Rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegungen in den Niederlanden von 1945 bis heute


Referat (Ausarbeitung), 2002

16 Seiten, Note: angenommen


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien und Organisationen nach 1945 - Ein Überblick

3. Die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien und Organisationen nach 1945 - Die einzelnen Phasen der Entwicklung
3.1. Von 1945 bis zur Gründung der ‚Boerenpartij’ 1958 - Erste Versuche
3.2. Die 60er - Der neue Extremismus und die Ära der ‚Boerenpartij’ (BP)
3.3. Die 70er - Die Ära der ‚Nederlandse Volksunie’ (NVU)
3.4. Ab 1980 - Die ‚Centrumpartij’ und die ‚Centrumdemocraten’ (CP/CD).
3.5. Die 90er - neue Splitterparteien und gemässigter Erfolg.

4. Die aktuelle Situation – ‚Leefbar Nederland’ und Pim Fortuyn.

5. Literaturliste

1. Einführung

Diese Arbeit soll einen Überblick geben über rechtsradikale[1] und rechtspopulistische1 Parteien und Organisationen in den Niederlanden nach dem zweiten Weltkrieg. Sie soll Aufschluss geben über deren historische Entwicklung und über die aktuelle Situation. Die Niederlande gelten häufig als eines der demokratischsten Länder in Europa und werden gelobt für ihre zukunftsgerichtete Politik des Multikulturalismus und der Toleranz. Wird über Rechtspopulismus diskutiert, zieht man die Niederlande höchstens als Vorbild heran. Auch in der Fachliteratur findet man selten Informationen über Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus in den Niederlanden, in einigen komparativen, europäischen Studien wird das Land gar ausgelassen[2]. Die Recherche stellte sich daher als schwierig heraus, zudem ist entsprechende Literatur meist nur in Holländisch erhältlich und das Thema wird vor allem innerhalb des Landes diskutiert.

Trotzdem - oder gerade deswegen - ist es aufschlussreich, sich auch mit den rechten Bewegungen in den Niederlanden zu befassen, einem Land, welches in dieser Beziehung bis zum Auftauchen des Rechtspopulisten Pim Fortuyn in diesem Jahr kaum internationale Schlagzeilen gemacht hat. Denn auch in den Niederlanden gab es mehrere gewalttätige Attacken auf ausländische Einrichtungen und Geschäfte. Auch in den Niederlanden sind in den Fussballstadions antisemitische Gesänge zu hören. Und auch in den Niederlanden existieren seit längerem mehrere Parteien, die rechtsextreme Züge aufweisen.

Im folgenden Kapitel (2.) werde ich versuchen, einen generellen Überblick über die Entwicklung zu geben. Dabei werde ich die konkreten Parteien nur am Rande erwähnen, um Klarheit zu bewahren. Nach diesem Überblick werde ich im dritten Kapitel (3.) auf die einzelnen Phasen der historischen Entwicklung eingehen und die dazugehörigen Parteien näher betrachten. Im vierten Kapitel behandle ich die aktuelle Situation und die Entwicklung, die dazu geführt hat, und mache einen vorsichtigen Ausblick auf die Wahlen vom 15. Mai 2002.[3]

2. Die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien und Organisationen nach 1945 - Ein Überblick

Noch bis vor einem halben Jahr entstand bei der Betrachtung der stark rechts stehenden Parteien in den Niederlanden ein recht klares und einheitliches Bild. Die Parteien waren klein, mit wenigen Mitgliedern und - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - mit wenig Stimmenanteil. Von einer rechtspopulistischen Bewegung konnte nicht gesprochen werden, auch eine charismatische Führerfigur fehlte. Die Parteien konnten sich nie von der militanten rechtsradikalen Szene abgrenzen, und immer wieder sorgten aufgedeckte Verbindungen zwischen Parteimitgliedern und neo-nazistischen Kreisen für Skandale und Empörung. Parteien wie die ‚Centrumpartij’ (CP), die ‚Centrumdemocraten’ (CD) oder die ‚Nederlandse Volksunie’ (NVU) spürten regelmässig den starken Widerstand seitens der etablierten Regierungsparteien und der Öffentlichkeit. Mehrmals wurden solche Parteien rechtlich verboten. Durch das extrem proportionale Wahlsystem kamen zwar auch Politiker dieser Parteien zu Kommunalsitzen oder gar Parlamentssitzen. Doch deren politische Integration führte zu keiner Abkehr vom rechtsextremen Lager und von der meist dahinterstehenden neo-nazistischen Ideologie. Zum Beispiel sind viele Parteimitglieder der eher gemässigten Parteien gleichzeitig Mitglieder in anderen, extrem rechtsstehenden und militanten Organisationen. So ist es nicht erstaunlich, dass der nationale Wähleranteil all dieser Parteien nur selten über 2% lag. Dazu beigetragen hat auch eine gut organisierte anti-faschistische und anti-rassistische Bewegung und die Zersplitterung und Streitigkeiten innerhalb der Parteien. Aus sozialpsychologischer Sicht kann auch die Situation der Niederlande während des 2. Weltkriegs genannt werden. Stärker als z.B. in Frankreich, wo es noch eine nationale - wenn auch manipulierte - Regierung gab, wurden in den Niederlanden die Nationalsozialisten vor allem als Besatzungsmacht wahrgenommen, die für viel Leid sorgte und keinen echten Bezug zum Land hatte. Diese Erinnerungen kommen wieder auf, wenn Parteien Verbindungen zur nationalsozialistischen Ideologie und zu neo-nazistischen Kreisen aufweisen. Die Parteien blieben also über Jahrzehnte hinweg schwach und konnten schwer Fuss fassen.

Doch spätestens seit den Kommunalwahlen am 7. März 2002, bei denen die Partei ‚Leefbaar Rotterdam’ unter Pim Fortuyn zur stärkste Gruppierung von Rotterdam wurde, zeichnen sich neue Tendenzen ab. Wie kein anderer konnte er von der Unzufriedenheit der niederländischen Bevölkerung mit der seit 1994 bestehenden Regierungskoalition profitieren. Und dies obschon er durch rassistische Äusserungen Negativschlagzeilen machte und von der Partei ‚Leefbaar Nederland’ - bei der er als Spitzenkandidat agierte - ausgeschlossen wurde. Mit Pim Fortuyn ist ein Politiker aufgetaucht, dessen Stil viele rechtspopulistische Züge aufzeigt, eine Führerfigur, wie sie bis jetzt nur in anderen europäischen Ländern wie Österreich und Frankreich existierte. Offen bleibt, wie stark er sich in den Parlamentswahlen vom 15. Mai profilieren kann, doch Prognosen deuten auf einen Anteil, der die Links-Mitte-Regierungskoalition um ihre Mehrheit bringen würde.[4]

3. Die rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien und Organisationen nach 1945 - Die einzelnen Phasen der Entwicklung

Die Entwicklung der rechten Parteien in den Niederlanden ist in sechs Phasen einteilbar, wobei die letzte Phase noch nicht abgeschlossen ist und in einem separaten Kapitel behandelt wird (4.). Die Grundlage dieser Aufteilung lieferte Christopher T. Husbands, der in der Zeit bis Ende der achziger Jahre vier Phasen unterschied (Kapitel 3.1. bis 3.4.)[5]. Ich ziehe sie weiter und unterscheide weiter eine Phase der neunziger Jahre (3.5.) und eine aktuelle (4.). Obschon diese Aufteilung eher grob ist, gibt sie so doch einen relativ klaren Einblick in die verschiedenen Strömungen und Parteien im Laufe der Zeit.

3.1. Von 1945 bis zur Gründung der ‚Boerenpartij’ 1958 - Erste Versuche

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in den Niederlanden verschiedene kleine, eindeutig rechtsextreme Gruppen gegründet. Die Mitglieder dieser Gruppen waren meistens Kriegskollaborateure und ehemalige Gefolgsleute der ‚Nationaal Socialistische Beweging’ (NSB), einer faschistischen Bewegung der Zwischenkriegszeit. Diese kleinen Gruppen schlossen sich im April 1951 zur sogenannten ‚Stichting Oud Politieke Delinquenten’ (SOPD) zusammen. Da diese Vereinigung nicht verboten wurde, gründeten die Mitglieder im Juni 1953 eine formelle politische Partei, die ‚Nationaal Europese Sociale Beweging’ (NESB). Die nationalsozialistische Prägung der Partei und gesetzliche Verstösse von Mitgliedern führten im April 1955 zum Verbot der Partei. Zehn Jahre nach dem Krieg tolerierte man die kleinen Gruppen zwar, eine offizielle nationalsozialistische Partei aber kam nicht in Frage.[6]

3.2. Die 60er - Der neue Extremismus und die Ära der ‚Boerenpartij’ (BP)

Erst 1958, mit der Gründung der ‚Boerenpartij’ durch Henrik Koekoek, erschien eine neue Partei in den Niederlanden, die rechtsextreme Züge aufwies. 1963 gewann sie in den Parlamentswahlen 2,1% der Stimmen, 1966 bei den Kommunalwahlen sogar 6,7%. Der Erfolg zwischen 1963 und 1967 kam für alle überraschend, auch für die Partei selber. So mangelte es der BP an geeigneten Personen, welche die gewonnenen Sitze besetzen konnten. Als Folge dieses Zustands kamen einige Individuen zu einem Sitz, die eine unrühmliche Kriegsvergangenheit hatten und teilweise immer noch im neo-nazistischen Umfeld aktiv waren. Unter anderem als Resultat dieser durch die Medien aufgedeckten Aktivitäten wurde der Stimmenanteil schon in den Wahlen 1967 wieder kleiner (4,7%). Obschon die Partei rechtsextreme Mitglieder hatte, ist die Bezeichnung als rechtsextreme Partei umstritten. Die Partei selber distanzierte sich davon. Unbestreitbar hingegen ist der oppositionelle Charakter des Parteiprogramms. Ein Grund für die erstaunlichen Erfolge sieht der Historiker Christopher T. Husbands daher auch in der Restrukturierung des niederländischen Politiksystems, von welcher die neue Partei profitieren konnte. Als sich die politische Landschaft Ende der sechziger Jahren wieder gefestigt hatte, konnte die BP keine nennenswerte Erfolge mehr erzielen. Ein weiterer Grund liegt in der starken Zunahme von Arbeitsimmigranten, hervorgerufen durch einen Arbeitskräftemangel in verschiedenen Industrien. Die mehrheitlich aus der Türkei und Marokko stammenden Menschen weckten vor allem in den Grossstädten rassistische Gefühle, da dort der Anteil ausländischer Bevölkerung überproportional zunahm.6

[...]


[1] Da die Begriffe Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus verschieden definiert werden können, verwende ich diese Begriffe im Sinne der definitorischen Annäherung, die im Seminar von Urs Altermatt gemacht wurde. Dabei setze ich Rechtsextremismus dem Rechtsradikalismus gleich. Merkmale dazu sind u.a. Rassismus, Ethnozentrismus, Gewaltakzeptanz und absoluter Wahrheitsanspruch. Rechtspopulistische Merkmale sind u.a. ein volkstümlicher Politikstil, Fremdenfeindlichkeit, Kritik am ‚politischen Establishment’ und eine antielitäre Einstellung.

[2] Zu nennen ist hier unter anderem: Betz: Radical right-wing populism in Western Europe; Loch/Heitmeyer(Hg.): Schattenseiten der Globalisierung.

[3] <http://www.tau.ac.il/Anti-Semitism/asw2000-1/netherlands.htm>

[4] Eatwell: The Rebirth of the 'Extreme Right' in Western Europe, 407-425.

[5] Husbands: Irritants on the Body Politic, 95-125.

[6] Husbands: Irritants on the Body Politic, 95-125.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegungen in den Niederlanden von 1945 bis heute
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)  (Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Seminar: Xenophobie, Rassismus und Antisemitismus
Note
angenommen
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V10668
ISBN (eBook)
9783638170321
ISBN (Buch)
9783656742234
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtspopulistische, Bewegungen, Niederlanden, Seminar, Xenophobie, Rassismus, Antisemitismus
Arbeit zitieren
Jonas Morgenthaler (Autor:in), 2002, Rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegungen in den Niederlanden von 1945 bis heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10668

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