Die Entstehung der Wochenpresse und ihre gesellschaftlichen Wirkungen


Hausarbeit, 2001

10 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung

3. Politische, gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungsbedingungen der periodischen Presse

4. Die ersten Wochenzeitungen am Anfang des 17. Jahrhunderts

5. Frühformen der Pressetheorie - erste Abhandlungen

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Gutenbergs Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern vollzog sich in der westlichen Welt eine Entwicklung, die große Auswirkungen auf die nächsten Jahrhunderte hatte. Es wurde plötzlich möglich, viele Informationen binnen kurzer Zeit zu vervielfältigen und öffentlich zu machen. Dadurch konnten Menschen unterschiedlichster Herkunft mit Informationen versorgt werden, wie es vorher noch nicht möglich war. Einen besonderen Platz nimmt dabei die Entwicklung der periodischen Presse ein.

In dieser Arbeit werde ich mich zuerst mit den politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen beschäftigen, danach kurz die Entstehung der ersten Wochenzeitungen skizzieren und schließlich auf meinen Schwerpunkt, die zeitgenössischen Reaktionen der Intellektuellen, eingehen sowie die Auswirkungen auf die damalige Gesellschaft skizzieren.

Die Entwicklung der periodischen Presse bildet sozusagen den Startschuss für die massenhafte Verbreitung der Medien, die sich bis zum heutigen Tag weiter fortsetzt.

2. Begriffsklärung

Das Wort ,,Zidunge" wurde erstmals um 1300 in Köln nachgewiesen und bedeutet die mündliche Mitteilung eines Zeitereignisses (,,Zeitzunge"). Seit dem frühen 16. Jahrhundert werden ,,neue Zeitungen" als Sammelbegriff für gedruckte oder geschriebene Neuigkeiten verwendet.

3. Politische, gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungsbedingungen der periodischen Presse

Das Deutsche Reich bestand zu der Zeit aus über 300 Territorien, dies waren Fürstentümer, Herrschaften und Reichsstädte. In Wien residierte der Kaiser als oberste Instanz, doch wurden viele Vorschriften von den einzelnen Gebieten anders, oft freier interpretiert. ,,So milderte der Partikularismus hierzulande die zentrale Kontrolle über das Druckwesen"1. Ein weiterer Aspekt, der sich pressefördernd ausgewirkt haben kann, war das Verlangen der einzelnen Territorien nach eigenen Zeitungen, um nicht rückständig zu wirken.

Im Jahre 1517 veröffentlichte Luther seine reformatorischen Thesen, die eine konfessionelle Spaltung hervorriefen. Die katholische Kirche fühlte sich von der Reformation sowieso schon bedroht und fürchtete eine weitere Ausbreitung der Ideen durch die Entwicklung des Nachrichtenwesens. So äußerten sich die meisten Geistlichen, aber auch weltliche Amtsträger in ihren Schriften über das sich entwickelnde Pressewesen eher zurückhaltend bis ablehnend, darauf gehe ich in Kapitel 4 genauer ein.

Die Veränderungen im europäischen Mächtesystem lieferten den Stoff, aber auch den Hintergrund für die Existenz der Zeitungen, da Deutschlands Lage in der Mitte Europas einerseits ein großes Interesse an den Geschehnissen rundherum verursachte, andererseits die Lage auch Vorraussetzung dafür war, durch viele sich hier kreuzende Postlinien. Die Familie Taxis erhielt vom deutschen Kaiser das Privileg, nach italienischem Vorbild ein Postwesen im Reich zu organisieren, so gab es ab 1490 bereits regelmäßige Postkurse und Stafettensysteme.

Die Post war einerseits ein Instrument der Beschaffung durch Weiterleitung von Nachrichten, andererseits wurden die Zeitungen darüber teilweise auch vertrieben.

Das Bürgertum erstarkte langsam im wirtschaftlichen Bereich, damit einher gingen bessere Chancen auf allgemeine Bildung, welche Grundvoraussetzung für die Informationsbeschaffung war, da Lesen zu de m Zeitpunkt die einzige Möglichkeit war, selbständig an vielfältigere Informationen heranzukommen. Lesezirkel gaben die Möglichkeit, mehrere Veröffentlichungen zu lesen und sich so ein differenzierteres Bild vom Weltgeschehen zu machen, gleichzeitig waren sie auch Foren, in denen man über das Gelesene diskutieren konnte.

Durch die Entstehung von Eigentum und Bildung wurde das Bürgertum sich also langsam seiner selbst bewusst, es entwickelte eine Art ,,Klassenbewusstsein" im Habermasschen Sinne2, denn in den Zirkeln war jeder gleichgestellt, es konnten allerdings nur die Menschen teilnehmen, die über die beiden genannten Ressourcen verfügten. Dieses Bürgertum bildete eine kleine, aber kritisch diskutierende Öffentlichkeit. So wollten sie sich endlich in den politischen Prozess einbringen und über wichtige Entscheidungen der Mächtigen diskutieren.

Die rechtliche Grundlage, auf der sich die Wochenzeitungen entwickelten, war am Anfang schon durch die Bestimmungen für deren Vorläufer geprägt, die bestehenden Zensurbestimmungen wurden so einfach auf das periodische Medium angewandt. Die Zensur wurde meist von den ansässigen Behörden ausgeübt. Ein wichtiges Mittel, um die Verleger gefügig zu machen, waren auch die Privilegien. Um die Zeitungen privilegieren zu lassen, mussten sich die Herausgeber nach Wien an den Kaiser wenden. Selbstverständlich wurden die Privilegien von der weltlichen Obrigkeit eher an die ihr zugetanen und angenehmen Verleger vergeben. Dies hatte Konkurrenzkämpfe zwischen den einzelnen Blättern zur Folge, denn mit solchen Privilegien waren Zeitungen gegen Nachdruck geschützt.

Ein weiteres Mittel zur Regulierung und Einflussnahme war der Kautions- und Konzessionszwang. Die Kaution war erforderlich, um überhaupt die Konzession zur Herausgabe einer Zeitung bekommen zu können, und der Fürst bzw. der Staat konnte davon finanziell profitieren.

Der Kautionszwang hatte weiterhin folgende Funktionen: Die Kaution ermöglichte es, bei Preßdelikten (Gesetzesvergehen oder "unbelie bsame" Berichterstattung) verhängte Geldstrafen auch wirksam werden zu lassen und einzutreiben. Gleichzeitig trug sie mit dazu bei, dass wegen des hinterlegten Geldes die Berichterstattung gegenüber dem Fürsten bzw. dem Staat nicht zu kritisch war. Außerdem funktionierte die Kaution als eine Art Reglementierung des Berufszwangs (zumal in der Zeit vor der Trennung in Journalisten und Verleger), weil nur wohlhabendere, eher gesellschaftlich Integrierte das notwendige Geld aufbringen konnten, um eine Konzessio n zu erhalten.3

4. Die ersten Wochenzeitungen am Anfang des 17. Jahrhunderts

Die ältesten bekannten Wochenzeitungen in deutscher Sprache erschienen ab 1609: der ,,Aviso, Relation oder Zeitung" in Wolfenbüttel von dem Drucker Julius Adolph von Söhne, nach seinem Tod fortgesetzt bis wahrscheinlich 1627 von Elias Holwein, und die ,,Relation: Aller Fürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien..." in Straßburg von dem Drucker Johannes Carolus, nachweisbar bis 1659.

Der Unterschied die ser beiden ersten regelmäßig in Deutschland erschienenen Zeitungen liegt darin, dass die vermutlich schon vor 1609 gegründete "Straßburger Relation" in den ersten beiden Nummern von 1609 noch restliches Nachrichtenmaterial vom Dezember 1608 aufarbeitet, der ,,Aviso" seine früheste Nachricht vom 1. Januar 1609 bringt und deshalb erst in der Mitte des Januars mit seinem Erscheinen beginnt. Im folgenden werde ich grundsätzliche Eigenschaften der Zeitungen erwähnen, um ein grobes Bild zu vermitteln, werde jedoch auf die einzelnen Aspekte nicht näher eingehen, da ich mich eher auf das im fünften Kapitel behandelte Thema konzentrieren möchte.

Das Erscheinungsbild der frühen Zeitungen waren von einfacher Machart, erst später wurden die Titel durch Holzschnitte aufwendiger gestaltet. Weiterhin gab es keine Angabe des Herausgebers und Erscheinungsortes, der Umfang der Relation war ein 4seitiges Quartformat, der Aviso besaßbeim selben Format acht Seiten. Er war allerdings nicht so eng bedruckt und hatte jedes mal ein Titelblatt vorangestellt, während die Relation nur einen Jahrestitel herausgab und die einzelnen Ausgaben lediglich nummeriert erschienen, ,,ein Verzicht, der nur aus der regelmäßigen Abfolge des Erscheinens zu erklären ist."4

Die Nachrichten wurden ohne Absatz fortlaufend nach dem Datum geordnet gedruckt, die Überschrift benannte nur den Herkunftsort und das Absendedatum, ,,Auswahl und redaktionelle Bearbeitung der Nachrichten fanden jedenfalls noch nicht statt."5

Der Inhalt bestand zum Großteil aus politischen und militärischen Meldungen, vor allem wurden die Vorgänge im Ausland thematisiert, da der innere Staat keine Publizität kannte, die Berichte über innere Angelegenheiten wurden zu häufig zensiert und die Gefahr eines Berufsverbotes war für die Verleger oft zu hoch. Die Ablenkung auf das Ausland war natürlich vorteilhaft für die Staatsmacht, da die Untertanen von den Verhältnissen und Absichten der eigenen Regierung abgelenkt wurden. Das Interesse am Ausland lässt sich wie schon gesagt auch dadurch begründen, dass das Deutsche Reich aufgrund der zentralen Lage oft das Kampffeld von Europa war und eine große Zahl von angrenzenden Staaten besaß.

Interessant waren neben den politischen und Kriegsmeldungen (abgesegnet vom Staat) auch Nachrichten über Religionsstreitigkeiten, offizielle Veröffentlichungen und Hofnachrichten, weiterhin nahm die Bedeutung von Sensationen, Ungewohntem wie merkwürdige Naturerscheinungen, Missgeburten, Hexenverfolgungen Räubereien, sowie Wirtschaft, Handel und Kultur langsam zu. Die Lokalberichterstattung fehlte völlig, wohl wegen den Zensurbestimmungen, aber auch, weil sich Nachrichten aus dem unmittelbaren Umfeld oft noch schneller per Mundpropaganda herumsprachen, so dass sie als Zeitungsnotiz keine Neuigkeit mehr darstellten.

Weiterhin war die Berichterstattung meist informationszentriert, neutral und kommentarlos, nur manchmal lassen sich bewertende Prädikate finden. ,,Von Versuchen gezielter Meinungsäußerung oder Stellungnahme kann man aber nicht sprechen."6 Oft wurden auch die einkommenden Nachrichten unverändert übernommen.

Auf quantitativer Ebene lässt sich ein linearer Anstieg der Zeitungsgründungen bis 1630, danach starker Abfall feststellen. Von 1600 bis 1610 gab es drei neu gegründete Zeitungen, bis 1620 wurden 20 weitere gegründet, ab 1620 bis 1630 gab es bereits 37 Neugründungen und schließlich im darauffolgenden Jahrzehnt 60 Gründungen, aber fast die selbe Zahl lässt sich für die in der Zeit wieder eingestellten Zeitungen konstatieren.

Diese Entwicklung war stark vom politischen Geschehen abhängig, durch den Beginn des 30- jährigen Krieges 1618 sowie durch den Eintritt Schwedens ins Kriegsgeschehen 1630 entwickelte sich in der Bevölkerung ein Nachrichtenhunger, die Menschen wollten nun ununterbrochen informiert werden, was um sie herum passiert. Gleichzeitig entstand durch den kraftraubenden Krieg auch langsam eine große wirtschaftliche Not, welche schließlich zu rückläufigen Zahlen der Gründungen führte. Bis Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl der Zeitungen wieder auf 54 Stück zu. Insgesamt lässt sich so eine rasche Entwicklung des Zeitungswesens in Deutschland feststellen. Damit ging es der Entwicklung voran.

Das Zeitungswesen in anderen Ländern entwickelte sich oft erst Jahrzehnte später. In Amsterdam wurde die erste Zeitung 1618 herausgegeben und, ins Englische und Französische übersetzt, nach London und Paris verschickt. Später wurden auch dort Zeitungen gegründet, allerdings waren diese zentralistisch organisiert, die französische ,,Gazette" wurde zum Beispiel in Paris herausgegeben und in einer Reihe von kleinen Städten nachgedruckt, sie ,,konnte Ihre Monopolstellung als politische Zeitung bis Mitte des 18. Jahrhunderts halten."7

Hier sieht man, welchen Einfluss die unterschiedlichen Staatssysteme auf die Entwicklung hatten. Im partikularistischen Deutschland war es einfacher, eine Vielzahl an Zeitungen hervorzubringen, während im zentralistischen Frankreich ein Privileg erteilt wurde und eine Zeitung ein ganzes Land erreichte.

5. Frühformen der Pressetheorie - erste Abhandlungen

Schon zeitig interessierten sich einige Gelehrte für das neu aufkommende Medium, die ersten Abhandlungen sind jedoch meist vom religiös-wertenden, konservativen Standpunkt her geschrieben und daher eher negativ gegenüber den Zeitungen eingestellt.

Der französische Mönch Puyherbault ging in seiner Abhandlung von 1549 von religiösen und moralischen Überlegungen aus, er forderte die Aufhebung ,,solcher Tractäcel", die ,,allerley Gifft under die Leut bringen"8. Somit plädierte er für Zensurbestimmungen zur Wahrung des christlichen Glaubens. Daraus geht hervor, in welchem Maßsich die katholische Kirche von der Reformation bedroht fühlte, die 1517 durch die Thesen von Luther begann, nun fürchteten sie die weitere Ausbreitung der Ideen durch die Zeitungen.

1629 beschäftigte sich Christoph Besold, kurfürstlich-bayerischer Rat und Rechtsprofessor, mit dem neuen Medium. Er stellte fest, dass das Interesse an den Zeitungen auf die Neubegierde des Menschen zurückzuführen ist, aber Neugier sei verwerflich. Auch sei die Veröffentlichung von Unwahrheiten möglich, womit das Volk in falsche Richtungen gelenkt werden kann. Die Position des Lenkenden stand natürlich allein dem Herrscher zu, und es konnte nicht geduldet werden, dass jemand anders ebenfalls Einfluss auf das Volk besaß.

Die erste Buchveröffentlichung mit Kritik am Zeitungswesen ist die Schrift ,,Discursus de novellarum, quas vocant Newe Zeitungen, hodierno usu et abusu" (lat.=Diskurs über den Gebrauch und Mißbrauch von Nachrichten, die man Newe Zeitungen nennt), veröffentlicht in Jena 1676, des Dichters, Rechtsgelehrten und Hofkanzlers Ashaver Fritsch, der sich als einer der ersten deutschen Gelehrten mit der Presse beschäftigte.

Er macht in seiner Abhandlung einen Unterschied zwischen den öffentlichen, wichtigen Personen, die informiert sein sollen über die Vorgänge in der Welt, und Privatpersonen, denen so etwas nicht zustünde. Weiterhin macht er auf die Möglichkeit der Täuschung durch Erfinden falscher Nachrichten aufmerksam:

Die Deutschen lechzen danach, täglich nach Neuem zu fragen, Neues zu hören, Neues zu erzählen ... Sonderbar jedenfalls und ganz töricht ist es, dass die Menschen darauf so erpicht sind, Neues zu lesen oder zu hören, da die Neuen Zeitungen doch meist Trauriges, Schauerliches, Gottloses ... aber auch Falsches berichten." 9

Der erste Verteidiger der Presse trat mit dem Schulmann und Dichter Christian Weise auf. Von ihm stammt die erste Rechtfertigung des Zeitungswesens (und Zeitungslesens) als Buchveröffentlichung unter dem Titel "Schediasma curiosum de lectione novellarum" (lat.= Interessanter Abrißüber das Lesen von Zeitungen). Er weist auf den Nutzen des Zeitunglesen hin:

,,Wir wollen vielmehr auf den Nutzen sehen/welchen auch die unordentlich verfasten Zeitungen dem Leser ertheilen können/und der sich hauptsächlich in der Geographie, Genealogie, Historie und Politique ereignet. Von jeglicher Gattung wird in specie etwas zu erinnern seyn." 10

Aber er thematisiert auch den Aspekt der Unterhaltung und Ablenkung: ,,Neben viel Wissenswertem kommt aber auch jener auf seine Kosten, der sich nur vergnügen wolle."11

Somit weist er auf die Bildungs-, Informations- und Unterhaltungsfunktion hin, beschäftigt sich aber auch mit der Zuverlässigkeit der Informationen, die wie er sagt, noch Mängel besitzt.

Die erste deutsche zeitungswissenschaftliche Dissertation wurde an der Universität Leipzig von Tobias Peucer angefertigt und 1690 unter dem Titel ,,De relationibus novellis" (lat.= Über Zeitungsberichte) veröffentlicht. Er untersucht vor allem den wissenschaftlichen Nutzen der Zeitungslektüre für den Historiker und schließt, dass die Verfasser zu ungebildet sind, um einen Nutzen zu bringen, da die ,,Zeitungsberichte oft mangelhaft seien und dass bei der wissenschaftlichen Auswertung der Zeitung Vorsicht zu empfehlen sei."12 Er erstellt gleichzeitig eine Ethik der Information, bestehend aus Richtlinien, welche später sicher auch die Zensurbestimmungen des Staates beeinflusst haben.

1695 setzt sich Kaspar von Stiehler in ,,Zeitungs Lust und Nutz" für das Recht aller ein, Zeitung zu lesen und formuliert weiterhin verschiedene Funktionen der Presse:

Zuerst thematisiert er den Aspekt der Ausbreitung der göttlichen Ehre, indem er sagt, Moses hat ja auch berichtet, was Gott auf dieser Erde alles getan hat, und ,,dieses thun auch die Zeitungen/welche/... die göttliche Vorsicht/Vielfalt/Wunder und Tahten durch die gantze Welt ausblasen"13, damit meint er z.B. Brände, Überschwemmungen, Unwetter, Erdbeben und weiteres. Durch die Berichterstattung werden die Menschen also auf die gegenwärtigen und sichtbaren Strafen Gottes hingewiesen.

Weiterhin werden die Eigenschaften der Sprache und Erzählkunst vermittelt, so dass eine rhetorische Bildung der Leser stattfindet. Auch gelangen so Informationen über politische Entscheidungen und das Weltgeschehen zu den Menschen, die sonst keinen Zugang zu derlei Informationen haben. Schließlich ist auch der Unterhaltungsaspekt nicht zu vernachlässigen, der viele Leser anzieht, ,, indem sie beymlesen auf andere Gedanken gerahten/sie ihres Leides darüber in etwas vergessen." 14

Nicht vernachlässigen soll man auch den wirtschaftlichen Nutzen für die Hersteller, also Verfasser, Drucker und Verkäufer, denen durch die Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges die Möglichkeit des Geldverdienens gegeben wird, und sie schließlich auch von etwas leben müssen.

Vom heutigen Standpunkt aus gesehen lassen sich für die Presse natürlich noch mehr und teilweise andere Funktionen benennen: Erstens der Aspekt der Meinungsbildung, das heißt., dass sich die Mitglieder einer Gesellschaft eine Meinung über die Geschehnisse und politischen Entscheidungen bilden. Zweitens die Bildung in allen Wissensgebieten, z.B. Geographie, Wirtschaft. Drittens hat das Medium eine Thematisierungsfunktion, das heißt durch die tägliche Berichterstattung strukturieren Zeitungen das Geschehen in der Welt für den Leser. Viertens ist sie ein Mittel der sozialen Integration, indem sie Verhaltensmaßregeln für ein geregeltes Zusammenleben in einer Gesellschaft gibt.

Der Staatswissenschaftler und Diplomat Joachim von Schwarzkopf schließlich befasst sich auf schon sehr wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema Medienwirkung, beleuchtet also den Einfluss der Presse auf das politische Geschehen im 17. und 18. Jahrhundert.

Seine Schrift ,,Ueber Zeitungen" erschien 1795, nachdem, um nur ein Ereignis zu nennen, die Französische Revolution Europa in Aufregung versetzt hatte. Er sieht die Zeitung als eine Triebfeder für Revolutionen und fragt nach dem Nutzen der Zeitungsinformation für das gesamte soziale Handeln. Dabei geht er selbstverständlich davon aus, dass die Zeitung einen Einfluss ausübt, seine Wirkungstheorie ist damit medien- bzw. stimuluszentriert, er geht also vom Stimulus-Response-Modell aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es ist das älteste Wirkungsmodell, welches besagt, dass der Kommunikator oder das Medium auf den Rezipienten ,,zielt". Gelingt der Kontakt zwischen Medium und Rezipient, so dass sich dieser der Aussage des Mediums aussetzt, dann wird Wirkung erzie lt. Die Wirkung ist hierbei ausschließlich vom Stimulus abhängig, daraus folgt: ,,Gleicher Stimulus erzeugt gleiche Wirkung"15

Dieser monokausale Ansatz geht also davon aus, dass ein Ergebnis auf einen Anlass zurückzuführen ist. So lernen die Leser beispielsweise, Staatskritik zu üben, da der Blick der Zeitungsleser auf Mängel gerichtet wird, die vorher nie beachtet wurden und dadurch können sie politische Entscheidungen besser nachvollziehen und auch kritisieren, als wenn sie nicht informiert wären.

Dies gilt ja auch heute noch, wenn sich zum Beispiel politisch uninformierte Rezipienten leichter von einem Zeitungsartikel oder einer Fernsehsendung beeinflussen lassen als Interessierte, welche durch umfangreiche und gezielte Medienrezeption, etwa das Lesen mehrerer Informationsquellen, ein umfangreicheres Meinungsbild besitzen. Schwarzkopf thematisiert den Aspekt der Manipulation der öffentlichen Meinung, indem er einen Brief zitiert, den der Redakteur einer einflussreichen französischen Zeitung im Jahr 1794 an Robespierre verfasst hat. Dieser hebt dabei die Verdienste des Blattes um die Revolution hervor, indem er schreibt:

,,Alle Reden für den Tod des Königs seyen fast ganz unabgekürzt eingerückt worden; von den anderen aber ... habe man nur einige Auszüge geliefert, um doch noch einige Unpartheylichkeit zu zeigen." 16

Allerdings ist für Schwarzkopf der positive, sachliche Effekt der Zeitungen der Normalfall, da eine präzise und umfassende Information dem Bürger eine zuverlässige Orientierung in seiner Gesellschaft sowie zu allen für ihn relevanten Vorgängen ermöglicht, wobei er aufgrund dieser Orientierung zu adäquatem Handeln befähigt wird. Zur Verwirklichung dieser Voraussetzungen fordert er eine Sorgfaltspflicht sowie die Unparteilichkeit der Journalisten17, entlastet sie damit aber gleichzeitig auch vom Vorwurf der Manipulation, wenn sie diese zwei Punkte gewissenhaft erfüllen.

Weiterhin thematisiert er den agenda-setting-Ansatz, welcher besagt, dass die Medien mit ihrem Themenangebot das Wissen, Denken und Sprechen des Publikums bestimmen: die Zeitungsartikel üben ein geradezu ,,tyrannisches Monopol"18 an den Höfen und in den Kaffeehäusern aus. So stellten die Zeitungen mehr und mehr eine Öffentlichkeit her und beeinflussten die öffentliche Meinung.

6. Zusammenfassung

Die Entwicklung des Bürgertums, einer Mittelschicht in der Gesellschaft, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung eines demokratischen Systems gewesen. Dieses Bürgertum bildete eine kleine, kritisch diskutierende Öffentlichkeit und im Zuge dieses Selbstbewussstwerdens forderten sie endlich ihr Mitspracherecht beim politischem Prozess ein. So war die Entstehung einer periodischen Druckpresse maßgeblich mitbeteiligt an der Entstehung der Demokratie..

Auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung änderte sich mit zunehmender Zeitungsentwicklung, wie bei allen vorangegangenen und nachfolgenden Medien, die sich entwickelten, war der erste Grundtenor eher kritisierend, mit zunehmender Gewöhnung jedoch wurden auch die positiven Auswirkungen in den Abhandlungen vorgetragen. Wobei der Mönch Puyherbault sicher recht hatte mit seiner Vermutung, da die Zeitung auch wesentlich zur Säkularisierung der Gesellschaft beitrug.

7. Literaturverzeichnis

Beyrer, Klaus/Dallmeier, Martin (Hrsg.): Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte. Eine Publikation des Deutschen Postmuseums, Frankfurt am Main anlässlich der gleichnamigen Ausstellung.

Bollinger, Ernst (1995): Pressegeschichte. Freiburg, Schweiz: Universitätsverlag

Habermas, Jürgen (1990): Strukturwande l der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp

Merten, Klaus/Schmidt Siegfried J./Weischenberg Siegfried (Hrsg.) (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH

Pürer, Heinz/Johannes Raabe (1994): Medien in Deutschland. Bd.I., uvk Medien Verlagsgesellschaft mbH: Konstanz

Schwarzkopf, Joachim von (1993): Ueber Zeitungen (und ihre Wirkung). Neuauflage, München

Wilke, Jürgen (2000): Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag

[...]


1 Wilke (2000): Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, S. 51

2 vgl. Habermas (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, S. 15 -17

3 vgl. Pürer/Raabe (1994): Medien in Deutschland, S. 50f.

4 Wilke 2000, S. 43

5 Ebd.

6 Ebd., S. 44

7 Ebd., S. 66

8 Bollinger (1995): Pressegeschichte, S. 78

9 Ebd., S. 80

10 Beyrer/Dallmeier (Hg.): Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte. Eine Publi- kation des Deutschen Postmuseums, Frankfurt am Main anläßlich der gleichnamigen Ausste- lung, S. 27

11 Bollinger 1995, S. 81

12 Ebd.

13 Beyrer/Dallmeier, S. 29

14 Ebd., S. 30

15 Merten/Schmidt/Weischenberg (Hrsg.) (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, S. 294

16 Schwarzkopf (1993): Ueber Zeitungen (und ihre Wirkung). Neuauflage, S. 47

17 Ebd., S. 48

18 Ebd., S. 36

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung der Wochenpresse und ihre gesellschaftlichen Wirkungen
Veranstaltung
Pressegeschichte
Autor
Jahr
2001
Seiten
10
Katalognummer
V106166
ISBN (eBook)
9783640044450
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Seit Gutenbergs Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern vollzog sich in der westlichen Welt eine Entwicklung, die große Auswirkungen auf die nächsten Jahrhunderte hatte. Es wurde plötzlich möglich, viele Informationen binnen kurzer Zeit zu vervielfältigen und öffentlich zu machen. Dadurch konnten Menschen unterschiedlichster Herkunft mit Informationen versorgt werden, wie es vorher noch nicht möglich war. Einen besonderen Plat! z nimmt dabei die Entwicklung der periodischen Presse ein.
Schlagworte
Entstehung, Wochenpresse, Wirkungen, Pressegeschichte
Arbeit zitieren
Corina Friedrich (Autor:in), 2001, Die Entstehung der Wochenpresse und ihre gesellschaftlichen Wirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106166

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