Hesse, Hermann - Homo Faber - die 3 Frauen im Bezug auf die Hauptfigur


Referat / Aufsatz (Schule), 2002

11 Seiten


Leseprobe


Gliederung

A. Biographie des Autors Max Frisch, Inhaltsangabe des Werkes „Homo Faber“

B. Einfluss der Frauenwelt auf Walter Faber
I. Fabers Einstellung zur Frau
1. im Allgemeinen
2. in Bezug auf Sexualität
II. Verdeutlichung am Beispiel Ivy
1. Charakteristik Ivy
2. Beziehung zwischen Faber und Ivy
III. Verdeutlichung am Beispiel Sabeth
1. Charakteristik Sabeth
2. Beziehung zwischen Faber und Sabeth
IV. Verdeutlichung am Beispiel Hanna
1. Vorgeschichte zu Faber und Hanna
2. Charakteristik Hanna
3. Beziehung zwischen Faber und Hanna
V. Abschließender Gedanke

C. Bedenken zur allgemeinen Definition von Inzest

Ausführung:

Max Frisch wurde am 15. Mai 1911 als Sohn des Architekten Franz Bruno Frisch und Karolina Bettina Frisch, geborene Wildermuth, geboren. Nach seinem Abitur widmete sich Frisch seinem Germanistikstudium an der Universität Zürich, das er nach dem Tod seines Vaters 1932 aus finanziellen Gründen abbrechen musste. Daraufhin war Frisch bei der Neuen Züricher Zeitung und anderen Tageszeitungen tätig. 1934 erschien sein erster Roman „Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt“. Ab 1936 studierte der bis dahin freischaffende Journalist Architektur an der Eidgenössischen Hochschule Zürich und machte schließlich 1941 seinen Abschluss. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges trat Max Frisch als Kanonier in den Militärdienst ein und war nebenher als Architekt und Schriftsteller tätig. 1942 heiratete er dann seine Studienkollegin Gertrud Constance von Meyenburg, die 1943 die gemeinsame Tochter Ursula und 1944 seinen Sohn Hans Peter zur Welt brachte. Nach zahlreichen Architekturprojekten, Bucherscheinungen, Auszeichnungen und der Geburt seiner zweiten Tochter Charlotte im Jahre 1949 errang Frisch schließlich mit dem Roman „Stiller“ endgültig literarischen Weltruhm. Kurz später brach der Schriftsteller mit seiner Familie und ließ sich, nach der Erscheinung des Romans „Homo Faber“ 1957, von seiner Frau Gertrud Frisch-von-Meyenburg im Jahre 1959 scheiden. Nach dem Tod seiner Mutter 1966 und vielen Reisen z.B. in die UdSSR, Japan und die USA, heiratete er 1968 Marianne Oellers. 1976 erschienen Frischs „Gesammelte Werke in zeitlicher Folge“ und er erhielt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Vom Bard College in New York wurde ihm schließlich 1980 der Ehrendoktor (Dr. phil. h. c.) verliehen. Nachdem Max Frisch 1990 noch der Verfilmung seines Romans „Homo Faber“ zugestimmt hatte, starb der bereits 80-Jährige am 4. April 1991 an den Folgen eines langjährigen Krebsleidens in seiner Wohnung in Zürich. Noch heute gilt Max Frisch neben Friedrich Dürrenmatt als wichtigster Vertreter der schweizerischen Nachkriegsliteratur.1

Der Roman „Homo Faber“ erschien zum ersten Mal am 30.9.1957, ein paar Tage vor dem Start des „Sputnik-Satelliten, der sich als großer technischer Fortschritt erwies. Somit lag Frisch mit der auch technischen Thematik seines Werkes zeitlich gerade richtig. Der Roman war nicht nur zeitgemäß, sondern seiner Zeit sogar weit voraus. Frischs Werk fand großen Anklang, auch im Ausland. Bis heute wurden in Deutschland und im deutschsprachigen Ausland mehr als eine Millionen Exemplare verkauft.3

Frisch erzählt in „Homo Faber“ die Geschichte eines Ingenieurs dessen Leben von Technik, Statistiken, rationalem und logischem Denken geprägt ist! Als Walter Faber auf einer Geschäftsreise den Bruder seines Studienfreundes Joachim trifft, wird er an seine Jugendliebe Hanna erinnert, die sich von ihm getrennt hat, als sie, bereits schwanger von Faber, dessen Heiratsantrag abgelehnt hat. Später stellt sich heraus, das Hanna Joachim heiratete, und das Kind von Faber, dass dieser hätte abtreiben wollen, doch bekam. Sie brachte ein Mädchen zu Welt, das sie Elisabeth taufte. Als Faber sich endgültig von seiner derzeitigen Lebensgefährtin Ivy trennt, lernt er lauf einer weiteren Geschäftsreise von New York nach Paris, die, im Vergleich zu ihm, sehr junge Elisabeth Piper kennen, die er fortan Sabeth nennt. Während die beiden sich besser kennen lernen und Faber viel über Sabeths Familienleben erfährt, regt sich in ihm der leise Verdacht, vielleicht seine Tochter vor sich zu haben. Doch allen bösen Vorahnungen zum Trotz geht er mit der jungen Frau ein Verhältnis ein. Sie reisen durch Frankreich, Italien und schließlich in Sabeths Heimat Griechenland. Dort angekommen, wird ihre enge Beziehung durch den plötzlichen Tod Sabeths, aufgrund eines unerkannten Schädelbasisbruchs, jäh beendet. Sie war tatsächlich, wie sich Schritt für Schritt aufklärt, Walter Fabers Tochter. Dies erfährt er von Hanna, seiner ersten großen Liebe und der Mutter seiner Tochter, die er am Krankenbett Sabeths in Athen ebenfalls wiedertrifft.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Hauptfigur des Romans menschenscheu durchs Leben geht und jegliche Gesellschaft meidet! Annäherungen gehen fast immer auf die Initiative von Frauen zurück. Der Homo Faber scheint ein „gestörtes“ Verhältnis zu Frauen zu haben, das im Buch durch die Begegnung bzw. Beziehung mit drei Frauen, nämlich Hanna, Ivy und Sabeth (in chronologischer Reihenfolge) einen Wandel durchlebt.

„Ivy heißt Efeu, und so heißen für mich eigentlich alle Frauen.“ (Frisch, S.91) Diese negative, verallgemeinerte Aussage über Frauen regt wohl dazu an, die Beziehung der Hauptfigur Walter Faber zur Frauenwelt genauer zu untersuchen. Die Behauptung steht, dass er „ein Unmensch in bezug auf die Frau“ ( Frisch, S.31) ist.

Faber steht der Allgemeinheit der Frauen eher lieblos gegenüber, „denn wer geht schon eine Beziehung ein, wenn er den Partner für eine sich festklammernde Kletterpflanze hält?“4 Faber hält Frauen für abhängig und lästig. Er lässt deutlich erkennen, dass er Frauen nur als Gesamtheit sieht, und nicht auf ihre Individualität eingeht bzw. eingehen will, so haben für ihn „alle Frauen (...) einen Hang zum Aberglauben“ (Frisch, S.142) und „neigen dazu, unglücklich zu werden“ (Frisch, S.92). Frauen leben für den Homo Faber in einer Welt mit emotionalem Schleier. So überrascht wohl niemanden seine Aussage:

„mehr als drei oder vier Tage zusammen mit einer Frau war für mich, offen gestanden, stets der Anfang der Heuchelei“ (Frisch, S.91). Er vertritt die Auffassung, dass Frauen, sobald Mann sie nicht beschäftigt, sauer werden und sobald sie beginnen, sich zu langweilen, behaupten, man habe keine Gefühle. (vgl. Frisch, S.92) Seine Feindseligkeit gegenüber Frauen lässt sich auch im Zusammenhang mit Abtreibung feststellen. So haben Frauen „das Gefühl der Macht gegenüber dem Mann, Mutterschaft als Kampfmittel der Frau.“ (Frisch, S.106) Andererseits missfallen ihm auch die kinderreichen Familien Guatemalas. So kommentiert er abfällig: „Sie kommen nicht aus dem gebären heraus, (...), sie halten ihren letzten Säugling (...) abgestützt auf ihrer neuen Schwangerschaft.“ (Frisch, S. 167)

Seine ungewöhnliche, wenn nicht sogar unnatürliche Einstellung zu Frauen, könnte man vielleicht anhand seines Umgangs mit Sexualität erklären. „Wie Mann und Weib sich paaren, (...). Warum gerade so? Einmal von außen betrachtet: Wieso eigentlich mit dem Unterleib? (...) Es ist absurd, wenn man nicht selbst durch Trieb dazu genötigt ist, man kommt sich verrückt vor, auch nur eine solche Idee zu haben, geradezu pervers.“ (Frisch, S.93) Sicherlich war für ihn auch sein erster sexueller Kontakt, mit der 40-jährigen, lungenkranken Frau seines Professors, ein großer psychischer Einschnitt: „wenn sie meinen Bubenkörper küsste kam sie mir vor wie eine Irre oder wie eine Hündin.“ Später möchte er diese Ereignisse gern vergessen oder zumindest verdrängen: „Ich vergaß es, wie man Wasser vergisst, dass man irgendwo im Durst getrunken hat.“ - „Ich erinnere mich überhaupt nicht daran, wenn ich nicht will.“ (Frisch, S.99f) Diese Erfahrung prägt Fabers Liebesleben fortan, er sieht es als absurd, geradezu pervers an. Er fürchtet „seine eigene Verführbarkeit, die weibliche Natur in sich selbst.“4 Seine Einstellung zur eigenen Sexualität ändert sich erst als er von seiner viel jüngeren Geliebten Sabeth lernt, seine natürliche Erotik zu akzeptieren und nicht zu verdrängen.

In der Reihenfolge des Buches ist Ivy die erste Frau, über deren Beziehung zu Walter Faber berichtet wird. Doch zunächst zur Person Ivys selbst. Ivy heißt eigentlich Yvonne, ist 26 Jahre alt und verheiratet, wenn auch nicht mit Walter Faber. Die Amerikanerin steht stellvertretend für alle Partnerinnen nach Hanna.5 Über Ivy als individuelle Person erfährt man im Buch nicht viel, weder Nachnamen, noch mit wem sie eigentlich verheiratet ist. „Sie stammt aus der Bronx, sonst wusste ich wirklich nichts über Ivy, (..).“ (Frisch, S.67f) Im Verlauf des Buches lässt sich deutlich erkennen, dass Faber nicht mal daran interessiert ist, seine „Lebensgefährtin“ besser kennen zu lernen, auch wenn dies von ihm nicht wörtlich ausgesprochen wird. Das einzige das vom Ingenieur Walter Faber explizit erklärt wird, ist ihr Hang zu Schönheit, Kosmetik und Mode. „Sie wählte ihre Kleiderfarbe nach der Wagenfarbe, (…) die Wagenfarbe nach ihrem Lippenstift, oder umgekehrt.“ (Frisch, S.31) Er vergleicht sie mit einer oberflächlichen, konsumgütersüchtigen „Kleiderpuppe“ (Frisch, S.65) und weiß nicht mal genau, welchem Beruf seine Freundin nachgeht. So ist sie für ihn „ein Wesen zwischen Tänzerin, Kokotte und Mannequin.“6 Ivy verkörpert für den Homo Faber den „American way of life“, den er als etwas absolut Abscheuliches empfindet. (vgl. Frisch, S.175) Auch in Bezug auf seinen wirklichen Lebensinhalt, die Technik, hält er sie für „nicht nur verständnislos, wie (...) [er] es von Frauen gewohnt (..) [ist], sondern [für] geradezu spöttisch.“ ( Frisch, S.63).

Die Beziehung zu der jungen Amerikanerin beschränkt sich seinerseits auf ein rein sexuelles Verhältnis und auf Desinteresse ihrer Persönlichkeit. „Ich schließe die Augen, um [zu versuchen] an Ivy zu denken, die ich in meinen Armen habe, und küsse aus Versehen meinen eigenen Ellenbogen.“ (Frisch, S.94) Andererseits empfindet der Protagonist den Geschlechtsverkehr mit Ivy auch als Bedrohung, so sagt er über seine Freundin: „[sie war] ein bisschen pervers, so schien mir, komisch, dabei ein herzensguter Kerl, (…) [solange] sie nicht geschlechtlich wurde.“ (Frisch, S.65) Mit seiner rationalen Einstellung kommt er nicht damit zu Recht, dass er seine natürlichen Triebe nicht kontrollieren, beherrschen oder notfalls unterdrücken kann. Gefühle sind für Walter Faber „Ermüdungserscheinungen, nichts weiter.“ (Frisch, S.92) So meint er wie nebenbei: „Mag sein, dass Ivy mich liebte“ (Frisch, S.58) „[aber] ich sagte rundheraus, dass ich sie hasse.“ ( Frisch, S. 62) Er sieht sie nicht nur als hirnlose Gliederpuppe, als Schmarotzerin am Trog der Männerwelt, sondern macht sich auch über sie und ihre Gefühle lustig:7 „[Mit] ihrem epileptisch glücklichen Mund“ (Frisch, S.94) „ [und] vielleicht ist sie [ja] lesbisch, vielleicht frigid, (...), sie ist nicht dumm, aber ein bisschen pervers.“ (Frisch, S.64f) Auf jeden Fall könne er „im Kopf irgendein Schachproblem lösen“ (Frisch, S. 94) während Ivy Zärtlichkeiten mit ihm austauschen möchte.

Trotz der Kaltherzigkeit und des gefühllosen Umgangs mit seiner Freundin, will diese ihren Walter unbedingt zu einer Hochzeit zu überreden. Die Tatsache, dass sie bereits verheiratet ist, verdrängt sie scheinbar, doch Faber lässt sich auf die lästige, ihm untergeordnete Ivy nicht ein. Die emotionale Amerikanerin geht sogar soweit, dass sie Faber anbettelt, sie zu heiraten. Fabers nüchterne Reaktion: „Ich habe Hanna nicht geheiratet, die ich liebte, und wieso sollte ich Ivy heiraten? (...) [Ivy] war ein lieber Kerl, aber eine Art von Amerikanerin, die jeden Mann, der sie ins Bett nimmt, glaubt heiraten zu müssen.“ (Frisch, S. 30) So ist Ivy das Paradebeispiel schlechthin für Fabers frauenfeindliches Weltbild, vor allem weil „Ivy, wie jede Frau, eigentlich nur wissen möchte, was ich fühle, beziehungsweise denke, wenn ich schon nichts fühle.“ (Frisch, S.30) Um die Beziehung zur anhänglichen Ivy endgültig beenden zu können, beschließt er seine Geschäftsreise, nicht wie geplant mit dem Flugzeug, sondern vorzeitig mit dem Schiff anzutreten.

Fabers Einstellung zu Frauen und Liebesbeziehungen erfährt erst durch die Bekanntschaft mit der etwa 20-jährigen Elisabeth Piper eine Wandlung. Die obschon gefühlsbetonte, selbstbewusste Sabeth, hat eben ihre Schule abgeschlossen, und befindet sich auf der Reise von New York nach Paris, auf dem selben Schiff, mit dem auch der Ingenieur Faber unterwegs ist. Der Homo Faber nennt sie Sabeth, da „Elisabeth, (..), ein unmöglicher Name ist.“ (Frisch, S.74) Er wird sehr schnell auf sie aufmerksam, weil sie ihn stark an seine frühere Freundin Hanna erinnert. „Das Mädchen mit dem blonden Rossschwanz, (..), ihr Flaum auf dem Hals, (..), ihre kleinen Ohren.“ (Frisch, S.69f). „Ihre Augen wassergrau“ (Frisch, S.72). „Ihr Hanna-Mädchen-Gesicht!“ (Frisch, S.94) Anfangs wird also auch Sabeth von Faber nur über reine Äußerlichkeiten wahrgenommen. Er bewundert ihren „straffen und schlanken Rücken, ihre Hüften, die jugendlichen Schenkel, (...) ihre Knöchel.“ (Frisch, S.86f) Auch in seinem technischen Denken findet sie Platz: „Ihre Hüften waren merkwürdig leicht, zugleich stark, anzufassen wie das Steuerrad meines Studebakers, graziös, im Durchmesser genau so.“ (Frisch, S.87) Sehr beeindruckt war Faber auch von ihrer Wissbegier und ihrer schnellen Auffassungsgabe: „Sie war alles andere als dumm. Nicht viele Leute, denen ich den Maxwell’schen Dämon erklärte, begriffen so flink, wie dieses junge Mädchen.“ (Frisch, S.74)

Obwohl Sabeth ihn sehr fasziniert, bekräftigt Walter Faber immer wieder, dass er in keiner Weise mit ihr flirten würde. (vgl. Frisch, S.74) „Ich war nicht verliebt in das Mädchen (..), sie war mir nur aufgefallen, nichts weiter.“ (Frisch, S.72). Trotzdem ist deutlich seine Eifersucht auf Sabeths Reisebegleiter spürbar: „Einmal war Sabeth etwas seekrank; (...), ihr Schnäuzchen-Freund legte sie aufs Bett, als wäre er ihr Mann. Zum Glück war ich dabei.“ (Frisch, S.81) Trotz der „harmlosen Reisebekanntschaft“ (Frisch, S.81), lässt er sich durch Sabeth das erste Mal von romantischen Gefühlen beeinflussen: „Das Mädchen gefiel mir, (...), jedes Mal aufs Neue.“ (Frisch, S.112) So kam es auch wider aller Idealeigenschaften eines Technikers wie Vernunft und Logik dazu, dass Walter Faber in der letzten Nacht der Reise Sabeth Piper aus heiterem Himmel darum bittet, seine Frau zu werden.

Er ist inkonsequent, da er die junge dynamische Sabeth zu lieben scheint. Sabeth beantwortet diesen Antrag aber nie. Trotz immer wiederkehrender Ahnungen, dass Sabeth vielleicht tatsächlich seine Tochter sein könnte, geht er mit ihr eine Beziehung ein, die schließlich zu Inzest auf der gemeinsamen „Hochzeitsreise“ führt. Doch um sein Gewissen zu beruhigen, und seine inzestuöse Beziehung zu Sabeth zu rechtfertigen, manipuliert er absichtlich seine Nachrechnungen. „Ich rechnete im stillen (...) pausenlos, bis die Rechnung aufging, wie ich sie wollte: (...); ich legte mir die Daten zurecht, bis die Rechnung wirklich stimmte, die Rechnung als solche.“ (Frisch, S.121)

Durch Sabeth hat der Homo Faber gelernt Gefühle zuzulassen, sich anderen Menschen auf privater Ebene zu nähern und Frauen nicht als Allgemeinheit zu betrachten, sondern auf die Individualität einer jeden Frau einzugehen und diese zu achten. Es erstaunt ihn, was selbst für ihn Gefühle alles bedeuten können: „und zum ersten Mal hatte ich den verwirrenden Eindruck, dass das Mädchen, (...), in mich verliebt war.“ (Frisch, S.125) Auch versucht der „neue“ Walter die Natur nicht mehr rein wissenschaftlich zu betrachten, sondern ihre Schönheit auf sich wirken zu lassen: „Ich werde nie vergessen wie sie [Sabeth] auf diesem Felsen sitzt, ihre Augen geschlossen, wie sie schweigt und sich von der Sonne bescheinen lässt. Sie sei glücklich sagt sie, (...), die erste Wärme und Sabeth, die mich umarmt, als hätte ich ihr das alles geschenkt, das Meer und die Sonne und alles, und ich werde nie vergessen, wie Sabeth singt!“ (Frisch, S.152)

In chronologischer Reihenfolge ist Hanna Landsberg im Buch die erste Frau, mit der Walter Faber eine Beziehung führt. Die Halbjüdin, die Faber während seines Studiums kennen gelernt hat, ist im Jahre 1936 die Geliebte des Homo Faber. Als sie zur Zeit des Nationalsozialismus ein Kind von ihm erwartet, stellt er ganz und gar „übertölpelt durch die Bestimmtheit ihrer Meldung“ (Frisch, S.47) schlicht fest, dass die beiden eben heiraten müssten, wenn sie ihr Kind bekommen wolle (vgl. Frisch, S.47). Er hat eine Abtreibung, die sein Freund Joachim durchführen könnte, für klüger gehalten. Folglich ist Hanna von der Reaktion Fabers, die eine Zweck-Heirat nach sich ziehen würde, sehr enttäuscht und lehnt ab, seine Frau zu werden, noch bevor er aus beruflichen Gründen nach Bagdad abreist. Sie verlässt ihn, heiratet den gemeinsamen Studienfreund Joachim und bringt schließlich ohne Walters Wissen und Wollen ein Mädchen Namens Elisabeth (Sabeth) zur Welt. Ihm Nachhinein weist Faber alle Schuld am Scheitern der Beziehung von sich, indem er behauptet, dass im Grunde „Hanna selbst [es war], die damals nicht heiraten wollte.“ (Frisch, S.33) Er wäre bereit dazu gewesen (vgl. Frisch, S.33): „Ich hatte mir geschworen, Hanna niemals in Stich zu lassen.“ (Frisch, S.56)

Hanna Landsberg gilt im Roman als die menschlich-natürlich anrührendste Frauengestalt.15 Faber beschreibt sie, anlässlich des Wiedersehens in Athen, rein äußerlich gesehen, als Frau von kleiner Gestalt, mit grauem, kurzgeschnittenem Haar, mit sportlichem, geradezu mädchenhaftem Gesicht und blauen Augen. Er geht sogar soweit und vergleicht ihr braunes Gesicht mit dem eines alten Indios. (vgl. Frisch, S.125f) Doch schon bald musste Faber feststellen, dass er nicht mehr die „Schwärmerin und Kunstfee“ (Frisch, S.47) von früher vor sich hat, sondern eine selbstbewusste, sachliche Dr. phil. Hanna Piper, eine couragierte, berufstätige Frau und alleinerziehende Mutter, „der Selbstständigkeit über alles geht“.9 Hannas Einstellung zur Männerwelt entspricht in etwa der, die Faber vor der Begegnung mit Sabeth zur Frauenwelt hat. Sie „lacht über ihre Liebe zu Männern“ (Frisch, S.144) und ist der Meinung, dass diese schlicht „stockblind, ohne Kontakt“ (Frisch, S.144) und „borniert sind“ (Frisch, S.140). Trotzdem teilt sie nicht die rationalistische, materialistische und phantasielose Denkweise Fabers, denn sie weiß sehr wohl, dass „das Leben Überraschungen bereithält und Zusammenhänge offenbart, die sich allen Berechnungen entziehen.“10 So sagt sie offen zu ihrem früheren Lebensgefährten Walter: „Leben ist nicht Stoff, nicht mit Technik zu bewältigen.“ (Frisch, S.170)

Obwohl die Archäologin Faber klar und deutlich zu verstehen gibt, dass Sabeth allein ihr Kind sei, und nicht seins, (vgl. Frisch, S.138) bringt er ihr für ihr selbstständiges Leben sogar Respekt entgegen: „Dabei hat Hanna immer das getan, was ihr das Richtige schien, und das ist für eine Frau, finde ich, schon allerhand. Sie führte das Leben, wie sie’s wollte.“ (Frisch, S. 139) Scheinbar imponiert und beeindruckt ihn Hannas Lebensführung in solch großem Maße, dass er sogar Fehler seinerseits vor ihr eingesteht: „Hanna hatte Recht; irgendetwas vergaß ich stets;“ (Frisch, S.159) Er erlebt sie als Frau, die ihm, im Gegensatz zu seiner bisherigen verallgemeinerten Vorstellung, mit ihrer Intelligenz und Redegewandtheit etwas entgegen zu setzen hat. Trotzdem ist sie ein sehr gefühlvoller Mensch und lässt ihrer Tochter viel Liebe und Fürsorge zukommen. Eine Fürsorge, die sie auch Walter Faber zuteil werden lässt: „Komm (...)trink deinen Tee.“ (Frisch, S.126) - „Walter (...) warum setzt du dich nicht? (...) Hast du Hunger?“ (Frisch, S.133) Auch Faber hält sie für rührend, aber dabei trotzdem immer sachlich und etwas distanziert. (vgl. Frisch, S.134)

Jegliche Selbstkontrolle und Kontenance verliert Hanna hingegen, als sie vom Tod ihrer Tochter erfährt: Sie fängt an zu schreien und lässt ihren ganzen Kummer an Faber aus, indem sie pausenlos mit ihren Fäusten auf ihn einschlägt. Sie ist geschockt. Es ist, als wäre ein Teil von ihr selbst gestorben. Elsbeth, wie sie Sabeth liebevoll nannte, war ihr ein und alles. Faber selbst ist wie betäubt von der Nachricht über den Tod der gemeinsamen Tochter und ist der festen Überzeugung, sie schliefe nur. Die Schläge Hannas lässt er kommentarlos über sich ergehen. (vgl. Frisch, S.160)

Nachdem beide das Schlimmste nach dieser Schreckensnachricht überstanden hatten, erkennt Walter Faber, dass Hanna der einzige Mensch ist, von dem er sich je verstanden fühlte, dass sie die einzige Frau ist, die er jemals geliebt hat, denn: „Nur mit Hanna ist es nie absurd gewesen.“ (Frisch, S.100) Deshalb wünscht er sich mit ihr den Rest seines Lebens zu verbringen: „Wir beide werden hier bleiben, denke ich.“ (Frisch, S.203) - „Hanna verstand genau, wie ich es meinte, nicht romantisch, nicht moralisch, sondern praktisch: gemeinsames Wohnen, gemeinsame Ökonomie, gemeinsames Alter. Warum nicht?“ (Frisch, S.159) Er möchte mit Hanna zusammen leben, um ein wenig die früheren Ereignisse ungeschehen zu machen. Doch etwas für ihn und sein rationales Lebensverständnis völlig unvorbereitetes geschieht: Er wird von einer Frau abgewiesen.

Letztendlich lässt sich im Verlauf der Handlung deutlich erkennen, dass die verschiedenen Frauentypen auch verschiedenen Einfluss auf den Homo Faber haben. Während er in der Beziehung mit der blauäugigen und naiven Ivy seinem Egoismus und Chauvinismus freien Lauf lassen kann, ohne dass sie ihn dafür kritisiert oder gar verlässt, lernt er durch Sabeth, die junge Frau mit dem jugendlichen und charmanten Esprit, seine gefühlvolle und romantische Seite kennen. Sie ist verantwortlich für die Veränderung seines äußerst radikalen Frauen- und Weltbildes und beschert ihm ein Glücksgefühl, dass er vorher noch nicht an sich kannte. Die wahre Liebe, so scheint es, war und ist für in aber einzig und allein Hanna. Durch sie lernt er sein Alter und den Verlauf seines Lebens zu akzeptieren. Hanna, die gleichaltrige, intellektuell Emanzipierte, die ihn versteht und umsorgt, ihm aber trotzdem durch Redegewandtheit und Intelligenz ebenbürtig erscheint.

Inzest definiert sich allgemein als Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, denen es (üblicherweise) gesetzlich wegen ihrer engen Verwandtschaft durch Verschwägerung oder Blutsverwandtschaft verboten ist, einander zu heiraten. Die Gesellschaft bezeichnete inzestuöses Verhalten schon vor einigen Jahrhunderten als „Blutschande“ und großes Verbrechen, das in manchen Kulturen mit Todesstrafe gefahndet wurde und noch heute gefahndet wird. Max Frisch beweist jedoch, dass sich dennoch Menschen verlieben und eine enge Beziehung zueinander aufbauen, obwohl sie, ohne es zu wissen, Vater und Tochter sind. Wer darf in diesem Fall urteilen, ob dies ein verbrecherisches Verhalten oder gar Gesetzesbruch ist? Darf man ein Paar, das sich ehrlich und aufrichtig liebt, einfach voneinander trennen? Frisch behandelt hier ein Thema, das in der Zeit als dieses Buch entstanden ist als Tabu galt und auch in der heutigen Gesellschaft noch immer als ein solches gilt. Man wird vom Autor gezwungen, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob es nun die richtige Entscheidung ist, die Beziehung zwischen den Blutsverwandten zu unterbinden, oder ob dem Staat bzw. der Gesetzgebung die Autorität genommen werden sollte, in solch gravierender Weise in Liebesbeziehung eingreifen zu dürfen. Im Fall von Walter Faber und Sabeth Piper nimmt einem Max Frisch in gewisser Weise die Entscheidung über diese schwierige Frage ab, da die Tochter noch während der Beziehung mit ihrem Vater verstirbt.

Bibliographie:

Primärliteratur:

Frisch, Max. Homo Faber - Ein Bericht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag 1977

Sekundärliteratur:

Kästler, Reinhard. Königs Erläuterungen zu Max Frisch - Homo Faber. Hollfeld: C. Bange Verlag3 1996

Meurer, Reinhard. Max Frisch, Homo Faber: Interpretation. München: Oldenburg 21988

Neis, Edgar. Max Frisch, Homo Faber: Interpretation. Hollfeld: C. Bange 1984

http://www.hausarbeiten.de

Aufrufdatum: 11. März 2002

http://www.suhrkamp.de/autoren/frisch/frisch.html Aufrufdatum: 11. März 2002

[...]


1 vgl. http://www.suhrkamp.de/autoren/frisch/frisch.html vgl. http://www.hausarbeiten.de vgl. Referat Mathias Weber 11c

2 vgl. http://www.hausarbeiten.de

3 http://www.hausarbeiten.de

4 Meurer, S.18

5 vgl. Kästler, S.69

6 Neis, S. 37

7 vgl. http://www.hausarbeiten.de

8 vgl. Kästler, S.64

9 Neis, S.32

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Hesse, Hermann - Homo Faber - die 3 Frauen im Bezug auf die Hauptfigur
Veranstaltung
Hausaufsatz
Autor
Jahr
2002
Seiten
11
Katalognummer
V106364
ISBN (eBook)
9783640046430
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Erörterung mit folgender Fragestellung: "Drei Frauen spielen in Walter Fabers Leben entscheidende Rollen. Erörtere die Bedeutung von Ivy, Sabeth und Hanna im Hinblick auf die Hauptfigur!"
Schlagworte
Hesse, Hermann, Homo, Faber, Frauen, Bezug, Hauptfigur, Hausaufsatz
Arbeit zitieren
Verena Knauf (Autor:in), 2002, Hesse, Hermann - Homo Faber - die 3 Frauen im Bezug auf die Hauptfigur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106364

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