Die Bildinterpretation nach Erwin Panofsky


Hausarbeit, 2002

15 Seiten


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Die Bildinterpretation nach Erwin Panofsky
1.1. Die „Vor-ikonographische Beschreibung“
1.2. Die „Ikonographische Analyse“
1.3. Die „Ikonologische Interpretation“
2. ‚Jobs als Schulmeister’ - Eine Bildinterpretation nach Rolf Winkeler
2.1. Bildbeschreibung
2.2. Quellenkritik
2.3. Systematische Analyse
a) Erziehungswissenschaftliche Analyse
b) Kunstwissenschaftliche Analyse
2.4. Bildinterpretation
2.5. Quellenwert
3. Die Anwendung Panofskys Methode

III. Schluss

IV. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wir leben in einer Kultur, die in großem Maße von Bildeindrücken bestimmt wird: nie zuvor war der Mensch mit einer solchen Fülle von Bildern konfrontiert, sei es in Film, Fernsehen oder Druckmedien. Die große Bedeutung der visuellen Übermittlung von Informationen zeigen auch Untersuchungen zur Entstehung historischen Bewusstseins, nach denen dieses vornehmlich über Filme und die Bilder in Schulbüchern, erst in zweiter Linie durch Texte geprägt wird. Dem steht noch immer eine große Unsicherheit der Historiker - und anderer Wissenschaftler - beim Umgang mit Bildern gegenüber. Bilder werden entweder ignoriert oder bestenfalls in historischen Abhandlungen eingestreut, häufig nur als Illustration, nicht aber als historische Quelle genutzt“ (Talkenberger 1997, S. 11).

Wie durch dieses Zitat schon angedeutet ist die wissenschaftliche Bildinterpretation eher die Stiefschwester der Textinterpretation und wird in der wissenschaftlichen Arbeit erst seit kurzen und sehr zaghaft verwendet. Dies liegt vor allem auch daran, dass es bei den verschieden Wissenschaften viele verschieden Ansätze gibt, aber kaum methodische Richtlinien dazu.

In dieser Arbeit wird im ersten Teil die Bildinterpretation Erwin Panofskys anhand eines Originaltextes erläutert. Anschließend wird die bildinterpretatorische Arbeit Rolf Winkelers an dem Werk ‚Jobs als Schulmeister’ vorgestellt. Abschließend wird versucht herauszustellen, inwieweit sich Winkeler an Panofskys Methode orientiert hat.

II. Hauptteil

1. Die Bildinterpretation nach Erwin Panofsky

Die von Erwin Panofsky 1932 erstmals entwickelte Methode der Ikonologie bildet eine Grundlage der wissenschaftlichen Analyse von Einzelbildern.

Als Vertreter der Kunstgeschichte versuchte er den Unterschied „zwischen Sujet oder Bedeutung einerseits und Form andererseits zu definieren“ (Panofsky, 1997, S. 207). Er entwickelte ein dreistufiges Interpretationsmodell, in dem er nach dem Gegenstand der Interpretation drei unterschiedliche Bedeutungssphären aufzeigte, die aber in der Arbeit an einem Kunstwerk „miteinander zu einem einzigen organischen und unteilbaren Prozess verschmelzen“ (Panofsky, 1997, S. 222).

1.1. Die „Vor-ikonographische Beschreibung“ (ebd.)

Die erste Stufe nannte er die „Vor-ikonographische Beschreibung (und pseudoformale Analyse“ (ebd.). In diesem Teil der Interpretation wird die reine Form identifiziert. Auch hier handelt es sich schon um eine Interpretation auf der Grundlage von den „Praktischen Erfahrungen“ und der „Vertrautheit mit Gegenständen und Ereignissen“ (ebd., S.222), denn man benennt die wahrgenommenen Formen schon anhand seines Alltagswissens, als beispielsweise Personen oder Gegenstände. Würde man das Alltagswissen hier außer acht lassen, würde die Beschreibung sich lediglich darauf beschränken, “die Farben (...) zu quasi ornamentalen oder tektonischen Formkomplexen zusammenbeziehen zu lassen, als völlig sinnleere und sogar räumlich mehrdeutige Kompositionselemente zu deskribieren“ (ebd., S.186/187). Also wird das Dargestellte in der ersten Beschreibung schon zu Symbolen umgedeutet, die der unmittelbaren Daseinserfahrung des Interpreten, entsprechen.

Der Gegenstand der Interpretation ist nach Panofsky hier das „Primäre oder Natürliche Sujet, unterteilt in tatsachenhaftes und ausdruckhaftes“ (ebd., S. 210), das die Welt der künstlerischen Motive bildet.

Im gleichen Moment, wo wir die Formen als tatsachen- und ausdruckhafte Motive erfassen, erraten wir auch mehr oder weniger den historischen Ort eines Kunstwerkes und lassen unser Wissen darum einfließen. Damit unterwerfen wir uns der von Panofsky so bezeichneten „Stilgeschichte“, die als Teil der „Traditionsgeschichte“ die Interpretation korrigiert und kontrolliert (ebd., S. 223).

Mit der Stilgeschichte ist genauer die „Einsicht in die Art und Weise, wie unter wechselnden historischen Bedingungen Gegenstände und Ereignisse durch Formen ausgedrückt wurden“ gemeint (ebd.).

1.2. Die „Ikonographische Analyse“ (ebd.)

Im zweiten Schritt, in der „Ikonographischen Analyse“, wird die „sekundäre oder konventionelle“ Bedeutung, die durch „Bilder, Anekdoten und Allegorien“ gebildet wird, gesucht (ebd.). Die Identifizierung künstlerischer Motive und deren Verknüpfungen (Kompositionen) durch die persönliche „Einfühlung“ des Interpreten führt zum Erkennen spezifischerer Themen oder Konzepte, wie Handlungen oder Gesten, die der Künstler bewusst impliziert hat (ebd.). Dieses Erkennen „setzt eine Vertrautheit mit bestimmten Themen oder Vorstellungen voraus, wie sie durch literarische Quellen vermittelt wird“ (ebd., S. 217). Diese Kenntnis literarischer Quellen wird dadurch ergänzt und richtig gestellt, dass die Art und Weise befragt wird, „wie unter wechselnden historischen Bedingungen bestimmte Themen oder Vorstellungen durch Gegenstände oder Ereignissee ausgedrückt wurden, nämlich die Typengeschichte“ (ebd., S. 219). Man identifiziert also beispielsweise die abgebildete Person als historisch bekannten König, der gerade seine Truppen in die Schlacht schickt o.ä..

Das Wort „graphie , vom griechischen Verb graphein (schreiben) stammend, impliziert also eine deskriptive Verfahrensweise. Daher wird mit der Ikonographie eine Beschreibung und Klassifizierung gemeint, in der Material gesammelt wird und die daher ein wichtiger Teil und Vorraussetzung der Gesamtinterpretation ist.

1.3. Die „Ikonologische Interpretation“ (ebd., S.223)

Im letzten Teil, der „Ikonologischen Interpretation“, wird versucht, die „eigentliche Bedeutung oder den Gehalt, der die Welt der symbolischen Werte bildet“ (ebd.) zu finden. Diese Bedeutung wird erfasst, „indem man jene zugrundeliegenden Prinzipien ermittelt, die die Grundeinstellung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung enthüllen, modifiziert durch eine Persönlichkeit und verdichtet in einem einzigen Werk“ (ebd., S. 211). Man geht also davon aus, dass jedes Werk auch gleichzeitig etwas über die mentale Grundeinstellung seiner Zeit aussagt. Um diesen Gehalt des Werkes zu entdecken, braucht man nach Panofsky eine geistige Fähigkeit, die derjenigen eines Diagnostikers vergleichbar ist, die „synthetische Intuition“ (ebd., S. 221). Hierbei geht es darum, die Art und Weise zu erkennen, wie im Laufe der Geschichte „die allgemeinen und wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes durch bestimmte Themen und Vorstellungen ausgedrückt wurden“ (ebd.). Diese Erkenntnis ist geprägt durch „persönliche Psychologie und Weltanschauung“ und wird traditionsgeschichtlich durch die „Geschichte kultureller Symptome oder Symbole“ korrigiert (ebd.). Dazu muss der Interpret kulturelle Dokumente, die er auf das Werk beziehen kann, beachten. Der hier interpretierte Gehalt kann über die bewusste Absicht des Künstlers hinaus gehen.

Vom Wortursprung her bedeutet „logie“, abgeleitet von Logos (Denken, Vernunft) etwas Interpretatorisches. Panofsky versteht darunter „eine ins Interpretatorische gewandte Ikonographie, (...) die aus der Synthese nicht aus der Analyse hervorgeht“ (ebd., S.213/214).

2. „Jobs als Schulmeister“ - Eine Bildinterpretation nach Rolf Winkeler

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um ein Ölgemälde aus dem Kunstmuseum Düsseldorf mit den Maßen 80 x 106 cm. Es wurde ca. 1852/53 von Johann Peter Hasenclever gemalt.

2.1. Bildbeschreibung

Rolf Winkeler beschreibt sehr genau, fast jedes Detail des Bildes, behauptet aber hinterher selbst, dass diese Beschreibung nicht vollständig ist. Im Folgenden möchte ich seine Beschreibung beispielhaft, aber nicht vollständig darlegen und zitieren.

Der Künstler eröffnet uns einen diagonalen Blick in das Innere eines Schulraumes. Darin steht ein korpulenter Lehrer lässig auf seinem massigen Pult und einem großen Lederstuhl abgestützt vor einer Gruppe von ca.40 Schülern und lässt sie das h sprechen. „Die an der Stirnwand angebrachte schwarze Holztafel dient im oberen Drittel zum Schreiben, die Fläche darunter als „Setzkasten“; sie trägt oben die Aufschrift „Ohnewitz Anno 1798“, darunter in Schreibschrift die Buchstabenkombination „sch sp fft“. Auf hölzernen Leisten in der Mitte der Tafel stehen Täfelchen mit dem kleinen ABC in Fraktur, darunter sind in gleicher Schrift mit Buchstabentäfelchen gesetzt die Worte „Hieronimus Jobs Kinder kr[...] an den [...]nden“ (Winkeler 1997, S. 28). Dies ist ein Beispiel für die Genauigkeit, die Winkeler bei der Beschreibung anwendete. Er beschreibt in dieser Form fast alle Einzelheiten an Mobiliar, Gegenständen, Wandschmuck, Raumzustand und Personen. Einige Personen beschreibt er genauer:

Beispielsweise steht vorne links „in abgerissener Kleidung ein rothaariger Junge, der mit Karotten in seinen Händen hinter seinem Rücken, eifrig und selbstbewusst dem Unterricht folgt; unmittelbar neben ihm ein vergleichsweise solide gekleideter und exakt frisierter Schüler mit Lineal und Zeichenmappe und einer Sonnenblume am Revers, der den Betrachter an Napoleon erinnert“ (ebd., S. 30). So beschreibt er viele der unterschiedlichen Schüler, wie zum Beispiel die drei auffallend hübsch ausgestatteten Mädchen in der Bildmitte, den kleinen Jungen dahinter, der als einziger den Betrachter direkt ansieht, den Jungen links neben dem Lehrer, der einen Esel umgehängt hat und die Zunge herausstreckt oder die hinten am Tisch sitzenden. Winkelers Beschreibung erschöpft nicht die gesamte Darstellung, was er selbst betont. Er zeigt die für ihn wichtigsten Details auf und stellt am Ende fest, dass sich das Gemälde schon hierbei als „schwierig“ erweist, da viele Ungereimtheiten auftreten: „Der Betrachter wundert sich über den Papierdrachen am Boden, [...] über die Kleidung der Schüler oder über den altarähnlich aufgebauten Eselskopf zwischen den Kerzen auf dem Regal. Er fragt sich in welcher Zeit die Bildhandlung anzusiedeln sei, und ist irritiert, hat das Gefühl, dass in dieser Inszenierung etwas nicht ‚stimmt’: Er sieht eine Schulklasse vor sich, sie wirkt aber eigentümlich ‚gealtert’ und hat etwas ‚Maskeradenhaftes’ an sich, und er entdeckt Details[...], die motivfremde Assoziationen wecken [...] (ebd., S. 31/32).

Durch diese Beschreibung wurde die erste Bedeutungsschicht aufgeworfen und es eröffnen sich Fragen, die eventuell durch die weitere Interpretation beantwortet werden können.

2.2. Quellenkritik (vgl. Winkeler 1997, S. 32-35)

In der Quellenkritik erörtert Winkeler die Echtheit und die historischen Zusammenhänge des Kunstwerks, wie Entstehungszeit und -zusammenhang, Auftraggeber oder Veröffentlichungen.

Diese Motiv wurde von Hasenclever in fünf Fassungen bearbeitet. Ursprünglich war es 1843 eine Zeichnung, die als Teil einer Serie die „Jobsiade“ illustrierte. Karl Arnold Kortum schrieb 1784 das satirische Versepos „Jobsiade“. In ihm wurde das Leben des verkommenen Ratsherrensöhnchens Hieronimus Jobs beschrieben. Dieser arbeitet nach einem missratenen Theologiestudium als Dorflehrer in Ohnewitz und war wegen seiner reformerischen Praktiken in Verruf geraten. Er erfand zum Beispiel eine neue Fibel mit neuen Buchstaben, auf deren Einbandseite ein Hahn ohne Sporn und mit einem Ei im Nest abgebildet wurde. Eine Frechheit in den Augen der Dorfbewohner. Des weiteren prügelte er die Kinder, vor allem die Armen und erfand neue Strafen. So wurde der Eselskopf, der sonst als Strafe um den Hals gehängt wurde durch einen ganzen Esel ersetzt. Oder er durchsuchte die Taschen der Kinder nach Nahrungsmitteln und häufte sie auf seinem Pult an, damit die Kinder nicht während des Unterrichts naschten. Außerdem war er im Gegensatz zu den eher armen Dorfbewohnern wohl ziemlich gut bezahlt, was man auch leicht an seiner Leibesfülle sehen konnte. Er trank wohl auch gern mal ein bisschen zuviel und ihm wurde ein Verhältnis mit des Einsiedlers Frau nachgesagt. Das alles sog ziemlich viel Ärger der Dorfbewohner nach sich.

Die Jobsiade war zu ihrer Zeit sehr erfolgreich und fast jeder kannte sie. Das erklärt auch den großen Erfolg Hasenclevers mit seiner Illustration. Er wiederholte das Motiv noch weitere vier mal in Öl 1845, 1846, 1852 und in seinem Todesjahr 1852/53. Sein Leben lang diente das Bild als finanzielle Stütze und mit jeder Fassung verstärkte Hasenclever zum einen die typischen Attribute Jobs’ Unterrichts, wie die Eselsstrafe oder die neuen Buchstaben, und zum anderen differenzierte er die Gestalten der Schüler. In der hier vorliegenden letzten Fassung sehen die Schüler teilweise schon eher aus, wie Zeitgenossen Hasenclevers aus dem 19. Jahrhundert, wogegen der Lehrer eher in barocker Manier dargestellt ist. Die Jobsiade handelte eigentlich gegen 1710, wodurch die zeitliche Fixierung noch schwerer wird.

2.3. Systematische Analyse (vgl. Winkeler 1997, S. 35-41)

Winkeler stellt in seiner systematischen Analyse zwei Verfahren vor, mit denen man sich einem Bild nähern kann. Erstens die Inhaltsanalyse unter erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen und Methoden in der der Inhalt des Bildes als Realität gesehen und in Beziehung zu erziehungswissenschaftlichen Erfahrungen, Erkenntnissen und Instrumentarien gesetzt wird. Zweitens die Bildanalyse unter kunstwissenschaftlichen und -geschichtlichen Kategorien und Methoden, in der formanalytische Verfahren, wie die Kompositions- und Stilanalyse, die Rezeptionsästhetik und die kunstgeschichtlichen und zeichentechnischen Verfahren verwendet werden.

a) Erziehungswissenschaftliche Analyse

Auf dem Bild sind Jungen und Mädchen im Alter zwischen ca. 5 und 14 Jahren dargestellt. Das lässt auf eine coeducative Unterrichtsform schließen, die damals eigentlich nicht erlaubt, aber auf Dorfschulen üblich war. Außerdem sind ein relativ moderner Setzkasten und Buchstabenkarten zu sehen. Dagegen ist das Mobiliar zeitgemäß heruntergekommen. Diese Beobachtungen decken sich mit den historischen Erkenntnissen über Dorfschulen im 18. Jahrhundert (vgl. Winkeler, S. 36).

Dazu kommen noch widerspenstigere Bildinhalte. Beispielsweise, dass die meisten Schüler beim Lesen ihre Schreibutensilien dabei haben. Oder das Vorhandensein von Schiefertafeln, die an Dorfschulen im 18. Jahrhundert unüblich waren. Dazu kommen bezugslose Attribute, wie das Biedermeiersträußchen in der Hand des einen Mädchens und Ungereimtheiten, wie das Vorhandensein von Sommerpflanzen (Brennnessel, Sonnenblume)und die eher winterlich dicke Kleidung der meisten Kinder. Die wohl größte Frage werfen die standesspezifischen Unterschiede der Kinder untereinander auf. Sie wirken fast wie Erwachsene und sind sehr untypisch für Dorfkinder.

Der links neben dem Pult auf dem Boden liegende Papierdrachen ist ursprünglich nicht aus der „Jobsiade“. Winkeler vermutet, dass Hasenclever vielleicht Parallelen zu seinem Hauptgemälde „Arbeiter und Stadtrath“ ziehen will. „Jobs mit der Haspel des Drachens - eine säkularisierte Variante des St. Georg, die den Jobs in seiner Aufgeblasenheit als “Drachentöter“ lächerlich machen soll oder eine Anspielung im Medium Bild auf politische Ereignisse“ (ebd., S. 37)? Unter der erziehungswissenschaftlichen Perspektive könnte man allerdings auch den Drachen als Symbol des Kinderspiels sehen, das in Jobs’ Schule keinen Platz hat.

Abschließend meint Winkeler, dass das Versepos hier mit Merkmalen einer Dorfschule des 18. Jahrhunderts in Szene gesetzt wurde, daß aber einige historische Wiedersprüche im Bild vereint sind.

b) Kunstwissenschaftliche Analyse

Wenn man das Bild in die Werke Hasenclever’s einordnet, merkt man, dass ihn dieses Bild von Beginn seiner Karriere bis zum Ende seines Lebens begleitet hat. Es war also ein sehr beliebtes Motiv, was Hasenclever’s Leben auch mit finanzierte. Seine Wertschätzung drückte er in einem Selbstportrait aus, was ihn mit der aufgeschlagenen Jobsiade zeigt.

Außerdem vereint die Darstellung Motive, die Hasenclever sein Leben lang beschäftigten. Er malte gern Innenräume und Gegenüberstellungen und verarbeitete oft menschliche Verhaltensweisen und Typen in seinen Werken.

Somit kann man dieses Bild auch als Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem eigenen Lebenswerk sehen und als Ausdruck künstlerischer Entwicklung. Hasenclever trat mit seiner Genremalerei schon in seiner Lehrzeit an der Malerakademie Düsseldorf in Opposition zu seinem Direktor, der die „Hohe Kunst propagierte.

„Sein Gemälde ‚Jobs als Schulmeister’ ist ein typisches Beispiel für eine Variante dieser Genremalerei, das historisch - literarische Genre, das im Rückgriff auf Themen aus der Literatur und der Historie mit modernen Stilmitteln alltägliche Situationen wie den Schulunterricht in der Schule mit zeitgenössischem, satirischem, aktuell - politischen oder einfach nur menschlichem „Gehalt auszustatten versuchte“ (Winkeler 1997, S. 40).

2.4. Bildinterpretation (vgl. Winkeler 1997, S.41-44)

Durch die vorangegangenen Schritte hat Winkeler verschiedene Bedeutungsschichten freigelegt und Fragen aufgeworfen, die sich in den verschiedenen zeitlichen Widersprüchen und dem „Maskeradenhaften“ der Schüler begründen (vgl. Winkeler, S. 41). Winkeler deckte auf, dass Hasenclever’s Schulzeit sehr ambivalent war. Er wechselte von einer „lästigen“ Dorfschule zu dem kritischen Pädagogen Fasbender, dann zum Gymnasium, von wo er wegen seines Talents an die Malerakademie kam (Soinè 1990, S. 15; zitiert nach Winkeler 1997, S. 41). Durch die ersten Erfahrungen an der Dorfschule und die Freundschaft mit Fasbender bildete sich Hasenclever eine schulkritische Meinung. „Der politischen Implikationen seiner Bilder mit Schulmotiven muss er sich bewusst gewesen sein, nachdem schon 1842 sein ‚Jobs in Examen’ (Soinè 1990, WVZ 108) auf einer Ausstellung in Berlin - wie Diesterweg (1842/1963, Bd. 6, S. 279) berichtet - von Lehrern aufmerksam registriert und auf ihre berufliche Situation und ihr Selbstverständnis bezogen worden war“ (Winkeler 1997, S. 42).

Zur Entstehungszeit des Gemäldes war Hasenclever ein anerkannter und erfolgreicher Maler, der sich auch in der Bürgerwehr engagierte und mit Freiligrath befreundet war (vgl. ebd. S. 43). In Düsseldorf lebten und wirkten zu seiner Zeit Marx, Engels, Lasalle, Moses, Hess, Herwegh, Feiligrath, Diesterweg und andere, in welcher Form er an den Geschehnissen 1848 beteiligt war ist unklar, er wurde jedenfalls nie sanktioniert (vgl. ebd.).

„Viele seiner Bilder sind ambivalent gehalten und bringen seine politischen Vorstellungen gleichwohl z.t. drastisch zum Ausdruck, seine antipreußische Haltung, seine Verachtung für Spießbürger und Philister und seine Sympathie für die ‚kleinen Leute’, ja sogar für das Proletariat“ (ebd.). Winkeler meint, dass man das ‚Maskeradenhafte’ der Kinder als Anspielung des Scheiterns der politischen Hoffnungen von 1848/49 sehen kann, ohne allerdings genauere Angaben zu den politischen Zuständen zu machen, die er meint. Der Lehrer als feudaler Herrscher steht den Schülern als Bürger gegenüber und dirigiert sie. Die arrangieren sich oder machen unauffällig andere Dinge (vgl. ebd.)

Nach Winkeler kann man das Gemälde als politische Darstellung sehen, die seinerzeit nicht zensiert werden konnte.

2.5. Quellenwert (vgl. Winkeler 1997, S. 44-45)

Winkeler zeigt auf, dass man das Bild nicht als Dokumentation der Wirklichkeit sehen kann, womit ein schulgeschichtlicher Nutzen ausgeklammert wird. Das Bild ist seiner Meinung nach „eine humorvolle Illustration zur ‚Jobsiade’, ein Produkt individueller, kultureller, politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung Hasenclevers mit seiner Umwelt und eine „politische Manifestation“, wozu er leider keine genaueren Angaben macht (vgl. ebd., S. 44). Der Betrachter bleibt in der Schwebe zwischen den verschiedenen Bedeutungsschichten und das Bild gilt als Beispiel für die Darstellung von gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Prozessen in visuellen Medien.

3. Die Anwendung Panofskys Methode

Auf den ersten Blick merkt man gleich Unterschiede zwischen Panofskys Gliederung und Winkelers Methode. Schon die Einteilung der bearbeiteten Punkte ist bei Winkeler umfangreicher.

Der erste Schritt ist gemäß Panofsky („Vor-ikonographische Beschreibung“) die Bildbeschreibung. Winkeler beschreibt das Bild sehr detailliert und nahezu vollständig seinen „praktischen Erfahrungen“ und der „Vertrautheit mit Gegenständen und Ereignissen“ gemäß (siehe 1.1.). Er unterwirft sich der „Stilgeschichte“, indem er die Personen als Lehrer und Schüler identifiziert (siehe 1.1.).

Den zweiten Punkt bildet bei Winkeler die Quellenkritik, in der er das Kunstwerk hinsichtlich seiner Authenzität und seiner historischen Verwendung und Herkunft untersucht und geschichtlich einordnet. Wenn man Panofskys Aussage über den zweiten Schritt, die „Ikonographische Analyse“, betrachtet in der sagt, dass das Erkennen der künstlerischen Motive eine Vertrautheit mit bestimmten Themen oder Vorstellungen voraussetzt, wie sie durch literarische Quellen vermittelt werden, kann man Winkelers Quellenkritik durchaus mit in diesen Schritt integrieren (siehe 1.2.). Er prüft die Sekundärliteratur und zieht daraus das Wissen, um die Motivation, die Hasenclever hatte zu ergründen.

Die Quellenkritik wurde unter anderem auch von Jens Jäger als wichtige Vorraussetzung zum Interpretieren von Bildern bezeichnet (vgl. Jäger 2000, S. 69).

Bei Winkeler folgt daraufhin die „Systematische Analyse“, in der er zwei Vorgehensweisen anbietet und versucht, den Inhalt und das Bild selbst besser zu ergründen, auch anhand von Kontextwissen (vgl. Winkeler, S.35) Er bleibt dabei am Bild und an der wahren Historie und gibt sich keinen wagen Vermutungen hin. Deswegen kann man annehmen, auch dieser Schritt ist ein Teil der „Ikonographischen Analyse“ Panofskys (siehe 1.2.). Winkeler orientiert sich an der „Typengeschichte“ und versucht die Darstellung in den historischen Kontext einzuordnen (ebd.).

Winkelers letzter Schritt „Bildinterpretation und Quellenwert“ versucht eine Gesamtaussage über den Sinn des Bildes zu formulieren (Winkeler, S. 41). Dabei verweist er selbst auf Panofskys „Synthetische Intuition“ und stellt Vermutungen an, was die Interpretation des Werkes betrifft (ebd.).

Die Unterteilung der „Ikonologischen Interpretation“ in Bildinterpretation und Quellenwert ist bei Panofsky so systematisch nicht zu erkennen (siehe 1.3.). Man kann allerdings den Quellenwert unter der Suche nach der „eigentlichen Bedeutung oder dem Gehalt“ Panofskys mit zusammen fassen.

Somit kann man abschließend behaupten, dass Winkeler Panofskys Methode angewendet hat. Er hat sie allerdings etwas systematisiert und seinen Zwecken angepasst. Panofsky hat seinen Ansatz als Kunstwissenschaftler natürlich auch nicht primär für die Erziehungswissenschaften entwickelt, somit ist eine Anpassung auf das jeweilige Fachgebiet, wie sie Winkeler vollzog sicherlich von Vorteil.

III. Schluss

Die vorliegende Arbeit beweist, dass Bildinterpretation durchaus geeignet ist, historische Bildquellen als Wissensgrundlage zu benutzen. Literarische Quellen sind als Kontext sicherlich nicht zu vergessen. Aber wie im vorliegenden Fall aufgezeigt, können Bilder manchmal mehr aussagen als Texte. Vor allem können sie etwas über die Stimmung und die geistigen Grundeinstellungen zu bestimmten Zeiten verraten, in denen Texte beispielsweise zensiert wurden und somit heute nicht mehr zugänglich sind.

Bilder haben ihre eigene Art mit dem Betrachter zu kommunizieren, sie sprechen an durch Farbe, Kontraste und Linienführung und erwecken Gefühle und Gedanken, die Texte nur schwerlich vermitteln können.

Bilder als Quellen der Forschung sind sehr wertvoll und sollten nicht mit einem Blick übergangen werden.

IV. Literaturverzeichnis

Jäger, Jens: Photographie: Bilder der Neuzeit. Tübingen 2000. S. 65-85.

Panofsky, Erwin: Studien zur Ikonologie der Renaissance. [übers. Aus dem Engl.: Dieter Schwarz] - Nachdruck, 2. Auflage - Köln 1997. S. 207-225.

Talkenberger, Heike: Historische Erkenntnis durch Bilder? Zur Methode und Praxis der Historischen Bildkunde. In: Schmitt, Hanno/Link Jörg-W./Tosch, Frank (Hrsg.): Bilder als Quellen der Erziehungsgeschichte. Bad Heilbrunn 1997, S. 11-26.

Winkeler, Rolf: ‘Jobs als Schulmeister’. Pfade der Interpretation und Quellenwert. In: Schmitt, Hanno/Link, Jörg-W./Tosch, Frank (Hrsg.): Bilder als Quellen der Erziehungsgeschichte. Bad Heilbrunn 1997, S. 27-45

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Bildinterpretation nach Erwin Panofsky
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V106857
ISBN (eBook)
9783640051328
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Überblick über Methode von Panofsky mit Beispiel von Winkler, der Hasenclever interpretiert hat
Schlagworte
Bildinterpretation, Erwin, Panofsky
Arbeit zitieren
Steffi Halupnik (Autor:in), 2002, Die Bildinterpretation nach Erwin Panofsky, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106857

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