Neurochemische Hypothesen und pharmakologische Behandlung einer bipolaren affektiven Störung


Hausarbeit, 2002

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Zusammenfassung

2 Second messenger Systeme
2.1 Einleitung und kurzer Überblick über die Funktionsweise der 2nd messenger
2.2 Molekulares Konzept der 2nd messenger
2.3 Das cAMP- System
2.4 Das IP3- DAG System
2.5 2nd messenger und Durchlassverhalten von Ionenkanälen

3. Bipolare Störung
3.1 Theorien zum Metabolismus und zur Signalweiterleitung
3.2 Gestörte Kalzium- Homöostase als Ursache für eine manisch- depressive Erkrankung

4. Pharmakologische Behandlung
4.1 Lithiumsalze
4.2 Carbamazepin

5. Diskussion

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Zusammenfassung

Die neurochemischen Hypothesen zur Entstehung einer bipolaren affektiven Störung setzen die Kenntnis der Funktionsweise der 2nd messenger Systeme voraus. Sowie das allgemeine Wirkprinzip, als auch die spezielle Funktionsweise zweier dieser Systeme, das cAMP, als auch das IP3- DAG System, werden zu Beginn erläutert.

Über die genaue Entstehung des vordergründig gegensätzlichen Krankheitsbilds einer manisch-depressiven Erkrankung, gibt es aktuell mehrere Theorien. In diesem Referat greife ich nur auf die Theorie der gestörten Kalziumhomöostase zurück, die mit der Kenntnis der vorgestellten 2nd messenger leicht zu verstehen sein sollte. Am Ende des Referats werden die Wirkmechanismen und Ansatzpunkte der, als Stimmungstabilisierer eingesetzten Präparate mit Hilfe der Theorie der gestörten Kalziumhomöostase erklärt. Eine bei vielen Patienten erfolgreiche Therapie mit diesen Präparaten stützt somit diese Theorie und beweist deren praktischen Nutzen.

2.1 Einleitung und kurzer Überblick über die Funktionsweise der 2nd messenger.

Die Funktionsweise der 2nd messenger gleicht bis zur Transmitterbindung an das Rezeptormolekül an der postsynaptischen Membran der Funktionsweise der 1st messenger.

Ein Aktionspotential erreicht die Axonendigung, daraufhin strömt Calcium in das synaptische Endknöpfchen. Folge dessen ist die Exocytose der Neurotransmitter, das heisst die Neurotransmittervesikel fusionieren mit der Axonmembran und entleeren dadurch ihren Inhalt in den synaptischen Spalt. Die Neurotransmitter diffundieren daraufhin durch den synaptischen Spalt und binden an ihre passenden Rezeptormoleküle.

Während die 1st messenger ihrerseits nun direkt die Ionenkanäle beeinflussen können, ist bei Synapsen, die mit dem 2nd messenger System arbeiten, das Rezeptormolekül nicht direkt mit einem Ionenkanal verbunden. Es wird vielmehr eine Vielzahl von chemischen Reaktionen ausgelöst. Nach Durchlaufen dieser chemischen Reaktionskaskaden kann letztendlich auch ein 2nd messenger Einfluss auf die Durchlasseigenschaften der Ionenkanäle nehmen und so das Membranpotential verändern.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die 2nd messenger die Besonderheiten haben, dass das Erkennen eines Neurotransmitters und die Aktivierung der speziellen Effektoren von unterschiedlichen Molekülen ausgeführt wird. Ein Effektor ist hier definiert als ein Enzym, das einen diffusionsfähigen Botenstoff, also einen 2nd messenger, herstellen kann der letztendlich die erwünschte Reaktion auslöst. ( Thompson, Das Gehirn, Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung, 3. Auflage, Spektrum Verlag, 2001 )

2.2 Molekulares Konzept der 2nd messenger

Die Rezeptoren der 2nd messenger Systeme unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt voneinander. Bezüglich ihrer Funktionsweise sind sie nämlich an ein sogenanntes G-Protein gekoppelt. ( G-Protein da diese Proteine ein Guanosinnukleotid binden.) Dazu gehören z.B. die muscarinischen ACh Rezeptoren, die α- und β- adrenergen Rezeptoren, eine Klasse von Rezeptoren für GABA, Glutamat und Serotonin etc.

Ein G-Protein gekoppelter Rezeptor enthält sieben membrandurchspannende Domänen. Hier gibt es ganz spezielle Positionen für die Neurotransmitter und eine Bindungsregion für ein G-Protein. Ein graphische Darstellung des Rezeptors mit seinen Bindungsstellen findet sich im Anhang, Abbildung 3.

Das G-Protein besteht aus einer α-, einer β- und einer γ Untereinheit. Im inaktiven Zustand ist es an die Innenseite der Zellmembran gebunden und hat ein Molekül GDP angelagert.

Die Aufgabe dieser G-Proteine ist es, das Signal vom Rezeptor auf ein getrenntes Effektorsystem zu übertragen. Assoziiert also ein Neurotransmitter mit einem Rezeptor, so wird zuerst ein Protein aktiviert.

Zum besseren Verständnis folgt nun eine schrittweise Erklärung der chemischen Reaktionskaskade vom Andocken des Neurotransmitters bis zur Produktion von "sekunkdären Botenstoffen":

1. Assoziiert ein Neurotransmitter mit einem metabotropen, das heisst einen G- Protein gekoppelten Rezeptor, so ändert der Rezeptor seine Struktur. Das bedeutet, dass der Rezeptor eine Bindungsstelle für das G-Protein zugänglich macht.

2. Sobald diese Bindungsstelle für das G-Protein zugänglich gemacht wurde, verbindet sich das G-Protein mit dem Rezeptor. Im inaktiven Zustand hat das G-Protein ein Molekül GDP angelagert. Das G-Protein muss aber zuerst aktiviert werden, bevor es seinerseits einen primären Effektor aktivieren kann.

3. Rezeptor und G-Protein interagieren miteinander, folglich wird das G-Protein aktiviert. Die Konformation des G-Proteins wird dahingehend verändert, dass das im inaktiven Zustand angelagerte Molekül GDP freigesetzt wird und dafür ein Molekül GTP bindet. Weiterhin löst sich das G-Protein von seinem Rezeptor und die alpha- Untereinheit löst sich vom übrigen Teil des G-Proteins ab.

4. Die sich nun im aktiven Zustand befindliche alpha Untereinheit des G-Proteins bindet nun an das primäre Effektorsystem. Mit der Verbindung von G-Protein und primärem Effektorsystem beginnt das Effektorsystem mit der Produktion von 2nd messengern. Ist der 2nd messenger erzeugt, so löst er seinerseits eine Kaskade von chemischen Folgereaktionen aus. Entweder mobilisieren 2nd messenger direkt Calcium aus intrazellulären Speichern, oder, wie in den meisten Fällen, aktivieren sie sogenannte Proteinkinasen.

Kinasen sind definiert als Enzyme, die Phosphatgruppen aus ATP auf andere Moleküle übertragen, diese also phosphorylieren.

5. Die alpha Untereinheit hydrolisiert ihr gebundenes GTP Molekül und fällt anschließend von dem primären Effektor ab. Anschließend kehrt die alpha Untereinheit in ihre ursprüngliche Struktur zurück. Das bedeutet, dass die Untereinheit sich wieder mit dem Rest des G-Proteins verbindet, außerdem wird das hydolisierte GTP wieder durch ein Molekül GDP ersetzt.

6. Der gesamte Vorgang wiederholt sich so lange, bis sich der Neurotransmitter aus seiner Verbindung mit dem Rezeptor löst, der Rezeptor daraufhin wieder in seine ursprüngliche Konformation zurückkehrt und sich das G-Protein wieder in seine ursprüngliche Position an der Innenseite der Zellmembran begibt.

Eine graphische Darstellung befindet sich im Anhang, Graphik 1

( Kandel; Schwartz; Jessell ( Hrsg.) Neurowissenschaften, Eine Einführung, Spektrum Verlag, 1995)

2.3 Das cAMP- System

Das cAMP- ist neben dem IP3-DAG- und dem Arachidonsystem eines der drei am besten erforschten 2nd messenger Systeme.

Nachdem ich nun die allgemeine Funktionsweise der 2nd messenger vorgestellt habe, möchte ich nun in seiner speziellen Form das cAMP- System vorstellen.

Das cAMP ( = zyklisches Adenosynmonophosphat )-System benützt als Neurotransmitter die Katecholamine, so z.B. Noradrenalin. Dementsprechend binden diese Neurotransmitter an Katecholamin- Rezeptoren. Wie in allen G-Protein gekoppelten Systemen wird auch hier das Protein am Rezeptor aktiviert. Die sich vom Rezeptor gelöste α- Unterheit des G-Proteins hat nun die Aufgabe einen Effektoren zu aktivieren. Das spezielle primäre Effektorsystem ist hier die Adenylatcyclase. Nachdem sich das G-Protein mit der Adenylatcyclase verbunden hat, beginnt diese mit der Produktion von cAMP, dem speziellen 2nd messenger in diesem System. cAMP wird aus ATP unter der Wirkung der Adenylatcyclase durch die Abspaltung von von 2 P gebildet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Doch auch cAMP besitzt nun seinerseits keine direkte Wirkung z.B. auf Ionenkanäle.

Vielmehr hat cAMP die Aufgabe einen weiteren Schritt in der Reaktionskaskade auszulösen. Diese 2nd messenger müssen nun noch eine Kinase aktivieren.

Kinasen sind definiert als Enzyme, die Phosphatgruppen auf andere Moleküle übertragen, diese also phosphorylieren. Die Bedeutung der Phosphorylierung wird in einem späteren Kapitel des Referats erläutert.

In dem speziellen Fall des cAMP- Systems wird die sogenannte cAMP- abhängige Proteinkinase aktiviert. Diese Kinase besteht aus zwei Typen von Untereinheiten: einer regulatorischen Untereinheit ( R ), die sich an cAMP bindet, und einer katalytischen Untereinheit ( C ). Ohne cAMP bilden die regulatorischen und die katalytischen Untereinheiten einen R²C² Komplex, der enzymatisch inaktiv ist. Zur Aktivierung der cAMPabhängigen Proteinkinase binden nun je zwei Moleküle cAMP an die zwei regulatorischen Untereinheiten der cAMP- abhängigen Proteinkinase , die daraufhin die katalytischen Untereinheiten der Kinase freigeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wird nun die Kinase aktiviert, so werden also die katalytischen Untereinheiten freigegeben, dabei bleibt das cAMP aber in seiner ursprünglichen Form bestehen.

Dies kann man auch an der Strukturgleichung erkennen:

R²C² + 4 cAMP => 2R ( cAMP )2 + 2C Die so freigegebenen katalytischen Untereinheiten beginnen nun mit der Phosphorylierung bestimmter regulatorischer Substratproteine, über die letztendlich die zelluläre Antwort entsteht.

Die Abbildung illustriert graphisch den soeben beschriebenen Vorgang.

( Lubert Stryer, Biochemie, 3 Auflage, Spektrum Verlag, Heidelberg, 1990) ( Kandel, Schwartz, Jessell [ Hrsg.],

Neorowissenschaften, Eine Einführung, Spektrum Verlag, 1995)

2.4 Das Diacylglycerin- Inositoltriphosphat- System ( = IP3- DAG- System )

Als Neurotransmitter benutzt das IP3-DAG- System Acetylcholin, der Rezeotortyp ist dementsprechend aufgrund der 2nd messenger Eigenschaft ein muscarinerger Acetylcholin Rezeptor.

Genau wie beim cAMP- System assoziieren Rezeptor und G-Protein miteinander. Hierdurch wird das G-Protein durch Bindung von GTP aktiviert. Allerdings aktiviert hier das Protein als primären Effektor die Phospholipase C ( = PLC ).

Der von der Phospholipase ausgehende Weg für die Entstehung der 2nd messenger gabelt sich aber nach der Aktivierung der PLC. Aus ihr entstehen nun folgenden Hydrolyseprodukte:

- IP3
- DAG

Das bedeutet, dass manche Transmitterrezeptoren also nur die Produktion von IP3 anregen, andere wiederum die Produktion von DAG auslösen. Die beiden Produkte wirken entweder getrennt voneinander oder sie stehen in Kooperation miteinander.

Während DAG sich mit der Proteinkinase C verbindet, was letztendlich in einer Phosphorylierung der Zielproteine führt, kommt IP3 gar nicht in Kontakt mit der Proteinkinase C.

Für die Entstehung der bipolaren affektiven Krankheit wird der IP3 Kreislauf als entscheidender betrachtet. Im Gegensatz zu DAG, das noch einen Zwischeschritt benötigt, um seine Wirkung zu entfalten, hat IP3 eine direkte Wirkung. IP3 kann die Konzentration von freiem Calcium in der Zelle erhöhen, indem es die Freisetzung von intrazellulären, membranösen Speichern anregt.

Außerdem kann dies weiterführende chemische Prozesse anregen. Sie kann sich beispielsweise aus Calcium und dem kleinen Protein Calmodulin ein wichtiger Komplex zusammenfügen.

Der Wirkkomplex aus Calcium und Calmodulin aktiviert wiederum die Adenylatcyclase, welche bekanntlicherweise cAMP bildet und in ihrer weiteren Folge das syntheselimitierende Enzym Thyrosinhydroxylase stimuliert. Thyrosinhydroxylase synthetisiert L- Dopa, eine Vorstufe z.B. von Noradrenalin. Hierbei ist die Thyrosinhydroxylase der geschwindigkeitslimitierende Faktor.

Was diese Fakten im Endeffekt für die Entstehung einer bipolaren Störung zu tun haben, wird in den nachfolgenden Kapiteln abgehandelt.

Eine schematische Darstellung beider vorgestellter Systeme findet sich im Anhang, Abb.3. ( Kandel, Schwartz, Jessell [ Hrsg.], Neurowissenschaften, Eine Einführung, Spektrum Verlag, 1995 )

( Hick & Hick [ Hrsg], Kurzlehrbuch Physiologie, 3.Auflage, Urban und Fischer, 2000 )

2.5 2nd messenger und Durchlassverhalten von Ionenkanälen

Der Phosphorylierungszustand der Kanalproteine von Ionenkanälen kann über das Durchlassverhalten eines Kanals entscheiden. Die Produktion von 2nd messenger löst über die Aktivierung einer speziellen Kinase einen Phosphorylierungsvorgang aus. Dieser kann sich auf Kanalproteine eines Ionenkanals beziehen.

Grundsätzlich sind durch die Phosphorylierung zwei gegensätzliche Prozesse unterscheidbar:

- Öffnung eines Ionenkanals, der normalerweise geschlossen ist
- Schließung eines Ionenkanals, der sich unter der Physiologie des Ruhpotentials im geöffneten Zustand befindet

Beispielsweise werden auch Kaliumkanäle in manchen Zellen von 2nd messenger Systemen gesteuert. Der Verschluss dieser Kanäle depolarisiert das Neuron, denn die beim Ruhepotential geöffneten K+ Kanäle sorgen, bedingt durch das Fließgleichgewicht für eine stete Potentialdifferenz. Werden nun einige K+ Kanäle geschlossen, so verringert sich der eigentlich konstante K+ Ausstrom, die Zelle wird depolarisiert, das bedeutet letztendlich, dass ein bereits depolarisiertes Neuron eine geringere Schwelle für ein Aktionspotential bietet, ein AP wird leichter ausgelöst.

( Kandel, Schwartz, Jessell [Hrsg.], Neurowissenschaften, Eine Einführung, 3.Auflage, Spektrum Verlag, 1995 )

3.1 Bipolare Störung: Metabolismus und Signalübertragung

Die genauen Ursachen einer bipolaren affektiven Störung liegen noch weitestgehend im Dunkeln. Die beiden großen Forschungsrichtungen im Rahmen einer Ursachenklärung einer manisch- depressiven Erkrankung belaufen sich momentan neben dem genetischen Ansatz auf die zelluläre Signalübertragung.

Die bisher entwickelten Stimmungsstabilisierer greifen im Endeffekt in einen vermutlicherweise gestörten Kalziumstoffwechsel ein. Erhöhte intrazelluläre Kalziumkonzentrationen sind ein stabiler Befund bei Patienten mit einer manisch depressiven Erkrankung. Der erhöhte intrazelluläre Kalziumspiegel könnte durch eine Überfunktion des IP3 Kreislaufes entstanden sein, denn IP3 setzt Kalzium aus intrazellulären Speichern frei. Der Befund einer erhöhten Kalziumkonzentration gilt sowohl in der manischen als auch in der depressiven Phase.

Bekannterweise ist Kalzium ein essentieller Stoff bei der Signaltransmission. So kontrolliert Kalzium unter anderen die Transmitterfreisetzung an der präsynaptischen Membran, postsynaptisch ist erforderlich für die Aktivierung der Schlüsselenzyme Adenylatcyclase und Proteinkinase C, also den Effektor des cAMP Systems als auch die Kinase des DAG- Systems. Die Aufgaben dieser Komponenten innerhalb der Reaktionskaskaden wurden bereits erläutert.

Die Kalziumwirkung ist ein hochspezifischer Prozess. Geringfügige Erhöhung verstärkt den Zellmetabolismus. Ein darüber hinaus verstärkter Anstieg der Kalzium Konzentration wirft eine Art Schutzmechanismus an, der den Zellstoffwechsel bremst. Denn eine exzessive Kalziumüberladung führt letztendlich zum Absterben der betroffenen Zelle.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Kalzium eine essentielle, im Überschuss aber zelltoxische Substanz ist.

( Walden & Grunze, Bipolare Affektive Störungen, Ursachen und Behandlung; Thieme, 2000)

3.2 Gestörte Kalziumhomöostase als Ursache für eine manisch- depressive Erkrankung?

Der Befund eines erhöhten Kalziumspiegels an Patienten mit bipolarem Störungsbild wurde bisher nur an somatischen Zellen gefunden. Unter der Annahme, dass somatische Zellen ungefähr den gleichen Spiegel an Kalzium wie neuronales Gewebe haben, wurden bisher folgende Hypothesen formuliert:

- Eine leichte Erhöhung des Kalziumspiegels im intrazellulären Raum verstärkt Adenylatcyclase abhängige metabolische Prozesse. Durch die Phosphorylierung durch die cAMP abhängige Proteinkinase können Kalium Kanäle geschlossen werden, was zu einer Depolarisation des Neurons führt. Es gibt hier die Vermutung, dass bei Patienten mit manisch depressiver Erkrankung sich dieses System schon genetisch bedingt weitaus sensibler gegenüber einer Störung des physiologischen intrazellulären Kalziumspiegels verhält.

- Infolge der Erhöhung des Kalziumspiegels wird die Aktivität der Thyrosinhydorxylase gestärkt. Die Thyrosinhydoxylase synthetisiert Katecholamine, wie beispielsweise den Neurotransmitter Noradrenalin, d.h. eine Folge ist eine erhöhte Synthese von Noradrenalin, das erregungssteigernd wirkt.

- Eine weitere Folge des erhöhten Kalziumspiegels ist die Schwächung der Natrium- Kalium- Pumpe, die die Aufgabe hat, das Ruhepotential stabil zu halten und zur Repolarisation der Zelle nach einem Aktionspotential beizutragen. Infolge einer verlangsamten Repolarisation ist das Neuron für ein nachfolgendes Aktionspotential leichter erregbar.

Somit ergibt sich zusammenfassend bei erhöhten Kalziumspiegel, erhöhtem Vorkommen erregungssteigernder Neurotransmitter und leichterer Erregbarkeit des Neurons eine generelle Erhöhung des zellulären Erregungsniveaus , was sich klinisch letztendlich als Manie äußert.

- Eine noch weitergehende Erhöhung des intrazellulären Kalziumspiegels lässt einen Schutzmechanismus gegen eine drohende Zellintoxikation anspringen ( wie bereits erwähnt hat Kalzium in einem extrem überschüssigen Maß eine zelltoxische Wirkung) Dieses äußert sich in einer Bremsung der Aktivität der Adenylatcyclase unter ihr physiologisches Niveau. Außerdem kann eine weitergehende Erhöhung des Kalziums in der Zelle zu einer Dauerdepolarisation führen. Dies manifestiert sich im Rahmen einer Depression.

- Im Rahmen einer Genesung aus einer depressiven Phase werden oft hypomane Nachschwankung beobachtet. Dies lässt sich mit diesem Modell gut erklären. Der Gesundungsprozess geht mit einer Erniedrigung des extrem erhöhten Kalziumspiegels einher. Deshalb passiert der Patient auch wieder den Bereich leicht erhöhter Kalziumkonzentration, was sich als Hypomanie klinisch äußert. ( die unterhalb abgebildete Tabelle illustriert diese Theorie graphisch )

( Walden, Grunze, Bipolare affektive Störunge, Ursachen und Behandlung; 2 Auflage, Thieme, 2000 )

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

( Walden, Grunze, Olbrich, Berger; Bedeutung von Kalziumionen und Kalziumantagonisten bei affektiven Psychosen, Fortschrittliche neurologische Psychiat. 60 ( 1992 ) Seite 471- 476, Thieme Verlag)

4.1 Behandlung mit Lithiumsalz

Lithium hat in Bezug auf diese Störung und damit einhergehende neurochemische Folgen mehre Ansatzpunkte:

1. Lithium vermag die Aktivität der Natrium- Kalium- Pumpe zu stärken. Damit wird der leichteren Erregbarkeit, bzw. der Dauerdepolarisation des Neurons vorgebeugt.
2. Lithium akkumuliert intrazellulär. Li+ erhöht somit die positive Ladung der Zelle, was einen kompensatorischen Ausstrom von Ca 2+ zur Folge hat. Damit wird somit auch der Aktivierung der Thyrosinhydroxylase vorgebeugt.
3. Der zweite wichtige Angriffspunkt des Lithiums liegt im IP3 Kreislauf. Dabei kann Lithium einen Schritt im Ab- und somit Aufbauzyklus von IP3 blockieren, denn indem ein Schritt im Abbauzyklus blockiert wird, wird letztendlich auch die Neusynthese von IP3 blockiert. Die unterhalb aufgeführte Abbildung zeigt den IP3- Synthese Kreislauf. Lithium ist wahrscheinlich deswegen wirksam, weil es den Umwandlungsprozess des 1,3,4 Triphosphat hemmt.

Bekanntlicherweise erhöht IP3 den intrazellulären Kalziumspiegel.

( Walden, Grunze, Bipolare affektive Störungen, Ursachen und Behandlung, 2. Auflage, Thieme,2000)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2 Behandlung mit Carbamazepin

Ebenso wie bei manisch- depressiven Patienten, weisen auch Epilepsie Patienten einen erhöhten intrazellulären Kalziumspiegel auf. Deshalb kommt auch in der Therapie von bipolaren Störungen das Antiepileptikum Carbamazepin zum Einsatz.

Für die stimmungsstabilisierende Wirkung von Carbamazepin werden mehrere Ursachen diskutiert. Die wohl entscheidende Wirkung davon ist ein kalziumantagonistischer Effekt. Carbamazepin blockiert den sogenannten L-Typ Kalziumkanal, was einem überschießenden Einstrom von Kalzium aus dem Extrazellularraum vorbeugt.

( Walden, Grunze, Bipolare affektive Störungen, Ursachen und Behandlung, 2. Auflage, Thieme, 2000 )

5. Diskussion:

Die Forschung bezüglich der Entstehung einer bipolaren affektiven Psychose scheint erst am Entwicklungsbeginn zu stehen. Neben der hier vorgestellten Theorie der gestörten Kalziumhomöostase werden noch weitere Faktoren diskutiert, wie z.B. genetische Faktoren, psychosoziale Komponenten oder pathologische neuroradiologische Befunde bei Bipolaren. Dies spricht meiner Ansicht nach eher dafür, dass die Entstehung einer manisch-depressiven Erkrankung multifaktoriell bedingt ist.

Auch die in meinem Referat vorgestellte Hypothese erscheint mir nicht zu 100 % gesichert. Die Theorie bietet einen Erklärungsansatz für die Entstehung hypomaner Nachschwankungen. Hypomanien sind definiert als mildere Formen der Manie mit zumeist kürzerer Dauer. Würde nun die pathologisch gesteigerte Stimmungslage ausschließlich von der erhöhten Kalziumkonzentration und deren Folgen bestimmt werden, so müsste bei der Behandlung einer depressiven Phase im Rahmen einer bipolaren Störung eine ebenso heftige manische Nachschwankung folgen. Die Theorie erklärt also nicht, warum vor dem Wechsel in die Depression heftigere manische Stimmungslagen zu beobachten sind als bei dem Wechsel von der Depression in die Hypomanie aufgrund der Medikation, die ausschließlich die Kalziumkonzentration ändert.

Außerdem kann die Theorie nicht erklären, warum Patienten, die sich in einer manischen Phase befinden und mit den hier vorgestellten Präparaten behandelt werden, danach in eine depressive Phase abgleiten. Die Medikation sollte eigentlich bewirken, dass sich die Stimmungslage auf ein normales Maß zurückbegibt. Klinisch ist es aber durchaus zu beobachten, dass medizierte Patienten aus einer Manie in eine Depression fallen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass bezüglich der Theorie jeder Depression im Rahmen einer bipolaren Erkrankung eine manische Phase vorausgehen sollte. Allerdings trift dies nicht immer zu. Als Bipolar diagnostizierte Patienten erleben auch das Gegenteil, nämlich dass die Depression teilweise auch alleine auftritt, bzw. dass die Depression vor einer Manie auftaucht und sie erst nachträglich eine ( hypo-) manische Phase erleben. Natürlich könnte es passieren, dass die Patienten eine leicht hypomane Stimmungslage, die einer Depression vorausgeht gar nicht wahrnehmen, bzw. die leichte Euphorisierung nicht auf eine manische Phase ihrer Erkrankung attribuieren, sondern sie als " normale " gute Stimmung erleben.

Carbamazepin wurde ursprünglich als Antiepileptika entwickelt, erst nachträglich wurde die stimmungsstabilisierende Wirkung entdeckt. Das heisst, Carbamazepin hat sowohl bei Epilepsien und bei bipolaren Störungen identische metabolische Angriffspunkte. Hier habe ich mich gefragt, warum Epilepsien, die ebenso wie Manien mit erhöhter Kalziumkonzentration einhergehen, nicht auch automatisch mit überhöhter Stimmungslage verbunden sind, bzw. warum Epileptiker, die mit Carbamazepin behandelt werden keine Stimmungsveränderungen erleben. Eine Erklärung hierfür könnte allerdings darin liegen, dass die erhöhte Kalziumkonzentration in anderen Hirnarealen auftritt und somit die unterschiedliche Symptomatik hervorruft.

Die Theorie hat den Anspruch mit Hilfe des Ansatzes der gestörten Kalziumhomöostase die Entstehung einer Depression erklären zu können. Wie kommt es nun aber, dass die von der Symptomatik nur schwer trennbare uni- bzw. bipolare Depression mit unterschiedlichen Theorien erklärt wird? Kann die Theorie des gestörten Kalziumhaushaltes überhaupt stimmig sein, wenn unipolare Depressionen erfolgreich mit anderen Präparaten wie SSRIs oder TZAs behandelt werden? Umgekehrt kann man auch so die Richtigkeit der Monoaminmangelhypothese in Frage stellen. Kann diese Theorie in sich stimmig sein, wenn man bipolare Depressionspatienten erfolgreich mit mood stabilizern behandeln kann? Ein anderer Ansatzpunkt dieses Kritikpunktes könnte auch das klinische Klassifikationssystem sein. Dieses System macht in Bezug auf die depressiver Symptomatik keinen Unterschied zwischen uni- bzw. bipolarer Depression. Könnten die Widersprüche zwischen den beiden konkurrierenden Theorien entfallen, wenn das klinische Klassifikationssystem besser wäre?

Dies sind einige Kritikpunkt, die mir bei der Bearbeitung dieses Themas bewußt geworden sind. Das Faktum, dass die These der gestörten Kalziumhomöostase bisher sehr sinnvoll die bipolare Störung erklärt, zeigt den enormen Forschungsbedarf auf. Deshalb sollten die Ziele zukünftiger Forscher sein, alle Kausalfaktoren der manische- depressiven Erkrankung in ihrem Wechselspiel zu bestimmen. Außerdem sollte geklärt werden, ob sich, und wenn ja worin, die pathologische Neurochemie von uni- bzw. bipolaren Depressionen unterscheiden.

Ein Ziel, das mir wohl nicht in naher Zukunft lösbar erscheint, ist ein Wechsel von einer ausschließlich prophylaktisch- symptomatisch wirkenden Medikation bzw. Behandlung zu einer Kausalbehandlung. Vielleicht könnten hier Fortschritte in der Genforschung hilfreich sein.

6. Literaturverzeichnis

Thompson, Das Gehirn, Von der Nervenzelle zur Verhaltenssteuerung, 3. Auflage, Spektrum Verlag, 2001

Kandel; Schwartz; Jessell ( Hrsg.) Neurowissenschaften, Eine Einführung, Spektrum Verlag, 1995

Lubert Stryer, Biochemie, 3 Auflage, Spektrum Verlag, Heidelberg, 1990

Hick & Hick [ Hrsg], Kurzlehrbuch Physiologie, 3.Auflage, Urban und Fischer, 2000

Walden & Grunze, Bipolare Affektive Störungen, Ursachen und Behandlung; Thieme, 2000

Walden, Grunze, Olbrich, Berger; Bedeutung von Kalziumionen und Kalziumantagonisten bei affektiven Psychosen, Fortschrittliche neurologische Psychiat. 60 ( 1992 ) Seite 471- 476, Thieme Verlag

7. Anhang:

Abbildung 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Neurochemische Hypothesen und pharmakologische Behandlung einer bipolaren affektiven Störung
Hochschule
Universität Trier
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V106837
ISBN (eBook)
9783640051120
Dateigröße
1645 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neurochemische, Hypothesen, Behandlung, Störung
Arbeit zitieren
Michael Gadinger (Autor:in), 2002, Neurochemische Hypothesen und pharmakologische Behandlung einer bipolaren affektiven Störung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106837

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