Metal und die Lebenswelt seiner jugendlichen Fans


Hausarbeit, 2002

40 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Metal – ein Querschnitt einer zwielichten Musik
2.1 Was ist ‚Metal‘? – Eine Zuordnung
2.1.1 Der Begriff
2.1.2 Stilistische Charakteristika
2.2 Von Hardrock bis Death – Erläuterungen der Spielarten und Subgenres anhand ihrer Historie.
2.3 „Satanisch, gewaltverherrlichend, gefährlich...“ – Die Vorwürfe.

3. Jugend und Jugendkultur
3.1 Weder Kind noch erwachsen - Pubertät und Adoleszenz.
3.1.1 Lebensphase Jugend
3.1.2 Die Pubertät
3.1.3 Die Adoleszenz
3.1.4 Die Peer-Group
3.2 Welten für sich? – Jugendkulturen
3.2.1 Die Pluralität der Stile
3.2.2 Eine Welt für sich
3.2.3 Die Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft

4. Eine Jugendkultur namens Metal
4.1 Die Metal-Band
4.2 Der Metal-Fan
4.2.1 Herkunftsmerkmale
4.2.2 Wie die Jungfrau zum Kind? – Sozialisation zum Metal-Fan
4.2.3 Emotionale Wirkungen und entwicklungsrelevante Funktionen des Metals
4.3 „Metal ist (m)eine Lebenseinstellung!“ – Identität durch Musik am Beispiel des Black Metals
4.3.1 Die „Metallisierung“ der eigenen Lebenswelt
4.3.2 Black Metal als identitätsstiftender Stil
4.4 Metal medial – Das Ungeheuer „Kommerz“

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

7. Anhänge I-III

1. Einleitung

„Metal...? Aber Satanist bist Du nicht, oder?“ – Die Unkenntnis und das Ergeben von Menschen in vermeintlich ausreichendes Halbwissen gegenüber Gegebenheiten, die ihnen fremd sind, kann mich zuweilen erheblich verwundern und – zugegeben – auch brüskieren. Dabei sind Vorurteile, die das Bild des stumpfen, geistlos „Saataaan!“ grölenden

„langhaarigen Bombenlegers“ zeichnen, nicht einmal – wie man vielleicht meinen mag – allein ein Phänomen unter der „älteren Generation“, denen man im Hinblick auf musikalische Auffassungen durchaus eine natürliche, altersbedingte Divergenz zugutehalten kann. Auch von Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen mit einem anderen Musikgeschmack ist im Zusammenhang mit Metal mitunter der (rhetorische?) Zweifel zu vernehmen, ob das den „überhaupt Musik“ sei.

Das eigentlich Bemerkenswerte an der eingangs zitierten Frage ist jedoch, dass sie von vornherein eine weltanschauliche Verbindung zu einer Musikart herstellt. Scheinbar wird der Begriff „Metal“ nicht nur als Musikrichtung wahrgenommen, sondern als Überschrift für eine existente, aber für den Frager gänzlich unbekannte Kultur.

Jener geahnten Verknüpfung soll in dieser Arbeit auf den Grund gegangen werden, die Lebenswelt der Metal-Fans und ihr kultureller Stellenwert Gegenstand der Untersuchung sein. Was sind die tatsächlichen Inhalte, was sind die Intentionen des Metals?

Hierzu ist neben der Arbeit am konkreten Stoff ebenso ein weitläufiger und grundlegender entwicklungstheoretischer Blick auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen notwendig, die den Hauptanteil der Metal-Gemeinschaft bilden. Damit ist der Weg zur Untersuchung des Phänomens der Jugendkulturen bereitet: Welchen Zweck und welche Auswirkungen haben Jugendkulturen in der Gesellschaft und in der individuellen Biographie ihrer Teilnehmer? Welche Rolle spielen Jugendkulturen im allgemeinen im Hinblick auf die Identitätsbildung?

Die Bestrebung dieser Arbeit soll es sein, einerseits einen Einblick in diese eine, mitunter argwöhnisch beäugte Kultur zu gewähren, andererseits die Parallelen zu anderen Jugendkulturen nachzuzeichnen. Letztenendes soll die Jugendkultur „Metal“ zum einen als Teil eines bunten Kessels von stilistischen Strömungen unter den Jugendlichen greifbar gemacht werden, und zum anderen auch in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gebracht und ihre sozialen Eigenarten wie Auswirkungen hinterfragt werden.

Der Arbeit liegt eine Audio-CD mit Musikbeispielen bei, die dem Leser vor allem die Vorstellung von der behandelten Musik konkretisieren soll. Dabei soll und kann sie weniger

einen Einblick geben in den heute endlos breiten Facettenreichtum der verschiedenen Metal- Stile, als dass sie vielmehr einen roten Faden durch die Historie des Metals darstellen und darum vor allem für Kapitel 2.2 als hilfreiche Vergegenständlichung verstanden werden soll.

2. Metal – ein Querschnitt einer zwielichten Musik

2.1 Was ist „Metal“? – Eine Zuordnung

2.1.1 Der Begriff

Der Begriff „Metal“ ist eine heute geläufige Kurzform des mittlerweile in seiner einstigen Bedeutung unzeitgemäßen Terminus‘ „Heavy Metal“. Heavy Metal stellte die Bezeichnung für ein Musikgenre dar, das sich zu Beginn der 70er durch verschiedene neuartige, im Folgenden noch näher erläuterte Stilmittel aus dem Rock ‘n‘ Roll herauszukristallisieren begann.

Erstmals weltweite Beachtung wird dem Begriff „Heavy Metal“ 1968 durch die Band Steppenwolf zuteil, die in ihrem Song „Born To Be Wild“ die Metapher „heavy metal thunder“ für die Beschreibung donnernder Motorbiker auf dem Highway verwenden. Auch die Kohärenz traditioneller Metaphorik, die „Heavy Metal“ im Englischen mit kriegsrhetorischen Begrifflichkeiten (wie z.B. schweren Waffen großen Kalibers) in Verbindung bringt, legt angesichts des Charakters von Metal eine weitere plausible Teilhabe an der Entstehung des Begriffs nahe. Fakt jedoch ist, dass sich spätestens seit 1971

„Heavy Metal“ als eine Bezeichnung für den rohen und aggressiven Sound von Bands wie

Led Zeppelin und, mehr noch, Black Sabbath etabliert (Wehrli 2002, S. 5).

In den 80er Jahren dann ist Heavy Metal als Bezeichnung für ein Genre von relativer Kontinuität. Nachdem die „New Wave Of British Heavy Metal“ („NWOBHM“, s. S. 8) abgeebbt ist, kann man in der Musikpresse mit der Bezeichnung „Heavy Metal“ etwas anfangen und diese auch in etwa zuordnen. Erst zu Beginn der 90er Jahre untertunneln skurrile Kreuzungen diverser Musikrichtungen diese Eindeutigkeit; findige Musikjournalisten lässt dies alsbald die universal auf alles Fremdartige verwendbare Joker- Bezeichnung „Crossover“ ersinnen, die schlicht und ungebunden eine Kreuzung von Musikstilen meint[1].

Ebenfalls gegen Ende der 80er Jahre streut der einstmals weitgehend homogene Heavy Metal eine Vielzahl an Subgenres, die zu einem Großteil ein wichtiges Element in ihrer jeweiligen Bezeichnung beibehalten: „Metal“. Betitelungen wie „Thrash Metal“, „Black Metal“, „Death Metal“, „True Metal“, „Gothic Metal“, “Power Metal“, „White Metal“ usf. sind wohl mutmaßlich ausschlaggebend dafür, dass dem Begriff „Heavy Metal“ als solches etwa seit den Neunzigern nur noch eine Bedeutung seinerseits als Subgenre- Bezeichnung zukommt (nämlich für den ursprünglichen, wie zu der Zeit seiner Anfänge gespielten Metal). Die alles umfassende Bezeichnung ist nun auf „Metal“ verkürzt worden, und selbst dieser weitgefasste Terminus scheint heute die unzähligen, sich immer diffuser vermischenden Spielarten der härteren Musikart nicht mehr sachgerecht abdecken zu können (Weinstein 1991 n. Roccor 1998, S. 104).

2.1.2 Stilistische Charakteristika

Aus der Sicht der Musikwissenschaftler ist Metal „nur“ einer von etlichen Zweigen der breitgefächerten Rockmusik. Und in der Tat kann man viel wissenschaftliche Literatur über Rockmusik eins zu eins für Metal adaptieren, die musikwissenschaftlichen Gemeinsamkeiten sind auffällig. Zur Zeit der Anfangstage des Metals, als Bands wie Black Sabbath, Deep Purple und Led Zeppelin zu neuen Varianten der Musikschöpfung greifen, fällt eine Charakterisierung des gerade frisch entstandenen Stils noch vergleichsweise leicht: Die ihreszeichens ebenso noch relativ jungen Elemente des Rock’N’Rolls wie beispielsweise ein rhythmusbestimmender, beständiger 4/4-Takt und eine musikalische Restriktion auf pentatonische Harmonien sind schnell identifizierte Merkmale für den neuen Stil.

Das wichtigste Element des Metals jedoch sind seit jeher die elektrischen Gitarren (E- Gitarren), inbegriffen ihre gnadenlose Verzerrung durch technische Hilfsmittel. Seit in den 30er Jahren die schwarzen Blues-Musiker in den Vereinigten Staaten der Möglichkeiten der neuen Ausdruckstechniken, nämlich der Amplifier (Verstärker) gewahr wurden, bildete diese sekundäre Klangvariable neben dem eigentlichen Gitarrenspiel eine zunehmend größere Rolle. Der „Sound“ wurde zum stilistisch relevanten Ingredienz.

Entgegen diverser anderer Musikarten betont gerade der Metal (und zum größten Teil auch die übrigen Facetten der Rockmusik) die musikalische Vorherrschaft der Gitarren, indem diese zumeist im Vordergrund stehen, mindestens auf gleichem Pegel mit dem Gesang, und (nicht nur) durch etliche Soli ihre tonale Gewalt und somit ihre Unentbehrlichkeit für die Musik zur Schau stellen.

Meist fußt Metal auf einem stabilen Fundament aus zwei Gitarren, einer sog. Rhythmus- und einer Lead-Gitarre. Schon die Bezeichnungen lassen auf die verschiedenartigen Funktionen der Gitarren im Metal schließen: Einerseits sind sie – wie seit den 50er Jahren vermehrt auch im Rock’n’Roll – vielseitige Melodiegeber und Solisten, auf der anderen Seite aber fungieren sie im Metal erstmals auch als tragendes Element der Rhythmus-Gruppe. Dies geschieht durch die Eigenart des „Riffs“, bei dem nicht einzelne Saiten gezupft werden, sondern mehrere von ihnen nahezu zeitgleich mit Hilfe eines Plektrums (einem gewöhnlich dreieckigen Plastikplättchen) zum Schwingen gebracht werden und somit einen erheblich fulminanteren und wuchtigeren Sound hervorrufen (Roccor 1998, S. 101). Die Stimme der Rhythmus-Gitarre verwendet dabei zumeist in der Regel die tiefen Harmonien des Gitarrenspektrums, während die Lead-Gitarre – weitestgehend ausgebrochen aus dem vorherrschenden Rhythmik-Gefüge – für gewöhnlich die Höhen der ihr gegebenen Möglichkeiten zu entdecken pflegt.

Ein weiterer Punkt, der den Ruf des Metals, eine Extremisierung des bisher Dagewesenen darzustellen, eindrucksvoll unterstreicht, ist seine Lautstärke, und zwar als bezeichnendes Attribut der gesamten Musik, das die übrigen genannten Stilmittel für den Hörer geradezu potenziert.

Ferner spielt die Dominanz des Gesangs eine tragende Rolle. Jedoch nicht zwingend als melodieweisendes Main Element, an dem sich die Harmonien voranging orientieren (viele Metal-Bands weisen sich durch sonores Gegrunze anstelle eines melodiösen Gesanges aus), sondern vielmehr als Medium für die augenblickliche Emotion. Aggressivität oder Sanftheit des Sängers (der zumeist gleichzeitig als Frontmann agiert) ist direkt ausschlaggebend für die Gefühlsregung des Hörers.

Das Schlagzeug (die Drums) zeichnet sich im Metal vor allem durch eine Zweckehe mit dem zweiten Rhythmusspezialisten, dem elektrischen Bass (E-Bass) aus. Zusammen bilden sie die Rhythmusgruppe, die, wie erläutert, nicht selten unmittelbar von der Rhythmusgitarre als Variable zwischen Melodie und Rhythmus forciert wird.

Ein absolut kennzeichnendes Stilmittel von Metal-Drums ist die sogenannte „Double-Bass“, eine meist in 16tel-Tönen gestoßene Bassdrum, die durch ein Doppelpedal von beiden Füßen des Schlagzeugers bedient wird. Das Können eines Drummers im Metal wird noch heute mitunter an der Geschwindigkeit der von ihm gefeuerten Double-Bass bewertet. Dieses Trommelstakkato wird vor allem zum erbarmungslosen Vorantreiben eines peitschenden Taktes genutzt, ein nahezu unbedingtes Stilmittel zur Steigerung der musikalischen Aggression sowie Geschwindigkeit.

2.2 Von Hardrock bis Death – Erläuterungen der Spielarten und Subgenres anhand ihrer Historie

Den plötzlichen Urknall, aus dem Metal eines Tages entstand, gibt es freilich nicht, wie man sich vorstellen kann. „No Style of popular music miraculously appeared from nowhere. They are all products of what has gone before.“ (Harrigan/Dome 1985, zit. n. Roccor, S. 104) Vielmehr ist er das Produkt einer sukzessiven, dennoch vergleichsweise zügigen Evolution. Aus diesem Grund ist in der Literatur meist von einer Kristallisierungsphase die Rede, die mutmaßlich gegen Ende der 60er Jahre im Rock’n’Roll stattfand. In den meisten wissenschaftlichen Quellen wird heute das Zutagetreten von Bands wie Led Zeppelin (1968), Deep Purple (1968) und Black Sabbath (1969) in den späten Sechzigern als der zweifelsfreie Beginn der Heavy-Metal-Ära definiert, während jedoch die Entwicklung bis dahin weitgehend im Dunkeln liegt (Roccor, S. 104). Wie fast jede moderne Spielart der Pop- und Rockmusik entwickelte sich auch der Heavy Metal aus dem Vorangegangen, zog sich seine Ingredienzen aus den bestehenden Genres heran (gleiches trifft ebenso auf den kulturellen Aspekt zu) und kristallisierte sich erst über die Jahre zu einem eigenständigen, nicht zu verwechselnden Kultur- und Musikstil. Aus dem Blues, der Mitte der 30er Jahre in den USA in der afro-amerikanischen Arbeiter-Kultur entstanden war, wurden bedeutsame stilistische Bestandteile wie die im Heavy Metal unerlässliche Pentatonik sowie der durchgängige, stete Taktschlag übernommen. Aus dem Acid Rock plagiierte man die heute ebenso stilistisch kennzeichnende Verzerrung der Gitarren (Roccor 1998, S. 104). Acid Rock erwuchs aus der Hippie-Kultur der 60er Jahre und beschreibt einen Stil, der sich vorrangig durch lauten, verzerrten elektrischen Gitarrensound und durch mitunter LSD-inspirierte Texte grob typisieren lässt. Bis auf freilich vorhandene Ausnahmen kommt Acid Rock weit weniger komplex als andere Formen des Psychedelic Rock einher. Jefferson Airplane, The Jimi Hendrix Experience, Country Joe and the Fish und die Doors sind erwähnenswerte Interpreten dieser Musikrichtung (Audiogalaxy).

Neben den Urvätern des dreckigen und „straighten“ Rock’n’Rolls, den Rolling Stones, die 1962 zu ihrem frenetischen Siegeszug durch die Rockwelt ansetzten, stellte auch und vor allem der kompromisslos seine musikalische Selbstverwirklichung praktizierende Jimi Hendrix und seine Provokation alles Bürgerlichen durch Habitus und Kleidung eine nicht wegzudenkende Etappe der rockmusikalischen Evolution dar. Sein hemmungsloser Umgang mit der Gitarre, der er nicht nur mit seiner ungeheuren Fingerbeweglichkeit, sondern mitunter mit Füßen und Zähnen und unter Zurhilfenahme von zahlreichen Effekten

(„Wahwah“, Rückkopplung etc.) die wildesten Töne entlockte, verlieh der Rockmusik in den 60er Jahren eine Richtung, auf welcher (u.a.) wenige Jahre später der Heavy Metal fußte (Roccor II 1998, S. 17).

Zum Zeitpunkt, da sich für die Hippie-Ära mit dem Woodstock-Festival 1969 der Höhepunkt und damit der Anfang vom Ende ankündigte, und sich die Rockwelt angesichts einiger prominenter Drogentoter unter den Musikern (Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison), Todesfälle bei Rockkonzerten (Altamount-Festival 1969) und anderen Skandalen von der Realität eingeholt zu sehen schien, war andernorts bereits die Entwicklung fortgeschritten. Mit dem Aufkommen des Hard Rock, der sich in Bands wie Led Zeppelin („Led Zeppelin I“, 1969) und deutlicher noch in den Briten Black Sabbath („Black Sabbath“, 1970) angekündigt hatte, nahm die Biographie des Heavy Metals seinen entscheidenden Verlauf.

Led Zeppelin (Anhang III / Track 1) gründeten sich 1968 in London und katapultierten sich schon mit ihren allesamt selbstbetitelten ersten vier Veröffentlichungen (1969-1971) an die Spitze des Rockgeschäftes. Jede der vier Platten erreichte Platin. Der darauf zu hörende harte Blues Rock stellte eine fortentwickelte Verstärkung der bisherigen Band von Gitarrist und Songwriter Jimmy Page, der Yardbirds, dar. Während Led Zeppelin jedoch vor allem durch drogenbeflügelte Texte provozierten, sich aber ansonsten auch durchaus auch den sanfteren Klängen der Hippie-Bewegung verschrieben, schockierten die der englischen Industriemetropole Birmingham entwachsenen Black Sabbath von Beginn an mit Texten voller Gewalt, Bosheit und purer Aggression, die aus ihrem lebensumständlichen Frust zu resultieren schien (Roccor II 1998, S. 20). Zunächst unter dem Namen Earth als Live-Band erfolgreich, kreierte man sich 1970 ein düsteres bis okkultes Image in Form von skurriler Bühnenshow, Kokettierens mit schwarzmagischer Emblematik und eines besessen wie schizophren agierenden Frontmannes: Ozzy Osbourne (ebd.).

In den Folgejahren erlangte die Band weltweit Beachtung, von Fans ebenso intensiv wie von ihren Kritikern. Angesichts einer Welle von Okkultismus-Paranoia in der Öffentlichkeit der 60er Jahre bot sich Black Sabbath ein breites Spektrum an Provokationsoptionen, die auch nach Möglichkeit ausgereizt wurde. So sah man Ozzy Osbourne auf Konzerten lebenden Tauben den Kopf abbeissen, konnte sich vor verdrehten Pentagrammen gruseln oder Lyrik wie „Sabbath, Bloody Sabbath“ als Hingebung an die satanistische Lehre Anton LaVeys interpretieren (vgl. ebd., S. 22) (s. Anhang I + Anhang III / Track 2).

Im Fahrwasser dieser ersten britischen Heavy-Metal-Welle wurden etliche Bands aus der Taufe gehoben, die den neu entdeckten Stil imitierten und weiterentwickelten. 1971

gründeten sich, abermals in England, Judas Priest, welche allerdings einen jahrelangen Anlauf benötigten, bis ihnen 1977 mit ihrem dritten Output „Sin after Sin“ der Durchbruch auf internationaler Ebene gelang. Ihr ungleich härterer Stil hob sie deutlich von ihren offensichtlichen Archetypen ab, zudem beeinflusste das Leder- und Nietenoutfit des Sängers und Frontmanns Rob Halford das Modeverständnis der Heavy-Metal-Welt in nicht geringem Maße (Roccor 1998, S. 109).

Zum selben Zeitpunkt traten auch Motörhead auf den Plan. Ihr zweites Album „Overkill“ schlug, nicht zuletzt dank einiger Zensurversuche, wie eine Bombe ins aktuelle Rockgeschehen und fand wiederum eine große Zahl an Nachahmern. Auch Motörhead fanden wieder einen Weg, vorausgegangene Spielarten in Geschwindigkeit, Phonstärke und Rauhbeinigkeit zu übertreffen (ebd.). Und trotz des schon damals herrschenden Adjektivdefizits unter Musikjouranlisten ob Tempo und Härte gelten Motörhead und verwandte Bands angesichts der mittlerweile emporgekommenen Metal-Mutationen schon lange nicht mehr als das Nonplusultra in Sachen Härtegrad, sondern eher als harmlose, Rock’N’Roll-nahe Biker-Musik (Anhang III / Track 3).

Motörhead aber initiierten eine signifikante Verhärtung des Genres und werden somit in der Literatur als Quasi-Vorläufer eines Phänomens angeführt, dass Mitte der 80er Jahre dem Heavy Metal einen Bekanntheitsstatus bisher unbekannten Ausmaßes verschuf und der Stagnation der späten Siebziger durch jungen, talentierten Nachwuchs ein Ende bereitete: Die „New Wave Of British Heavy Metal(NWOBHM), deren Name auf dem stetigen Anstieg der Popularität von Bands wie Iron Maiden, Saxon, Diamond Head oder Def Leppard basierte (ebd., S. 113). Die verblassende Punk-Bewegung der vergangenen Jahre und die Konzentration der Plattenindustrie auf diesen Trend hatte „ein Untergrund-Netzwerk von kleinen Plattenlabels, Tonstudios, Vertrieben und Liveclubs“ hinterlassen, die jungen Bands die Möglichkeit boten, „vollkommen unabhängig von den großen Konzernen ihren Sound unter die Leute zu bringen. Kein Marketingexperte schaute den Musikern auf die Finger oder machte Vorschriften. Man ging einfach ins Studio, machte eine Platte und verkaufte sie bei den Konzerten direkt an die Fans.“ (Roccor II 1998, S. 45) Dadurch erstarkte gerade in England ein schwermetallischer Untergrund, der schließlich durch einen glücklichen Umstand, einen Streik der Funk- und Fernsehbelegschaft und dem damit verknüpften Absinken der Verkaufzahl von Mainstream-Produktionen, Ende 1979 überraschend die Charts bevölkerte und somit in den Fokus auch großer Plattenlabels geriet (Roccor 1998, S. 45).

Mit dem Beginn der 80er Jahre begann zunehmend auch der amerikanische Metal für die internationale Entwicklung relevant zu werden. Vorbildern wie Motörhead und Judas Priest

entlieh eine neue Riege von Metal-Musikern ihre Inspirationen, um dem Metal endgültig noch kompromisslosere Subgenres abzufordern: Thrash Metal und Speed Metal gingen ins Rennen. Amerikanische Bands wie Anvil („Metal on Metal“, 1982), Exciter („Heavy Metal Maniac“, 1983), die deutschen Sodom („In The Sign Of Evil“, 1984) oder die Speed-Metal- Offenbarung „Kill ‘Em All“ von Metallica (1983) verschrieben sich von vornherein einer erheblich schnelleren, noch brachialeren Variante des Metals, die sich in erster Linie durch gnadenlose Aggression definierte, die die Double-Bass zum obligatorischen Gebot fast eines jeden Songs erhob und den bis dato gemeinhin geschätzten „Groove“ offensichtlich durch erbarmungslose Geschwindigkeit abzulösen gedachte (Roccor II 1998, S. 48). Bands wie Slayer lösten schließlich den Gesang komplett von seiner Aufgabe als Melodieträger und gedachten ihm allein die Aufgabe als Medium der durchaus umstrittenen Lyrik und der meist ultraaggressiven Emotionen zu. Überhaupt waren auch die Texte in dieser neuen Spielart analog zur Musik wieder um etliche Grade aggressiver geworden. Brachte Ozzy Osbourne in den Siebzigern das Bürgertum noch mit Anspielungen, Andeutungen und okkulter Emblematik gegen sich auf, so nahmen seine musikalischen Nachfahren zehn Jahre später kein Blatt mehr vor den Mund und spuckten in rauhem bis vulgärem Vokabular gegen kommerzielle Ausschlachtung sowie Politik und Gesellschaft oder brüskierten durch angeblich gewaltverherrlichende Inhalte. Eine Majorität der Texte feierte aber auch schlicht und ergreifend allein sich selbst als Musik gewordene Macht und Unumstößlichkeit. Hierfür gibt Text von Metallica zu „Hit The Lights“ („Kill ‘Em All“, 1983) ein veranschaulichendes Beispiel (s. Anhang II + Anhang III / Track 6).

Parallel zur Abspaltung der immer härter werdenden Brachialstile löste sich mit Kiss, Aerosmith, Bon Jovi u.ä. auch in die „softere“ Richtung eine Metal-Sparte ab, die jedoch landläufig eher unter dem Begriff Hard Rock kursierte und weniger Wert auf musikalische Extravaganz denn auf Showeffekte und Bombast legte. Die Songs waren einfach, durchweg melodiös und meist echte Ohrwürmer. Dennoch – oder gerade aus diesem einfachen Grunde

– feierten eben jene Bands vor allem in den USA bis weit in die Neunziger einen immensen Erfolg, wenn auch zuungunsten ihrer metallischen Wurzeln (Anhang III / Track 8).

A Blaze In The Northern Sky“ - Black Metal

Mit exakt dem Antipol zu dieser „Verweichlichung“ des Metals schienen 1981 die Briten Venom ihre Umwelt traumatisieren zu wollen: Lieferte ihr Debüt „Welcome To Hell“ (1981) bislang „nur“ einen Meilenstein – wenn nicht gar Grundstein – in hammerhartem, dazumal revolutionärem Ur-Thrash, so fundierte auf ihrem Zweitling „Black Metal“ (1983, Anhang III / Track 5) fast allen historischen Quellen nach jene gefürchtete gleichnamige Perversion alles musikalisch Ästhetischen, die sich spätestens 1983 in Mercyful Fate [sic] („Melissa“, 1983) und der anschließenden Solo-Karriere ihres Frontmanns King Diamond mit der von der LaVey‘schen Philosophie inspirierten Lyrik als eigenes, finsteres Subgenre verstehen ließ.

[...]


[1] Unter dem Musikstil Crossover wird in der Folge meist eine Melange von Heavy Metal und Hip Hop verstanden.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Metal und die Lebenswelt seiner jugendlichen Fans
Hochschule
Hochschule Hannover
Veranstaltung
Jugendkulturen seit den 50er Jahren
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
40
Katalognummer
V107178
ISBN (eBook)
9783640054527
Dateigröße
713 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hausarbeit soll einen Überblick geben, der Rahmen einer Hausarbeit wird dem eigentlichen Umfang der Thematik natürlich alles andere als gerecht. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn ich spezielle Teilbereiche (z.B. den Power/True! Metal) weglassen musste bzw. nur anschneiden konnte. Zur weiterführenden Beschäftigung der Thematik empfehle ich einen Blick ins Literurverzeichnis zu werfen und insb. die Bücher von Wehrli und Roccor Beachtung zu schenken.
Schlagworte
Metal, Lebenswelt, Fans, Jugendkulturen, Jahren
Arbeit zitieren
Hinnerk Müller (Autor:in), 2002, Metal und die Lebenswelt seiner jugendlichen Fans, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107178

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