziert.

Im fünften Abschnitt werden dann die einzelnen Aufgaben der Universität, die zum größten Teil nicht schriftlich fixiert sind, in den vier Bereichen "Kultur", "Staatspolitik", "Verteilung" und "Ökonomie" dargestellt und diskutiert. Nur wenige dieser Aufgaben sind unstrittig, die Bedeutung der meisten hängt stark von der momentanen gesellschaftlichen Position zu der jeweiligen Frage ab.

Der letzte Abschnitt enthält einen kurzen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Aufgaben der Universität und auch der Institution als solcher.

2. Historischer Überblick

2.1. Von den Anfängen bis zum Mittelalter

In diesem Abschnitt soll der Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Universität in der Geschichte kurz skizziert werden. Oftmals herrscht der Eindruck, daß die Universität von heute eine unübersichtliche, staatlich beeinflußte Maßenuniversität ist, und in der Vorstellung wird ihr die "Eliteuniversität" von früher als Ideal gegenüber gestellt. Ein Blick in die Geschichte soll helfen, die heutige Situation besser zu verstehen, aber gleichzeitig auch den Blick für neue Perspektiven in der hochschulpolitischen Diskussion weiten.

Die frühen Vorläufer der heutigen Universitäten waren schulähnliche Gebilde im antiken Griechenland, auf die dann Einrichtungen im Römischen Reich und in der arabischen Welt folgten.1

Im Mittelalter verbreiteten sich die Universitäten weit über Europa, wobei Deutschland bis zum Spätmittelalter keine Rolle spielte. Die damaligen Universitäten bestanden grundsätzlich aus vier Fakultäten (der theologischen, der juristischen, der medizinischen und der philosophischen) und wurden in der Regel durch päpstlichen oder kaiserlichen Erlaß gegründet bzw. durch diesen gestiftet. An der Spitze der Universität stand der Rektor, dem jedoch der Kanzler als Vertreter der kirchlichen Behörde beigeordnet war. In der Regel befanden sich die Universitäten in räumlicher Nähe zur Kirche und Lehrende und Lernende lebten in einer Art klösterlichen Gemeinschaft zusammen.2 Es ist offensichtlich, daß die weltliche und vor allem die kirchliche Macht, der damals die Kontrolle über das Wissen zukam, "ihre" Universität leiten und kontrollieren wollten.

Im 13. Jahrhundert kam es in Deutschland durch Interegnum und Schisma zu einer Schwächung der bisherigen Universitätsgewalten Kaiser und Papst. An deren Stelle traten die stärker und wichtiger werdenden weltlichen Mächte in den einzelnen Territorien, die Landesfürsten. Diese benötigten die Universitäten vor allem zur Ausbildung von qualifiziertem Personal für ihre Verwaltung. Wollte ein Landesfürst eine Universität gründen, so hatte er vor allem auf drei Aspekte zu achten: die Universität mußte nach Lehrweise und Fakultäten den anderen Universitäten entsprechen, damit ein Wechsel der Universitäten möglich blieb, er mußte sich um die wirtschaftliche Absicherung der Universität kümmern und er mußte der Universität Privilegien verleihen, um ihren Ruf zu verbessern (z.B. erhielten die Universitäten eine Sonderstellung in der Stadt, sie bekamen das Schankund Apothekenprivileg, die Professoren und Studierenden unterstanden einer eigenen Gerichtsbarkeit).3

Es ist schwierig sich diese Universitäten vorzustellen, wenn man sie mit dem vergleicht, was man heute als solche kennt. Es gab jeweils etwa zwei bis drei Professoren pro Fakultät und insgesamt etwa 100 bis 200 Studierende, die sich zwar ohne Vorbildung (z.B. Schulabschluß), aber dafür unter Zahlung von Studiengebühren immatrikulieren konnten.4 Deutlich wird jedoch schon hier die Abhängigkeit der Universitäten von der staatlichen Macht, die ihr Rechte und Privilegien verlieh und sie finanziell absicherte, jedoch dieses alles auch jederzeit widerrufen konnte.

2.2. Die Neuzeit

In der beginnenden Neuzeit, von etwa 1500 bis ins späte 18. Jahrhundert kam es im Zuge der Aufklärung immer mehr zu einer Abkehr von einer Glaubenslehre hin zu einer Vorstellung der Vernunft, was einherging mit einer Ausdehnung der Wissenschaft auf immer mehr Gebiete. Die Universitäten wurden weiterhin von den jeweiligen Landesherrn gegründet, deren Ziel eindeutig ihre Herrschaftssicherung war, da die Universitäten sowohl für die Qualifikation der zukünftigen Staatsdiener verantwortlich waren, als auch deren Loyalität sicherzustellen hatten. Im Mittelpunkt der Universität stand immer weniger die Wissenschaft, sondern das, was die zukünftigen Staatsdiener für ihren späteren Beruf benötigten. Der Ausbildungscharakter der Universität trat in den Vordergrund.5

2.3. Die klassische Phase der Universität

Etwa ab 1800 kam es zu einem Umbruch, der einherging mit einem großen Universitätssterben. Die Ideen der Aufklärung standen einem erstarrten und unflexiblem Lehrbetrieb gegenüber, der zu Reformen unfähig schien.6 In dieser Zeit formulierte Wilhelm von Humboldt sein Idealbild der Universität, das dann in der Universitätsgründung in Berlin realisiert wurde. Er ging von vier Prinzipien aus, die "Bildung durch Wissenschaft" ermöglichen sollten:7

- Die "Einheit der Wissenschaft", d.h. Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften

und Mathematik sollen zusammen helfen, die "Wahrheit" zu finden.

- Die "Freiheit von Forschung und Lehre" ist auch heute noch viel zitiert und findet sich auch im Grundgesetz wieder. Weniger bekannt ist die damals gemachte Einschränkung, daß der Gelehrte "der sittlich beste Mensch seines Zeitalters sayn" sollte.8

- Die "Einheit von Forschung und Lehre" stellt eindeutig die Forschung in den Vordergrund, an der der Lehrende den Lernenden beteiligen soll. Die Interessen des Forschers haben Vorrang vor allen Studienordnungen.

- Die "Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden" ergibt sich aus der eben genannten "Einheit von Forschung und Lehre". Wenn der Lernende an der Forschung beteiligt wird, muß er auch selbständig forschender Partner sein, nicht ausschließlich Schüler.

In dieser Periode blieb an den Universitäten Zeit für eine allgemeine Bildung, da die berufsbezogene Ausbildung über Referendariat u.ä. aus den Universitäten ausgelagert war. Diese Freiheit war insofern einfacher als heute, da die Universitäten nicht besonders kostenintensiv waren. Es gab nur wenige Professoren, ein geringes Wachstum und außer den Bibliotheken kaum eine teure Ausstattung - an Elektronenmikroskope und teure Labors war nicht zu denken. Aufkommende neue Wissenschaften wie die Technik wurden als zu berufsbezogen ("Brotstudium") nicht an die Universitäten gelassen, sondern in neugegründeten technischen Hochschulen gelehrt. Bildung wurde als Privileg verteidigt.

Es kommt in dieser Zeit zu einer Zweiteilung der wissenschaftlichen Bildung und einer Unterscheidung in höhere und niedere Bildung.9

Von der Reichsgründung 1871 bis zum Ersten Weltkrieg war eine Blütezeit der Universität. Sie war im engeren wissenschaftlichen Bereich autonom, die wissenschaftliche Forschung gewann zunehmend an Bedeutung, sowohl die Wissenschaft als solche, als auch die Universitäten und Studierendenjahrgänge waren überschaubar, man genoß hohes gesellschaftliches Ansehen und die Universitäten hatten eine unangefochtene Führungsstellung im Hochschulbereich.10

Man hatte die Chance intensiv wissenschaftlich zu studieren und gleichzeitig eine sehr hohe Sicherheit, später einen angesehenen und finanziell einträglichen Beruf zu finden. Wer an der Universität studierte, hatte die Aussicht auf eine sorgenfreie Zukunft.

In der Weimarer Republik änderte sich wenig an der Stellung der Universität, jedoch standen viele Professoren der Republik kritisch gegenüber. Nach außen verhielt man sich jedoch politisch abwartend, das Schlagwort der "unpolitischen Universität" entstand. Man ging auf Distanz zu dieser neuen Gesellschaft.11

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Universitäten wie alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens gleichgeschaltet. Obwohl es auch oder gerade hier viele Mitläufer gab, hat es dem gesellschaftlichen Rang der Universitäten nicht geschadet. Durch die folgende Inflation wurde gerade Bildung zu einem wertvollen Besitz, der durch nichts zu entwerten war.12

2.4. Die Universität nach 1945

Nach 1945 kam es zu einem Wiederaufbau der Universitäten, fast ohne jede überregionale Planungskonzeption.13 Durch die zunehmenden Studierendenzahlen, die aufkommende Diskussion um ein "Bürgerrecht auf Bildung" und die Verlängerung der Studienzeiten kam es nach und nach zu einer erbitterten Diskussion über Aufgabe und Organisation der Universitäten. Im Mittelpunkt standen die Fragen nach einer Demokratisierung der Universitäten, einer Studienreform um die Studiengänge zu entrümpeln und so der Verlängerung der Studienzeiten entgegenzuwirken und einem Angehen der sozialen Probleme, durch das der neue Staat den Hochschulzugang für alle erleichtern sollte.14

[...]


1 Thomas Ellwein, Die deutsche Universität, Königstein/Ts. 1985, S. 23.

2 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 23f.

3 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 24ff.

4 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 34f.

5 vgl. Thomas Ellwein, a.a.O., S. 38-61.

6 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 111.

7 Dietrich Goldschmidt, Die gesellschaftliche Herausforderung der Universität, Weinheim 1991, S. 65f.

8 Ebda.

9 vgl. Thomas Ellwein, a.a.O., S. 111-142.

10 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 227.

11 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 228.

12 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 233ff.

13 Hansgert Peisert, Das Hochschulsystem in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1979, S. 30ff.

14 Thomas Ellwein, a.a.O., S. 237.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die gesellschaftspolitische Einbindung und das spezifische Zielsystem der Universitäten
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Industriepolitik in Amerika, Europa und Ostasien
Note
2,7
Autor
Jahr
1995
Seiten
21
Katalognummer
V107208
ISBN (eBook)
9783640054824
ISBN (Buch)
9783640856213
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Leider fehlen einige Abbildungen in der Arbeit, weil die damals (computertechnische Steinzeit) ohne Scanner eingeklebt wurden. Die Quellen sind aber angegeben, so dass bei Bedarf die fehlenden Grafiken/Bilder aufzufinden sind.
Schlagworte
Industriepolitik, Europa, Fallbeispiel, Luftfahrzeugindustrie, Industriepolitik, Amerika, Europa, Ostasien
Arbeit zitieren
Andreas Streim (Autor:in), 1995, Die gesellschaftspolitische Einbindung und das spezifische Zielsystem der Universitäten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107208

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