Stichprobenverfahren


Seminararbeit, 2001

12 Seiten


Leseprobe


Stichprobenverfahren

1. Einleitung: Grundgesamtheit, Vollerhebung, Teilerhebung, Stichprobe

Bei der Erhebung von Daten in der empirischen Sozialforschung ergibt sich die Frage, welcher Objektbereich einer Untersuchung zugrunde liegt, das heißt, welche Art von Elementen untersucht werden soll (z.B. Personen, die bestimmte Merkmale aufweisen) und welche Grundgesamtheit (z.B. alle Personen ab 18 Jahren mit festem Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland) zur Erhebung herangezogen werden soll. Die Grundgesamtheit (auch: Population) entspricht demnach der Menge an Elementen, über die die Ergebnisse der Untersuchung Auskunft geben sollen. „Eine exakte Definition der Grundgesamtheit präzisiert nicht nur eine ... Theorie, sondern ist zur Durchführung von exakten Untersuchungen unerlässlich.“ (Schnell, Hill, Esser 1989, S. 247). Zählt ein Element nicht zur definierten Grundgesamtheit, so können keine Aussagen darüber gemacht werden (bei dem oben genannten Beispiel wären das die Personen unter 18 Jahren, aber auch Personen ohne festen Wohnsitz).

Zudem muss die Entscheidung getroffen werden, ob sämtliche Elemente der Grundgesamtheit untersucht werden (Vollerhebung bzw. Totalerhebung), oder ob eine Teilerhebung stattfinden soll (vgl. Kromrey 1991, S. 187). Zur Durchführung der Teilerhebung müssen feste Regeln angewandt werden, um eine repräsentative Stichprobe zu erhalten. „Stichproben können danach klassifiziert werden, ob die Auswahl der Elemente der Grundgesamtheit auf einem Zufallsprozeß basiert (″Zufallsstichproben″) oder nicht. Stichproben, die nicht auf einem Zufallsprozeß basieren, werden als ″willkürliche Auswahlen″ bzw. ″bewusste Auswahlen″ bezeichnet.“ (Schnell, Hill, Esser 1989, S. 249).

Vollerhebungen sind nur möglich bei einer zugrundeliegenden kleinen Grundgesamtheit. Im Folgenden sollen zudem die Vorteile einer Stichprobe gegenüber einer Vollerhebung erläutert werden:

ƒ- Die Kosten einer Untersuchung sind wesentlich günstiger.

ƒ- Die Grundgesamtheit ist eventuell zu groß, um sie zu erfassen.

ƒ- Die Ergebnisse von Stichproben liegen wesentlich schneller vor.

ƒ- Die Qualität der Stichprobenergebnisse ist meist besser, da für die Befragung bzw. Untersuchung geschultes Personal bereitgestellt werden kann, während bei Vollerhebungen oft Fehler bei der Datenerfassung unterlaufen.

ƒ- Teilweise ist eine Vollerhebung nicht sinnvoll, da der Untersuchungsgegenstand dabei verändert oder zerstört würde (deduktive Tests). Dies wäre zum Beispiel der Fall bei einer Qualitätskontrolle von Lebensmitteln (Kreienbock 1993, S. 9/10)).

Bevor im nächsten Abschnitt verschiedene Methoden der Stichprobenkonstruktion beschrieben werden, muss noch eine Unterscheidung im Bezug auf die Grundgesamtheit getroffen werden.

Die angestrebte Grundgesamtheit (target population) umfasst alle Elemente, für die die Ergebnisse der Untersuchung gelten sollen. Tatsächlich wird bei Untersuchungen oft auf Listen oder Karteien zurückgegriffen, deren Elemente dann als Grundgesamtheit erklärt werden. Eine Chance in die Stichprobe zu gelangen haben also nur diejenigen Elemente, die in der Liste verzeichnet sind. Diese Menge wird Auswahlgesamtheit (frame population) genannt. Hierbei können auch Fehlern entstehen, da es vorkommt, dass die Liste nicht auf dem aktuellsten Stand ist und somit Elemente untersucht werden, die nicht in der angestrebten Grundgesamtheit sind, beziehungsweise Elemente in der Liste fehlen (vgl. Schnell, Hill, Esser 1989, S. 254).

Beispielweise wäre eine Befragung aller Studenten eines Fachbereichs aneiner Universität problematisch, weil hier eine Fluktuation herrscht, die nicht ständigdokumentiert werden kann.

2. Stichprobenkonstruktion

Eine Stichprobe kann in unterschiedlicher Weise Aussagen im Bezug auf die

Grundgesamtheit liefern. Es können Hypothesen anhand von

Stichprobenergebnissen entwickelt werden und auf die Gesamtheit der untersuchten Menge generalisiert werden (Repräsentationsschluß). Andererseits kann auch von einer Theorie oder Hypothese ausgegangen werden, die durch die Stichprobe überprüft wird (Inklusionsschluß) (vgl. Friedrichs 1980, S. 125).

Eine Stichprobe sollte folgende Voraussetzungen erfüllen:

ƒ- Sie sollte repräsentativ für die Grundgesamtheit sein.

ƒ-ƒ Ihre Elemente müssen klar definiert sein.

ƒ- Die Grundgesamtheit muss abgrenzbar und definiert sein.

ƒ- Das Auswahlverfahren sollte nachvollziehbar sein (vgl. Kromrey 1991, S.196/197)

Es ist nicht möglich alle diese Voraussetzungen immer zu erfüllen. Im Folgenden werden nun verschiedene Auswahlverfahren vorgestellt. Wie oben schon erwähnt unterscheidet man zwischen zufallsgesteuerten Auswahlverfahren und nicht zufallsgesteuerten Auswahlverfahren (Siehe Abb.1).

2.1 Zufällige Auswahlverfahren

Bei der Zufallsauswahl (random sampling) werden die Elemente der Stichprobe ausschließlich anhand des Zufallsprinzips ermittelt. Jedes Element der Grundgesamtheit muss die gleiche, oder zumindest eine zu ermittelnde Chance haben in die Auswahl zu gelangen. Im Gegensatz zu den sogenannten bewussten Auswahlverfahren können bei den Zufallsauswahlen die Ergebnisse mit zu berechnenden Fehlergrenzen auf die Grundgesamtheit übertragen werden, ohne dass vorher sichere Kenntnisse über die Struktur der Grundgesamtheit vorliegen (vgl. Kromrey 1991, S. 207/208). Es besteht demnach keine Möglichkeit der Beeinflussung beispielweise durch den Interviewer (siehe 2.2 Nicht-zufällige Auswahlverfahren).

Hier soll besonders auf die einfache Zufallsstichprobe eingegangen werden. Weitere Zufallsauswahlen werden kurz beschrieben.

2.1.1 Die einfache Zufallsstichprobe (simple random sample)

Die einfachen Zufallsstichprobe ist die Grundlage jeder komplizierteren Form der Zufallsauswahl. Jedes Element hat die gleiche Chance zur Stichprobe herangezogen zu werden. Sie werden in einem Vorgang aus der Grundgesamtheit gezogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Merkmale, beziehungsweise die Merkmalsausprägungen in der Stichprobe denen der Grundgesamtheit entsprechen, steigt mit dem Umfang der Stichprobe. Die Maßzahlen, die für die Stichprobe berechnet werden (z.B. Mittelwert) werden als „Statistiken“ bezeichnet. Werden diese auf die Grundgesamtheit übertragen nennt man sie „Parameter“ (vgl. Kromrey 1991, S208/209).

Die zufälligen Fehler, die bei dieser Auswahl entstehen können werden verdeutlicht, indem man mehrere unabhängige Stichproben aus der Grundgesamtheit zieht.

Man erhält z.B. bei der Berechnung des Mittelwerts der Studiendauer aller Diplomgeographen in den letzten 20 Jahren (angenommen 2000 Personen) als Ergebnis 13 Semester. Nimmt man nun 10 unabhängige Stichproben mit dem Umfang 100 aus der Grundgesamtheit aller 2000 Personen, ergeben sich unterschiedliche Mittelwerte, z.B. 13, 12, 14, 12, 14, 11, 11, 12, 18 ,13. Aus diesen Mittelwerten lässt sich wieder der Mittelwert 13 errechnen, der dem Mittelwert der Grundgesamtheit entspricht.

Bei mehreren Stichproben treten also durchaus Abweichungen vom Parameter der Grundgesamtheit auf. Der größte Anteil der ermittelten Werte aus den Stichproben nähert sich aber, von oben oder von unten, dem „wahren“ Wert an. Sehr starke Abweichungen sind dagegen eher selten. Graphisch wird diese Verteilung in der Regel wie in Abbildung 2 dargestellt.

Abhängig ist die Streuung der Mittelwerte aus den Stichproben um den „wahren“ Mittelwert (sogenannter „Standardfehler“) von der Varianz in der Grundgesamtheit und dem Umfang der Stichproben. Je kleiner die Varianz der Grundgesamtheit und je größer der Umfang der Stichproben, desto kleiner ist der Standardfehler. „Es lässt sich zeigen, dass bei einer großen Zahl unabhängiger Stichproben 95% der Mittelwerte dieser Stichproben in einem bestimmten Intervall um den Mittelwert der Grundgesamtheit liegen.“ (Schnell, Hill, Esser 1989, S. 259). Es ist also bei der Anwendung von Zufallsstichproben möglich, ein Intervall anzugeben, indem sich der gesuchte Wert in der Grundgesamtheit mit ziemlicher Sicherheit befindet. Der Umfang der Stichprobe muss so gewählt werden, dass die Fehlergrenze zu tolerieren ist. Allerdings muss auch beachtet werden, dass bei einem größeren Stichprobenumfang mehr „sachliche Fehler“ (z.B. Flüchtigkeitsfehler bei der Datenverarbeitung) auftreten.

Das einfachste Modell der Zufallsauswahl ist das Urnenmodell. Aus einer Urne, die für jedes Element der Grundgesamtheit eine Kugel beinhaltet, werden wahllos Kugeln gezogen (Stichprobe). Jedes Element hat dabei die gleiche Chance ausgewählt zu werden. In der Praxis ist die Grundgesamtheit meist zu groß um die Elemente der Stichprobe nach diesem Prinzip zu bestimmen. Sind die Elemente der Grundgesamtheit in einer Liste oder Kartei geordnet kann man sie mit fortlaufenden Nummern versehen. Unter Anwendung von Zufallszahlen, die entweder vom Computer erzeugt, oder aus einer Zufallszahlentabelle entnommen werden, werden nun die Elemente der Stichprobe ausgesucht.

Oft werden zur Vereinfachung der Auswahl systematische Zufallsauswahlen entworfen. Dabei wird nur das erste Element der Stichprobe zufällig bestimmt (z.B. unter Verwendung einer Zufallszahlentabelle). Alle weiteren Elemente werden dann anhand von festgelegten, systematischen Regeln ausgewählt (z.B. jedes n-te Element einer Liste). Vor dem Auswahlvorgang hat jedes Element auch hier die gleiche Chance in die Stichprobe zu gelangen. Probleme ergeben sich bei jeder Art von systematischer Zufallsauswahl dadurch, wenn die Auswahlgrundlage (z.B. eine Liste) bereits systematisch geordnet ist und das Auswahlsystem mit dieser Ordnung zusammenhängt (vgl. Kromrey 1991, S. 213/214)

Eine Form von Zufallsauswahl kann auch über Flächen erfolgen. Die Elemente der Grundgesamtheit sind dabei räumliche Einheiten die beispielsweise mit Hilfe von Landkarten oder Stadtplänen zufällig ausgewählt werden. Diese Einheiten können selbst die Untersuchungseinheiten bilden (z.B. in der Landwirtschaft). In mehrstufigen Auswahlverfahren (siehe 2.1.2.3) können in einer nächsten Stufe z.B. Haushalte oder Personen ermittelt werden, die dann als Erhebungseinheit dienen.

Da die einfache Zufallsauswahl oft mit zuviel Zeit und Kosten verbunden ist, wird sie in komplexeren Verfahren variiert. (vgl. Schnell, Hill, Esser 1989, S.266)

2.1.2 Weitere Zufallsauswahlen

2.1.2.1 Geschichtete Zufallsstichprobe

Die zu untersuchende Grundgesamtheit wird in verschiedene Schichten aufgeteilt, wenn sie sich aus mehreren Teilmengen zusammensetzt. Es werden dann Zufallsstichproben aus den einzelnen Schichten gezogen. Jedes Element darf dabei nur zu einer Schicht zugeordnet werden.

Beispielsweise bei einer Meinungsumfrage in der Bevölkerung derBundesrepublik Deutschland kann man die gesamte Bevölkerung in Schichteneinteilen. Z.B. Bevölkerung von Groß-, Mittel-, Kleinstädten und Dörfern.Abweichungen wären bei der einfachen Zufallsstichprobe aus der gesamtenBevölkerung sicherlich größer als innerhalb einer Schicht.

Bei einer proportionalen Schichtung wird der Umfang einer Stichprobe in einer Schicht dem entsprechenden Anteil der Schicht an der Grundgesamtheit angepasst. Dagegen entspricht der Umfang bei der disproportionalen Schichtung nicht dem gesamten Anteil der Schicht. Hier wird das von der einfachen Stichprobe bekannte Kriterium der gleichen Chance jedes Elementes nicht mehr erfüllt. Um eine Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden, werden unterschiedliche Gewichtungen der Stichproben vorgenommen (vgl. Schnell, Hill, Esser1989, S. 261-263). Das Verfahren der disproportionalen Schichtung findet dann Anwendung, wenn z.B. eine bestimmte Bevölkerungsgruppe eine Minderheit darstellt. Wäre der Umfang der Stichprobe proportional zum Anteil an der Grundgesamtheit, könnten keine Ergebnisse erzielt werden. Der Umfang der Stichprobe wird also erhöht und die Ergebnisse werden in der Gesamtauswertung geringer gewichtet.

Mit der geschichteten Zufallsstichprobe können genauere und teilweise kostengünstigere Ergebnisse erzielt werden als bei der einfachen Variante.

2.1.2.2 Klumpenstichproben

Die Auswahl von Klumpen wird dann verwendet, wenn keine Liste mit allen Elementen der Grundgesamtheit vorliegt. Ein Klumpen kannz.B. ein bestimmter Betrieb sein (zufällig ausgewählt aus einer Liste mit allen Betrieben die untersucht werden sollen), oder ein Häuserblock (zufällig ausgewählt über eine Gebietsauswahl). Die Auswahleinheit ist also der Klumpen, Untersuchungseinheiten sind alle Elemente des Klumpens (z.B. Totalerhebung: alle Bewohner eines Häuserblocks). Es wird davon ausgegangen, dass die Heterogenität in einem Klumpen der der Grundgesamtheit entspricht, der Klumpen also ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Unterscheiden sich die Klumpen untereinander zu stark und sind demnach die Ähnlichkeiten innerhalb eines Klumpens größer, führt dieses Verfahren zu starken Ungenauigkeiten. Oft spricht eine Zeit- und Kostenersparnis für die Anwendung von Klumpenstichproben, da keine weiten Entfernungen zwischen den Untersuchungseinheiten liegen (vgl. Atteslander 19.., S.315).

Werden innerhalb eines Klumpens nicht alle Elemente untersucht, sondern die Untersuchungseinheiten wiederum zufällig ausgewählt, wird also dieses Auswahlverfahren kombiniert, handelt es sich nicht mehr um eine reine Klumpenstichprobe. Es entsteht ein mehrstufiges Auswahlverfahren.

2.1.2.3 Random-Route-Verfahren (Zufallsweg)

Dieses Verfahren wird angewandt zur Ermittlung von Adressen beziehungsweise Haushalten, ohne dass eine Liste aller Einheiten bekannt ist. Um eine Beeinflussung durch den Interviewer zu vermeiden, wird ein Weg vorgegeben, der nach festen Regeln begangen werden muss. Ausgangspunkt ist dabei eine zufällig ermittelte Adresse (vgl. Schnell, Hill, Esser 1989, S. 267/268). Ein Beispiel für eine Begehungsanweisung wäre:

Von der Startadresse aus nach links auf der linken Straßenseite gehen. Die nächste Möglichkeit rechts abbiegen. Auf der rechten Straßenseite gehen. Bei dernächsten Gelegenheit links abbiegen, usw.. Jedes fünfte Haus auswählen.

Auch bei der Auswahl der zu befragenden Person innerhalb eines Haushaltes werden Regeln angewandt, um keine Verzerrungen zu erhalten. Tagsüber sind hauptsächlich Kinder und nicht berufstätige Personen anzutreffen. Um hier eine

Auswahl zu treffen werden z.B. Zufallszahlentabellen verwendet

(Schwedenschlüssel). Es gibt aber auch einfache Möglichkeiten,z.B. muss der Interviewer die Person aus dem Haushalt befragen, die als nächstes Geburtstag hat.

2.1.2.4 Mehrstufige Auswahlverfahren

Wenn mehrere Verfahren kombiniert werden, handelt es sich um ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Die Auswahlgrundlage sind dabei immer die Einheiten, die im vorangegangenen Verfahren als Stichprobe gezogen wurden. Ein mehrstufiges Verfahren wäre z.B.:

Es soll eine Stichprobe aus der Bevölkerung einer Kleinstadt gezogen werden. Ohne Verwendung der Einwohnerkartei wird das mehrstufig realisiert.

1. Stufe: Per Flächenauswahl werden zufällig wenige Gebiete im Stadtbereichbestimmt. Ein Gebiet bildet einen Klumpen.

2. Stufe: Durch das Random-Route-Verfahren werden Adressen in den vorherbestimmten Gebieten ermittelt.

3. Stufe: Bei Einfamilienhäusern wird als nächstes eine Person des Haushaltsanhand von Zufallszahlentabellen ermittelt, die anschließend befragt wird. BeiMehrfamilienhäusern wird ein Haushalt per einfacher Zufallsstichprobe ermittelt,dann eine Person aus diesem Haushalt (4. Stufe).

Auch bei mehrstufigen Verfahren, die aus kombinierten Zufallsstichproben bestehen handelt es sich immer noch um zufällige Auswahlen. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit mit bewussten Auswahlverfahren zu kombinieren. Diese werden im nächsten Abschnitt vorgestellt.

2.2 Nicht-zufällige Auswahlverfahren

Nach den Zufallsauswahlen, bei denen jedes teilnehmende Element die gleiche Chance hat in die Stichproben zu gelangen, kommen wir zu den willkürlichen und bewussten Auswahlen, die im folgenden Kapitel erläutert werden. Diese Art der gezielten Datenerhebung richtet sich immer nach bestimmten Systematiken oder wie bei der willkürlichen Auswahl, nach der Willkür des Interviewers. Das sind „Auswahlen aufs Geratewohl“ (Schnell, Hill, Esser 1989, S.271). Solche Ergebnisse sind wissenschaftlich eigentlich nicht mehr verwertbar. Das Gleiche gilt für Stichproben zu deren Teilnahme sich die Testpersonen freiwillig melden ohne vorher auf gewisse Kriterien überprüft worden zu sein, die nennt man dann „selbst-selektiv“ (Friedrichs 1980, S.133). Sobald die Auswahl der Elemente, d.h. der Befragten, nicht mehr dem Zufall überlassen ist sondern nach gewissen Regeln (Quoten) getroffen wird, nimmt man eine bewusste Auswahl vor. Die wird sehr häufig bei Meinungsumfragen verwendet, oder wenn Hypothesen getestet oder Prognosen gemacht werden sollen. Man versucht also Repräsentativität zu erlangen, indem man eine Auswahl von Untersuchungseinheiten bewusst so vornimmt, dass die Stichprobe ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit darstellt und damit Rückschlüsse gezogen werden können. Dazu werden Auswahlpläne erstellt, die sich nach bestimmten, gezielten Kriterien wie Wohnort, Alter oder Geschlecht richten. Allerdings muss die Grundgesamtheit angebbar sein, d.h. man müsste im Falle des Wohnortes die genaue Einwohnerzahl kennen um dann Kriterien für eine gezielte Auswahl treffen zu können, und um ausgehend von den Stichproben Hochrechnungen vornehmen zu können (vgl. Kromrey 1991, S.201).

Durch den Auswahlplan, den die Interviewer zu erfüllen haben hängt es nicht mehr von ihrer Willkür ab, ob ein Element der Grundgesamtheit in die Stichprobe kommt oder nicht. Denn der Befragte muss bestimmte Merkmale aufweisen, also die festgesetzten Kriterien des Planes erfüllen um als Element in die Stichprobe einzugehen. Das können auch Merkmalskombinationen sein,wie weiblich+über 18+ Einwohnerin von München. Die Bestimmung der Merkmale richtet sich nach dem Untersuchungsgegenstand, so werden zum Wahlverhalten z.B. nur über 18-jährige befragt.

Im Folgenden Kapitel werden die am häufigsten angewendeten Verfahren vorgestellt, wobei besonders auf das Quotaverfahren näher eingegangen wird.

2.2.1 Verschiedene Auswahlen

2.2.1.1 Typische Auswahl

Diese Form der Auswahl ist vom Prinzip her die einfachste Variante, aber eigentlich auch die problematischste. Bei diesem Erhebungsverfahren werden Elemente für die Befragung ausgewählt, die als besonders Charakteristisch für die Grundgesamtheit angesehen werden. Man nimmt also an, wenn die Untersuchungseinheiten in Bezug auf bestimmte Merkmale „typisch“ sind für eine größere Gesamtheit von Fällen, dann sind deren Reaktionen und Antworten auch repräsentativ für diese Gesamtheit (vgl. Kromrey 1991, S.201).

Wenn man z.B. eine Umfrage in typischen Haushalten machen würde, würdeman von einem 4-Personen Haushalt mit mittlerem Einkommen ausgehen.

Um ein Kriterium als „typisch“ einzustufen, muss man allerdings Vorkenntnisse über die Struktur der Grundgesamtheit besitzen.

In diesem Fall muss man also vorher wissen, wie viele Personen durchschnittlich in einem Haushalt leben und wie die Einkommensverteilung ist.

Würde man z.B. in einem Land der Dritten Welt die typische Familie ermitteln wollen, müsste man sicher von einer höheren Anzahl der Personen in einem Haushalt und von einem anderenüblichen Lebensstandard ausgehen d.h. typisch wäre vielleicht ein 6 Personenhaushalt und ein extrem niedriges Einkommen.

Ein großes Problem bei diesem Verfahren ist aber das Fehlen von objektiven Auswahlkriterien, nach denen entschieden wird welche Einheit als „typisch“ gewertet werden kann und damit in die Stichprobe aufgenommen werden kann. Daher ist die Auswahl „typischer“ Fälle für die meisten allgemein repräsentativen Erhebungen ungeeignet und findet damit nur in speziellen Auswahlverfahren oder in der Vorbereitungsphase von größeren Studien Verwendung.

2.2.1.2 Auswahl nach dem Konzentrationsprinzip

Diese Methode wendet man an, wenn für die Erhebung nur bestimmte wenige Untersuchungseinheiten relevant sind. Man beschränkt sich nur auf die Fälle, bei denen die zu untersuchenden Merkmale so stark ausgeprägt sind, dass sie den größten Teil der Grundgesamtheit darstellen.

z.B Erforscht man die Nachfrage riesiger Bagger, gibt es nur wenige Großunternehmen, die solche Maschinen kaufen und die potentielle Kunden darstellen, also macht man die Erhebung nur in den Groß- und nicht in den Kleinbetrieben.

Unwesentliche Einheiten werden bei der Auswahl gar nicht berücksichtigt, sie werden ausgegrenzt, weshalb es auch „cut-off-Verfahren“ genannt wird. Bei diesem Verfahren besteht jedoch wie bei dem vorhergehenden das Problem, dass vor der Auswahl Vorkenntnisse bestehen sollten. Dazu kommt dass bei dieser Methode, bei der nur ein kleiner Anteil befragt wird die einzelnen Untersuchungseinheiten auch von größerer Bedeutung sind, was bei dem Wegfall einer Einheit oder bei falschen

Angaben zu Verzerrungen der Ergebnisse führen kann. Dieses Verfahren wird häufig in der amtlichen Statistik angewendet (vgl. Kreienbrock 1993, S. 126).

2.2.1.3 Auswahl nach dem Schneeballprinzip

Ein Auswahlverfahren, das in der praktischen Umfrageforschung insbesondere dann verwendet wird, wenn es um die Befragung von sehr kleinen Minderheitsgruppen geht, die schwer zu finden sind wie z.B. Obdachlose oder Mitglieder extremer Gruppen. Bei dem Verfahren lässt sich der Interviewer von einem Befragten nach Abschluss des Interviews eine (oder mehrere) weitere potentielle Testpersonen mit denselben, für die Untersuchung relevanten Merkmalen nennen. Mit dieser Person wird dann ein weiteres Interview durchgeführt. Die Auswahl der Personen geschieht aber nicht zufällig, sondern wird meistens durch Quotenauswahl bewusst geführt. Das System kann sich wie ein Schneeball immer weiter vergrößern. Der Vorteil dieses Verfahrens ist die durch die Senkung der Zahl der Ausfälle (Leerinterviews) erreichte Kostensenkung, der gravierende Nachteil ist die Verzerrung der Repräsentanz, die allerdings in Einzelfällen nicht so dramatisch sein muss, dass nicht doch einigermaßen brauchbare Ergebnisse mit dieser Technik erzielt werden könnten.

2.2.2 Auswahl nach dem Quotaverfahren

Das Quotaverfahren ist das Standardverfahren bei den bewussten Auswahlen, welches insbesondere in der kommerziellen Markt- und Meinungsforschung eingesetzt wird. Bei Quotenauswahlen werden die Personenstichproben so konstruiert, dass die Verteilung bestimmter Merkmale in der Stichprobe auch der Verteilung dieser Merkmale in der Grundgesamtheit exakt entspricht. Dabei müssen aber erst zwei Vorraussetzungen erfüllt werden. Zum ersten muss man annehmen, dass die Merkmale, die gefordert werden auch in direktem Zusammenhang mit dem Thema oder mit dem Problem der Untersuchung stehen. Die Untersuchungsmerkmale sollten eine hohe „Korrelation“ zu den quotierten Merkmalen besitzen. Die zweite Vorraussetzung für die Anwendung einer Quotenauswahl sind fundierte Kenntnisse über die Verteilung der Merkmale in der Grundgesamtheit, die man einer amtlichen Statistik oder einer anderen Vollerhebung entnehmen können muss (vgl. Friedrichs 1980, S. 133). Diese Informationen müssen absolut verlässlich und aktuell sein, sonst wird das Ergebnis schon durch falsche Quotenvorgaben verfälscht. Damit sind die Eigenschaften, die der Auswahl dienen sollen auf wenige sichtbare und amtlich erhobene Daten eingeschränkt. Diese Merkmale, die der Quotierung dienen, werden nach Schnell, Hill und Esser 1989, S. 276 als „controls“ bezeichnet. Die vor allem aus dem Alter, dem Geschlecht und der Stellung im Berufsleben besteht. Teilweise wird auch der Befragungsort und die Zeit vorgegeben um die Willkür des Interviewers möglichst gering zu halten und damit ein repräsentativeres Ergebnis zu erhalten. Man versucht also durch die genaue Vorgabe von Quoten, die prozentual in ihren Anteilen der Grundgesamtheit entsprechen ein genaues Abbild der Grundgesamtheit zu bekommen. Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung des Prinzips Es soll eine Umfrage zum Fernsehverhalten der deutschen Bevölkerung gemacht werden. Da man nicht die gesamte Grundgesamtheit befragen kann versucht man ein Querschnitt der Bevölkerung zu befragen. Grundgesamtheit ist die Bevölkerung Deutschlandsüber 10 Jahre. Die Verteilung der Geschlechter, der

Altersklassen und der Schulbildung in der Bevölkerung werden amtlichen Statistiken entnommen und prozentual auf den Stichprobenumfangn= 1000 Personen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Anmerkung: Die Zahlen sind frei erfunden)

Also müssen z.B. insgesamt 460 weibliche Personen befragt werden und 140 Personen im Alter zwischen 10 und 20 Jahren.

Jeder Interviewer bekommt dann seinen individuellen Quotenplan der so aussehen könnte:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Die Zahl vor dem X ist gültig, bei weiblich wären das dann z.B. 8 Personen.)

Nach jedem geführten Interview werden denn die jeweils zutreffenden Angaben gestrichen, wodurch sich der Auswahlspielraum immer weiter einengt. Deshalb muss man hier auch darauf achten, dass am Schluss keine unmöglichen Kombinationen „übrig“ bleiben. Das wäre in unserem Beispiel nicht möglich, wird aber im folgenden Beispiel deutlich:

Es sollen drei männliche Personen in den Altersstufen 16-17 Jahre, 30-44Jahre und45-59 Jahre und in den Berufsgruppen Arbeiter, Angestellter und Selbständig befragt werden. Angenommen der Interviewer befragt zunächst einenArbeiter, der 50 Jahre alt ist und dann einen 35-Jährigen Angestellten. Anschlissendkann er sich auf die Suche nach einem 16-17-jährigen selbständigen machenwenn er nicht vorher den Beruf aufgibt.(aus Böltken 1976, S.380)

Das Problem ist hierbei, dass Quoten in dem Plan unabhängig voneinander vorgegeben werden, die in der Grundgesamtheit aber kombiniert vorkommen. Um es an unserem Beispiel zu verdeutlichen, wäre z.B der Anteilder unter 20-jährigen mit Hauptschulabschluss viel niedriger als 36%, bei den über50-jährigen jedoch wesentlich höher. Kombinationen von verschiedenen Merkmalen können so also nicht erfasst werden.

Deshalb werden auch Erhebungen mit kombinierten Quoten gemacht, in denen die Zahl von Merkmalskombinationen wie unter 20-jähriger Hauptschüler, in der Stichprobe der Zahl der Merkmalskombinationen in der Grundgesamtheit entsprechen soll. Durch die Kombination wird das Verfahren aber kompliziert und mühsam. Diese Schwierigkeit und das Problem, dass am Ende unmögliche Kombinationen „übrig“ bleiben führt dann oft dazu, dass die Interviewer mogeln und die Daten an die Quoten anpassen um ein Ergebnis zu erhalten (quota-fitting).

Der Interviewer klingelt an der Tür und sollte eine Hausfrau befragen, ist abernur der Sohn da, wechselt der Sohn oft Alter und Geschlecht.

Dieses Verfahren weist aber noch mehr Probleme auf.

Es können immer nur solche Merkmale quotiert werden, die auf den ersten Blick erkennbar und nachprüfbar sind, wie Alter und Geschlecht. Nicht erkennbar sind jedoch die Religion oder Berufsstand. Sind diese Eigenschaften quotiert, muss erst nachgefragt werden, was die Umfrage aber erschwert.

Der Hauptkritikpunkt ist aber, dass die Auswahl der Testpersonen nicht zufällig, sondern innerhalb des Quotenplanes durch die Willkür des Interviewers geschieht. Das heißt der Interviewer kann sich, abgesehen von der Quote, frei aussuchen, wer letztendlich in die Stichprobe aufgenommen wird und wer nicht. Das kann dazu führen, dass die Ergebnisse verzerrt werden, da man annehmen muss, dass der Interviewer nur Personen in seinem Bekanntenkreis oder in seiner direkten Umgebung oder nach Sympathie auswählt , und nicht nach dem Zufallsprinzip. Aus diesem Grund werden jedem Einzelnen Interviewer in diesem Verfahren nur wenige Interviews zugeteilt um den Einfluss des Interviewers auf die gesamte Erhebung möglichst gering zu halten. Auch musste man feststellen, dass vorwiegend Bewohner von Miethäusern in Stichproben gelangen und das Interviewer eher auf Personen mit einem höheren sozialen Status zugehen. (vgl. Noelle 1963, S.146) Außerdem besteht beim Quotaverfahren auch das Risiko, dass Personen die oft zu Hause sind eine höhere Wahrscheinlichkeit haben in eine Stichprobe zu gelangen als andere Personen.

Da hier also keine zufällige Auswahl getroffen wird, ist auch keine Fehlererrechnung oder Errechnung des Grades der Repräsentativität möglich. Da dieses Verfahren aber wesentlich billiger ist als die Zufallsstichproben wird es sehr häufig angewendet, besonders wenn Meinungsumfragen gemacht werden.

3. Vergleich von zufälliger und bewusster Auswahl in der Stichprobenkonstruktion

Die verschiedenen Auswahlverfahren streben Repräsentativität mit verschiedenen Strategien an. Aber man muss darauf achten inwieweit die Ergebnisse der Stichproben auf die Population übertragen werden können , wo es zu eventuellen Verzerrungen kommen könnte und wie praktisch die jeweiligen Verfahren in der Anwendbarkeit sind. Deshalb werden im Folgenden kurz die Vor- und Nachteile von Zufallsauswahlen und bewussten Auswahlen gegenübergestellt.

Zufallsauswahlen

Vorteile:

ƒ- Besitzen eine theoretische Fundierung ƒ Haben repräsentativere Ergebnisse

ƒ- Fehlererrechnungen sind durch das Wahrscheinlichkeitsprinzip möglich.

ƒ- Interviewer haben keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

ƒ- Bei der einfachen Zufallsauswahl sind keine Vorkenntnisse über die Grundgesamtheit nötig.

Nachteile:

ƒ- Erfordern gründliche Planung (zeitaufwendig)

ƒ- Ersetzen von Untersuchungseinheiten schlecht möglich ƒ Höhere Kosten durch aufwendiges Verfahren Bewusste Auswahlen

Vorteile:

ƒ- Schnelle Durchführung dadurch aktuellere Ergebnisse ƒ Einfach zu planen

ƒ- Geringere Kosten durch einfache Ausführung

ƒ- Auch Befragung von speziellen Zielgruppen möglich

ƒ- Ersetzen von Untersuchungseinheiten jederzeit möglich

Nachteile:

ƒ- Keine Fehlererrechnung möglich

ƒ- Nicht geeignet für genaue wissenschaftliche Erhebungen

ƒ- Mögliche Verzerrung der Ergebnisse durch Unkontrollierbarkeit des Interviewers ƒ Zur Vorgabe der Quoten sind Vorkenntnisse über die Grundgesamtheit notwendig.

Je nachdem welche Grundvoraussetzungen für eine Stichprobe gegeben sind, welche Merkmale erfasst werden sollen und ob mehr Wert auf die rechnerisch erfassbare Genauigkeit oder die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens gelegt wird, kann man sich der bewussten oder der zufälligen Auswahl bedienen.

Literaturverzeichnis

- Atteslander, Peter 1991: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin

- Böltken, Ferdinand 1976: Auswahlverfahren, eine Einführung für

Sozialwissenschaftler. Stuttgart

- Friedrichs, Jürgen. 1985: Methoden der empirischen Sozialforschung.

Opladen

- Kreienbrock, L. 1993: Einführung in die Stichprobenverfahren. München

- Kromrey, Helmut 1991: Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden

der Datenerhebung und Datenauswertung. Opladen

- Noelle, E. 1963: Umfragen in der Massengesellschaft. Reinbeck

- Schnell, R. u. B. Hill u. E. Esser 1989:Methoden der empirischen

Sozialforschung. München

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Stichprobenverfahren
Hochschule
Technische Universität München
Veranstaltung
Seminar Empirische Sozialforschung
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V106868
ISBN (eBook)
9783640051434
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stichprobenverfahren, Seminar, Empirische, Sozialforschung
Arbeit zitieren
Alexandra Plappert (Autor:in), 2001, Stichprobenverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106868

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