Der Atlantische Sklavenhandel in Senegambia 1700 - 1850


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Senegambia als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel
2.1 Sklaverei und Sklavenhandel in Senegambia
2.2 Der Gorée-Streit
2.3 Aktuelle Datenlage

3 Gr ü nde für die relativ geringe Bedeutung als Angebotsregion

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Am Atlantischen Sklavenhandel waren die verschiedenen afrikanischen Angebotsregionen von Senegambia im Norden bis Angola im Süden unterschiedlich stark beteiligt. Die vor- liegende Fallstudie befasst sich mit der Frage, warum Senegambia im Zeitraum 1700 bis 1850 eine relativ geringe Bedeutung als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel hatte. In diesen Jahren umfasste der Anteil der Sklaven aus Senegambia nur einen Anteil von etwa 4,6 Prozent am gesamten Atlantischen Sklavenhandel (siehe Tabelle 1 unten), obwohl diese Region aus Sicht der europäischen Sklavenhändler geographisch äußerst günstig lag: Es handelt sich um die Europa am nächsten liegende Angebotsregion, und die Überfahrt zu den Karibischen Inseln dauerte von Senegambia aus nur halb so lange wie z.B. vom Golf von Guinea aus (Eltis 2001, S. 34).1 Darüber hinaus waren Frauen in Sene- gambia selbst, wo im hier betrachteten Zeitraum die Haltung von Sklaven weit verbreitet war, als Sklaven begehrter als Männer, da sie einen Großteil der Feldarbeit erledigten, im Vergleich zu männlichen Sklaven fügsamer waren und ihren Herren Kinder zur Welt bringen konnten (McDougall 1995, S. 219 f.), während Männer als Sklaven für die harte Plantagenarbeit in Amerika bei den europäischen Sklavenhändlern stärker nachgefragt wurden. Diese komplementäre Nachfragestruktur hätte - neben der oben erwähnten güns- tigen geographischen Lage - auch ein Grund dafür sein können, dass Senegambia aus Sicht der europäischen Sklavenhändler der ideale Sklavenmarkt ist.

In dieser Arbeit wird - nach einer geographischen Festlegung der Region Senegambia und einer Aussage zur Wahl des Zeitrahmens 1700 bis 1850 - zunächst ein Überblick gegeben zu Sklaverei und Sklavenhandel in Senegambia, um dem Leser einen Orientierungsrah- men für die nachfolgenden Erläuterungen zu geben. Danach wird auf den so genannten „Gorée-Streit“ eingegangen, der im Zusammenhang mit der hier untersuchten Region steht sich an den Widersprüchen zwischen mitfühlender mündlicher Überlieferung und professioneller, oftmals moralisch teilnahmslos erscheinender Wissenschaft entzündete. Eine kurze Darstellung der aktuellen Datenlage zur Anzahl der aus Senegambia ver- schleppten Sklaven schließt sich an. Danach werden vier mögliche Gründe dargestellt, warum Senegambia trotz der - aus der Sicht der Europäer - auf den ersten Blick günstigen Voraussetzungen nur eine relativ geringe Bedeutung im Atlantischen Sklavenhandel hatte, wobei aktuelle Monographien und Aufsätze zu diesem Thema ausgewertet wurden. Zum Schluss werden die wesentlichen Aussagen dieser Arbeit nochmals komprimiert darge- stellt und kritisch bewertet.

Mit „Senegambia“ ist hier eine Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel gemeint, deren Küstenlinie im Norden bis etwa 100 km nördlich der Mündung des Senegal-Flusses reicht, im Süden bis zum Rio Nunez, der etwa 400 km südöstlich vom Gambia-Fluss in den Atlantischen Ozean mündet. Das Hinterland wird ostwärts durch das Einzugsgebiet vom Senegal- und vom Gambia-Fluss begrenzt.2 Es lassen sich zwei Klimaregionen un- terscheiden, die fließend ineinander übergehen: Der Norden ist durch ein tropisches Tro- ckenklima geprägt, während man im Süden ein wechselfeuchtes Tropenklima vorfindet.

Der plakativ gewählte Zeitrahmen „1700 - 1850“ bezeichnet keine jahresgenaue Abgren- zung, sondern bezieht sich auf die Anfänge der Islamischen Revolution in Senegambia am Ende des 17. Jh. und die flächendeckende Kolonisierung der Region durch Frankreich und Großbritannien in den 1850er Jahren. Der gewählte Zeitrahmen markiert den zahlenmäßi- gen Höhepunkt des Atlantischen Sklavenhandels in Senegambia. Bis ungefähr 1850 sind die Handelsbeziehungen zwischen den senegambischen und den europäischen Händlern als Beziehungen zwischen zwei gleich starken Partnern zu charakterisieren, wobei jede Seite ihre jeweiligen Interessen durchsetzen konnte (Klein 1972, S. 425).3

2 Senegambia als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel

2.1 Sklaverei und Sklavenhandel in Senegambia

Die einen Großteil der senegambischen Bevölkerung stellenden Volksgruppen der Wolof und Sereer hatten im hier betrachteten Zeitrahmen (1700 - 1850) jeweils die gleiche sozia- le Schichtung, die aus 4 Gruppen bestand: Aristokraten, Freie (zumeist Bauern), Kasten- angehörige (z.B. Geschichtenerzähler, Schmiede, Sattler) und Sklaven.4,5 Die Freien wa- ren in der Überzahl, wobei sich ihr höherer Status jedoch üblicherweise nicht in höherem Wohlstand zeigte. Die Kastenangehörigen, die meist für die Mächtigen und Wohlhaben- den arbeiteten, waren materiell meist besser gestellt als die Freien, während die königli- chen Sklaven den Hauptteil der Armeeangehörigen stellten und einzelne von Ihnen häufig die Politik dominierten (Klein 1972, S. 420).6 Die Trennlinie zwischen formal freien und unfreien Menschen war in dieser Gesellschaft weniger bedeutend als die jeweilige Nähe des Einzelnen zur Macht. Die beiden Gruppen, die dem Islam am feindlichsten gesinnt waren, nämlich die Militärsklaven und die Geschichtenerzähler, hatten sowohl den nied- rigsten sozialen Status als auch die größte Nähe zur Macht (Klein 1972, S. 420).

Curtin (1975) betont, dass der Begriff „Sklave“ in Senegambia und bei den Europäern zu- nächst etwas völlig unterschiedliches bedeutete: Während für die Europäer ein Sklave durch das Recht gekennzeichnet war, diesen wie einen Gegenstand jederzeit verkaufen zu können, gab es innerhalb der sozialen Gruppe der Sklaven in Senegambia drei unter- schiedliche Arten von Sklaven, von denen durchaus nicht über jeden frei verfügt werden konnte. Es gab (a) gekaufte Sklaven, die nicht in den Haushalt ihrer Herren aufgenommen wurden, (b) gekaufte Sklaven, die in den Haushalt ihrer Herren aufgenommen wurden so- wie in Gefangenschaft geborene Sklaven und (c) königliche Sklaven, die in der Armee und in der Verwaltung eingesetzt wurden. Nur die Sklaven der ersten Kategorie hatten in Senegambia einen Status, der mit dem Sklavenstatus aus europäischer Sicht vergleichbar war, wobei jedoch auch bei diesen Sklaven ab dem Zeitpunkt ihres Erwerbs eine allmähli- che teilweise Integration in die neue Gesellschaft statt fand, d.h. auch über diese Sklaven wurde nicht mehr völlig frei verfügt, wenn sie einmal einige Jahre im Besitz ihrer Herren waren (Curtin 1975, S. 34 f.).

Die königlichen Militärsklaven des 18. Jh. werden nicht nur als mutige und freigiebige Krieger beschrieben, sondern auch als grausame und große Mengen Alkohol trinkende, oftmals wohlhabende Hedonisten, die ihre materiellen Bedürfnisse zum Teil durch eigen- mächtige Überfälle auf Dörfer zur Erbeutung von Sklaven befriedigten: Diese Sklaven wurden später bei europäischen Händlern gegen die gewünschten Güter - u.a. Branntwein - eingetauscht (Klein 1972, S. 422 f.). Dies zeigt, dass es durchaus unterschiedliche Kate- gorien von Sklaven gab, die einander nicht unbedingt in Solidarität verbunden waren. Ein wesentliches Merkmal der Kriegerstaaten, in denen die königlichen Militärsklaven dien- ten, war eine Perpetuierung der Produktion von Sklaven, da die im Staat lebenden Sklaven allmählich in die Gesellschaft integriert wurden und da immer wieder neue Pferde und Feuerwaffen gegen neue Sklaven getauscht werden mussten, um die eigene Militärmacht zu erhalten (Klein 1992, S. 28 f.).7

Sklavenraub war im 18. Jh. auch in senegambischen Gesellschaften verbreitet, die nicht über die soziale Schichtung der Wolof und Sereer verfügten. Baum (1999) erwähnt, dass die Diola im südlichen Teil von Senegambia weder über einen zentralistischen Staat ver- fügten noch als Kriegergesellschaft organisiert waren. Sie verkauften z.B. junge Männer, die bei dem Versuch erwischt wurden, sich das Brautgeld in Form von Vieh bei benach- barten Siedlungsgemeinschaften zu stehlen und die nicht innerhalb einer gewissen Frist von ihrer Familie ausgelöst wurden, an schwarze Mittelsmänner als Sklaven, die diese dann an die Europäer weiter verkauften. Da in diesem Gebiet im 18. Jh. von den schwar- zen Mittelsmännern für einen Sklaven 5 - 10 Rinder bezahlt wurden, verlegten sich einige Siedlungsgemeinschaften mit der Zeit auf regelrechte Raubzüge, z.B. auf die abseits der Nachbardörfer gelegenen Reisfelder. Für diese Raubzüge war keine zentrale Organisation notwendig, und Pferde boten in den sumpfigen Flussgebieten im Süden von Senegambia keinen Vorteil. Es reichten ein lautloses Anpirschen im Kanu, ein überraschender Angriff, eine Bewaffnung mit der „demokratischen“ Waffe Pfeil und Bogen, die jeder besitzen konnte, sowie ein unbehelligter Rückzug.8 Die Gefangenen wurden jedoch auch nicht so- fort als Sklaven verkauft, sondern erst, nachdem sie innerhalb einer gewissen Frist nicht von ihren Angehörigen freigekauft wurden (Baum 1999, S. 110 - 113).

Die ersten Jahre nach dem Verbot des Sklavenhandels durch die Briten im Jahr 1807 - das diese auf dem Wiener Kongress im Jahr 1814 auch gegenüber den Franzosen durchsetzen konnten - fallen in eine Phase wirtschaftlicher Depression in Senegambia, die zugleich je- doch auch eine Zeit des Wiedererstarkens der Briten und Franzosen in dieser Region war, die gegen Ende des 18. Jh. in Senegambia zunächst nach und nach an politischem Einfluss verloren hatten. Während im südlichen Senegambia jedoch der illegale Sklavenhandel blühte - dort hatten sich einige Sklavenhändler europäisch-afrikanischer Abstammung durch Heiraten mit Aristokraten-Töchtern erheblichen lokalpolitischen Einfluss gesichert9 - und dort auch eine schnellere wirtschaftliche Erholung einsetzte als im Norden,10 war im nördlichen Senegambia kaum illegaler Sklavenhandel zu beobachten. Die Abolition führte dort zu einer Schwächung der Aristokratie, die zuvor vom Sklavenhandel am stärksten profitiert hatte. Dies lieferte den Nährboden für eine flächendeckende Islamische Revolution, die jedoch nicht zu einer politischen Vereinigung des Nordens führte. Hiervon konnte Frankreich profitieren, das ab 1854 weitere große Teile von Senegambia in sein Kolonialreich eingliedern konnte (Barry 1998, S. 133 - 137).

2.2 Der Gorée-Streit

Geschichte kann durch die Würdigung mündlicher Überlieferung mitfühlend nacherzählt werden, woraus dann leicht moralische Geschichten werden, und Geschichte kann profes- sionell wissenschaftlich beforscht werden und dann schnell auf Handelsstatistiken redu- ziert werden - beide Wege führen naturgemäß häufig zu einander widersprechenden Er- by raiding forces of professional warriors“ (S. 31). Dies mag vielleicht für den trockeneren und dadurch weniger bewaldeten und damit landschaftlich offeneren Norden Senegambias zugetroffen haben, nicht aber für den dicht bewaldeten, sumpfigen Süden dieser Region. gebnissen. Ein hier sehr gut passendes Beispiel ist der so genannte „Gorée-Streit“. Gorée ist eine Insel vor der heutigen senegambischen Hauptstadt Dakar. Diese Insel war in dem hier betrachteten Zeitraum ein wichtiger Stützpunkt für den Atlantischen Sklavenhandel. In einem der alten Häuser aus dem 18. Jh. hat in den 1970er Jahren der Senegalese Joseph Ndiaye mit großem persönlichen Einsatz ein Museum über den Sklavenhandel in Afrika eingerichtet, das mittlerweile weltweit bekannte und viel besuchte Maison des Esclaves. Ndiaye, der selbst kein Wissenschaftler ist, hat nun behauptet, dass Millionen von Afrika- nern von Gorée aus als Sklaven nach Amerika verschifft wurden, ohne seine Zahlen wis- senschaftlich zu untermauern (Austen 2001, S. 230).11,12 Aus der systematischen Auswer- tung von historischen Unterlagen (u.a. über die Fahrten von Sklavenschiffen) folgt jedoch, dass Senegambia im Atlantischen Sklavenhandel wohl eine eher untergeordnete Rolle ge- spielt hat und dass speziell über Gorée nur ein kleinerer Teil des Sklavenhandels dieser Region lief.

Im Jahr 1995 nun entbrannte der Gorée-Streit, als Philip Curtin, ein Pionier der quantitati- ven Erfassung des Atlantischen Sklavenhandels, Ndiaye’s Projekt als Betrug („hoax“) be- zeichnete.13 Diese Äußerung wurde von der Pariser Tageszeitung Le Monde bekannt ge- macht, was wiederum eine Reihe senegalesischer Wissenschaftler und Journalisten auf den Plan rief. Schließlich wurde eine wissenschaftliche Konferenz einberufen, die im Ap- ril 1997 auf Gorée statt fand. Auf dieser Konferenz wurde die Arbeit des Du BoisProjekts14 scharf kritisiert, das die bisher umfangreichste Datensammlung zum Atlantischen Sklavenhandel zur Verfügung gestellt hat (Austen 2001, S. 230).15

Der Streit zwischen empirisch kreativem moralischem Gedenken und moralisch neutraler professioneller Wissenschaft mit seinen speziellen Implikationen für das hier untersuchte Thema - z.B.: Ist die vom europäischen Blickwinkel der Abolition geprägte quantitative Analyse des Atlantischen Sklavenhandels, die derzeit von weißen europäischen und ame- rikanischen Forschern dominiert wird, Ausdruck einer neuen, rassistisch geprägten Hie- rarchie im Wissenschaftsbetrieb? - soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Es kommt dem Autor viel mehr darauf an zu dokumentieren, dass er von diesem Disput Kenntnis genommen hat, ihn ernst nimmt und dennoch - nicht zuletzt wegen seiner dop- pelten Standortgebundenheit als Europäer und gelernter Ökonom - vor allem auf der Basis statistischen Materials argumentiert. Nur in diesem Sinne ist der Begriff „relativ geringe Bedeutung“ im Zusammenhang mit Senegambia als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel gemeint: als zahlenmäßiger Anteil an einem Gesamtvolumen des Atlanti- schen Sklavenhandels. Darüber hinaus ist der Bemerkung von Austen (2001) zuzustim- men, dass der Sklavenhandel in einem weiteren Kontext zu verstehen ist als im Rahmen von Handelsstatistiken (S. 232).

2.3 Aktuelle Datenlage

Entgegen älteren Auffassungen, nach denen der Sklavenexport aus Senegambia nach 1740 kontinuierlich gefallen sei, geht man nun - auf Basis der im Du Bois-Projekt ausgewerte- ten Aufzeichnungen zu den Fahrten von Sklavenschiffen - davon aus, dass im späteren 18. Jh. zwei- bis dreimal so viele Sklaven aus Senegambia verschleppt wurden als bisher angenommen (Richardson 2001, S. 83).16 Es wird vermutet, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jh. ein größerer Teil der senegambischen Sklaven aus küstennahen Regionen stammte.

Da zwischen den 1730er und den 1780er Jahren der Export von Gummi Arabicum aus Se- negambia trotz hoher Nachfrage aus Europa um etwa 25 Prozent zurück ging, vermutet Richardson (2001), dass der Sklavenhandel lukrativer war als die Produktion von Gummi Arabicum und einige Produzenten deshalb ihre Sklaven an europäische Sklavenhändler verkauften (S. 85).

Trotz dieser Entwicklung blieb der Anteil der senegambischen Sklaven am Atlantischen Sklavenhandel im hier betrachteten Zeitraum konstant auf relativ geringem Niveau, wie die nachfolgende Tabelle zeigt (Basis: Eltis 2001, Tab. II auf S. 44):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Anteil der senegambischen Sklaven am Atlantischen Sklavenhandel 1701 - 1850

3 Gründe für die relativ geringe Bedeutung als Angebotsregion

Konkurrenzmärkte Westsahara und Nordafrika

Austen (1992) versucht auf der Basis von Hinweisen aus diversen zeitgenössischen Quel- len eine Abschätzung, wie viele schwarzafrikanische Sklaven von islamischen Sklaven- händlern nach Nordafrika gebracht wurden: Er kommt für den Zeitraum 1400 - 1900 auf ca. 1,6 Mio. Sklaven im Handel mit Ägypten und für den Zeitraum 1550 - 1913 auf ca. 1,7 Mio. Sklaven im Handel mit der Sahara und dem Maghreb (S. 219 u. 227).17 Austen

(1992) betont dabei jedoch ausdrücklich, dass seine Abschätzung nur eine sehr grobe Richtung angeben kann, da die Quellenlage für seine Abschätzung doch recht dünn sei (S. 235). Auch kann er keine Angaben darüber machen, wie sich diese insgesamt ca. 3,3 Mio. Sklaven zahlenmäßig auf einzelne Herkunftsregionen (z.B. Senegambia) aufteilen. Die genannten Zahlen lassen jedoch vermuten, dass die europäischen Sklavenhändlern zum Kauf angebotene Anzahl an Sklaven durch eine starke innerafrikanische Nachfrage nach oben hin begrenzt wurde.

Eine erste Abschätzung für Senegambia erwähnt Curtin (1975): Er meint, dass von den 1670er bis zu den 1720er Jahren - mit einem Schwerpunkt auf den beiden letzten Jahr- zehnten - aus Gebieten südlich der Sahara allein nach Marokko etwa 200.000 Sklaven verkauft worden sein könnten, von denen möglicherweise bis zur Hälfte aus Senegambia kam (S. 156).18

Einen anderen Ansatz zur Abschätzung der Anzahl der von Senegambia aus in die West- sahara und nach Nordafrika exportierten Sklaven verfolgt Webb (1993), der die Verbin- dung zwischen Sklaven- und Pferdehandel in Senegambia untersucht. Gewöhnliche Kriegspferde aus Nordafrika wurden Ende des 17. Jh. in Senegambia mit 10 - 15 Sklaven bezahlt, „gute“ Pferde mit 25 Sklaven (Webb 1993, S. 230).19 Im 18. Jh. stieg der übliche Preis für eine bestimmte Pferderasse („Barbary-Pferde“) auf 15 - 30 Sklaven an, wobei die Lebensdauer dieser Pferde wegen der feuchteren Witterung im Vergleich zu ihrem tro- ckeneren Herkunftsgebiet äußerst gering war: Sie starben üblicherweise innerhalb eines Jahres nach ihrer Einfuhr nach Senegambia (Webb 1993, S. 240 f.).

Pferde spielten nun aber eine bedeutende Rolle in den auf Militärmacht basierenden sene- gambischen Kriegerstaaten, die im hier betrachteten Zeitraum existierten, weshalb es ei- nen intensiven Pferdehandel gab, der über die oben genannte Tauschrelation „Pferde ge- gen Sklaven“ direkt mit dem innerafrikanischen Sklavenhandel zusammen hing. Die Stär- ke der Kavallerie war z.B. kriegsentscheidend, als die Herrscher von Kajoor im 18. Jh. die Dominanz über die Waalo-Staaten gewannen: Während die Kavallerie der Waalo-Staaten von ca. 3.000 - 6.000 Pferden in den 1680er Jahren auf ca. 2.000 in den 1760er Jahren schrumpfte, wuchs die Kavallerie der Herrscher von Kajoor von ca. 300 in den 1680er Jahren auf ca. 2.000 - 3.000 in den 1780er Jahren an (Webb 1993, S. 234).

Webb (1993) nimmt an, dass im hier betrachteten Zeitraum (1700 - 1850) die Anzahl der von Senegambia aus in die Westsahara und nach Nordafrika exportierten Sklaven mindes- tens ebenso hoch war wie die Anzahl der Sklaven, die dem Atlantischen Sklavenhandel zugeführt wurden,20 wobei der größte Teil dieser Sklaven gegen Pferde eingetauscht wur- de (S. 235 - 243).21

Islamische Revolution

Seit dem Ende des 17. Jh. gab es in Senegambia diverse lokale Ansätze einer islamischen Reformbewegung, die im 18. Jh. allmählich Erfolge zeigten. Ein wichtiger, im islami- schen Recht verankerter Gedanke dieser Reformbewegung war, dass Muslims nicht als Sklaven leben sollten.22 In den 1770er und 1780er Jahren gelang es z.B. diversen lokalen

Machthabern, gegenüber europäischen Sklavenhändlern ein Kaufverbot von Sklaven mit moslemischem Glauben durchzusetzen (Barry 1998, S. 103 f.).

Barry (1998) sieht die seit dem Ende des 17. Jh. in Senegambia entstandenen, auf Mili- tärmacht basierenden Kriegerstaaten, die das politische und soziale Leben mit einem Kli- ma der Gewalt belasteten, als Ursache für die Islamische Revolution. Es entstanden nach und nach sich selbst organisierende Moslemgemeinschaften, die sich gelegentlich politi- sche Autonomie von diesen Kriegerstaaten ertrotzen konnten (Barry 1998, S. 92 f.). Je stärker sich die Bevölkerung Senegambias dem Islam zuwandte, desto kleiner wurde der Kreis der potenziellen Sklaven aus dieser Region, die den europäischen Händlern angebo- ten werden konnten: Ein Moslem sollte nach islamischem Recht ja nicht als Sklave leben müssen.

Vor den 1860er Jahren kann man bei der Islamischen Revolution in Senegambia nicht von flächendeckenden Erfolgen sprechen, und erst um 1880 war der größte Teil von Sene- gambia vom Islam durchdrungen (Klein 1972, S. 431 u. 437). In diesen Zeitraum der sozi- alen und politischen Umbrüche fällt auch die wirtschaftliche Transformation von Sene- gambia, die schließlich zu einer engeren Anbindung an den europäischen Wirtschaftsraum führte (Klein 1972, S. 439).

Produktion von Nahrungsmitteln

Für viele Sklavenschiffe waren die der senegambischen Küste vorgelagerten Inseln Gorée und James Island der letzte Halt vor der langen Passage über den Atlantischen Ozean, wo man sich nicht nur mit zusätzlichen Sklaven eindecken konnte, sondern auch mit Lebensmitteln (Klein 1972, S. 421).

Searing (1993) macht darauf aufmerksam, dass in der neueren Literatur zwar der Einfluss des Atlantischen Sklavenhandels auf die Ökonomie der afrikanischen Angebotsregionen behandelt wurde, dass aber „very little attention has been given to the important trade in grains and other agricultural products that accompanied the slave trade. In the Lower Senegal the expansion of slavery in key sectors of the economy, in commerce and agriculture, and in the military forces mobilized by the monarchy and nobles, was driven by the same Atlantic trade that carried slave laborers across the ocean“ (S. 28). Er meint, dass überall dort in Senegambia, wo eine Überproduktion von Lebensmitteln23 - vornehmlich Getreide und Vieh - möglich war, in großem Umfang Sklaven im Getreide und Vieh - möglich war, in großem Umfang Sklaven im landwirtschaftlichen Sektor eingesetzt wurden, was höhere Gewinne abwarf als der Sklavenhandel selbst (Sea- ring 1993, S. 30 - 33). Die europäischen Sklavenhändler brauchten ja nicht nur Lebensmit- tel zur Versorgung der Sklaven in Senegambia selbst, sondern auch für die Überfahrt in die Neue Welt.

Auch Ruf (1999) vertritt die Ansicht,24 dass die Versorgung der Sklaven an den verschie- denen Sklavensammelstellen entlang der senegambischen Küste sowie die Nachfrage der Küstenstadt Saint-Louis nach Nahrungsmitteln zu neuen landwirtschaftlichen Produkti- onsmustern in Senegambia führte, was die Ausweitung der internen Nachfrage nach Skla- ven für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Überschussproduktion zur Folge hatte (S. 117). Dieser Effekt führte - ähnlich wie der Einfluss der Konkurrenzmärkte Westsahara und Nordafrika oder der Einfluss der Islamischen Revolution - zu einer Verknappung des Angebots an senegambischen Sklaven für den Atlantischen Sklavenhandel.

Beteiligung an Schiffsrevolten

Verschiedene europäische Reisende in das Afrika des 18. Jh. führten Sklavenrevolten auf die Angst der Sklaven zurück, von den Europäern nach der Überfahrt über den Atlantik verspeist zu werden. Diese Ansicht wurde durch die Tatsache gestützt, dass zwangsweise verschleppte Personen nicht wieder nach Afrika zurückkehrten (Richardson 2001, S. 71). Die Beobachtungen von Richardson über Schiffsrevolten - nachfolgend definiert als jede Art einer kollektiven Rebellion durch Afrikaner (ob als Sklave oder in anderer Funktion, z.B. als Besatzungsmitglied) auf einen Sklavenschiff - stützen sich auf das Datenmaterial des Du Bois-Projekts, in dem Daten über 392 Fälle verzeichnet sind, von denen ca. 90 Prozent im Zeitraum 1698 - 1807 statt fanden. Richardson (2001) rechnet damit, dass es auf etwa jeder zehnten Fahrt eines Sklavenschiffes zu einer Schiffsrevolte kam und dass bei einer Schiffsrevolte durchschnittlich jeder zehnte Sklave getötet wurde, d.h. insgesamt kam etwa jeder hundertste Sklave durch diese Revolten um - während jedoch fünfzehn- mal mehr Sklaven durch Krankheiten auf den Sklavenschiffen starben (S. 72 u. 74).

Während Sklaven aus Senegambia nur etwa 4,5 Prozent aller nach Amerika verschifften Sklaven ausmachten, waren sie zu 22 Prozent an Schiffsrevolten beteiligt, das ist fast fünfmal häufiger, als statistisch zu erwarten wäre.25 Im Vergleich dazu wurden z.B.

zehnmal mehr Sklaven aus dem westlichen Zentralafrika nach Amerika verschifft, wäh- rend diese Sklaven nur an halb so vielen Schiffsrevolten beteiligt waren. Mit anderen Worten: Die Neigung von Sklaven aus Senegambia zur Beteiligung an Schiffsrevolten war zwanzigmal ausgeprägter als die der Sklaven aus dem westlichen Zentralafrika (Ri- chardson 2001, S. 77 u. 91).

Richardson (2001) schließt aus, dass sich diese regionalen Unterschiede durch diverse Spezifika der Verschiffung - z.B. Dauer der Zuladung von Sklaven vor Ort oder Sterb- lichkeitsrate der Schiffsbesatzungen - erklären lassen.26 Er zitiert Aussagen von europäi- schen Sklavenhändlern bzw. Kapitänen vom Ende des 17. Jh. und aus dem 18. Jh., die Sklaven aus Senegambia als besonders aufsässig darstellen.27 Obwohl die Sklaven aus Se- negambia nicht auffällig häufig auf den Plantagen in Amerika rebellierten, taten sie dies doch überdurchschnittlich oft auf den Schiffen. Letzteres war für einen Sklavenhändler oder den Kapitän eines Sklavenschiffes entscheidend, weshalb sich der Sklavenhandel stärker auf andere Angebotsregionen Afrikas verlagerte. Dieses Ausweichen auf Regio- nen, in denen die Sklaven weniger zu Schiffsrevolten neigten, ist für Richardson (2001) ein wichtiger Grund für die relativ geringe Bedeutung von Senegambia als Angebosregion im Atlantischen Sklavenhandel (S. 79 - 81).

Richardson (2001) argumentiert, dass durch die gestiegenen Erlöse beim Sklavenverkauf nach 1750 so viele Sklaven in Senegambia verkauft wurden, dass es hierdurch - mehr noch als durch die zögerlich beginnende Islamische Revolution - zu einer politischen De- stabilisierung kam. Im Zuge dieser politischen Destabilisierung, die auch mit Auseinan- dersetzungen lokaler Kriegsherren verbunden war, gerieten vermehrt Militärsklaven in Gefangenschaft und wurden an europäische Sklavenhändler verkauft. Diese Militätskla- ven, die den „ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfeld“ einem elenden Sklavenleben auf amerikanischen Plantagen vorzogen, steigerten nach Richardsons Ansicht die Rebellions- neigung auf den Sklavenschiffen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jh. aus Senegambia kamen. Dies führte zu dem schlechten Ruf der Sklaven aus Senegambia - bezogen auf ih- re Rebellionsneigung - bei europäischen Sklavenhändlern bzw. Kapitänen, die im übrigen politisch stabile Regionen für ihre Geschäftstätigkeit bevorzugten. Als Folge ging die Be- deutung von Senegambia als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel schließlich wieder zurück (Richardson 2001, S. 87 f.).

4 Zusammenfassung

Klein (1999) deutet an, dass Senegambia im 18. und 19. Jh. deshalb keine bedeutende Rolle im Atlantischen Sklavenhandel spielte, weil die von den Europäern angebotenen Handelswaren zur Bezahlung der Sklaven in Senegambia im Lauf der Zeit immer weniger geschätzt wurden und statt dessen Waren aus Nordafrika vorgezogen wurden. Dieser Um- stand, die hohen Sklavenpreise28 und das auf Grund konkurrierender nordafrikanischer Märkte geringe Angebot an Sklaven hätten sicher gestellt, dass Senegambia für Europäer eine eher uninteressante Angebotsregion für Sklaven war (Klein 1999, S. 109).

Für diese Ansicht konnte der Autor in der aktuellen Literatur nur teilweise Belege finden. So verknappten die Konkurrenzmärkte Westsahara und Nordafrika das den Europäern zur Verfügung stehende Angebot an Sklaven wohl sehr stark, möglicherweise wurden im hier betrachteten Zeitraum vor allem im Zusammenhang mit dem Pferdehandel ebenso viele Sklaven von Senegambia aus in die Westsahara und nach Nordafrika exportiert wie in die Neue Welt. Dass in Senegambia jedoch nordafrikanische Handelswaren den von den Eu- ropäern angebotenen Handelswaren vorgezogen wurden - also z.B. nordafrikanische Stof- fe den indischen Stoffen -, und dies einen Einfluss auf den Sklavenhandel hatte, wird mit Ausnahme des Handels „Pferde gegen Sklaven“ in der aktuellen Literatur nicht diskutiert.

Als Gründe für das eher geringe Angebot senegambischer Sklaven im hier betrachteten Zeitraum werden in der aktuellen Literatur - neben dem Einfluss der Konkurrenzmärkte Westsahara und Nordafrika - der Einfluss der Islamischen Revolution sowie der alternati- ve Einsatz von Sklaven zur Produktion von Nahrungsmitteln für den Gewinn bringenden Verkauf an die Europäer genannt. Diese beiden Argumente sind nach Ansicht des Autors weniger stichhaltig als das erstgenannte Argument. Es mag zwar sein, dass durch die Is- lamische Revolution weniger Senegambier versklavt wurden, da viele den neuen Glauben angenommen hatten, es darf aber nicht vergessen werden, dass im 18. Jh. wohl etwa zwei Drittel aller von Senegambia aus verschifften Sklaven aus dem Einzugsgebiet des mittle- ren Niger-Flusses kamen (Curtin 1981, S. 89), wo es genug „Ungläubige“ gab.29 Was das dritte Argument vom alternativen Einsatz vieler Sklaven zur Überschussproduktion von Nahrungsmitteln betrifft, sei angemerkt, dass dies sicherlich auch für andere afrikanische Angebotsregionen gegolten hat, denn schließlich waren auch hier Sklaven sowohl an den Sammelstellen an der Küste als auch bei der Überfahrt nach Amerika zu verpflegen, die ja von anderen Angebotsregionen aus stets länger dauerte als von Senegambia aus.

Dass aus der weit überdurchschnittlichen Neigung senegambischer Sklaven zur Beteili- gung an Schiffsrevolten eine gewisse Kaufzurückhaltung europäischer Sklavenhändler re- sultierte, ist nach Ansicht des Autors hingegen ein recht schlüssiges Argument, das im Gegensatz zu den drei erstgenannten Argumenten die Nachfrageseite des Sklavenhandels beachtet. Die zwei nach Ansicht des Autors stärksten Argumente zur Erklärung der relativ geringen Bedeutung von Senegambia als Angebotsregion im Atlantischen Sklavenhandel im Zeitraum 1700 - 1850 wären somit (a) eine Verknappung des Angebots durch den Ein- fluss von Konkurrenzmärkten sowie (b) eine sinkende Nachfrage als Folge der überdurch- schnittlich hohe Neigung senegambischer Sklaven zur Beteiligung an Schiffsrevolten. Beide Effekte führten insgesamt - trotz der steigenden Nachfrage auf dem Weltmarkt - zu einer weit geringeren Anzahl gehandelter Sklaven, als dies auf Grund der geographischen Lage Senegambias zu erwarten gewesen wäre.

5 Literaturverzeichnis

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Webb, James L. A. (1993): The Horse and Slave Trade between the Western Sahara and Senegambia, in: Journal of African History 34, S. 221 - 246.

[...]


1 Eltis (2000) gibt die durchschnittliche Dauer einer Überfahrt von Senegambia aus mit 48,3 Tagen an, während dieser Durchschnitt für alle Angebotsregionen des Atlantischen Sklavenhandels bei 74,4 Tagen lag - also gut 1,5 mal so lange wie von Senegambia aus (S. 165).

2 Die geographische Festlegung der Region Senegambia folgt hier der pragmatischen Aufteilung von Westafrika in Angebotsregionen für den Atlantischen Sklavenhandel im Rahmen eines Pro- jekts des W. E. B. Du Bois-Instituts für Afro-Amerikanische Studien der Universität Harvard, in dem Aufzeichnungen zu den Fahrten von Sklavenschiffen statistisch ausgewertet wurden (Eltis u.a. 1999). Mit „Senegambia“ ist hier also weder die gleichnamige Konförderation der beiden Staaten Senegal und Gambia gemeint, die in den Jahren 1982 bis 1989 bestand - die Atlantikküs- te dieser beiden Staaten reicht von der Mündung des Senegal-Flusses bis etwa 100 km südlich der Mündung des Gambia-Flusses -, noch die von Barry (1998) untersuchte gleichnamige Regi- on, deren Küstenlinie durch die Einzugsgebiete des Senegal-Flusses und des Sierra Leone- Flusses begrenzt wird, der etwa 300 km südöstlich des Rio Nunez in den Atlantischen Ozean mündet (S. xi u. xxii f.).

3 Savigny und Corréard (1818) zeigen dies in ihrem Reisebericht recht anschaulich: Außerhalb ih- rer Handelszentren waren die Europäer in Senegambia auf die Kooperation der Einheimischen angewiesen.

4 Curtin (1975) spricht von einer analogen Schichtung in drei Gruppen, da er die Aristokraten nicht explizit als soziale Gruppe benennt (S. 28 f.).

5 Cornelius Hodges, der Ende des 17. Jh. den Oberlauf des Gambia- und des Senegal-Flusses be- reiste, berichtete hingegen über Mini-Königreiche in senegambischen Hinterland: „The People of Cumbordoo, Commanno, and Bamboo are under very Little or no Government, therefore very little Good [is] to be expected of them, for almost every Towne though but 6 houses has its King who acts and does either good or evill as it pleases him“ (Stone 1924, S. 93). Genau hundert Jah- re später war der politische Flickenteppich in dieser Gebiet immer noch so ausgeprägt, dass ein - unbekannter - französischer Reisender die Region Bambouc als leicht zu erobern einschätzte: „Quel dommage qu’un pays si riche, à tous égards, ne soit pas mis en valeur! Cette entreprise est l’une des plus belles et des plus lucratives qu’on puisse faire sur le globe. Avec peu d’argent et cinq cents hommes, on ferait aisément la conquête de cette riche contrée, surtout en soumettant les chefs par des présents et par de bons traitements, ce qui serait très facile. Peu d’artillerie suffi- rait.“ (Pageard 1961, S. 24).

6 Das Oberhaupt dieser königlichen Militärsklaven war gelegentlich die zweitmächtigste Person nach dem König (Curtin 1975, S. 35).

7 Searing (1993) warnt jedoch vor der Gefahr, hier eine allzu europäische Sicht der Dinge zu zeichnen: „The king who raided his own people became a central metaphor for Europeans de- scribing the Senegambian coast, a trope that explained and justified the presence of European slave traders.“ (S. 38).

8 Klein (1992) vertritt noch recht kategorisch eine andere Ansicht: „Only those who commanded significant numbers of men could successfully slave. Thus slaving was done largely by armies or

9 Dass derartige Verbindungen auch anders herum funktionierten, erwähnt Ashcraft-Eason (2000) am Beispiel der Handelszentren an der senegambischen Küste: „In order to build a lucrative bu- siness in the slave trade and manœuvre around patriarchal obstacles, a large outlay of capital was necessary. Ambitious women, or their daughters, established relationships with European men, and even married them, to consolidate business partnerships and thereby gain access to trade.“ (S. 208).

10 Hier steht Barry (1998) im Widerspruch zu Curtin (1981), der zumindest bis 1820 eine ganz an- dere Entwicklung aufzeigt: „The rapid increase of gum income may therefore have brought in- creased prosperity to the northern gum-trading and gum-producting region, while the region to- ward the Gambia and the Casamance stagnated.“ (S. 93). Mit gum ist hier das aus der Senegalesischen Akazie gewonnene Gummi Arabicum gemeint, im hier betrachteten Zeitraum ein wichtiger Rohstoff für die europäische Textilindustrie (Ruf 1999, S. 117).

11 Die Zahlen, die Ndiaye angibt, scheinen lange - sowohl im individuellen als auch im kollekti- ven - Gedächtnis zu haften. Kürzlich sprach ich mit einem Freund, der das Maison des Esclaves auf Gorée Ende der 1970er Jahre besucht hatte: Er ist nach diesem Besuch noch heute der An- sicht, im Lauf der Jahrhunderte seien insgesamt ca. 60 Mio. Afrikaner als Sklaven in die ganze Welt verschleppt worden. Ein anderes Beispiel liefert Bedürftig (2000), der zur Insel Gorée schreibt: „Wer das Buch ‚Roots‘ von Alex Haley gelesen oder die Verfilmung gesehen hat, hat eine schwache Ahnung vom Elend der etwa 10 Millionen Menschen, die von hier die Reise in die Sklaverei antraten. Daran soll die Erhebung von Gorée zu einer UNESCO-Welterbestätte (1978) erinnern“ (S. 427). Zumindest im virtuellen Museum The House of Slaves <http://webworld.unesco.org/goree/> (28.09.2001) spricht Ndiaye im Abschnitt photos and texts - die dortigen Texte stammen von ihm - nicht mehr von Millionen Sklaven, die von Gorée aus verschifft wurden. Dies tut nun im Abschnitt messages kein geringerer als der senegalesische Staatspräsident Abdoulaye Wade: „Very soon you will experience a place haunted by the memories of the millions of men and women who have passed; men and women torn from their homes and used to irrigate with their blood the fields of more prosperous nations“.

12 Auch Barry (1998) behauptet, dass „millions of Senegambians were shipped by force to the New World“ (S. 123 f.). Hierbei scheint es sich aber um einen verbalen „Ausrutscher“ zu han- deln, da er ansonsten nicht mit derartigen Größenordnungen hantiert und bereits kurz darauf er- wähnt, der Wunsch, aus der Neuen Welt in die Heimat zurückzukehren „remained the unfulfilled dream of thousands of Senegambian slaves“ (S. 125).

13 Der aus dieser Äußerung von Curtin resultierende, für das Nachvollziehen der Entstehung des Gorée-Streits sehr aufschlussreiche, da teilweise recht emotional geführte Mailverkehr ist - ganz nach Historikerart im Stil einer kommentierten Quellenedition - dokumentiert unter <http://www2.h-net.msu.edu/~africa/threads/goree.html> (27.09.2001).

14 Mit dem Du Bois-Projekt ist nachfolgend die seit 1991 vom W. E. B. Du Bois-Institut für Afro- Amerikanische Studien der Universität Harvard betriebene Konsolidierung von Daten über die bisher bekannten Fahrten von Sklavenschiffen im Atlantischen Sklavenhandel gemeint. Eltis u.a. (1999) haben den Ertrag dieser Konsolidierung auf einer CD-ROM veröffentlicht, auf der 27.233 Fahrten mit einer Vielzahl von Informationen - u.a. die Herkunftsregionen der Sklaven in Afrika - verzeichnet sind. Man geht im Du Bois-Projekt davon aus, etwa zwei Drittel bis drei Viertel aller Schiffsfahrten im Rahmen des Atlantischen Sklavenhandels vom späten 16. Jh. bis zur Mitte des 19. Jh. auf der CD-ROM erfasst zu haben (Eltis u.a. 1999, S. 6).

15 Die Datensammlung des Du Bois-Projekts wird auch im nachfolgenden Unterkapitel genutzt.

16 Curtin (1975) beobachtet für Senegambia in den 1730er bis zu den 1770er Jahren eine geringerePreiselastizität für das Sklavenangebot als im übrigen Afrika: Die Sklavenpreise stiegen, und während das Sklavenangebot in ganz Afrika anstieg, ging es in Senegambia zurück (S. 166 f.). Berücksichtigt man die aktuellen Daten, läßt sich Curtins Beobachtung einer atypischen Preiselastizität für Senegambia nicht mehr aufrecht erhalten.

17 Interessanterweise geht Klein (1972) in seinem Artikel über die Islamische Revolution in Senegambia nicht auf die Handelsbeziehungen dieser Region zur Westsahara und zu Nordafrika ein: Es entsteht vielmehr der Eindruck, Senegambia habe in dem hier betrachteten Zeitraum (1700 - 1850) ausschließlich Handel mit Europäern betrieben, und dies nur über den Atlantischen Ozean. Auch Barry (1998) geht davon aus, dass sich die Handelsströme - sowohl für Sklaven als auch für andere Güter - im hier betrachteten Zeitraum vom westlichen Sudan zum Atlantischen Ozean umgekehrt hätten, wobei Sklaven das wertmäßig bedeutendste Handelsgut waren (S. 57, 71 f. u. 80). Im Gegensatz hierzu sieht Richardson (2001) die europäischen Sklavenhändler als Käufer von Sklaven im Senegambia des 18. Jh. einer starken Konkurrenz durch Käufer aus der Westsa- hara und Nordafrika ausgesetzt (S. 82 f.). Bereits Cornelius Hodges, der Ende des 17. Jh. den Oberlauf des Gambia- und des Senegal-Flusses bereiste, berichtete von beträchtlichen Mengen an Sklaven, die im afrikanischen Binnenhandel den Besitzer wechselten: „I doubt not but yor Honrs are sencible ye quantity of slaves yt. are brought down annually by them are considerable“ (Stone 1924, S. 92), was Stone bereits frühzeitig zu folgender Einschätzung veranlasste: „Hodges attrib- utes the lack of slaves on the northern coast to the fact that the Moors had become the first clients of the negro merchants. This goes far to explain the fact that all the slave-trading companies of European countries preferred to develop their traffic on the Gold Coast rather than in the estuar- ies of the Senegal and Gambia.“ (S. 89 f.).

18 Barry (1998) kritisiert diese Zahlen von Curtin heftig und hält diesem vor, er rechne den innerafrikanischen Sklavenhandel für Senegambia hoch, während er gleichzeitig den Atlantischen Sklavenhandel herunterrechne (S. 67).

19 Ausnahmepferde hingegen konnten so teuer sein, dass ein Anteil von einem Viertel oder einem Achtel an diesem Pferd den Gegenwert von einhundert Milchkamelen erreichen konnte (Webb 1993, S. 228, Fußnote 32).

20 Von dieser Größenordnung geht auch Ruf (1999) aus (S. 115).

21 Ob der „interne“ afrikanische und der „externe“ Atlantische Sklavenhandel miteinander korre- liert waren, ist in der Literatur umstritten (McDougall 1995, S. 216 - 218). Der Autor neigt zu der Ansicht, dass beide Märkte miteinander korreliert waren, weil Senegambia im hier betrachteten Zeitraum über ein Netz von Handelswegen mit der Westsahara und Nordafrika verbunden war. Da die senegambischen Sklavenhändler den Europäern zumindest bis 1850 als gleichberechtigte Handelspartner gegenüber standen, besteht kein Grund anzunehmen, dass sie dies gegenüber den afrikanischen Händlern nicht taten. Wenn aber für das Handelsgut Sklave bei der vorhandenen Infrastruktur zwei funktionierende Märkte zur Verfügung standen, werden die senegambischen Sklavenhändler sicher ein ggf. vorhandenes Preisgefälle ausgenutzt haben, woraus unmittelbar folgt, dass beide Sklavenmärkte miteinander korreliert waren.

22 Das bedeutete jedoch nicht, dass „Ungläubige“ von der Sklaverei verschont werden sollten, o- der, wie Klein (1992) in diesem Zusammenhang ausführt: „Thus little in Islam itself would make it an anti-slave force.“ (S. 35).

23 Buxton (1838) führt hierzu aus: „There are places on the Winward coast of Western Africa, o- ther than Sierra Leone, which I think would repay any care that might be bestowed on them, in the way of agricultural instruction and example; and, perhaps, none of them will be found bettercalculated for its application than the settlements on the river Gambia. The soil is rich, and more easily brought under culture than even that of Sierra Leone; ground nuts and corn are grown the- re;“ (S. 379 f.).

24 Wobei er auf Searing (1993) verweist.

25 Diese von Richardson (2001) gelieferten Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum 1527 - 1867.

26 Eine Absicherung dieser Aussage mit Hilfe von statistischen Methoden erfolgt bei Behrendt (2001).

27 Ähnliche Aussagen finden sich auch bei Eltis (2000, S. 172 f.).

28 Die Präferenz der Senegambier für nordafrikanische Waren und die hohen Sklavenpreise als zwei verschiedene Argumente aufzuführen ist nach Ansicht des Autors irreführend: Das Eine re- flektiert das Andere, da der Preis für Sklaven nichts anderes war als ein Korb von Handelswaren, der sich im Zeitverlauf und von Region zu Region ändern konnte. Ähnlich zirkelschlüssig argu- mentiert Eltis (2000): „High slave prices thus reflected the combined pressures of local, transat- lantic and trans-Saharan demand for a relatively small number of high-cost slaves from the inte- rior.“ (S. 169). Lässt man allerdings das Adjektiv „high-cost“ weg, wird ein nachvollziehbares Argument daraus. Argumentiert man rein ökonomisch, darf auch nicht übersehen werden, dass sich höhere Preise für senegambische Sklaven im Vergleich zu Sklaven aus anderen afrikani- schen Angebotsregionen durchaus rechtfertigen ließen: Die Dauer für die Überfahrt in die Neue Welt war ja von Senegambia aus wesentlich kürzer als von weiter südlich gelegenen Regionen aus, zudem war Senegambia von Europa aus am schnellsten zu erreichen. Hieraus resultierten si- cherlich geringere Kosten, z.B. für die Verpflegung der Besatzung und der Sklaven, was über- durchschnittlich hohe Sklavenpreise bis zu einem gewissen Umfang ökonomisch vertretbar machte.

29 Vgl. auch Klein (1999), der für Senegambia konstatiert: „Though slaves were obtained from the coastal communities, after 1700 most of the slaves being sold to the Europeans came from the in- terior. They also were most definitely a by-product of the long series of Islamic wars among the states of the Upper Niger region“ (S. 59). Gerade vom oberen Gambia-Fluss aus war die Niger- Region relativ gut erreichbar: „How far it [Anm. d. Verf.: der Gambia-Fluss] extends into the in- terior is unknown; it is said, however, that it has been ascended for some hundred miles. It is also asserted that from the upper part of this river the Senegal can be reached in three, and the Niger in four days.“ Buxton (1838, S. 356); Ende des 17. Jh. war man sogar noch davon davon ausge- gangen, dass der Senegal- und der Gambia-Fluss Mündungsarme des Niger seien (Stone 1924, S. 89). Die von Curtin (1981) vorgetragene Vermutung, in der Folge der Islamischen Revolution sei der Gambia-Fluss als Transportweg für Sklaven aus dem Landesinneren weggefallen, bezieht sich auf die Zeit nach 1860 (S. 94 f.).

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Atlantische Sklavenhandel in Senegambia 1700 - 1850
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V106026
ISBN (eBook)
9783640043057
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Atlantische, Sklavenhandel, Senegambia
Arbeit zitieren
Christian Weyerstall (Autor:in), 2002, Der Atlantische Sklavenhandel in Senegambia 1700 - 1850, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106026

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