Die Globalisierung der Lebensstile


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

25 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Zum Kulturbegriff - Globale und spezifische Kultur.

3. Horizontale und vertikale Segmentierung - Zwei Untersuchungsmethoden zum globalen Konsumentenverhalten.

4. Die Entstehung globaler Marken - Das Beispiel Coca-Cola.
4.1.Wie Marken und Werbung zu Stellvertretern von Traditionen, Kulten und Lebensstilen werden.
4.2.Das Beispiel Marlboro.

5. Schlußfolgerung: Globalisierung versus Lokalisierung - Zurück zu einer nationalen /regionalen Identität.

Vorbemerkung:

Einige englische Ausdrücke, die aus Quellen übernommen wurden, lassen sich teilweise nur sinngemäß übersetzen. Dies gilt besonders bei Fachausdrücken, für die es in der deutschen Sprache kein exaktes Äquivalent gibt. Eine Übersetzung erscheint deshalb wenig sinnvoll. Solche Begriffe sind im Text kursiv gesetzt und werden im englischen Original beibehalten. Ebenfalls kursiv gesetzt sind deutschsprachige Fachausdrücke.

1. Einleitung

Die Globalisierung der Lebensstile - bereits die Überschrift wirft die beiden Fragen auf, welche Bedeutung die häufig genutzten Begriffe Globalisierung1 und Lebensstil wirklich tragen, und inwieweit sich spezifische Trends einer Kulturgemeinschaft überhaupt weltweit manifestieren können.

Basierend auf dem Referat zum Thema: Globalisierung der Lebensstile - Globale Marken, Werbung und Konsum im Seminar: „Was ist Globalisierung“ konzentriert sich diese Arbeit insbesondere auf die Wechselwirkungen zwischen globalen Marken und globalen Trends. Zunächst wird kurz auf die Begriffe ‚Weltkultur‘ und ‚spezifische Kultur‘ eingegangen, um zu veranschaulichen, wie facettenreich sich die moderne Gesellschaft trotz der zunehmenden Globalisierun g2 gestaltet.

Weiterhin wird am Beispiel der Marken Coca-Cola und Marlboro aufgezeigt, dass der Entstehungsprozeß einer globalen Marke von mehreren Faktoren abhängig ist. Zwei maßgebliche Faktoren sind vermehrt kulturelle Anpassungen und spezifische, sich weltweit ähnelnde Lebensstilbewegungen, denen es gelingt, sich über (Landes-) Grenzen hinweg- und durchsetzen. In diesem Zusammenhang wird erörtert, ob es möglich ist, weltweit das gleiche Marketing zu betreiben, mit dem Ziel Nutzungsmöglichkeiten auf globale Wirtschaftszweige auszuweiten und zu optimieren. Im Hauptteil dieser Arbeit soll analysiert werden, inwieweit bereits global etablierte Marken einen starken Einfluß auf die Lebensgewohnheiten unterschiedlichster Ethnien haben, und wie diese - aufgeladen mit einer Persönlichkeit, Sehnsucht oder Mythologie - zu regelrechten Kultmarken in einer Landschaft von Markenkulten werden. Die Globalisierung der Lebensstile korreliert stark mit dem gesamten Prozeß internationaler Werbung. Internationale Werbung, insbesondere jene für amerikanische Marken, kann auch als Träger westlicher Individualisierung und zugleich als Stellvertreter amerikanischer Traditionen betrachtet werden. Dieser Prozeß wird in Punkt 3.1. anhand repräsentativer Beispiele der Marken veranschaulicht, die bereits seit Jahrzehnten erfolgreich auf spezifische universal gültige Sehnsüchte und Wünsche der Konsumenten aufgebaut haben. Sie nehmen damit starken Einfluß auf die Veränderung bzw. globale Vereinheitlichung von Trends und Lebensstilen.

Im Schlussteil dieser Arbeit wird der Aspekt einer spezifischen regionalen und lokalen Mentalität und der damit verbundenen Unterschiede im Hinblick auf die jeweiligen Lebens- und Kaufgewohnheiten der dort ansässigen Konsumenten betrachtet. Ich möchte insbesondere der Frage nachgehen, inwieweit global entwickelte Werbe- und Lebensstil Trends an unterschiedliche Sprachen, Mentalitäten sowie an wirtschaftliche Faktoren, wie beispielsweise die Kaufkraft eines jeweiligen Landes, die Medien Präsens und die generelle Erhältlichkeit verschiedener Produkte angepasst werden kann. Oftmals findet nämlich durch die Globalisierung von Marken, Werbestrategien und den daran gekoppelten Trends oder gefestigten Lebensstilen, ein Umkehrungsprozeß in den unterschiedlichen Ländern statt. Es zeigt sich im Verlauf der Untersuchung dieses Themas, dass Menschen im Zeitalter zunehmender Globalisierung Halt in ihrer Umgebung und eine nationale Identität suchen. Dieses Phänomen wirft die Frage auf, ob vermehrt das Prinzip: „ think local, act global “ anstatt , „ think global, act local “ globale Märkte beeinflußt?

Die Schlußfolgerung soll das Thema kurz resümieren, aktuelle Bezüge zu neuen Trends herstellen, insbesondere zu jenen, die sich aufgrund ihrer Langlebigkeit in den letzten Jahren zu Lebensstilen entwickelt haben. Mögliche Wandel globaler Werbekampagnen und des damit eng verbundenen Konsumentenverhalten im 21. Jahrhundert sollen einen Ausblick in die nahe Zukunft geben!

2. Zum Kulturbegriff - globale und spezifische Kultur.

Kultur - etymologisch betrachtet hat sich dieser Begriff von agri cultura (die Pflege des Bodens) über cultura animi (belebte Kultur) zu Kultur entwickelt. Doch heute ist es schwer, den Kulturbegriff prägnant zu um- und beschreiben, seine Bedeutungsvielfalt macht eine Eingrenzung problematisch. Nach Parsons3 wird Kultur als System gemeinsamer normativer Symbole als Voraussetzung des Entstehens von Handlungssystemen beschrieben. Doch wie entsteht Kultur und auf welche Weise kann nach dieser Theorie das Problem der Austauschbarkeit des Kulturbegriffs verdeutlicht werden? Dieser Fragestellung geht Luhmann in seinem Buch Die Gesellschaft der Gesellschaft nach. Er ist der Meinung, dass sich der moderne Kulturbegriff aus seiner immer währenden Evolutions- und Kulturgeschichte erschließt.

Luhmann hat sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit der Bestimmung von Kultur als historischem Begriff auseinandergesetzt. Dabei stellt er vor allem den Prozess der Umstellung einer Gesellschaft auf die Beobachtung einer zweiten, unterschiedlichen, bzw. fremden, Ordnung in den Vordergrund. Der moderne Kulturbegriff entsteht somit innerhalb der Entwicklung eines sowohl intensiven als auch extensiven Vergleichsinteresses. Die historischen Vorgänge dieses Vergleichsinteresses in dieser Arbeit zu erläutern würde zu weit führen. Wichtig ist jedoch, dass aufgrund von Handel sowie durch Sprache, Schrift, Religion, Kunst, Architektur usw. eine Orientierung bzw. Differenzierung an Idealen innerhalb und außerhalb Europas stattgefunden hat. Luhmann beschreibt dieses Vergleichen in seinem Buch Die Kunst der Gesellschaft als das Entdecken von Ähnlichkeit trotz Differenz. Aus diesem gewonnenem Vergleichsinteresse und dem daran anschließendem Reflexionsinteresse bildet sich eine Metaebene der Beobachtung und Beschreibung; die sogenannte Beobachtung zweiter Ordnung. Bezeichnet man diese Metaebene nun mit dem Begriff Kultur, so Luhmann, wird klar, dass ein Kulturvergleich nur durch die Reflexion von Kommunikation und Handel möglich ist. Heute ist Kultur seiner Meinung nach das Gedächtnis des Gesellschaftssystems; sie liefert einen großen Themenvorrat für variierende Kommunikation. Dadurch wird die gesellschaftliche Reproduktion stets gewährleistet und angetrieben. Inwieweit die Massenmedien ihren Teil dazu beitragen können, diskutiert er in seinem Werk Die RealitÄt der Massenmedien, in dem er davon ausgeht, dass der Empfänger des Sender - Empfänger Modus weitestgehend unbestimmbar ist, da der „Rückkanal“, und somit die Interaktion durch einen einheitlichen Code fehlt.4

Einen vergleichbaren Standpunkt vertritt Hofstede, wenn er sagt:

Culture is not restricted to objects in museums. Culture pervades our daily lives through the products we use, the builduings we live in, and the television programs we watch. Culture is the collective programming of the mind, the interactive aggregate of common characteristics that influence a human’s group response to the environment.5

Ähnlich ist es auch bei den Prozessen der Werbung und des Konsums - man beachte die Reihenfolge, denn der Konsum von Luxusgütern wird nahezu ausschließlich durch Werbung ausgelöst, nicht umgekehrt. Da sowohl die Art der Werbung, als auch die Hierarchie der vorherrschenden Konsumgüter eines jeweiligen Landes im engen Zusammenhang mit deren Kultur stehen, müssen an dieser Stelle verschiedene Ebenen des Kulturbegriffs, sowohl des globalen als auch des spezifischen, des nationalen bzw. lokalen, differenziert werden. Dies tut Fred W. Raaij indem er betont, dass die Basis der vorherrschenden Kultur eines Landes zunächst einmal seine historischen, nationalen, ethnischen, religiösen und sozialen Werte sind. Demnach, so Raaij, haben die unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen für das Marketing globaler Marken allererste Priorität. Kultur durchdringt seiner Meinung nach auch solche Ebenen wie Firmenorganisation- und Politik (Corporate Identity), Konsumentenkultur bzw. Subkultur und die „materielle Kultur“ der Produkte, des Designs, der Architektur und letztendlich der Werbung selbst. Fred W. Raaij konstatiert in seinem Artikel „Globalisation of marketing communication?“.

The culture of an organisation is the total of signs (symbolism, heroes), communication (verbal and visual messages), rituals and behaviours that characterizes the organisation over time.6

Bezieht man den allgemeineren Kulturbegriff nun auf die Kultur unterschiedlichster Firmenpolitik, so ist die Kultur eines Konsumguts nach Raaij die Gesamtheit der Symbole, die sich auf visueller und verbaler Ebene in den gewählten Kommunikationsstrategien zeigen und anhand von spezifischen Verhaltenscodes der Marke eine Identität und Persönlichkeit schaffen.

Werbung muss sich aus diesem Grund sehr genau mit Kultur und den sich darin entwickelnden Lebensstilen beschäftigen, um bereits manifestierte erfolgreich nutzen zu können oder selbst neue Trends setzen zu können. Indem Produkte auf dem Markt so positioniert werden, dass sie als Stellvertreter für bestimmte Haltungen und Lebensqualitäten stehen, entsteht eine Art Dialog zwischen Werbung und Lebensstil.

Weiterhin verdeutlicht Raaij, dass sich in einer Welt der mannigfachen Waren und Gebrauchsgegenstände unterschiedlichster Art ein Wertesystem heraus kristallisiert. Natürlich dienen Nahrungsprodukte zunächst der Ernährung, und Autos dem Transport; dennoch zeigen sich soziale Unterschiede und Machtverhältnisse in der modernen Kultur auch durch Normwerte innerhalb der Produktwahl. Marken werden, so Raaij, somit zu einem Kommunikationssystem für Wertvorstellungen und Lebensstile. Das Zusammenspiel von Normen7, Werten, Meinungen und Verhaltenscodes konstituieren unser Alltagsleben und das Konsumentenverhalten. Es ist möglich, dass eine dominierende, allgemeingültige Kultur der Konsumenten existiert. Doch kontinuierliche Markt- und Trendforschung hat bewiesen, dass sich viele Subkulturen mit unterschiedlichen Lebensstilen herausbilden, so zeigt es sich in aktuellen Beiträgen wie: Markenkult. Wie Waren zu Ikonen werden, Corporate Religion, oder Was ist Trendforschung.8 Hierbei muss unbedingt beachtet werden, dass die Begriffe Trend und Lebenssti l nicht als Synonyme verwendbar sind. Erst nach einem positiv erlebten, in mehreren Regionen und Metropolen angenommenen Trend, bildet sich der weitaus langlebigere und „konservative“ Lebensstil einer (oder mehrerer Kulturen heraus). Sowohl der Trend, als auch der gefestigte Lebensstil sind zunächst abhängig von der Region, dem Alter, dem Einkommen und nicht zu vergessen dem sozialen Stand sowie weiteren Charakteristika der Konsumenten. Im Bereich des Marketing funktioniert Kultur um Menschen Bedeutung, Gemeinschaft, Richtwerte und Symbolik zu liefern, und ihr Verhalten teilweise beeinflussen zu können.

Den Medien, und damit ist auch das Medium Werbung gemeint, kommt dabei eine vermittelnde, meinungsbildende Position zu. Ob sich so etwas wie eine Globalkultur herausgebildet hat, und in welchem Verhältnis diese zu der jeweiligen Lokalkultur eines Landes steht wird im aktuellen Globalisierungsdiskur s kontrovers diskutiert.

Globalkultu r setzt im gewissen Sinne Einheitlichkeit voraus und das in vielerlei Hinsichten. Die Frage ist in diesem Zusammenhang, ob man allein aufgrund einer fortschreitenden Globalisierung gleichzeitig auf eine Vereinheitlichung unterschiedlichster Lebensstile, Kulturgüter, Glaubensrichtungen etc. ausgehen kann. Levitt (Levitt, 1983) vertritt die Meinung, dass sich mehr und mehr Ladenketten im Dschungel der Warenwelt etablieren, und kulturelle Unterschiede im Zuge der Globalisierun g scheinbar geringer und weniger wichtig werden. Doch er warnt vor eben dieser Kurzsichtigkeit, indem er betont, dass kulturelle Unterschiede immer wichtig bleiben werden, ja sogar durch genannte Prozesse eher gesteigert als reduziert werden könnten.

3. Horizontale und Vertikale Segmentierung des Konsumentenverhaltens.

Nach Geert Hofstede gibt es im Marketing variierende Möglichkeiten das Konsumentenverhalten und etablierte Lebensstile des jeweiligen Landes zu untersuchen. Er hebt zwei dominante Kriterien der Marktanalys e hervor und bezeichnet diese als vertikale Segmentierun g und horizontale Segmentierun g. Bei der vertikalen Segmentierung wählt er eine Methode, in der 66 Nationen in vier Dimensionen charakterisiert werden. Die Unterschiede kultureller Dimensionen zwischen Nationen werden hierbei betont und die Differenzen innerhalb einer Nation ignoriert. Da es jedoch meist große regionale kulturelle Unterschiede innerhalb eines Landes gibt, werden bei der vertikalen Segmentierung oftmals die Regionen als Grenzlinien betrachtet. Als Konsequenz dessen wird eine standardisierte Kommunikationsstrategi e auf eine Region übertragen. Die vertikale Segmentierung zieht regionale Unterschiede demnach nicht in Betrachtung. Das Gegenteil ist jedoch bei der sogenannten horizontalen Segmentierung der Fall. Hier werden die kleinsten (sub)kulturellen Unterschiede innerhalb eines Landes und/oder einer Region beachtet werden. Veranschaulichende Beispiele für sich herausbildende Subkulturen in einer Gesellschaft sind die Jugendkultur, die Bildungsklasse, die Großverdiener und Businessleute, Industrielle etc. Diese können weltweit mehr oder weniger ähnlich sein. In seiner Theorie der unterschiedlichen Einstufungen globaler Lebensstile setzt W. F. Raaij voraus: „These subgroups travel to other countries and are exposed to international media such as CNN, MTV, Time and Newsweek. Products and services geared towards these groups may be rather similar accross cultures.“9

Bei der vertikalen Segmentierung zeigt sich die Ambiguität des Verhaltens globaler Subkulturen. Genannte Gruppierungen reisen beispielsweise in regelmäßigen Abständen in andere Länder und Kulturen und werden dort in verschiedenster Hinsicht mit fremden Traditionen und Lebensstile n konfrontiert. Gleichzeitig möchten sie insbesondere außerhalb ihres eigenen Heimatlandes ihre Gewohnheiten beibehalten, ein Stück Heimat bei sich tragen.

Hier greift das internationale Marketing. Raaij bezeichnet international tätige Personen als die primäre Zielgruppe von genannten internationalen Medien.

Die Wechselbeziehung zwischen internationalen Werbekampagnen und einer eventuell zunehmenden Globalisierung der Lebensstile unter Berücksichtigung der vertikalen und der horizontalen Segmentierung setzt eine relativ einheitliche Produktion und Vermarktung von Produkten, Dienstleistungen und Modetrends in den Metropolen voraus.

Geert Hofstede nennt neben der strikt vertikalen, bzw. horizontalen Segmentierung auch die Variante einer Kombination beider. So wird beispielsweise eine englisch sprachige Zeitschrift wie die The Times einerseits in Großbritannien und Irland vertrieben (vertikale Segmentierung), andererseits wird The Times innerhalb einer Nation an bestimmte Bevölkerungsteile verkauft und gleichwohl außerhalb der englisch sprachigen Länder für Zielgruppen exportiert, die englisch als zweite Sprache haben (horizontale Segmentierung). Während The Times allen genannten Segmenten das selbe Produkt liefert, gibt es auch andere Produkte, die durch Übersetzung der Texte und „lokale“ Schauspieler etc. lokal adaptiert werden (Cosmopolitan, Playboy, Elle, MTV). Der Markenkern bleibt bei genannten Beispielen der selbe.

Doch der Globalisierungsprozess standardisierter Werbekampagnen ist weitaus komplexer als man nach dieser Darstellung vermuten könnte. Marken und Dienstleistungsfirmen wie Coca- Cola, MC Donalds, Pizza Hut, GAP usw. erwecken den Anschein eines schnell fortschreitenden Marktes, eines globalen Standards, und letztendlich immer ähnlicher werdenden Konsumentenverhaltens was wiederum auf eine stete Globalisierung der Lebensstile schließen lassen könnte. Das chinesische Restaurant in westlichen Ländern und das MC Donalds „Restaurant“ in Moskau, Prag oder Beijing haben jedoch immer noch ihren, teilweise exotischen, kulturellen Ursprung des jeweiligen Herkunftslandes beibehalten.

W. F. Raaij betrachtet den Prozess der Standardisierung genauer, indem er zwischen unterschiedlich funktionierenden globalen Werbekampagnen differenziert. Globale Werbekampagnen können seiner Meinung nach entweder in formeller, oder in funktionaler Hinsicht Äquivalent sein. Im Falle einer formellen Übereinstimmung beinhaltet dies eine alles umfassende Standardisierung mit identischen Kampagnen in verschiedenen Kulturen. Die globale Marke Coca-Cola kommuniziert ihre Werbeslogans zum Beispiel größten Teils in amerikanischen Englisch, sogar in nicht englisch sprachigen Kulturen, und vermittelt dabei neben ihrem Markeninhalt auch ein Stück amerikanischen Lebensstils an die Konsumenten anderer Länder.

Funktionelle Äquivalenz globaler Werbung hingegen, so Raaij, bedeutet, dass Kampagnen identische „Missionen“ oder Kommunikationsziele haben können, die jedoch mit unterschiedlichen Konzepten und Ausführungen die gleiche Aussage kommunizieren. Statistisch gesehen werden die meisten Produkte jedoch an die Kultur und Lebensweise ihres Absatzmarktes adaptiert. Wenn kulturelle Werte differieren, müssen die Charakteristika des Produktes diesen Werten angepasst werden. Wenn eine Marke / ein Produkt sich dem bevorzugten Geschmack - beispielsweise eines Kaffees - anpassen möchte, unterscheidet sich die Rezeptur des Produktes der Niederlande von jener in Frankreich oder in den USA. Das Beispiel Nestl é veranschaulicht in 3.1. diese Unterschiedlichen Geschmacksvorlieben sehr deutlich. Fazit ist, dass Konsumenten verschiedener Nationen oder sogar Regionen nur dann Gefallen an Marken / Produkte finden, wenn der Geschmack ihnen vertraut ist und an ihren Vorlieben orientiert, produziert und vermarktet wird. Das gilt auch in Bezug auf die Werbeaussage, den Stils und die Sprache als Bestandteil der gesamten, einheitlichen Kommunikationsstrategie. Weiterhin wird diese These gestützt von der globalen Tourismus Branche, die schon seit langer Zeit auf genannte Unterschiede nationaler Vorlieben Rücksicht nimmt. Die Speisekarten internationaler Hotelketten beinhaltet beispielsweise immer eine Variation von Gerichten. Von Sushi bis Schnitzel ist alles vertreten, so daß sich der Tourist oder businessman „wie zu hause fühlt“.

Eine Diskussion um die Standardisierung internationaler Werbung existiert bereits seit Mitte der 60er Jahre.10 Theodore Levitt (1983) hat diese Gedanken in konsequenter Form und aller Deutlichkeit in seinem Artikel „The Globalization of Markets“ weiterentwickelt und zur Konvergenzthese ausformuliert. Die Konvergenzthese geht von einer Globalisierung der Märkte und einer damit zusammenhängenden zunehmenden Homogenität der Kulturen, Gesellschaften und Verbraucher aus. Dies setzt die Annahme voraus, dass kulturelle Unterschiede nicht existierten bzw. für die internationale Werbung nicht relevant seien, da weltweit gleiche Grundbedürfnisse und eine rasante Angleichung der Lebensstile die gleiche werbliche Ansprache rechtfertigten.

Dagegen verweisen die Vertreter der Differenzierungsthese auf die nach wie vor bestehenden essentiellen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und plädieren daher für ein länderspezifisch differenziertes Vorgehen. Befürworter der Differenzierung führen zahlreiche Aspekte an, die die Gestaltung von Werbung für verschiedene Länder beeinflussen und der Entwicklung einer international einheitlichen Werbung entgegenwirken11. Auch Thomas Dmoch vertritt die Ansicht, dass globale Marken nach wie vor nach dem vereinfacht dargestellten Prinzip des freien Marktes - Angebot und Nachfrage - richten. Die Bewerbung von global brands setzt komplexe Markt- und Lifestyle- Forschung voraus, so Thomas Dmoch in seinem wissenschaftlichen Beitrag: Internationale Werbung. Standardisierung in Grenzen.12. Weiterhin vertritt er die Meinung, dass die Grundlage für das Etablieren eines Produktes oder einer Dienstleistung seit jeher die Bedürfnisse und Wertvorstellungen des Konsumenten sind. Oder anders ausgedrückt, muss es spezifische, Lifestyle orientierte, Marketing- und Werbestrategien eines brands geben , denen es gelingt neue Trends zu setzen und dadurch den Absatzmarkt zu kontrollieren. Fazit seines Beitrages ist, dass ein global einheitliches Konsumentenverhalten nicht existiert, denn die kulturellen Unterschiede sind weiterhin zu groß, obwohl sich seiner Meinung nach gewisse Trends weltweit durchsetzen. In seinem Artikel konstatiert Thomas Dmoch:

Im Zentrum der Debatte um die Globalisierung des Marketing steht die Frage nach der Standardisierbarkeit der internationalen Werbung, obwohl die Werbung nur ein Instrument im Rahmen des sogenannten Marketingmix aus Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik ist.13

Im Idealfall haben sie eine pazifierende und zugleich sublimierende Wirkung innerhalb der Weltökonomie. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass Geschmack, Mentalität und Einstellung und natürlich die Kaufkraft weltweit immer noch sehr unterschiedlich sind .

Das hängt damit zusammen, dass der Wertewandel weltweit nicht in parallelen Phasen in der Evolution der Menschheit verläuft. Die sogenannte Wertewandel-Forschung setzt sich sehr genau mit zeitlich und geographisch variierender Trend- und Zukunftsforschung auseinander. Als Grundlage gehen Trendforscher von den klassischen Wertetheorien aus, wie sie etwa der Meinungsforscher und Soziologe Daniel Yankelovich in den USA breit dokumentiert hat. Danach gibt es in einem Diagramm der Werteentwicklung der letzten 50 Jahre drei dominierende ökonomische Phasen. Diese lassen sich keinesfalls auf alle Kontinente und Nationen beziehen, sondern stehen im engen Zusammenhang mit der Gesellschaftsform, dem wirtschaftlichen- und technischen, sozialen und politischen Zustand einer Gesellschaft. Nach D. Yankelovich gehören zu Gesellschaften, die aus Armutsphasen in die Industriemoderne aufbrechen, zunächst außen orientierte und autoritative Werte wie: Fleiß, Ordnung, Disziplin, Gehorsam, also mehr oder weniger das Werteset unserer Großeltern. In einer zweiten Phase, so Yankelovich, wenn die Prosperität der Gesellschaft andauert, entwickeln sich die selbstzentrierten Werte wie: Lust, Genuß, Eros, Selbsterfahrung, Hedonismus usw.. Erst in einer dritten Phase, wenn sich der Mensch seiner Erfahrungen und Wünsche weitaus bewußter ist, beginnt ein Remix des Wertesystems. An dieser Stelle wird es für die Werbung interessant, denn Zukunfts-Trends können nun leichter prognostiziert werden. Autoritative Werte aus der Vergangenheit überlagern sich mit individualistischen zu neuen Kombinationen. Aus diesem Grund soll am Beispiel der globalen Marke Coca-Cola der Wandel der Werteparadigmen in den vergangenen 50 Jahren veranschaulicht werden.

4. Die Entstehung globaler Marken - Coca-Cola: Marken und Werbung repräsentieren die Kulte moderner Zivilisation.

Coca-Cola ist bereits 1929 zur globalen Marke avanciert. Mit „The Pause that refreshes“ schickte die Coca-Cola-Company ihren ersten Werbeslogan um die Welt; seit dem hat Coke sich mühsam, aber erfolgreich den Status als Softdrink Nummer eins weltweit erobert. Nach der Gründung der Coca-Cola Company in Atlanta / Georgia, USA im Mai 1894 begann die später weltweit praktizierte Partnerschaft im Franchise-System und hatte sich schnell ein Monopol in der Softdrink-Industrie aufgebaut. Außerdem, hatte sich die Marke ein Image geschaffen, und das ist und war von viel größerer Bedeutung, daß später auch weltweit Anklang fand! Neben Rezeptur und Schriftzug folgte bald darauf, in 1916, mit dem Hüftschwung der Flasche der dritte wichtige Markenbestandteil.

Bevor der größte Konkurrent, Pepsi Cola, ihnen zunächst in den USA, kurze Zeit später jedoch auch auf dem globalen Markt, vor allem die junge Zielgruppe streitig machte, gab es in den USA nur ein Getränk, dass so einzigartig und begehrt war wie Coca-Cola. Die Werbung konzentrierte sich anfangs auf die objektiven Werte der Marke: Rezeptur und Geschmack, erfrischende Wirkung, Einmaligkeit und das Design der Flasche mit den weiblichen Kurven einer Marylin Monroe. Die Slogans “The pause that refreshes“ (1929), „It´s the refreshing thing to do“ (1936) und „It´s the real thing“ (1942) verdeutlichen, dass auch der Start der Marke in den globalen Markt zunächst noch auf die jahrelang kommunizierten und etablierten Werte des zufriedenen und glücklichen Amerikaners aufbaute. Doch nach einigen schweren Erfolgseinbrüchen in den späten 50ern und frühen 60er Jahren mußte Coca-Cola seine Strategien modernisieren, um nicht neben seinem Konkurrent Pepsi pleite zu gehen.

Am Geschmack lag der Erfolg letztendlich nicht, obwohl die einmalige Rezeptur natürlich eine große Rolle spielte14. Längst war die Marke zu einem Symbol typisch amerikanischer Werte geworden, nicht als „Number one thirst-quencher“.15 Das Marken- und Firmenlogo von Coca-Cola ist, ähnlich wie das von MC Donalds zu einer Ikone der USA geworden. Genau darin liegt auch die Firmenphilosophie dieser beiden amerikanischen Produkte bzw. Unternehmen. Ihre Corporate Identity (C.I.), das Corporate Design (C.D.) und das Unternehmensleitbild bilden gemeinsam eine einheitliche Identität, die global nicht verwischt werden darf. Auch dann nicht, wenn aus bestimmten, vom Absatzmarkt abhängigen Gründen entschieden wird, dass im Sinne der Segmentierung nationale bzw. regionale Anpassungen vorgenommen werden müssen. Der Erfolg dieser Marke liegt in ihrem sogenannten ESP, dem „ Emotional Selling Point “, denn die Firma hat ein emotionales Universum kreiert, mit dem sich Menschen weltweit identifizieren können. Im Bezug auf den zuvor aufgeführten Wertewandel innerhalb einer modernen Gesellschaft, repräsentieren die aktuelleren Kampagnen der Marke Coca-Cola die Suche nach neuen Wegen, Bindungs- und Freiheitswerten der Menschen. Dies geschieht als Folge der Etablierung eines neuen Individualismus, Trendforscher bezeichnen ihn als Softindividualismus.16 Nachdem die Gesellschaft mit ihrer Egoisierung an Grenzen stößt und gleichzeitig die ökonomische Verheißung, dass für jeden einzelnen in Zukunft alles besser werde, nicht mehr weiter gilt, sucht die Gesellschaft nach Leitwerten wie Freundschaft, Gegenseitigkeit, Fairneß und Ehrlichkeit. Genau auf diese Werte baut Coca-Cola in den letzten Jahren, unterstützt von den einflußreichen quantitativen Parametern wie der weltweiten Distribution des Getränks.

Coca-Cola - Name und Markenkern - vermitteln den Konsumenten ein spezifisches Lebensgefühl: Freiheit, Individualität, Lebensfreude, Fitneß und Genuß gelten in den USA genauso wie in Deutschland, Frankreich, England oder China17 als die stolz angepriesenen Attribute des American Way of Life. Sozio-politisch betrachtet sind es genau diese Eigenschaften, die den Kapitalismus innerhalb einer Demokratie als regelrechtes Paradies widerspiegeln.

Doch gelingt es einer globalen Marke wie Coca-Cola durch ihre globalen Werbekampangnen, durch ihren unvergleichlichen Markencharakter und ihre emotional aufgeladene Botschaft an den Konsumenten weltweit einen spezifischen Lebensstil zu manifestieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich Peter Robejsek in seinem Artikel „Globalisierung - mehr als nur eine mentale Falle?“. Er führt als Beleg für die Globalisierungsthese bestimmte Anzeichen für die Annäherung im Bereich des Lebensstils, der Einstellungen, der Geschäfts- und Produktionspraktiken und der Lebensbedingungen an. Betont aber zugleich auch, dass die Tendenz zur Angleichung, Widerstände, neue Konstellationen von Hindernissen und damit letztlich Abgrenzung mit sich bringen würde. P. Robejsek ist der Meinung, dass die universale modernistische Kultur eine Gegenreaktion geradezu provoziert. Diese besteht in der Suche nach der eigenen Identität und Tradition im Nationalen. Natürlich gelingt es einer solch starken und einflussreichen Marke wie Coca-Cola, weltweit das selbe Image zu etablieren und ein positives Lebensgefühl, meist stark assoziiert mit dem amerikanischen Freiheitsgedanken, im Konsumenten zu wecken. Dennoch hat jedes Land seine eigene Vergangenheit und seine eigenen Traditionen, die eine Globalisierung des an die Marke gekoppelten Lebensstils bei den unterschiedlichen Konsumenten verhindert. P. Robejsek resümiert seine Untersuchungen zu dieser Problematik wie folgt:

Die Anhänger der Globalisierungsthese können nicht erklären, warum im Gegensatz zu den Annahmen des Globalisierungsansatze s die traditionellen Mechanismen räumlicher Zentralisierung durchschlagen, auch wenn sie im Zeitalter der Datenautobahn ihre Zwangsläufigkeit längst hätten verlieren sollen. Die Globalisierun g ist kein alle Bereiche der gesellschaftlichen Existenz umfassender Prozeß, sondern vornehmlich die seit zwei Jahrzehnten existierende Chance, frei den Ort der Gewinnmaximierung zu bestimmen.18

Bei der globalen Marke Coca-Cola wird deutlich, wie sich ein Produkt in einer Welt weitestgehend gesättigter Märkte für Konsumgüter - wie sie die USA, Japan und Europa darstellen - sich durch Preis- und Werbekämpfe von anderen, vergleichbaren Marken abheben muss. Der Werbung kommt angesichts dieser Situation die Aufgabe zu, Markenpräferenzen durch die Vermittlung besonderer Erlebniswerte zu schaffen. Thomas Coca-Cola und Levi Strauss war die Folge. Heute sind diese Produkte in Japan jedoch genauso erhältlich wie in fast allen anderen Ländern dieser Welt auch.

Dmoch sieht die Emotionalsisierung von Werbung als Folge der steigenden Genuß- und Erlebnis orientierten Konsumenten in modernen Industrienationen. Er beschreibt wie Konsum zu einer Möglichkeit emotionalen Erlebens werden kann:

Solche Erlebniswerte verleihen dem Produkt einen emotionalen Zusatznutzen. Sie unterscheiden das Produkt von objektiv vergleichbaren Angeboten. An die Stelle fehlender objektiver Produktvorteile tritt die emotionale Produktdifferenzierung durch Werbung.19

Auf diese Weise nimmt der Konsum eindeutig einen starken Einfluß auf den Lebensstil einer spezifischen, nicht unbedingt globalen, Konsumentengruppe. Thomas Dmoch vertritt die Ansicht, dass Konsumenten ein Produkt zunehmend danach beurteilen, inwieweit sie einen Beitrag zu ihrem Lebensstil liefern, während die einst so ausschlaggebende hohe Produktqualität als selbstverständlich gilt. Deshalb kann eine große Marke, die weltweit anerkannte Emotionen besetzt eine standardisierte Werbekampagne nach der nächsten um den Globus schicken, wohingegen die Mehrheit aller anderen größeren Marken mit den unterschiedlichen Erlebniswerten der Konsumenten verschiedener Länder auseinandersetzten müssen. Es kann keinesfalls von einer Homogenität der Bedürfnisse dieser unterschiedlichen Konsumentengruppen die Rede sein und weiterhin nicht nur von den soziodemographischen Kriterien wie Alter, Bildung, Einkommensklasse usw. ausgegangen werden. Wie lautet also das weltweit funktionierende Erfolgsrezept der Coca-Cola Company ? Die Frage in welcher Hinsicht internationales Marketing Einfluß auf die Etablierung eines globalen Lebensstils nimmt, ganz unabhängig von den emotionalen Unterschieden zwischen verschiedenen Konsumenten, beantwortet, Coca-Cola Ansatzweise in seiner Werbebroschüre. Die Firma hat die Marke von Beginn an als Kult- und Kunstobjekt vermarktet. Das Design, das Sponsoring und die Werbeslogans arbeiten alle auf ein Ziel hin: Einzigartig sein, die Spitze im SoftgetrÄnk-Markt zu sein und zwar nicht weil Coke ein außergewöhnlich schmackhaftes Getränk ist, sondern weil es für ein amerikanisches Lebensgefühl eines ganzen Jahrhunderts steht. Coca-Cola „spricht die Sprache der Jugend, übersetzt den Zeitgeist in Bilder und Bewegung (...).“20

Nicht nur Trend- und Lifestyleforscher, die das Phänomen Coca-Cola näher analysiert haben, bezeichnen die Marke als einen Mythos, ein Kultobjekt, das bereits mehreren Generationen ein prickelnd erfrischendes Lebensgefühl vermittlelt, sondern sogar die Coca-Cola Company selbst wirbt damit in ihrer Broschüre. Der vertraute Geschmack an (fast) jedem Ort dieser Welt erzeugt Vertrauen und Zufriedenheit beim Verbraucher, vermittelt ihm ein Gefühl von Heimat - überall! Das wohl weit verbreitetste Erfolgsrezept großer internationaler Marken wie Coc a-Cola, MC Donalds und Marlboro sind die Gesamtorganisation und die gleichbleibende, streng eingehaltene Mission der Mitarbeiter und Führungskräfte. Das Produkt wird beinahe wie eine Religion behandelt, vermarktet und vom Verbraucher angenommen.

4.1. Wie Marken zu Stellvertretern von Traditionen, Kulten und Lebensstilen werden.

Das Prinzip: „Besetzen Sie mit Ihrer Marke die komplexe Bedürfnisse der Verbraucher nach einem idealen, aber realistischen Leben.“21 gilt heute in der Werbebranche als gängige Empfehlung. Zielsetzungen und Realitäten des internationalen Marketing werden dort mit tituliert, die sich insbesondere mit der Verbindung von Werbung und Emotionen auseinandersetzen. Emotionen haben in der Werbung ein enormes, nicht zu unterschätzendes Potential, denn wem es gelingt einer bestimmten Marke einen Charakter und eine Identität zu geben, dem kann es möglicherweise gelingen Träume und Sehnsüchte auf ein Produkt zu projizieren. Sehnsüchte sind es auch, die in vielen Köpfen - unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit oder Sozialisation - Defizite des Alltagslebens zu kompensieren vermögen. Marken wie Marlboro oder Bounty repräsentieren einen bestimmten, konstruierten Lebensstil, z.B. den des Nordamerikanischen Cowboys, der mit Hilfe seines mythischen Charakters außerhalb des alltäglichen Konkurrenzkampfes und des Leistungsdrucks die Anpassung an berufliche und gesellschaftliche Strukturen einfach zerbricht.

Dieser Vermarktungsprozess verläuft ungefähr so: Zunächst treffen Experten der Werbe- und Marketingbranche eine Vorauswahl derjenigen Lebensstile, die sich bereits in den Köpfen der potentiellen Zielgruppe etabliert haben und eine extrem hohe emotionale Wirkung besitzen. Diese führen bereits - und das ist der Unterschied zu Trends, die eine weitaus weniger gefestigte gesellschaftliche Festigung besitzen, sondern noch als Vorreiter der Lebensstile betrachtet werden müssen, ein tief verwurzeltes Eigenleben im Bewußtsein des Verbrauchers. Im Gegensatz zu Trends, bzw. dem Anspruch trend y zu sein, sind Lebensstile nicht kurzlebig, flüchtig oder gar abhängig von der jeweiligen Jugendkultur eines Landes, sondern sie sind konkret, von Dauer und vor allem erlebbar. Sie greifen allgemeinere Sehnsüchte auf und reduzieren somit die Distanz zwischen dem Verbraucher und seinen eigenen Träumen.

Voraussetzung für den marktwirtschaftlichen Erfolg eines brands ist, dass der von ihm besetzte Lebensstil ernst genommen wird und Werbeklischees kompromißlos vermieden werden. Nur so kann die geliebte Illusion des Verbrauchers erhalten bleiben. „Sie (Lebensstile) müssen nicht ausdrücklich originell sein, müssen nicht den größten Unterhaltungswert haben, (...),“ sondern sind „prall gefüllt mit Bildern, Träumen und Emotionen.“22 Aus eben diesem Grund werden erfolgreiche Marken mit einem spezifischen, sehnsuchtsvollen Lebensstil aufgeladen, der bereits von Künstlern, Filmemachern und Literaten erkannt und meist tausendfach in kulturellen Werken verarbeitet wurden.

4.2. Das Beispiel Marlboro.

Der Marlboro Man entstand in einer sich neu entwickelnden Markenwelt der 60er Jahre, in der das Genre des ‚Cowboy‘ bereits in unzähligen Western verbraucht worden war. Eben dieses sehnsüchtige Potential, was einen gewissen Lebensstil der Freiheit, der Unabhängigkeit und der männlichen Stärke im beliebten Westernfilm geprägt hatte färbte auf die Marke Marlboro ab - mit Erfolgszahlen, die bis heute unschlagbar sind. Weil Marlboro auf Attribute wie Unabhängigkeit, Verantwortung und absolute Handlungsfreiheit setzt, greifen begleitende Werbestrategien wie die Marlboro Adventure-Trips in das Land der Freiheit und Individualität zusätzlich. Der Verbraucher kann so selbst in seine eigene Markenwelt eintauchen und sie erleben. Die Faktoren: Ort, Inhalt /Authentizität sowie eine zeitliche Vollständigkeit (Jahres- , Tageszeit) müssen gerade deshalb in der gesamten Kampagne die „Echtheit“ der Markenwelt beweisen. Natürlich gilt dennoch die unausgesprochene Regel, dass emotionale Strategien nur zu emotionalen Produkten passen.

Matthias Horx und Peter Wippermann, die Verfasser des Buchs: Was ist Trendforschung? untersuchen aktuelle Trends unter dem Gesichtspunkt der Wechselwirkung von Veränderung und Beständigkeit in unserer Gesellschaft. Veränderung bringt automatisch auch Unsicherheit mit sich. Unsicherheit allgemein wirkt sich auf den komplexen Charakter von Trend aus:

Um Trends zu verstehen, muß man die paradoxe, man könnte auch sagen dialektische Grundstruktur verstehen, mit der sie unser soziales, kulturelles, ästhetisches Universum Formen.23

Je mehr beispielsweise die Gen technologische Forschung Lebensmittel für den Markt verändert, , desto weniger weiß der Verbraucher über deren Herkunft und Inhaltsstoffe und je künstlicher unsere mediale und dingliche Umwelt wird, desto größer geraten ‚Retrotrends‘ wie ‚ Authentic ‘, ‚Heimweh‘, ‚ Basic ‘, ‚Bio‘ und andere. Matthias Horx und Peter Wippermann stellen in diesem Zusammenhang fest:

Dies gilt um so mehr in Deutschland, weil im deutschsprachigen Raum die Codierung von ‚Natur‘ und ‚Natürlichkeit‘ besonders stark ist. Trends zu artifizieller Nahrung laufen also parallel zu Biokonzepten und verstärken sie sogar.24

Das Phänomen der zunehmenden Visualisierung via Medien und Computer stellt sich sehr ähnlich dar. Haptische und sinnlich-erfahrbare Aspekte brechen parallel zum technischen Wandel in unserer Alltagsweltmehr und mehr in unsere Wahrnehmungswelt hinein. So werden auch handwerkliche Unikate in einer Zeit unendlicher Reproduzierbarkeit kostbarer denn je, und regionale Identität wird durch Globalisierung eher gestärkt als geschwächt. Der Bedarf nach an diätischen Lebensmitteln beispielsweise führt durch Frust über deren Nichtwirksamkeit zu einem immer weiteren Bedarf an solchen Lebensmitteln, einer regelrechten Sucht danach. Nach Horx und Wippermann ist dieses Konsumentenverhalten auf die voranschreitende Individualisierung, und im Gegenzug auch auf den Entlastungsbedarf des einzelnen zurückzuführen.

Individualisierung bedeutet nichts anderes als die Zunahme von Kontrolle des einzelnen über sich selbst, aber auch die Zunahme der Kontrollnotwendigkeit: Was früher Institutionen, Normen, Gewohnheiten, Rhythmen regelten, muß der einzelne in der Individualgesellschaft selbst regeln.25

Resümierend stellen die Autoren Horx und Wippermann fest, dass Glaubensverlust und Glaubensbedürfnis, Lust und Kontrollbedürfnis Hand in Hand gehen jedoch zu einem prekären Spiraleffekt führen, der sich in den USA besonders gut studieren lässt. In der amerikanischen Werbung werden die „super-big-rich-chocolate-chunk cookies“ angepriesen, die sich dem allgemeinen gesellschaftlichen Code anpassen, wenn sie extremen Genuß für die Superfigur anpreisen. Dementsprechend hoch sind die Wut und die Enttäuschung, wenn die Ergebnisse des blinden Vertrauen „ins Gewicht fallen“. Doch ihre Verhaltensmuster lösen sich dadurch in den seltensten Fällen auf. Es wird im Gegenteil versucht, mit wiederholtem Konsum solcher Produkte das Problem zu beheben.

Der Aspekt der Globalisierung von Lebensstilen wird von internationalen Werbefachleuten deutlich als eine Folge globaler Werbung und einflussreicher Markenkulte gesehen. Einige Sehnsuchts-Strategien lassen sich auf dem internationalem Markt ohne jegliche Einschränkungen mit einer einzigen Kampagne anwenden, bei anderen bedarf es einer Anpassung an die herrschenden regionalen Lebensweisen und Träume. Philippa Cowking und Graham Hankinson definieren in ihrem Buch The Reality of Global Brands die Persönlichkeit eines global brand als „a unique combination of functional attributes and symbolic values.“26 Auch sie betonen, dass nur jene Marken / brands wirklich erfolgreich sind, die echten Bedürfnissen und Bestrebungen einer definierten Zielgruppe entsprechen. Die Persönlichkeiten verschiedener Marken, so Cowking und Hankinson, konzentrieren sich auf unterschiedliche Attribute eines Produktes vor allem einen symbolischen oder einzigartigen funktionalen Charakter der Marke. In manchen Fällen, wie z.B. bei der globalen Marke Levi Strauss Jeans, treten auch beide gemeinsam in Erscheinung. Symbolische Werte wie coolness, individualism and youth werden kombiniert mit hoher Materialqualität und Tradition.

Global etablierten Marken, wie beispielsweise Coca-Cola, Marlboro, MC Donalds oder Levi Strauss ist es durchau s möglich, anhand eines durchgängig standardisierten Werbeauftrittes das gleiche Produkt mit weltweit gleicher Rezeptur anzubieten. Ein beständiger Auftritt in verschiedenen Ländern schafft auch ein übereinstimmendes Bild, eine global bekannte Persönlichkeit der Marke, die ein Vertrauen zum Verbraucher aufbaut, unabhängig davon wo und wie er lebt. Nur wenige Produkte erfüllen alle genannten Ansprüche, nach dieser Definition. Im Gegenteil, die meisten variieren in ihrem Werbeauftritt und der Produkt- Rezeptur zwischen den einzelnen Regionen, Ländern oder Kontinenten. So unterscheidet sich z.B. die Persönlichkeit und Preiskategorie der Marke Gordon ’ s Gin in Großbritannien und Spanien, bzw. der USA insofern, dass man die Marke in GB in die höchste (premium price- class) Preiskategorie einstuft, während sie in Spanien und den USA eher im mittleren Preisbereich angesiedelt wird. Weiterhin hat Gordon ’ s Gin in Kontinental Europa eine relativ junge, ja sogar stylische Persönlichkeit, während er in GB bis vor kurzem eine ältere, eher traditionelle Persönlichkeit hatte, die eng mit dem Slogan: „Gin meets Tonic“ verbunden ist. Eine global variierende Geschmacksrichtung hingegen produziert die Marke Nestl é, mit ihrem Instant Coffee der sich mit mehr als hundert unterschiedlichen Rezepturen an regionale Geschmacksvorlieben anpaßt und dennoch weltweit unter dem Namen Nescaf é vertrieben wird.

Einen absoluten Gegenpol bildet eine durchgängig global standardisierte Werbekampagne für eine bestimmte Marke, die sich auf ein spezifisches Symbol und eine einzigartige Persönlichkeit konzentriert. So wird, wie bereits am Beispiel der Marken Coca-Cola und Marlboro aufgezeigt, eine Kernbotschaft ausgewählt, in welcher sowohl Bild als auch Text international miteinander übereinstimmen, und diese durchgängig kommuniziert. Hier greift augenscheinlich die These erfolgreicher Verfechter der Standardisierung in der internationalen Werbung, nämlich, (... ) dass sich die Bedürfnisse der Menschen weltweit angleichen und die Konsumenten bereit seien, auf maßgeschneiderte Produkte zugunsten eines geringeren Preises zu verzichten. Diese Annäherung der nationalen Werbung führen die Befürworter der sogenannten Konvergenzthese auf eine globalisierte Medienkommunikation, den internationalen Reiseverkehr, die Angleichung der Bildungssysteme und auf internationale technische Standards zurück. Werbung, die auf universelle Bedürfnisse abgestellt ist, könne demgemäß standardisiert werden.27

In diesem Zusammenhang gab insbesondere der 1983 erschienene Beitrag von Theodore Levitt zur Globalisierung der Märkte Anlaß zu kontroversen Diskussionen über die zweckmäßige Form der Internationalisierung von Unternehmen. Levitts These, das Überleben internationaler Unternehmen sei nur mithilfe von Globalisierungsstrategien zu garantieren, veranlaßte begeisterte Befürworter und harte Kritiker zu einer Stellungnahme. Auch heute noch stehen im Mittelpunkt der Debatte im wesentlichen die Extremtypen des globalen bzw. lokalen Marketing und die Frage nach einer entweder weltweit standardisierten oder länderspezifisch differenzierten Marktbearbeitung28. Dabei besteht die Besonderheit des internationalen Marketing darin, dass Entscheidungen über die Marktbearbeitung nicht mehr jeweils isoliert für ein Land, sondern in Bezug auf mehrere Märkte zu treffen sind, so dass die Aktivitäten in den verschiedenen Ländern aus einer zentralen Zielsetzung resultieren. Aus diesem Grund ist die Fragestellung nach ,,Standardisierung oder Differenzierung" bei der Erarbeitung internationaler Marketingkonzeptionen von großer Bedeutung.29

5. Schlußfolgerung: Globalisierung versus Lokalisierung - Zurück zu einer nationalen /regionalen Identität.

In einem Zeitalter zunehmender Globalisierung nimmt die Werbung einen starken Einfluß auf die Entwicklung einzelner Lebensstilbewegungen. Einigen erfolgreichen globale Marken ist es gelungen durch gezielte Markt- und Trendforschung Akzeptanz und Symbolcharakter auf dem internationalen Markt zu erlangen. Die Differenzierungsthese sieht eine Kategorisierung von unterschiedlichen Einfluß nehmenden Faktoren bei der Gestaltung von Werbung für ausländische Märkte vor. Wie in den vorhergehenden Kapiteln bereits thematisiert beeinflussen wichtige Produktcharakteristika wie beispielsweise Produktkategorie, Produktname, Produktverpackung, Produktpreis und insbesondere der Produktlebenszyklus die Werbekonzeption internationaler Unternehmen. Die Tatsache, dass es weniger kulturgebundene Produkte wie Luxus- oder High-Tech-Güter gibt, und stark kulturgebundene Produkte wie Lebensmittel, bestimmt die psychologische Bedeutung, die Verbraucher in verschiedenen Ländern zuschreiben. Diese variieren natürlich von Land zu Land, da sie oftmals mit unterschiedlicher Symbolik und Sehnsucht aufgeladen sind. Gelingt es einer Marke, diese Unterschiede durch einen einheitlichen Werbeauftritt zu überwinden, so geht damit sicher eine Globalisierung eines bestimmten, in der Marke verankerten Lebensgefühls einher. Die Beispiele Coca-Cola und Marlboro haben verdeutlicht, inwieweit emotionale Wünsche durch die Vermarktung eines brands global befriedigt werden können, weil es sich um weltweit sehr ähnlich verankerte universelle Sehnsüchte handelt und weil die Marke bereits eine Persönlichkeit in ihrem langlebigen Produktzyklus aufgebaut hat. Obgleich sich unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert im Gegensatz zu ärmeren Ländern in der Phase des sogenannten Soft-Individualismus befindet, nimmt die Orientierungslosigkeit der Menschen parallel mit dem Prozeß der Marktübersättigung uns internationalen Standardisierung zu. Der erst kürzlich erschienene Artikel der Zeitschrift Horizont über die globalen Werbestrategien des größten Softdrinkherstellers Coca-Cola beweist, dass selbst das „ Coca-Cola- Kolonisationsimage “ der Amerikaner nun zu einem Markenimage mit nationalem Charakter umformuliert wird.

Erstmals in der Coke-Geschichte fallen bei Adaptionen des werblichen Auftritts in den jeweiligen Ländern sämtliche US-typische Symbole oder Charakteristika heraus - sie werden durch regionale Wahrzeichen des jeweiligen Landes ersetzt.30

Der Fokus liegt erstmals seit Jahrzehnten auf der Produktqualität. Dieser ungeheure kreative Aufwand der Marke Coca-Cola geht mit der Erkenntnis einher, dass das Konsumentenverhalten mehr und mehr durch die Sehnsucht nach Heimat und nationaler Identität bestimmt wird. Der neue Slogan hat den Grundstein für eine komplett veränderte Kommunikationsstrategie gelegt.

Der Grundfrage, ob Werbung und Konsum explizit Einfluß auf eine Globalisierung der Lebensstile nehmen, muss also insbesondere im 21. Jahrhundert, dem Zeitalter der Medialisierung, sehr differenziert nachgegangen werden. Die vorangestellten Prognosen aus der Werbebranche werden von Kultur- und Wirtschaftstheoretikern wie Hofstede, Levitt und Luhmann bestätigt. Hofstede stellt beispielsweise in seiner Differenzierungsthese eindeutig die lokale Adaption der internationalen Werbung in den Vordergrund. Dabei betont er, dass die teilweise sehr unterschiedlichen Marktbedingungen, die in den verschiedenen Ländern herrschen, die Entscheidung zugunsten der individuellen Konzipierung von internationaler Werbung beeinflussen. Es sind sowohl gesetzliche als auch psychologische Bestimmungen, die die Möglichkeiten internationaler Standardisierung von Werbung stark einengen.

Werberechtliche Regelungen betreffen den Zugang zu den Medien (Beschränkungen hinsichtlich der Art des Mediums, der Sendezeiten und der Darstellungsform), die Werbeobjekte selbst (z.B. Verbot der Werbung für Tabakwaren, Arzneimittel und Spirituosen), die Art der Werbeaussage (Superlative oder vergleichende Werbung) und Werbeaussagen auf Verpackungen und Produkten. Selbst wenn die Voraussetzung homogener Zielgruppen gegeben ist, erfordern die oben genannten Unterschiede in der heutigen Mediensituation und in den rechtlichen Gegebenheiten eine differenzierte Botschaftsgestaltung.31

Neben der Anpassung an die unterschiedlichen Sprachen müssen die Werbebotschaften demnach vor allem am Geschmack, an den Wünschen, Werten, Einkommen und Einstellungen der Zielgruppen unterschiedlicher Nationalität ausgerichtet sein.

Wenn man Kultur unter anderem als kollektive Programmierung des Gedankenguts bezeichnet, sozusagen als interaktive Vereinigung öffentlicher Charakteristika, die wiederum Einfluß auf die Reaktionen unterschiedlicher Lebensstilgruppen und auf deren Umwelt haben wird dies sehr deutlich. Deshalb ist meiner Meinung nach der Trend zu lokalen Trends Ausdruck des globalen Wunsches auf unterschiedliche Identitäten - eine globale Persönlichkeit kann selbst durch die Einflußkraft von Werbung und Konsum nicht erschaffen werden.

In der Praxis geht es jedoch nicht um die Entscheidung zwischen den beiden Extremen der absoluten, international standardisierten Werbung und der lokal, bzw. national adaptierten und damit differenzierten Werbung. Die weit verbreitete Annahme, dass sich die Bedürfnisse der Menschen weltweit angleichen werden konnte in der Marktforschung bisher nicht bestätigt werden. Daher folgen viele bisher sowohl global, als auch national gleichbleibend vermarkteten brands dem weit verbreiteten Slogan: „Think locally, act globally“, oder, wie es z.B. Coca- Cola, Ralph Lauren, Gordon ‘ s Gin, VW etc. tun, sogar: „Think locally and act locally“.

Sehr interessant ist dabei meiner Auffassung nach die Frage, wieviel Macht den Marken, der Werbung und kaufkräftigen Konsumenten zukommt. Die Charts32 der Hamburger Agentur Trendbüro zeigen sehr anschaulich den Groß trend zum Glokalismus33 - (um die Worte der Trendforscher zu benutzen) - die Bewegung hin zu allem Landes spezifischen oder der spezifischen Charakteristik eines Ortes in nahezu allen Lebensbereichen. Während man in der Tat nicht leugnen kann, dass sich das Konsumentenverhalten in den Metropolen dieser Welt immer ähnlicher wird, bzw. durch den beachtlichen Einfluß von Electronic Commerce stark angleicht und eine Art Lingua franca entsteht, wächst gleichzeitig der Wunsch nach Retro, nach Tradition und Heimatgefühl. Peter Robejsek hat diese kontroverse Entwicklung in seinem Beitrag in wirtschaftlicher Hinsicht betrachtet. Er konstatiert, dass man trotz der Globalisierungsthese für Geschäfts- und Produktionspraktiken eines nicht vergessen sollten:

Das ureigenste Thema jeder Ökonomie ist der Mangel. Die Wirtschaft schöpft ihre Dynamik aus den Unterschieden (z.B. aus weltweiten Kostendifferenzen, Arbeitsethos, Verbraucherverhalten, Rohstoffausstattung, Größe u.ä.). Das Zentrum ist nichts ohne die Peripherie, Reiche gehen ohne Arme unter und Mächtige brauchen Ohnmächtige.34

Diese Dialektik ökonomischer Einkommens- und Machtunterschiede stützten das gesamte System. Es stellt nach Peter Robejsek die energetische Basis dar. Doch nur ein System, dass ein Ziel anstrebt und nie ganz erreicht kann erfolgreich funktionieren. Im Bezug auf die Anhänger der Globalisierungsthese bedeutet dies, dass eine starke Angleichung im Bereich des Lebensstils, der Einstellungen, der Geschäfts- und Produktionspraktiken und nicht zu vergessen der Lebensbedingungen nicht unbedingt wünschenswert ist. Ein Trend zur globalen Angleichung wird demnach wahrscheinlich von beiden Seiten verhindert werden: von Seiten der Großunternehmer und von Seiten der verunsicherten, Heimatlosen Konsumenten selbst. Meiner Ansicht nach ist der Trend in der Werbung und parallel dazu auch im Bereich der Etablierung von globalen Lebensstilen weniger einflußreich als vielfach angenommen. Kulturelle Unterschiede werden trotz zunehmend angestrebter wirtschaftlicher Internationalisierung, einer neuen europäischen Währung, dem Euro, und dem „jet set“ Zeitalter weiterhin bestehen bleiben. Dadurch wird die Werbebranche gezwungen, ihre Kampagnen auf diese Unterschiede auszurichten, um erfolgreich sein zu können. W.F. Van Raaij geht in seinem Artikel: „Globalisation of Marketing Communication?“ sogar soweit, zu behaupten, dass eine globale Kommunikationsstrategie nicht notwendigerweise ein hohes Maß an Standardisierung impliziert.

On the contrary, even in a global campaign, cultural differences have to be seriously taken into account. The either / or or etic / emic approach is too simple. Standardisation may take place at four levels: mission, proposition, concept, and execution. Applying standardisation to mission and proposition does not mean that concept and execution should also be standardised.35

Gemeint ist, dass der Prozeß der Standardisierung zum größten Teil aus der Perspektive des Senders (Sender - Empfänger Modell) erwächst, namentlich die corporate identity und die Beständigkeit des brands auf dem globalen Markt. In einer postmodernen Welt wie unserer, mit neuen Medien wie dem Internet wäre die Sichtweise des Empfängers als Erfolgskriterium hingegen sinnvoller, denn in gesättigten Märkten gewinnen diese durch die dominante Medienpolitik mehr und mehr Einfluß. So ist Kommunikation nicht mehr ein bloßes Mittel der Informationsübertragung durch Medien einzuordnen, sondern ist für den Konsumenten zu jeder Zeit zugänglich, seinen Vorstellungen und Wünschen entsprechend.

Im Internet, dem globalen Kommunikationsmedium schlechthin, tritt der Trend zur Glokalisierung am augenfälligsten in Erscheinung. Genau dort nämlich, wo die physikalische Welt an Bedeutung verliert, suchen die Menschen geographische Orientierung. Das Heimatgefühl im sogenannten global village des Internets wächst als Ausdruck des Wunsches nach geographischer Identität dementsprechend im gleichen Maße, wie das Gefühl für Zeit und Raum schwindet. Unter dem Begriff Heimat wird in diesem Zusammenhang immer mehr der unmittelbare Mikrokosmos verstanden.

Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts „INRA“ ergab, dass die Deutschen mit Heimat vor allem einen eng umgrenzten Raum wie das Dorf oder die Stadt assoziieren (41%). Ein heimatgeschichtlicher Rückblick über 10 Jahre scheint einem Trend weg vom Nationalen, selbst vom Bundesstaatlichen, hin zur „kleinen Heimat“ der Region (früher 18%, jetzt 23%) und des Heimatortes (früher 25%, jetzt 41%) zu belegen. Fazit ist, dass man Heimat als Wurzel in einer entwurzelten Gesellschaft betrachten kann, egal, ob es sich um die Versuche globaler Werbekampagnen handelt, oder um die Analyse eventueller globaler Lebensstile..36

Bei all meinen aktuellen Reisen habe ich sehr genau auf eben diese Fragestellung nach einer möglichen Globalisierung der Lebensstile durch Werbung, bzw. einer Standardisierung der Werbung aufgrund etablierter globaler Lebensstile geachtet. Der dabei gewonnene persönliche Eindruck bestätigt jedoch weitestgehend die These, dass jedes Land, jede Nation, Region, ja jeder Kontinent ganz spezifische, individuelle Wünsche, Vorbilder und Trends besitzt, die nicht einfach in einen (globalen) Topf geworfen werden können. Nicht umsonst heißt es auch schon lange nicht mehr melting pot, sondern salad bowl, wenn man vom Nebeneinander unterschiedlichster Ethnien in einem Land redet.

[...]


1 Auf die Diskussion um eine zeitgerechte Erläuterung des allgegenwärtigen Begriffs Globalisierung, der Teil des Titels und Ausgangspunkt meiner Betrachtung ist, wird nur wenig eingegangen, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde.

2 Globalisierung und Werbung: durch weltweite Standardiserung der Marktbearbeitung soll bei dieser Strategie die Effizienz erhöht werden.

3 Pasons in Niklas Luhmann. Die Realität der Massenmedien. S. 23.

4 Luhmann unternimmt den Versuch, die Theorie des Massenmedien in seine allgemeine Theorie der modernen Gesellschaft einzuordnen. Dabei geht er davon aus, "die Massenmedien seien eines der Funktionssysteme der modernen Gesellschaft, das, wie all anderen auch, seine gesteigerte Leistungsfähigkeit der Ausdifferenzierung, der operativen Schließung und der autopoietischen Autonomie des betreffendes Systems verdankt." (Luhmann 1996) Kommunikation gilt allgemein als eine Austauschbeziehung (ausgetauscht wird Information) zwischen zwei oder mehreren Partnern und setzt Vorhandensein von Sender und Empfänger voraus. Damit die Kommunikation gelingt, müssen Sender und Empfänger einen gemeinsamen Code benutzen und beständig die Rollen wechseln. Im Falle der Massenmedien ist dies nicht oder nur sehr schwer möglich: der Rückkanal zur Interaktion mit den Empfängern fehlt. Darüber hinaus senden die Massenmedien in gewisser Weise ins Ungewisse; sie wissen nicht, wer der Kommunikationspartner auf der Empfängerseite ist. Für die Massenmedien ist es nicht leicht zu erfahren, wer ihre Kommunikationspartner sind: "der aktuell mitwirkende Adressatenkreis ist schwer bestimmbar" (Luhmann 1996). Daher werde eine eindeutige Präsenz durch Unterstellungen ersetzt.

5 Hofstede (1980) in. Raaij, Fred W..“Globalisation of marketing communication?“. In: Journal of Economic Psychology 18, 1997, 259-270, S. 259.

6 Raaij, Fred W..“Globalisation of marketing communication?“. In: Journal of Economic Psychology 18, 1997, 259-270, S. 259.

7 Der Begriff Norm wird im Duden wie folgt definiert: die; -, -en: 1a) allgemein anerkannte, als verbindlich geltende Regeln; Richtschnur, Maßstab; b) Durchschnitt; normaler, gewöhnlicher Zustand; c) vorgeschriebene Arbeitsleistung, (Leistungs)soll. 2. Sittliches Gebot od. Verbot als Grundlage der Rechtsordnung.

8 Raaij, Fred W..“Globalisation of marketing communication?“ In: Journal of Economic Psychology , 18, 1997, 259-270, S. 260.

9 Ebd. S. 263.

10 Die ersten Autoren, die sich als Befürworter der Standardisierung von Werbung hervortaten, waren Erik Elinder (1965) und Arthur Fatt (1967).

11 Vgl. Meffert u.a. 1986, S. 1.

12 Dmoch, Thomas. „Internationale Werbung. Standardisierung in Grenzen. In: Internationale Kommunikation. Eine Einführung. Opladen, 1996, S. 170.

13 Dmoch, Thomas. Internationale Werbung. Standardisierung in Grenzen. In: Internationale Kommunikation. Eine Einführung. Opladen, 1996, S. 179.

14 Coca-Cola Classic entstand, als man feststellte, daß die Veränderung der Rezeptur im Konkurrenzkampf mit Pepsi, bei den Konsumenten weitestgehend sehr negativ ankam. Der neue, süßere Geschmack von Coca-Cola sollte Pepsi übertrumpfen, doch wer schon lange Coke trank wünschte sich den ursprünglichen Geschmack und vor allem die Symbolik der Marke zurück - Coca-Cola Classic!

15 Kunde, Jasper. Corporate Religion. London 2000, p. 50.

16 Vgl. Horx, Matthias und Wippermann, Peter. Was ist Trendforschung? Düsseldorf, 1996, S. 48.

17 Als Coca-Cola auch den Chinesischen und Japanischen Markt erschließen wollte eröffneten sich ihnen viele Probleme, die natürlich stark mit den politischen und wirtschaftlichen Differenzen zwischen den USA und Asien zusammenhängen. Ein Verbot der Vermarktung und des Vertriebs amerikanischer Produkte wie: MC Donalds,

18 Robejsek, Peter. „Globalisierung - mehr als nur eine mentale Falle?“. In: EuropÄische Rundschau, 26 Jg. Nr. 4/98, Herbst, S. 101-103.

19 Dmoch, Thomas. „Internationale Werbung. Standardisierung in Grenzen.“ In: Internationale Kommunikation. Eine Einführung. S. 184.

20 Zitiert aus der beigelegten Coca-Cola Broschüre.

21 Horx , Matthias und Wippermann, Peter. Markenkult. Wie Waren zu Ikonen werden. Düsseldorf: Econ 1995, S. 36.

22 Horx , Matthias und Wippermann, Peter. Markenkult. Wie Waren zu Ikonen werden. Düsseldorf: Econ 1995, S. 37.

23 Horx , Matthias und Wippermann, Peter. Was ist Trendforschung ? Düsseldorf 1996, S. 64.

24 ebd. S. 64.

25 ebd. S. 64.

26 Cowking, Philippa, Hankinson, Graham. The Reality of global Brands. Cases and strategies for the successful management of international brands. London, 1996, S. 135.

27 Dmoch, Thomas. „Internationale Werbung. Standardisierung in Grenzen . “ In: Internationale Kommunikation. Eine Einführung, S. 181, 182. Vgl. Levitt 1983: 92 ff.

28 Vgl. Meffert/ Bolz 1991, S. 1.

29 Vgl. Berekoven 1985, S. 21 und S. 135; Meffert/ Althans 1982, S. 98.

30 Horizont. Ab sofort zÄhlt weltweit der Genuß . Jan 2000, S. 17, (vgl. beigelegte Kopie).

31 Vgl. Meffert u.a. 1986, S. 9.

32 www.trendbuero.de

33 Auch Glokalismus ist ein Trend, entwickelt sich aber mehr und mehr zu einem Lebensstil, einer Lebenseinstellung. Er birgt zwei gegensätzliche Strömungen in sich: zum einen die Konzentration auf das Lokale und Private, zum anderen die Orientierung an globalen Strukturen. Der Trend steht damit zwischen den Parametern WIR und ICH: Das lokale Element im Glokalismus schafft Individualität und damit Authentizität und hängt somit eng zusammen mit dem Heimweh Gefühl. Im Glokalismus wird die Heimat also zur wichtigsten Bezugsgröße. Die innere Verbundenheit mit den Menschen aus der Heimat weist gleichzeitig parallelen auf zum Kommunitarismus, der das Gemeinschaftliche in den Vordergrund stellt.

34 Peter Robejsek: Globalisierung - Mehr als nur eine mentale Falle? In: Europäische Rundschau 26 Jg., Nr. 4/98 Herbst, S. 105.

35 Raaij, W. F. Van. „Globalisation of Marketing Communication?“ In: Journal of Economic Psychology 18, 1997. S. 269.

36 Vgl. www.trendbuero.de: Der Grosstrend Glokalismus. Heimat im global village.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Globalisierung der Lebensstile
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Was ist Globalisierung
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
25
Katalognummer
V106531
ISBN (eBook)
9783640048106
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Globalisierung, Lebensstile, Globalisierung
Arbeit zitieren
Kristin Kaisler (Autor:in), 2000, Die Globalisierung der Lebensstile, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106531

Kommentare

  • Gast am 17.5.2005

    meinung.

    Es ist unwahrscheinlich, dass diese Arbeit tatsächlich mit einer 1 bewertet wurde!

  • Nicole Rudolf am 17.5.2005

    Kommentar.

    Die Arbeit ist etwas konfus, schlecht strukturiert, z.T. sind Rechtschreibfehler und Formfehler enthalten. Das einzige was hilft, sind die Literaturquellen. An einzelnen Stellen fehlt die Quellenangabe!

Blick ins Buch
Titel: Die Globalisierung der Lebensstile



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