War die Verurteilung Karl I. ein legaler Schritt? Die unterschiedlichen Positionen des Königs und seines Gerichts


Seminararbeit, 1997

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG

II. DER LANGE WEG ZUM SCHAFOTT
1. Die Unzufriedenheit wächst
2. Das kurze und das lange Parlament
3. Der Bürgerkrieg
4. You cannot be without me
5. Der Prozeß

III. DIE POSITION DES KÖNIGS UND DER PARLAMENTARISCHEN OPPOSITION
1. Der König hatte ein göttliches Amt
2. Die Königssalbung
3. Die Autorität des Unterhauses
4. Die Idee der Volkssouveränität
5. In welcher Zeit entwickelten sich die republikanischen Ideen in England?
6. Gab es Präzedenzfälle?

IIII. WAR DIE VERURTEILUNG DES KÖNIGS EIN LEGALER SCHRITT?

V. SCHLUßBEMERKUNG

I. Einleitung

Am 30. Januar 1649 wurde Karl I., König von England, als Tyrann und Volksfeind der Kopf abgeschlagen. Das Urteil wurde "auf offener Stra ß e vor Whitehall" vollstreckt.

In dieser Formulierung, die so in seinem Todesurteil steht, schwingt die ganze Trotzigkeit seiner Richter mit. Und wir, die Unterzeichneten des Urteils, stehen dazu! wäre der ungeschriebene Nachsatz. Der König sollte hingerichtet werden, jawohl, und nicht im geheimen, sondern öffentlich. Alle Welt sollte es sehen! Sic semper tyrannis!

Die meisten wußten: hier ging es nicht um den Menschen Karl, sondern um die Institution des Königtums: nicht dem König, der Krone sollte der Kopf abgeschlagen werden. Das Tribunal, das Karl I. verurteilte, hatte seinen ungeheuerlichen Auftrag, den Träger der Krone des Reiches aufs Schafott zu schicken, von einer entschlossenen Minderheit erhalten, die sich mit Hilfe militärischer Macht etablierte.

Karl nahm während der Gerichtsverhandlungen seinen Hut nicht ab. Das bedeutete: "Ich erkenne dieses Gericht nicht an !" Und das Gericht erkannte Karl nicht mehr als ihren Herrscher an. Das neue Prinzip der Volkssouveränität stand dem alten Gottesgnadentum unversöhnlich gegenüber.

Im Todesurteil Karl I. steht: Karl Stuart, K ö nig von England, ist des Hochverrats und anderer Staatsverbrechen beschuldigt, ü berf ü hrt und verurteilt ... und sein Kopf soll von seinem K ö rper abgetrennt werden. Karl wird selbst in seinem Hinrichtungsbefehl als "König von England" bezeichnet, ihm wurde der Titel nie genommen. Die offizielle Hinrichtung eines gesalbten Königs war historisch einmalig. Aus dem englischen Recht heraus war sie nicht zu begründen. Aus welchem Recht heraus dann?

Ich will versuchen, die Ideen ein wenig zu beleuchten, aus denen das Gericht letztendlich das Recht zur Verurteilung Karl I. ableitete, und die zur Ausfertigung jenes knappen Dokuments führten, das für Karl I. den Tod und für England die Republik bedeutete, und für Europa den Anfang einer Entwicklung kennzeichnet, an deren Ende die Abschaffung der absolutistischen Staatsgewalt stand.

Zuerst schildere ich kurz die wichtigsten Ereignisse in England während der Regentschaft Karl I., denn die parlamentarischen Standpunkte entwickelten sich im Wechselspiel der Ereignisse, während die Position des Königs statisch blieb.

Dann stelle ich die Positionen des Königs und des Parlaments vor, und erkläre, welche gedankliche Basis zugrundelag, ehe ich mir überlege, ob der Prozeß und die Verurteilung Karl I. unter bestimmten Gesichtspunkten, die noch zu bestimmen sind, legal gewesen ist.

Wegen der detaillierten und plastischen Darstellung des Königsprozesses war mir bei dieser Arbeit besonders das Buch The Trial of Charles I. von C. V. WEDGWOOD wichtig.

II. Der lange Weg zum Schafott

1. Die Unzufriedenheit wächst

Schon unter Jakob I. wurde das Parlament immer fordernder und scheute sich immer weniger, seiner Unzufriedenheit mit der königlichen Politik Luft zu machen.

Unter Karl I. mündeten parlamentarische Konflikte über die Bewilligung einzelner Steuern in Auseinandersetzungen über das Steuerbewilligungsrecht, und der Streit um die Parlamentsprivilegien steigerte sich zur Diskussion um die Position in der Verfassung.

Karl I. war, wie schon sein Vater, auf Parlamente angewiesen, denn die ordentlichen königlichen Einnahmen aus Zöllen, Feudalrechten und dem Kronland reichten bei weitem nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu decken. Obendrein bestanden noch Staatsschulden aus elisabethanischer Zeit. Die Parlamente bewilligten zwar meistens Geld, aber nie genug. Und erneute Geldforderungen wurden stets an Bedingungen und Rechte geknüpft, z. B. die teilweise Kontrolle der Staatsfinanzen, oder die Anprangerung von Mißständen bei Hof. 1629 spitzte sich der Konflikt zu. Karl I. wurde in der PROTESTATION OF THE COMMONS als potentieller Staatsfeind bezeichnet: Whosoever shall bring in innovation of religion ... or shall counsel the taking of the subsidies of tonnage and poundage, not being granted by Parliament ... shall be ... reputed ... a capital enemy to the Kingdom and Commonwealth. Wütend und erschrocken löste Karl das Parlament auf. Weitere Einmischungen in seine königlichen Prärogativen, (die einen großen Ermessensspielraum zulassen) wollte er nicht dulden. Die folgenden 11 Jahre berief der König kein Parlament mehr ein. Er zapfte Geldquellen an, die zwar größtenteils unabhängig von einer parlamentarischen Bewilligung waren, ihn aber die Sympathie wichtiger Bevölkerungsgruppen kosteten: er verkaufte in Mengen Adelstitel und brüskierte den alten Erbadel. Er brachte die Londoner City gegen sich auf, indem er hemmungslos Monopole vergab und damit ältere Rechte von Kaufleuten und Kapitalgesellschaften beschnitt. Er erhob das sog. Schiffsgeld plötzlich im ganzen Land, das ursprünglich eine Abgabe nur der Hafenstädte gegen die Piraten gewesen war. Ferner "überredete" er wohlhabende Bürger, ihm Geld zu leihen. Erzbischof Laud und Graf Strafford, die rechte und die linke Hand des Königs, zwei energische Männer, unterstützten den König so gut sie konnten, der eine in geistlicher, der andere in weltlicher Hinsicht. Laud machte sich und dem König alle Menschen puritanischer Einstellung zu Feinden, die er mit Berufsverboten und Ausweisungen traktierte. Viele Puritaner flüchteten sich in die Neue Welt.

Mit einem Wort: im Laufe der Zeit wurden viele Menschen unzufrieden. Das wäre ohne Wirkung geblieben, wenn es sich um ärmere Leute ohne Einfluß gehandelt hätte. Aber es handelte sich größtenteils um wohlhabendere Menschen der Mittel- und Oberklasse, der Gentry, um reiche Bauern, Kaufleute, Juristen, Reeder, und unzufriedene Angehörige des Hochadels. Und das war verhängnisvoll, denn all diese Menschen waren politisch ambitioniert. Parlamente setzten sich aus genau diesen Bevölkerungsgruppen zusammen. Aber noch gab es kein Parlament, noch war es nicht einberufen. Noch hatte die Unzufriedenheit kein Ventil, konnte sich der Widerstand nicht sammeln.

2. Das kurze und das lange Parlament

William Laud war ein entschiedener Förderer der englischen Staatskirche, und somit ein entschiedener Verfechter der königlichen Autoritätspolitik. Gemeinsam mit Karl heckte er den Plan aus, das anglikanische Kirchensystem auf Schottland auszudehnen. Ad maiorem dei gloriam. Aber auch ein hervorragendes Mittel, um verstärkten Einfluß auf die widerspenstigen schottischen Untertanen zu gewinnen. 1637 wollte man mit der Neueinführung eines abgeänderten Gebetsbuches beginnen. Die Presbyterianer fürchteten um ihre Autonomie. Die schottischen Adligen fürchteten um große Ländereien, die einst in Kirchenbesitz waren und von ihnen nun wieder herausgegeben werden sollten.

Ein Sturm erfaßte ganz Schottland und fegte alles vor sich her, was an "papistischen Neuerungen" bislang eingeführt worden war, z. B. das Episkopat1. Eine derartige Widerspenstigkeit hatte Karl nicht erwartet. Er würde gegen die Schotten Krieg führen müssen! Aber wie? Geld hatte er ja keines.

Im April 1640 wurde ein neues Parlament eröffnet. Das Parlament knüpfte die Bewilligung von Geldern an Bedingungen. Bedingungen! Das war für Karl nicht akzeptabel. Karl schickte das Parlament nach Hause. Konnte er ohne parlamentarische Hilfe Krieg gegen die Schotten führen? Karl beriet sich. Strafford riet zu, er würde aus Irland 8.000 Mann zur Verfügung stellen.

Die Schotten kamen dem König zuvor und marschierten in Nordengland ein. Sie besetzten Newcastle. Karl war am Ende. Er war, wie man heute sagt, "politisch erledigt". Während Karl noch fassungslos die Situation überdachte, verhandelten seine Gegner schon mit den Schotten. Sie wußten, daß ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als ein neues Parlament einzuberufen. Das wußten sie deshalb so genau, weil sie die Schotten überredet hatten, mit Karl gegen Zahlung von 40.000 £ monatlich Frieden zu schließen, eine Summe, für die er das Parlament unbedingt brauchte. Wie vorgesehen, berief Karl ein neues Parlament ein.

Es sollte sein letztes sein. Zum ersten Mal gab es einen richtigen Wahlkampf. 3/5 der Mitglieder des vorigen Parlaments wurden wiedergewählt. Aber auch die neugewählten Mitglieder gehörten vorwiegend der Oppositionspartei an. Anfang November 1640 war Parlamentseröffnung.

Wenige Monate später war die Struktur des Staates von Grund auf verändert. Die Sternenkammer und die Hohe Kommission, Karls geistliches und weltliches Sondergericht, mit denen er seine Interessen bisher durchgesetzt hatte, waren abgeschafft. Stattdessen war ein "Sicherheitsausschuß" unter John Pym eingerichtet, dem radikalsten und eloquentesten der Abgeordneten. Sein Freund und wichtigster Berater Strafford: hingerichtet. Karl hätte es verhindern können, ja, er hätte es verhindern müssen, Strafford war ja unschuldig, und er hatte ihm sein Ehrenwort gegeben. Was gilt das Ehrenwort eines Königs? Dieser Gedanke läßt Karl sein Leben lang nicht mehr los. Das Parlament tagte noch. Es würde auch ohne ihn tagen, denn Karl hatte sein Recht preisgegeben, es aufzulösen. Mit jedem neuen Gesetz, das man ihm vorlegte, hatte er gehofft, seine Handlungsfreiheit zurückzugewinnen. Aber das Parlament forderte immer mehr. Wohin sollte das führen? Karl wußte es nicht. Er wußte nur eines: er würde den Oberbefehl über die Streitkräfte nicht auch noch dem Parlament übertragen, wie es von ihm gefordert wurde. Es war Zeit, London zu verlassen. Die Stadt hatte sich gegen ihn gewandt. Seine Frau begann sich bereits unsicher zu fühlen, er würde sie vielleicht nach Frankreich schicken.

3. Der Bürgerkrieg

Kurze Zeit später begann der Bürgerkrieg.

Die königlichen Heere standen gegen die Heere des Parlaments. Auch die Unentschlossenen mußten nun Farbe bekennen. Allerdings hätte die Mehrzahl der Engländer es vorgezogen, sich nicht entscheiden zu müssen. In einigen Grafschaften schlossen Anhänger des Parlaments und Royalisten, Puritaner und Anglikaner Neutralitätsabkommen. In dieser Situation bekam Karl noch einmal großen Zulauf von Leuten, denen der Kurs des Parlaments zu radikal geworden war, und die Angst vor einer kommenden Anarchie hatten, oder die den König einfach für das kleinere Übel hielten. Der König nahm sie alle dankbar auf, er brauchte jeden Mann.

Das Schlachtenglück wogte hin und her. Es sah zeitweise gar nicht so unglücklich aus für die "Kavaliere" des Königs. Was dem König letztlich zum Verhängnis wurde, waren drei Dinge: chronischer Geldmangel (seine Frau Henrietta Maria verkaufte sogar ihren Familienschmuck)2, das Bündnis des Parlaments mit den Schotten, und das Aufsteigen von Oliver Cromwell. Cromwells "New Model Army" gewann 1944 (zusammen mit den Schotten) bei Marston Moor die Schlacht, 1645 bei Naseby den Krieg.

Karl ergab sich den Schotten, die ihn an das Parlament verschacherten.

4. You cannot be without me

Der König war gefangen und besiegt, aber nicht ohne Macht. Seine Gegner waren weiterhin auf ihn angewiesen. Zumindest Karl konnte sich nichts anderes vorstellen: You cannot be without me, sagte Karl zu einem Offizier bei seiner Gefangennahme. Er wollte deshalb niemandem Zugeständnisse machen, sondern Zeit gewinnen. Er stand mit den Schotten und Frankreich in Verhandlungen, aber auch mit der Armee - die inzwischen ein ganz eigener Machtfaktor geworden war - und dem Parlament. Er wollte sie alle austricksen. Die Unzuverlässigkeit des Königs in Verhandlungsdingen ließ auch Freunde von ihm verzweifeln.

Das Parlament spaltete sich in die Independenten und die Presbyterianer. Zwischen ihnen gab es zunächst nur Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Kirchenverfassung an Stelle des alten Episkopalsystems treten sollte. Seit Anfang 1647 bildeten die Presbyterianer die Mehrheit, angeführt von Denzil Holles. Er war dafür, die Armee zu verkleinern. Wozu brauchte man sie noch?

Aber nun trumpfte die Armee auf! Soldatenräte wurden gewählt, deren Vertreter, die agitators, mit dem Parlament verhandelten. Die Independenten standen auf Seiten der Armee. Die Presbyterianer staunten. Was hatte das zu bedeuten? Was bildete sich die Armee ein? Wer glaubte sie, daß sie wäre? Die Antwort kam prompt: Die Armee ist die Besch ü tzerin der Rechte und Freiheiten des Volkes!3

Nun war in London der Teufel los. Es gab Aufstände, die Lehrlinge stürmten das Parlament. Die Gegenrevolution war da! Die Independenten flüchteten zur Armee, die den König währenddessen in ihre Gewalt gebracht hatte und ihm eigene Forderungen präsentierte. Am 4. August war der Spuk zu Ende. Militärische Einheiten besetzten London und sorgten für Ruhe. Inzwischen bereitete der König eine schlecht organisierte Flucht vor. Man erkannte und stellte ihn auf der Insel Wight. Nun war er dort gefangen! Aber die Lage sah für den König plötzlich hoffnungsvoll aus, seine konspirative Verhandlungstaktik schien nun Früchte zu tragen! Im ganzen Lande brachen royalistische Aufstände aus, und die Schotten waren mit dem König. Im Juli 1648 brachen sie in Nordengland ein. Viele militärische Führer hatten London bereits verlassen, um die Schotten zu bekämpfen oder um Aufstände niederzuwerfen. Dadurch leerte sich das Parlament, und die Presbyterianer erlangten die parlamentarische Mehrheit und wollten verhandeln. Der König frohlockte: es bestand Hoffnung! In totaler Verkennung der Situation spielte er erneut auf Zeit. Jeder Tag schien seine Position zu befestigen. Nur sich jetzt nichts vorschnell abringen lassen! Vertragsentwürfe wanderten vom Parlament zum König und zurück, aber der König war mit nichts einverstanden.

Da brach die ganze Hoffnung wie ein Kartenhaus zusammen. Cromwell schlug die Schotten im Norden. General Fairfax und Henry Ireton hatten die royalistischen Erhebungen im Westen niedergeschlagen und waren bereits auf dem Weg nach London. Am 1. Dezember 1648 wurde die Insel Wight von Militär besetzt. Am folgenden Tag wurde Karl weggeschafft in Richtung London. Die Armee richtete eine Beschwerdeschrift an das Parlament. Die eigenmächtigen Verhandlungen wären unrechtens gewesen, hieß es in der Beschwerde. Das Parlament stellte sich taub. Da griff die Armee zu einer verzweifelten Maßnahme: sie blockierte am 6. Dezember den Eingang zum Parlament und ließ nur die Abgeordneten passieren, die ihr genehm waren, der Rest - überwiegend Presbyterianer - wurde ausgeschlossen. Das Parlament war im Sinne der Armee "gesäubert".

Mit dem übriggebliebenen "Rumpfparlament" beabsichtigte die Armee, ihre weiteren Ziele durchzusetzen. Was für Ziele waren das? Es war nicht ganz klar. Ein Armeerat kam zusammen und tagte. Man war uneins. Es wurde in der größten Ratlosigkeit sogar eine Frau namens Elisabeth Pool zugezogen, die - so ähnlich wie Jeanne d'Arc - göttliche Botschaften zu empfangen glaubte. Aber zur brenzligsten Frage, was nämlich mit dem König geschehen solle, äußerte auch sie sich leider nur dunkel. Immerhin hatte man sich auf einen Prozeß geeinigt. Der König sollte zur Verantwortung gezogen werden.

5. Der Prozeß

Am 6. Januar war es amtlich: das Unterhaus verkündete den Königsprozeß. Zuvor hatte es das Oberhaus - es hatte nur noch 6 Mitglieder - von allem Mitspracherecht "entbunden".

Die Zusammenstellung des Gerichtshofes erwies sich als schwierig. Viele Juristen wollten sich "die Hände nicht schmutzig machen" und winkten dankend ab. Andere sagten erst einmal zu und glänzten später durch Nichtanwesenheit, als sie merkten, daß ihnen keine ernsthaften Nachteile drohen würden. Immerhin wurden erst einmal 135 Richter zusammengetrommelt. Nicht allen eilte ein guter Ruf voraus, denn man mußte auch mit zweifelhaften Charakteren vorlieb nehmen.4 Da viele Namen nur auf dem Papier standen, wurde die Beschlußfähigkeit extrem niedrig auf 20 Mann angesetzt.

Die theoretischen Schwierigkeiten waren groß. Im englischen Recht ging alle richterliche Gewalt vom König aus. Den König aber in seinem eigenen Namen anzuklagen, war absurd. Der Königsweg hieß Volkssouveränität. Denn, so hieß es in einer Erklärung, das Volk sei die Quelle aller gerechten Gewalt, und das Parlament repräsentiere das Volk. Der König würde also im Namen des Volkes angeklagt werden. Aber der König würde das Gericht nicht anerkennen, und zur Anklage wolle er sich auch nicht äußern, das hatte er schon zu verstehen gegeben. Wenn sich der König aber nicht verteidigen würde, könnte eine Verhandlung eigentlich gar nicht weitergeführt werden. Bisher wurde in so einem Fall der Angeklagte automatisch schuldig gesprochen. So wollte man den Prozeß aber nicht führen, denn es sollte eine lange, schöne Verhandlung mit vielen Zeugen geben, die den König ins Unrecht setzen würden. Ein Problem, das vorerst nicht zu lösen war. Das praktisch nicht mehr existente Oberhaus stellte ein weiteres Problem dar. Es widersprach völlig dem Althergebrachten.

Trotz beträchtlicher Schwierigkeiten begann der Prozeß am 20. Januar 1649 in Westminster Hall. Intern hatte man mittlerweile den Tod des Königs schon beschlossen. Man klagte den König des Machtmißbrauchs und der Verräterei gegen sein Volk an. Er habe sich gegen das allgemeine Recht, die Freiheit und den Frieden vergangen. Auch sei er für alle Kriegstoten und Kriegsschäden verantwortlich. Mithin sei er ein Tyrann, Verräter und Mörder und ein Feind der englischen Nation.

Zum Schrecken des Gerichts entwickelte Karl, der als unbegabter Redner galt, plötzlich Eloquenz:

"Ich bin Ihr gesetzm äß iger K ö nig ... Im Namen welcher gesetzlichen Autorit ä t bin ich hier? Ich meine gesetzlich! Ungesetzliche Autorit ä ten gibt es ja viele auf der Welt, Diebe und Stra ß enr ä uber zum Beispiel!"

Cook (Generalstaatsanwalt): "Im Namen des englischen Volkes, dessen gew ä hlter K ö nig Sie sind!"

Karl: "England ist seit mehr als tausend Jahren Erbk ö nigtum! ... Zeigen Sie mir eine von Gott, der Heiligen Schrift oder der Verfassung dieses K ö nigreiches abgeleitete Autorit ä t, und ich werde Ihnen antworten!"

Bradshaw (Gerichtspräsident): "Es steht Ihnen nicht zu, das Gericht zu befragen. Wollen sie jetzt auf die Anklage antworten oder nicht?"

Karl: "Sie haben keine rechtm äß ige Autorit ä t benannt, um einen vern ü nftigen Menschen zufriedenzustellen."

Bradshaw: "Das ist Ihre Meinung, Sir; wir, Ihre Richter, f ü hlen uns dazu berechtigt." Karl: "Weder meine noch Ihre Meinung sollte dar ü ber entscheiden."5

Die unerwartete Beredsamkeit des Königs wurde so unangenehm, daß die Sitzung vertagt wurde. Wie befürchtet, weigerte sich Karl während der folgenden Sitzungen, sich als "schuldig" oder "unschuldig" zu bezeichnen und damit das Gericht anzuerkennen. Das Gericht sah sich ärgerlicherweise gezwungen, das als Schuldanerkenntnis zu werten. Somit wurde das Verfahren beschleunigt, aber die Chance, Belastungszeugen aufmarschieren zu lassen, war vertan.

Der gesamte Prozeß lief nicht so, wie die Gegner des Königs es sich erhofft hatten. Der König wurde respektlos behandelt, man fuhr ihm oft mitten ins Wort und hinderte ihn am Weiterreden. Noch dazu waren die Argumente des Königs juristisch einleuchtend. Am letzten Tag war es dem König nach der Urteilsverkündung noch nicht einmal gestattet, ein letztes Mal zu sprechen, und wurde fast mit Gewalt abgeführt. Das alles warf kein besonders gutes Licht auf das Gericht - der Prozeß war öffentlich - wohingegen der König während des ganzen Prozesses ein Bild ruhiger Gefaßtheit bot.

Am 26. Januar wurde das Todesurteil gegen Karl I. verkündet, am 29. Januar vollstreckt.

III. Die Position des Königs und der parlamentarischen Opposition

1. Der König hatte ein göttliches Amt

Karl I. war von seiner eigenen Rechtmäßigkeit vor allem deshalb überzeugt, weil er als gesalbter König in dieses Amt gesetzt war. Es war somit ein göttliches Amt.

Er war überzeugt, daß Gott ihm die oberste Autorität im Reich verliehen habe. Schon seine Tudor-Vorfahren hatten so eine Autorität ausgeübt, und die Geschichte stand auf seiner Seite. Weil er glaubte, die politische Macht des Monarchen sei göttlich verfügt, hielt er es für eine schwere Sünde, auch nur einen Teil davon preiszugeben. Er war eher bereit, Freiheit und Leben von sich und anderen aufs Spiel zu setzen, als zuzulassen, daß die geheiligte Autorität des Herrschers beeinträchtigt wurde. Was er von Gott empfangen hatte, mußte er auch so an seinen Sohn weitergeben. Karls göttliche Autorität gründet sich auf die Salbung. Was hatte es damit auf sich?

2. Die Königssalbung

Vorbild der Königssalbung ist das Alte Testament: Propheten, Priester und Könige wurden mit Öl gesalbt, z. B. DAVID und SAUL. Hintergrund ist die Vorstellung, daß durch die Salbung ein Vasallitätsverhältnis hergestellt wird, d. h., der König ist von Gott (als dem höchsten König) mit der Macht betraut. Gleichzeitig wird an Jesus Christus erinnert, der auch Messias (hebräisch, = Gesalbter)6 heißt.

PIPPIN DER JÜNGERE ließ sich im Jahre 751 in Soissons salben: es handelte sich um die erste Salbung des christlichen Mittelalters.7 Pippin stand vor besonderen Legitimitätsproblemen8 und stimmte sein Vorgehen mit dem Papst ab.

Das Ritual der Salbung, das nach Pippin beibehalten wurde, machte mit seinen Anspielungen auf das Alte Testament klar, daß es sich bei der Erhebung des neuen Herrschers um einen unmittelbaren Herrschaftsauftrag Gottes handelte. Die Salbung machte den christlichen König somit zum Christus Domini, zum Gesalbten des Herrn.

3. Die Autorität des Unterhauses

Das englische Unterhaus erkannte während des Prozesses den König nicht mehr als oberste Autorität im Lande an. Wenn es der König nicht war, wer war es dann? Die Antwort gab sich das Unterhaus am 4. Januar 1649 selber. Es beschloß, daß sie, die Commons, selbst die höchste Autorität seien. Sie argumentierten, daß der Ursprung aller Gewalt im Volke liege, daher stehe ihnen die höchste Gewalt zu, da sie vom Volk gewählt seien und es repräsentierten. Es war die Idee der Volkssouveränität und der Republik. Diese Ideen waren keine Erfindung des Unterhauses, sie hatten ihre Wurzeln schon in der Antike. In der Renaissance und in der frühen Neuzeit griffen verschiedene Denker diese Gedanken wieder auf und entwickelten sie weiter, wobei der Tyrannenmord in ihren Überlegungen vorkam.

4. Die Idee der Volkssouveränität

Schon MACHIAVELLI (1469 - 1527.) schreibt, daß es, um einer guten Sache willen, in der Politik Situationen gäbe, wo der Zweck die Mittel heilige. Er ist der Erfinder der "Staatsräson". Machiavelli machte keinen Hehl daraus, daß die Republik für ihn die verhältnismäßig beste Staatsform sei. Allerdings glaubte er nicht, daß dem Staat ein Gesellschaftsvertrag freier, gleicher und ethisch verantwortlicher Menschen zugrunde liege.

JEAN BODINS (1530 - 1596) Idealstaat ist nicht die Republik, sondern die Monarchie. In ihr hat der Souverän zwar alle Befehlsgewalt, aber er ist an ein natürliches und göttliches Recht gebunden. Jean Bodin verneint die Gehorsamspflicht der Untertanen, wenn der Fürst gegen Gott und die Natur handele.

Der Puritaner JOHANNES ALTHUSIUS (1557 - 1638) führt aus, daß das Volk der Inhaber des Majestätsrechts sei, da es auf Grund der ursprünglichen Freiheit und Gleichheit irgendwann zur Bildung eines Gesellschaftsvertrages (der evtl. stillschweigend geschlossen wurde) gekommen sei. Das Volk behalte auf jeden Fall das Herrschaftsrecht, ob es sich nun um eine Demokratie, eine Aristokratie oder um eine Monarchie handele. Deshalb seien alle Gewalten dem Volkswillen verantwortlich, und ein pflichtvergessener Fürst könne verjagt und hingerichtet werden.

ALBERTIUS GENTILIS (1552 - 1608) lehrt, daß es gerechte Kriege gäbe. Ein Krieg sei dann gerecht, wenn man sich gegen Verletzungen des natürlichen Rechtszustandes verteidige. Was ist ein natürlicher Rechtszustand?

HUGO GROTIUS (1583 - 1645) erklärt, daß ein unveränderliches Naturrecht den Kern aller Rechtssysteme bilde, so verschieden diese auch sein mögen. Auch Hugo Grotius geht von einem Gesellschaftsvertrag aus, der die Grundvoraussetzung allen Rechts darstellt, und daß der Staat somit durch den Willen der einzelnen entsteht. Daher könne das Recht des einzelnen gegenüber der Gesellschaft auch nie verschwinden. Somit sei das Volk als ganzes Souverän, wenn es seine Souveränität auch auf Fürsten übertragen könne.

Somit war das Denkgerüst für einige radikalere Philosophen vorbereitet, die sog. MONARCHOMACHEN. Sie gehen gedanklich schon von der Volkssouveränität als Basis ihrer Überlegungen aus. Ihnen gemeinsam ist die Abneigung gegen jede monarchische Zentralgewalt. In der "Brutus-Schrift"9 rufen der schottische Presbyterianer GEORGE BUCHANAN (1506 -1582) und die französischen Hugenotten FRANÇOIS HOTMANN (1524 - 1590) und HUBERT LANGUET (1518 - 1621) nicht allein zum Widerstand, sondern indirekt sogar zum Tyrannenmord auf. Auch der spanische Jesuit JUAN DE MARIANA (1536 - 1624) verteidigt in einer damals berühmten Schrift das Recht zum Königsmord10.

5. In welcher Zeit entwickelten sich die republikanischen Ideen in England?

Den Gebildeten waren derlei Betrachtungen seit langem bekannt. Allerdings galt es in England vor 1640 als unfein, sich allzusehr damit zu beschäftigen. Einige Schriften gab es auch nur unter dem Ladentisch; sie unterlagen der Zensur. Das änderte sich zur Zeit des langen Parlaments, und je größer der Gegensatz König-Parlament wurde, desto entschiedener sah man sich genötigt, sich mit diesem schon recht revolutionären Gedankengut auseinanderzusetzen.

Bei den Schotten gehörte ein Teil dieser Gedanken allerdings seit langem quasi zum guten Ton dazu. John Knox (1505 - 1572), ihr unduldsamer und autoritätsfeindlicher Begründer der schottischen Nationalkirche, forderte in seinen Predigten und Schriften jedem gegenüber alle Unnachgiebigkeit und Härte, der dem Wort Gottes zuwiderhandelt, insbesondere, wenn es sich um einen Monarchen handele.11

Im Bürgerkrieg und infolge der Bündnisnähe zu Schottland fanden presbyterianische Gedanken auch in England großen Anklang, und ab 1647 bestand die Hälfte der Parlamentsmitglieder aus Presbyterianern. Die Presbyterianer betonten zwar das Recht zum Widerstand, aber eine Republik konnten sie sich nicht vorstellen. Deshalb wurden sie 1648 von den "fortschrittlicheren" Independenten im Parlament verdrängt.

Das Parlament machte sich die weiter oben ausgeführten Einstellungen zur Republik und zum Widerstand innerhalb kurzer Zeit zu eigen. Die Prediger sorgten dafür, daß diese Gedanken so schnell wie möglich in die Gemeinde kamen. Der Armeerat, der ab Ende 1648 tagte, war nicht nur eine militärische Instanz, sondern auch eine moralische. Er war auch eine Art Gedankenzentrale, die unter dem Druck der Ereignisse in Windeseile revolutionäre Ideen auf eine moralische und ethische Grundlage stellte.

6. Gab es Präzedenzfälle?

Der Prozeß gegen Karl I. war ein politischer Schauprozeß. Er verlief zwar nicht so, wie die Gegner des Königs es sich erhofft hatten, aber der Anschein der Rechtlichkeit war gewahrt geblieben. Besonders Oliver Cromwell legte auf diesen Anschein größten Wert. Er und andere hatten vor dem unlösbaren Problem gestanden, ein völlig neuartiges Verfahren mit dem englischen Recht in Einklang zu bringen, einem Recht, daß auf Präzedenzfallen fußte. Gab es Präzedenzfälle?

Es kam vor, daß in England Könige abgesetzt und ermordet wurden. Eduard II. wurde 1327 erst gefangengenommen, dann abgesetzt, zum Thronverzicht gezwungen und schließlich wahrscheinlich zu Tode gefoltert. Treibende Kraft bei dieser Aktion war seine Ehefrau. Die Absetzung wurde vom Parlament ausgesprochen; die Ermordung geschah heimlich.12 Auch RICHARD II. ist vom Parlament (hinter dem allerdings eine Adelspartei um Heinrich Bolingbroke stand) abgesetzt und zur Abdankung gezwungen worden (1399). Er starb in der Gefangenschaft. HEINRICH VI. wurde - im Zuge der ausklingenden Rosenkriege - ebenfalls vom Parlament abgesetzt, nachdem man ihn vorher des Verrats angeklagt hatte (1461). Man brachte ihn 10 Jahre später in der Haft um. Das jüngste Beispiel war MARIA STUART, sie wurde 1587 förmlich des Hochverrats angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihr Fall ist aber schlecht geeignet, um als Beispiel zu dienen, zum einen weil sie eine schottische Königin gewesen war und zum anderen weil Elisabeth I. Zeit ihres Lebens behauptet hat, es habe sich bei ihrer Hinrichtung um einen tragischen Irrtum gehandelt, der ohne ihre Zustimmung stattgefunden hätte.

Die Absetzung Eduard II., Richard II. und Heinrich VI. taugt insofern als Präzedenzfall, als daß man ihnen vorgeworfen hatte, ihren Krönungseid gebrochen zu haben. Dann wurden allen drei Königen der Prozeß gemacht, bevor das Parlament sie absetzte. Aber hier hören die Parallelen auf: Karl I. ist nicht abgesetzt worden. Außerdem wurde außer Maria Stuart kein König bisher zum Tode verurteilt Aber Maria Stuarts Fall liegt auch hier verschieden: immerhin stand ihr mit Elisabeth eine gleichberechtigte Königin gegenüber.13

Abschließend läßt sich vielleicht sagen, daß die Präzedenz bei Eduard II., Richard II. und Heinrich VI. darin besteht, daß ihnen ein Prozeß gemacht wurde, und daß die Vorwurfsrichtung jeweils die gleiche war (Verrat am Volk, Krönungseid gebrochen). Die Vorwürfe in Maria Stuarts Falle zielten in eine ganz andere Richtung, da man sie ja des Hochverrats an Elisabeth anklagte. Die Tatsache ihrer Hinrichtung allerdings kann eventuell als Musterfall dienen, aber eben nicht die Rechtfertigung dafür.

IIII. War die Verurteilung des Königs ein legaler Schritt?

Wenn das Gericht nicht den Anspruch gehabt hätte, Karl im Rahmen des Common Law zu verurteilen, sondern zugegeben hätte, daß die Verfahrensweise der Gerichtsführung neuartig gewesen ist, hätten zwei - im Prinzip gleichwertige - Rechtssysteme und zwei Verfassungen nebeneinander gestanden - die eine alt, die andere eben neu. Dann hätte sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verfahrens kaum gestellt, denn man hätte höchstens moralisch-ethische, kaum aber juristische oder staatsrechtliche Maßstäbe anlegen können.

Das ist aber nicht geschehen. Karl I. sollte unbedingt auch im Rahmen des Althergebrachten, des Common Law, verurteilt werden. So mußte sich das Neue am Alten messen lassen, und schnitt dabei nicht so gut ab.

Traditionsgemäß war der König die Quelle allen Rechts. Außerdem stand hinter ihm das göttliche Recht, dessen Treuhänder auf Erden er gewissermaßen war. Trotzdem war die königliche Rechtsbefugnis nicht total schrankenlos, der englische Jurist HENRICUS BRACTON14 formulierte es so: debet rex sub legem esse. Im täglichen Leben entsprach das der Bindung des Königs an das Parlament.

Man hatte also das Gefühl, daß der König nicht im rechtsfreien Raum stand - wie beispielsweise Gott -, sondern auf eine ungenau bestimmte Art im Recht miteingeschlossen war. Er stand also nicht außerhalb jeder Norm.

Ein andere Grundsatz im englischen Recht besagt, daß nur Gleiche oder Höhergestellte über eine Person zu Gericht sitzen können. Für einen englischen König wäre also vor Gericht (mindestens) ein englischer König nötig gewesen, ein bizarrer Fall - allenfalls vorstellbar bei einer Doppelregentschaft, oder im schizophrenen Fall, daß der König sich selbst anklagen würde. Das Gericht hat sich aus dieser Klemme herausgewunden, indem es von sich behauptete, es vertrete über das Parlament das englische Volk15, wobei das englische Volk noch vor dem König die höchste Autorität innehabe.

Das Gericht konnte auf wenigstens drei Königsprozesse in der englischen Geschichte zurückblicken. Es gab also Präzedenzfälle, wenn die Legitimität dieser Prozesse auch vielleicht anfechtbar ist. Bei diesen Prozessen wurde der König stets abgesetzt.

Karl I. wurde vorgeworfen, daß er ein Verräter, Volksfeind und Tyrann sei. Daß er seine Macht mißbraucht und sein Volk in den Krieg geführt habe. Darüber kann man gewiß lange diskutieren, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Tatsache war, daß die königliche Machtbefugnis keine klaren Grenzen hatte. Anzunehmen war zwar, daß es irgendwo Grenzen gab ("debet rex sub legem esse"), aber festgesetzt waren sie nicht. Oder doch?

Der König war im feudalen Recht oberster Lehensherr. Man konnte sich und seine Habe freiwillig unter die Schutzherrschaft des Königs stellen (commendatio). Oder der König gab königliche Güter zu Lehen und Nutzung und durfte dafür vom Vasallen Gefolgschaft und Treue erwarteten (beneficium). Die Treueverpflichtung war aber in beiden Fällen gegenseitig.

Die feudalen Pflichten des Vasallen waren Gefolgschaft und Treue, außerdem mußte er dem König sozusagen mit Rat und Tat (consilium et auxilium) beiseitestehen.

Die feudale Pflicht des Königs war: Schutz. Er war verpflichtet, seinen Vasallen Schutz und Rechtssicherheit zu gewähren. Wenn der Lehensherr seinen Pflichten nicht nachkam, war das Felonie, Lehensuntreue. Dann konnte der Lehensvertrag und somit das Treueverhältnis gelöst werden.

Zusammenfassend könnte man sagen, daß der Prozeß an sich und Teile der Anklage durch das Common Law abgedeckt waren.. Das Urteil - die Todesstrafe - sprengte jedoch mit Sicherheit den Rahmen des Althergebrachten. Man hätte Karl I. äußerstenfalls seinen Titel aberkennen können, das hatte man ja auch in den drei vorangegangenen Königsprozessen getan. Es stünde auch in Übereinstimmung zum feudalen Recht. Das Todesurteil steht weder in Übereinstimmung zum Common Law noch zum feudalen Recht. Der Prozeß gegen Karl I. war legal. Das Urteil war illegal.

V. Schlußbemerkung

Man muß den Führern der "Englischen Revolution" wie etwa Oliver Cromwell, Thomas Harrison, John Bradshaw und Henry Ireton zugutehalten, daß sie sich die Sache nicht leicht gemacht hatten. Von Oliver Cromwell weiß man, daß er sich oft in schweren Gewissensnöten befand. Er war ein Mann mit hohen ethischen und moralischen Ansprüchen an sich selbst, und mit dem Gefühl, vor Gott bestehen zu müssen. Cromwells Glauben konnte sich zum unnachsichtigen religiösen Fanatismus steigern, der ihn als den leibhaftigen Unmenschen erschienen ließ, so bei der Niederschlagung der Irländer.

Auf der anderen Seite plädierten er und andere für Toleranz im religiösen und politischen Bereich. Ausgesprochene Unrechtsurteile, religiös oder politisch motivierte Verfolgungen oder Hinrichtungen kamen auch nach dem Tod Karl I. in England kaum vor.

Diesen trotz alledem durchaus ehrenvollen Leuten ist es zu verdanken, daß aus der "Englischen Revolution" kein blutiges Gemetzel wurde, und auch kein rigider, freudloser, mit eiserner Hand regierter Gottesstaat nach Genfer Vorbild. Es gab genug Leute, die genau das wollten.

Die Französische Revolution hätte sich glücklich schätzen können, wenn ihr solche Männer zur Verfügung gestanden hätten.

Death Warrant of Charles I.16

At the high court of Justice for the tryinge and iudginge of Charles Steuart Kinge of England Janurary XXIXth Anno Dni 1648

Whereas Charles Steuart kinge of England is and standeth convicted attaynted and condemned of High Treason and other high Crymes, And Sentence upon Saturday last was pronounced against him by this Court to be putt to death by the severinge of his head from his body Of wch sentence execution yet remayneth to be done, These are therefore to will and require you to see the said sentence executed In the open Streete before Whitehall uppon the morrowe being the Thirtieth day of this instanth moneth of January betweene the houres of Tenn in the morninge and Five in the afternoone of the same day wth full effect And for soe doing this shall be yor sufficient warrant And these are to require All Officers and Souldiers and other the good people of this Nation of England to be assistinge unto you in this Service Given under our hands ans Seales

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Das (rechtlich stark geschmälerte) Episkopat hatte bereits Jakob I. wiedereingeführt

2 Im Gegensatz zum König verfügte das Parlament über beträchtliche Geldmittel. Es verfügte über das Instrumentarium zum Steuereinzug, und hinter dem Parlament stand die City - und die zeigte sich vorerst spendabel.

3 "... we are not a mere mercenary army, ... but called forth ... to the defence of our own and the people's just rights and liberties". Representation of the army, 14. Juli 1647

4 C. V. Wedgewood: The trial of Charles I, S. 100

5 frei übersetzt aus C. V. Wedgwood: The trial of Charles I, S. 138 - 140

6 Christus ist die griechische Übersetzung von Messias und heißt ebenfalls "der Gesalbte"

7 Den Ritus der Königssalbung praktizierten schon die Westgoten

8 Legaler König war der Merowinger CHILDERICH III. Er hatte aber weder Macht noch Einfluß mehr. Pippin hielt seine Absetzung für nicht unheikel, denn auch nach germanischer Vorstellung hatte ein König eine sakrale Stellung. Das galt auch für die Merowinger, mochten sie auch noch so sehr zu bloßen Schattenkönigen herabgesunken sein. Pippin richtete deshalb eine brennende Anfrage nach Rom, wer die Krone tragen sollte: wer wirklich König sei oder der nur die Würde besitze, ohne etwas zu leisten? Papst Zacharias antwortete wunschgemäß, daß derjenige König sein solle, der die königliche Gewalt ausübe. Papst Zacharias Nachfolger, STEPHAN II., hat Pippin 754 noch ein zweites Mal gesalbt (das erste Mal tat es der Erzbischof von Mainz, BONIFATIUS).

9 "Brutus-Schrift" wegen dem Pseudonym >Junius Brutus<: Vindiciae contra tyrannos, 1579

10 Juan de Mariana: De rege et regis institutione, Toledo 1599

11 So erklärte er Maria Stuart persönlich, daß es die Aufgabe des Untertanen sei, sich gegen einen gottlosen Fürsten zu empören (André Maurois, Geschichte Englands, S. 300). Bei einer anderen Gelegenheit bejubelte er ganz offen den Tod Franz II., einem Kind, das an einer Mittelohrentzündung starb, und den Tod Marie von Guise als ein göttliches Werk. Beide waren Katholiken.

12 Ansonsten weisen die Lebensumstände Eduard II. erstaunliche Parallelen zu denen Karl I. auf. Beide hatten zumindest eine Neigung zur Homosexualität. Beiden wurde ihr erster Berater und Minister hingerichtet (Pierre Gaveston/Thomas Strafford), beide hatten eine Tochter des französischen Königs zur Frau, und beiden wurde eine starke Opposition zum Verhängnis.

13 Maria Stuart erkannte Elisabeth nicht an und erhob selber Ansprüche auf den englischen Thron.

14 Henricus Bracton (*? - <1268): De legibus et consuetudinibus Angliae (1240). Henricus Bracton war unter Heinrich III. erst Reiserichter und dann Mitglied des königlichen Rats.

15 eine Behauptung, die angesichts der Stärke und Zusammensetzung des Rumpfparlaments bezweifelbar war

16 from the original in the House of Lords

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
War die Verurteilung Karl I. ein legaler Schritt? Die unterschiedlichen Positionen des Königs und seines Gerichts
Hochschule
Universität Hamburg
Autor
Jahr
1997
Seiten
20
Katalognummer
V106525
ISBN (eBook)
9783640048045
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ein kurzer und anschaulicher Abriß der Englischen Revolution mit Schwerpunkt auf die Legalität des Königsprozesses
Schlagworte
Verurteilung, Karl, Schritt, Positionen, Königs, Gerichts
Arbeit zitieren
Christian Kubli (Autor:in), 1997, War die Verurteilung Karl I. ein legaler Schritt? Die unterschiedlichen Positionen des Königs und seines Gerichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106525

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