Förderung des selbsttätigen Lernens an der Schule für Lernbehinderte durch die Projektmethode


Examensarbeit, 2002

63 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1. Neue Anforderungen an die schulische Bildung
1.2. Zum Aufbau der Arbeit
1.3. Ziele und Fragestellungen der Arbeit

2. Das Projekt: „Kräuterwerkstatt“ – ein Praxisbeispiel
2.1. Organisation und Planung
2.2. Die Durchführung des Projektes
2.2.1. Der erste Tag
2.2.2. Der zweite Tag
2.2.3. Der dritte Tag
2.2.4. Der vierte Tag
2.3. Die Auswertung des Projektunterrichtes

3. Theoretische Grundlagen zur Durchführung des Projektunterrichtes
3.1. Begriffsbestimmung
3.2. Wichtige Voraussetzungen
3.3. Merkmale des Projektunterrichtes
3.4. Der Ablauf eines Projektes
3.5. Besonderheiten der Projektdidaktik an der Schule für Lernbehinderte

4. Projektreflexion und Schlussfolgerungen

5. Das selbsttätige Lernen
5.1. Begriffsbestimmungen
5.1.1. Der neue Lernbegriff
5.1.2. Das selbsttätige Lernen
5.2. Grundsätze der Förderung selbstgesteuerten Lernens
5.3. Wege zum selbstgesteuerten Lernen
5.3.1. Direkte Instruktion
5.3.1.1. Begriffsklärung
5.3.1.2. Die wichtigsten Methodenkompetenzen
5.3.1.3. Die Prinzipien des direkten Strategietrainings
5.3.2. Adaptive Instruktion
5.3.3. Kooperatives Lernen
5.3.3.1. Die Stadien der Gruppenentwicklung
5.3.3.2. Merkmale des Gruppenunterrichtes
5.3.3.3. Formen der Gruppenarbeit
5.3.4. Individuelles, selbstgesteuertes Lernen
5.4. Die vier Stufen der Selbstständigkeit
5.5. Methoden zur Förderung selbsttätigen Lernens
5.6. Selbsttätigkeit im Projektunterricht
5.7. Zusammenfassung

6. Förderung der Selbsttätigkeit an der Schule für Lernbehinderte
6.1. Zum Begriff „Lernbehinderung“
6.2. Besonderheiten der Förderung des selbstständigen Handelns lernbehinderter Schüler
6.2.1. Möglichkeiten
6.2.2. Schwierigkeiten und Grenzen
6.3. Schlussfolgerungen

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

Persönliche Erklärung

1.EINLEITUNG

1.1. Neue Anforderungen an die schulische Bildung

Die Schule von gestern ist nicht mehr die Schule von heute. Die Kindheit hat sich aufgrund geänderter Rahmenbedingungen, breiterer Informationsvermittlung und anderer Umgangsformen verändert. Um Kindern heute gerecht zu werden ist es wichtig, diese Veränderungen und Wandlungen als Grundlage für das Lernen im Blick zu halten. Schule und Lernen müssen sich verstärkt darum bemühen, vielfältige Möglichkeiten zu Eigentätigkeiten und zwischenmenschlichem Umgang zu schaffen.

In den 90er Jahren vollzogen sich grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, damit wandelten sich auch die Anforderungen in der Berufswelt. Heute sind ganz andere Kompetenzen als noch vor 5 Jahren gefragt. Entscheidend sind Eigenschaften wie Selbstständigkeit, freier Wille und Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Methodenbeherrschung und persönliche Kompetenz. „Wissen ist heute natürlich immer noch ein wichtiger, aber nicht mehr der einzige Baustein in der Gesamtqualifikation der Schülerinnen und Schüler.“ (Müller 2001, S.11)

Die oben beschriebenen veränderten Anforderungen spiegeln sich auch im Schulgesetz des Landes Sachsen – Anhalt wider. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule beinhaltet u. a., eigenverantwortliches Handeln und Leistungsbereitschaft der Schüler zu fördern, sie auf die Arbeitswelt vorzubereiten und sie zu individueller Wahrnehmungs-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu befähigen (vgl. Schulgesetz 1996, S. 9). In den gültigen Rahmenrichtlinien des Landes Sachsen – Anhalt wird den Lehrerinnen und Lehrern die pädagogische Freiheit eingeräumt, ein Drittel der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit für offene Unterrichtsformen zu nutzen, fächerübergreifend zu unterrichten und die Schüler zu mehr Eigenaktivität und Gruppenarbeit zu befähigen.

Die vorliegende Arbeit soll sich damit beschäftigen, wie das selbsttätige Lernen der Schüler, insbesondere lernbehinderter, gefördert werden kann und welchen Beitrag Projektunterricht dazu leisten kann.

1.2. Zum Aufbau der Arbeit

Am Anfang der Arbeit steht die Beschreibung und Einschätzung eines selbst praktisch durchgeführten Projektes, welches auf nur wenigen theoretischen Kenntnissen basierte. Das folgende Kapitel dient der Darstellung einzelner Schritte des Projektunterrichts, wichtiger Merkmale sowie Besonderheiten für lernbehinderte Schüler.

Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der neuen Auffassung vom Lernen und den daraus resultierenden veränderten Anforderungen an den Unterricht. Dabei steht der Aspekt der Selbstständigkeit bzw. Selbsttätigkeit der Schüler im Vordergrund . Es soll herausgearbeitet werden, welche Möglichkeiten der Förderung und Erhöhung der Selbsttätigkeit bestehen und wie diese auch an der Schule für Lernbehinderte umgesetzt werden können.

Abschließend soll die Frage beantwortet werden, ob und wie der Projektunterricht zur Erhöhung der Selbsttätigkeit lernbehinderter Schüler beitragen kann und welche Veränderungen in der Unterrichtsorganisation angezeigt wären.

1.3. Ziele und Fragestellungen der Arbeit

Ausgehend von dem durchgeführten Projekt, welches im nächsten Kapitel näher beschrieben wird, ergeben sich folgende Fragestellungen:

1. Inwieweit entspricht dieses Projekt den idealtypischen Vorstellungen von Pro- jektunterricht?
2. Welche Schritte müssten bei nochmaliger Durchführung dieses Projektes ver- ändert werden?
3. Wie müsste die Schule für Lernbehinderte organisiert sein, um die Projektidee bestmöglich umzusetzen?
4. Ist Projektunterricht eine geeignete Möglichkeit, die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen?

Da sich die vorliegende Arbeit in großen Teilen mit der Förderung der Selbsttätigkeit der Schüler im Zusammenhang mit einem neuen Verständnis von Lernen befasst, ergeben sich weitere Fragestellungen:

5. Welche neuen Anforderungen stellt die gesellschaftliche Entwicklung an die schulische Bildung?
6. Was beinhaltet der veränderte Lernbegriff?
7. Wie stellt sich selbsttätiges Lernen im Unterrichtsprozess dar?
8. Durch welche Methoden kann die Selbstständigkeit der Schüler erhöht werden?
9. Ist es auch für lernbehinderte Kinder möglich, das selbsttätige Lernen zu för- dern? Welche besonderen Schwierigkeiten müssen dazu überwunden werden?

2. DAS PROJEKT: „ KRÄUTERWERKSTATT“- EIN PRAXISBEISPIEL

2.1. Organisation und Planung

Im Schuljahr 1999/ 2000 führte ich mit den 15 Schülern der 9. Klasse ein Projekt zum Thema: „ Kräuterwerkstatt“ durch. Insgesamt standen 4 Unterrichtstage zur Verfügung, so dass das Projekt in 2 Teile von je 2 Tagen gegliedert wurde: Teil 1 im Herbst1999, Teil 2 im darauf folgenden Frühjahr. Auf die Idee für dieses Projekt kam ich gemeinsam mit einem Biologielehrer unserer Schule, der mich auch bei der Vorbereitung und Durchführung unterstützte. Ausgangspunkt unserer

Überlegungen war die Tatsache, dass sich in unserem Schulort ein wichtiger Betrieb, die „ Schweinitzer Naturtee GmbH“, befindet. Wir nahmen Kontakt mit dem Geschäftsführer auf und vereinbarten einen Termin zur Betriebsbesichtigung.

Grundlage für die Planung dieses interessanten Projektes waren außerdem vier Arbeitsmappen der SCHUBI- Lernmedien AG mit dem gleichnamigen Titel „Kräuterwerkstatt“. Diese Sammlungen von Informationen, Arbeitsanleitungen, Arbeitsblättern, Ideen und Vorschlägen sind nach den einzelnen Jahreszeiten gegliedert: Teil1 – Grundlagen, Teil 2 – Frühling, Teil 3 – Sommer, Teil 4 – Herbst und Winter.

Einige Wochen vor Beginn der Projekttage wurden die Schülerinnen und Schüler mit der Idee vertraut gemacht und versucht, ihr Interesse zu wecken. Sie bekamen die Aufgabe, aus Zeitschriften oder Büchern Material über Kräuter und Heilpflanzen zu sammeln, das später für die Gestaltung einer Plakatwand genutzt werden sollte. Einige Schüler brachten sogar Prospekte von Krankenkassen über Heilpflanzen, Naturheilverfahren, Hausmittel etc. mit. Ein besonders interessierter Schüler bekam den zusätzlichen Auftrag, sich in der Bibliothek nach Literatur über Hildegard von Bingen zu erkundigen.

Da das gewählte Projektthema doch sehr weit gefasst war, wurde dieses in der weiteren Planungsphase etwas eingegrenzt:

Projekt Teil 1 (Herbst): - Heilpflanzen allgemein

- Gesundheit und Wohlbefinden
- Spezialisierung auf Apfel und Zwiebel
- Gestaltung einer Plakatwand

Projekt Teil 2 (Frühjahr):

- Typisierung von Brennnessel, Löwenzahn, Holunder, Spitzwegerich
- Anlegen eines Herbariums
- Erstellen von Projektmappen

2.2. Die Durchführung des Projektes

2.2.1. Der erste Tag

Am Anfang wurden die Schüler mit der Bedeutung der Heilpflanzen für die Gesundheit und ihrer Verwendung vertraut gemacht. Dies geschah mit Hilfe eines interessanten Lesetextes aus einer der Arbeitsmappen. Die Schüler trugen dann ihnen bekannte Heilpflanzen, geordnet nach deren Vorkommen in den 4 Jahreszeiten zusammen. Dabei bedurfte es starker Ergänzungen durch den Biologielehrer. Außerdem begingen wir einen kleinen Exkurs in die Geschichte der Heilpflanzen. Damit verbunden war ein Überblick über Heilberufe des Mittelalters, wie z.B. der Balbierer oder der Bader. Die Schüler versuchten, kleine Texte dazu, die in alter Schrift abgefasst waren, zu übersetzen, was ihnen viel Spaß bereitete. Den Abschluss dieses ersten Teils bildete ein kurzer Vortrag des schon erwähnten Schülers über Hildegard von Bingen, Deutschlands erster bedeutender Naturärztin. Die wichtigsten Ergebnisse wurden mittels Tafelbild und Arbeitsblättern für die Projektmappen festgehalten.

Nach dieser Phase der Einstimmung begaben wir uns auf den Weg zur „ Schweinitzer Naturtee GmbH“ . Schon beim Betreten der Betriebsräume waren die meisten Schüler sehr beeindruckt vom angenehmen Duft nach Tee und Kräutern. Der Geschäftsführer erklärte den Kindern, wo man Heilkräuter findet, wie sie verarbeitet werden und wie sie für die Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt werden können. Der Höhepunkt der Betriebserkundung war für die Schüler die abschließende Verkostung mehrerer Teesorten sowie die Möglichkeit der eigenhändigen Abfüllung kleiner Probepackungen. Es lagen auch sehr viele Prospekte von Heilpflanzen aus, die unsere Schüler gern für die zu erstellenden Projektmappen und die anzufertigende Plakatwand mitnahmen.

Auf dem Weg zurück zur Schule erhielt eine Schülergruppe den Auftrag, in einem Obstgeschäft je einen Apfel verschiedener Sorten zu kaufen und namentlich zu kennzeichnen. In der noch verbleibenden Zeit dieses ersten Tages bekamen die Schüler die Möglichkeit, ihre Eindrücke von der Betriebsbesichtigung in einer lockeren Gesprächsrunde auszutauschen. Daraus leitete sich die Empfehlung ab, diese persönlichen Eindrücke in der Projektmappe schriftlich festzuhalten, was die meisten Schüler zumindest versuchten.

2.2.2. Der zweite Tag

Zu Beginn durften die Schüler einmal Reporter sein. In Gruppen von drei bis vier Schülern führten sie mit verschiedenen Personen der Schule, z.B. Lehrer, pädagogische Mitarbeiter, Schulleiterin, Hausmeister, Sekretärin kleine Interviews zu vorbereiteten Fragen durch. Solche Fragen waren z.B.:

Was tun Sie für Ihre Gesundheit?

Was tun Sie, wenn Sie sich krank fühlen?

Was sind Heilpflanzen, welche kennen Sie?

Kennen Sie alte Hausmittel?

Einige Schüler waren so begeistert, dass sie diese Tätigkeit am liebsten den ganzen Vormittag fortgeführt hätten. Die Ergebnisse der Befragung wurden uns Lehrern freudig mitgeteilt. Den Schülern wurde die Möglichkeit offen gehalten, weitere Interviews mit ihren Eltern, Bekannten oder anderen Personen zu führen, schriftlich festzuhalten und in der Projektmappe zu sammeln.

Im weiteren Verlauf dieses Tages nahmen wir eine Eingrenzung des Themas auf zwei typische Heilpflanzen des Herbstes, den Apfel und die Zwiebel, vor. Als Einstimmung darauf verkosteten wir die am Tag zuvor gekauften 9 Apfelsorten und einigten uns jeweils auf die Geschmacksrichtung, z.B. Idared – süß-sauer oder Spartan – süß-fruchtig. Mit dem Biologielehrer wurden dann wichtige Merkmale von Apfel und Zwiebel herausgearbeitet, von Inhaltsstoffen über den Einsatz als Heilpflanze bis hin zur Wirkung. Dazu sollten von den Schülern ein Apfel und eine Zwiebel gezeichnet werden.

Danach wurde die Klasse in zwei Gruppen geteilt. Jetzt stand die Aufgabe, aus Äpfeln bzw. Zwiebeln etwas Essbares herzustellen. Eine Gruppe entschied sich für das Backen eines Apfelkuchens, die andere für die Zubereitung einer Zwiebelsuppe. Da die Schüler der 9. Klasse schon gute Fertigkeiten im Hauswirtschaftsunterricht erworben haben, war nur eine kurze Besprechung und Arbeitsanleitung notwendig. Die „Zwiebelgruppe“ erhielt zusätzlich den Auftrag, verschiedene Tipps gegen Tränen beim Zwiebelschneiden auszuprobieren. Nach dem gemeinsamen Essen blieb nur noch wenig Zeit für die Gestaltung einer Plakatwand. Deshalb wurde beschlossen, ein kleineres Plakat als geplant anzufertigen. Einige Schüler hatten dazu gute Ideen, ein Mädchen wollte z.B. einen kurzen Bericht über diese zwei Projekttage schreiben, mehrere Jungen waren bereit, eine Übersicht zu den Heilpflanzen anzufertigen. Außerdem waren genügend Prospekte als Bildmaterial vorhanden. Es wurde vereinbart, dieses Anschauungsplakat im Kunsterziehungsunterricht fertig zu stellen.

2.2.3. Der dritte Tag

Im Frühjahr 2000 erfuhr das Projekt eine Fortsetzung. Zunächst wurden wichtige Erkenntnisse aus dem Herbst kurz wiederholt. In Zweiergruppen eingeteilt, versuchten die Schüler, ein Rätsel zum Thema Heilpflanzen zu lösen. Nur bei richtiger Lösung ergab sich zur Kontrolle ein sinnvoller Satz. Die einzelnen Gruppen durften zur Hilfe wieder andere Personen befragen. Vier der sieben Gruppen hatten am Ende den Lösungssatz: „Es hilft das Kraut, wenn es dich auf die Nase haut!“ gefunden. Diese Aussage bildete dann den Einstieg in den weiteren Projektunterricht.

Typische Heilpflanzen, die bei uns im Frühjahr zu finden sind, sollten zunächst typisiert werden. Vier Gruppen wurden gebildet, die wichtige Merkmale der Brennnessel, des Löwenzahns, des Holunders und des Spitzwegerich erarbeiten sollten. Eine große Hilfe dafür waren Lesetexte aus den SCHUBI- Lernmappen Frühling und Sommer. Die Schüler sollten für „ihre“ Pflanze jeweils Aussagen treffen über die Familie, den Standort, die Inhaltsstoffe, die Sammelzeit und die Wirkungsweise. Nach längerer Arbeitszeit im Klassenraum stellte jeweils ein Schüler die Ergebnisse seiner Gruppe vor. Das gelang nicht allen gleichermaßen gut und bedurfte oft unserer Unterstützung. Die wichtigsten Merkmale jeder Pflanze wurden zusammenfassend auf einer Folie (durch den Lehrer vorbereitet) bereit gestellt, so dass die Schüler ihre Projektmappen weiterführen konnten.

Danach folgte für die Klasse eine Überraschung, es konnte nämlich erneut Tee probiert werden. Zu allen vier Heilpflanzen gab es die entsprechende Kostprobe.

Dieser Tag wurde mit einem Video zum Thema „Heilpflanzen“, in dem einige der zuvor besprochenen Pflanzen gezeigt und erklärt wurden, abgeschlossen.

2.2.4. Der vierte Tag

Im Mittelpunkt stand das Sammeln der vier Heilpflanzen. Als Vorbereitung dazu lösten alle gemeinsam ein Arbeitsblatt in Form eines Lückentextes. In diesem ging es um das richtige Sammeln und Trocknen von Heilpflanzen. Dann hatten die Schüler Gelegenheit, sich alle vier Pflanzen in ausliegenden Büchern und Prospekten noch einmal anzusehen. In der Umgebung der Schule, auf einer Wiese und an Wegrändern wurden anschließend gruppenweise die Heilpflanzen gesucht und ausgegraben. Dabei war große Hilfe des Biologielehrers nötig, der genau demonstrierte, wie eine Pflanze auszugraben und worauf beim Auswählen der Pflanze zu achten ist. Viele Schüler waren unsicher beim Bestimmen der Heilpflanzen, da diese Tätigkeit doch relativ neu für sie war. Am Ende hatte jeder die vier Pflanzen eingesammelt. Besonders in dieser Phase war große gegenseitige Hilfe untereinander zu beobachten. Als langfristige Aufgabe zum Abschluss des Projektes stellten wir das Anlegen eines Herbariums und die Vervollständigung der Projektmappen.

2.3. Die Auswertung des Projektunterrichts

Jeweils zum Ende eines Projektteils wurden die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet. Dies geschah zum einen durch ein Abschlussgespräch im Klassenverband, zum anderen auch durch eine Bewertung in Form von Zensuren, die jeder Schüler auf die inhaltliche und äußere Gestaltung seiner Projektmappe erhielt. Die angefertigten Herbarien wurden ebenfalls mündlich ausgewertet und benotet.

Das angefertigte Plakat wurde im Biologieraum angebracht, so dass auch Schüler anderer Klassen Zugang dazu hatten. Die Projektmappen wurden in der nächsten Elternversammlung den Eltern der Klasse gezeigt. Am Ende des Schuljahres, zum „Tag der offenen Tür“, konnten sich alle Besucher unserer Schule die Ergebnisse des Projektunterrichts ansehen. Diese Veröffentlichung ihrer Arbeitsergebnisse war für die meisten Schüler eine positive Bestätigung ihrer geleisteten Arbeit und wirkte motivierend auch für weitere Projektvorhaben.

Wie anfangs bereits erwähnt, wurde dieses Projekt nur mit sehr wenigen theoretischen Vorkenntnissen durchgeführt. Im folgenden Kapitel sollen wichtige allgemeine Merkmale und Schritte des Projektunterrichtes dargestellt werden, um daraus schlussfolgernd eine Reflexion des durchgeführten Projektes vornehmen zu können.

3.THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR DURCHFÜHRUNG DES PROJEKTUNTERRICHTES

3.1.Begriffsbestimmung

„Das Wort Projekt stammt vom lateinischen projicere ab und bedeutet vorauswerfen, entwerfen, planen, sich vornehmen.“ (Frey 1993, S.14)

Frey beschreibt die Projektmethode als „eine Form der lernenden Betätigung, die bildend wirkt“ sowie als „ein alter Weg zu neuem Lernen“.(vgl. dies.1993, Einband) Er stellt weiter fest, dass die Projektmethode ein geeignetes Mittel ist, Jugendliche zum selbstständigen Handeln zu befähigen und die „Kluft zwischen der Welt von Schule und der Welt von Nicht-Schule“(vgl.dies.S.57) zu überbrücken.

Diese Feststellung soll mit der vorliegenden Arbeit bekräftigt werden.

Projektunterricht wird als eine besondere Unterrichtsform praktischer pädagogischer Tätigkeit von Lehrern und Schülern gekennzeichnet. Der Gegenstand des Projektunterrichtes kann aus inhaltlicher und methodischer Perspektive betrachtet werden. Inhaltlich lässt sich Projektunterricht bestimmen als „Unterricht, in dem Schüler und Lehrer ein echtes Problem in gemeinsamer Anstrengung und in handelnder Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zu lösen suchen“.(Hänsel 1997,S.75) Methodisch bestimmen lässt er sich als „pädagogisches Experiment, das von Lehrern und Schülern in Form von Unterricht unternommen wird und das zugleich die Grenzen von Unterricht überschreitet, indem es Schule und Gesellschaft durch praktisches pädagogisches Handeln erziehlich zu gestalten versucht“.(Hänsel 1997, S. 76)

3.2.Wichtige Voraussetzungen

Vor der Durchführung von Projekten müssen drei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein; die zeitliche Disposition, die Gestaltung der Projektumgebung und die Abstimmung mit anderen Personen und /oder Einrichtungen.(vgl. Frey 1993, S.170, 178, 181)

Günstig für die langfristige Planung von Projekten ist es, einen bestimmten Zeitraum im Schuljahr dafür freizuhalten. Dabei sind Zeiten vor den Ferien nicht zu empfehlen, da dadurch die Projekte als „Sonntagsvergnügen“(Frey 1993, S. 171) abgewertet werden können.

Auch die Projektumgebung trägt zum guten Gelingen der Projektidee bei. Klassenzimmer sollten umgestaltet werden, z.B. durch Veränderung der Raumaufteilung, veränderte Sitzordnung, Ausgestaltung. Möglich ist auch ein Ausbrechen aus den räumlichen Zwängen des Klassenraumes durch ein Verlagern des Unterrichtes in die Umgebung der Schule.

Eine dritte wichtige Voraussetzung ist die vorherige Abstimmung mit indirekt Beteiligten, z.B. mit Eltern, anderen Lehrern, dem Hausmeister, Ämtern, Betrieben etc. Dadurch erfährt das Projekt auch ein gewisses Echo nach außen, was wiederum zum erfolgreichen Abschluss und zu weiterer Motivierung von Schülern und Lehrern beiträgt.

Außerdem erfordert Projektarbeit ein hohes Maß an organisatorischen und planerischen Vorbereitungen, die Bereitstellung von vielfältigen Aufgaben und Materialien, eine Umstellung des Lehrers vom Stoffvermittler zum Lernberater sowie die Einübung von notwendigen Lerntechniken bei den Schülern. Diese Erfordernisse stellen für die Lehrer einen zusätzlichen Zeitaufwand dar.(vgl. Osanko, S.4)

3.3.Merkmale des Projektunterrichtes

Gudjons umschreibt ein Projekt in 4 Schritten, welche er durch 10 Merkmale näher bestimmt. Diese sollen im folgenden Abschnitt dargestellt werden. (vgl.Gudjons 2001, S.81-92)

Projektschritt 1 – Eine für den Erwerb von Erfahrungen geeignete , problemhaltige Sachlage auswählen

Merkmal 1: Situationsbezug

„Es kommt im Projektunterricht darauf an, das Leben wieder am Leben zu lernen.“ (Gudjons 2001, S.81) Die Gegenstände von Projektunterricht sollten also Aufgaben und Probleme aus dem Leben sein, d.h., er sollte nicht an Schulfächer gebunden sein. Dadurch entsteht aber auch das Gefühl vieler Lehrer, mit Projektunterricht überfordert zu sein. Wichtig ist, dass aufgeworfene Probleme und Fragestellungen eine echte Herausforderung für die Schüler darstellen, aber auch nicht zu weit entfernt von bisherigen Erfahrungen sind.

Merkmal 2: Orientierung an den Interessen der Beteiligten

Das Projekt soll ein Spiegelbild der Interessen aller Beteiligten (Schüler und Lehrer) sein. Es kommt darauf an, Interessen zu wecken, um ein geeignetes Projektthema zu finden. Der Prozess des Interessenfindens kann vom Lehrer beeinflusst und gelenkt werden.

Merkmal 3: Gesellschaftliche Praxisrelevanz

Meist steht dieses Merkmal im Widerspruch zu den Interessen der Schüler. Projektunterricht soll keinesfalls der „individuellen oder gruppenweise Hobbypflege“ (Gudjons2001, S. 83) dienen. Ein Anspruch der Projektmethode ist es, zur Höherentwicklung der Einzelnen und der Gesellschaft beizutragen.

Projektschritt 2: Gemeinsam einen Plan zur Problemlösung entwickeln

Merkmal 4: Zielgerichtete Projektplanung

Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Planung des Projektes durch Schüler und Lehrer. Damit soll ermöglicht werden, dass aus dem Lehrziel auch ein Lernziel für die Schüler wird, d.h., die Schüler sollen sich mit den Handlungszielen identifizieren können. Die Planung durchzieht das gesamte Projekt, sie umfasst die Abfolge von Arbeitsschritten, die einzelnen Tätigkeiten, die Aufgabenverteilungen, die Zeiteinteilung, das Aussehen des Endproduktes und die Auswertung des Projektunterrichtes.

Merkmal 5: Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Von diesem Merkmal hängt es laut Gudjons ab, ob der Unterricht Projektunterricht genannt werden kann. Die Schüler müssen selbst mitplanen können, nicht nur Arbeitsanweisungen ausführen. Die Verantwortung für die Planung liegt trotzdem beim Lehrer, dessen Aufgabe es ist, die Schüler zur Selbstorganisation zu ermutigen. Außerdem ist die Hilfe des Lehrers wichtig, z.B. beim Vorschlagen von Verhaltensregeln oder um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu stoppen.

Projektschritt 3: Sich mit dem Problem handlungsorientiert auseinandersetzen

Merkmal 6: Einbeziehen vieler Sinne

Im Projektunterricht versuchen Schüler und Lehrer etwas gemeinsam zu tun. Dies soll unter Einbeziehung des Gefühls, des Kopfes, der Hände, Füße, Augen, Zunge, Ohren, Nase und Mund passieren. Vor allem sollen die körperliche und geistige Arbeit wiedervereinigt werden. „Die Wirklichkeit wird nicht nur beredet, sondern handelnd unter Einbeziehung möglichst vieler Sinne erfahren und gestaltet.“(Gudjons 2001, S.87)

Merkmal 7: Soziales Lernen

Beim Projektunterricht ist man auf die gegenseitige Rücksichtnahme und Kommunikation angewiesen. Es wird von- und miteinander gelernt. Damit wird die Interaktion zum gleichberechtigten Lernfeld und es finden demokratische Verkehrsformen statt. Es bietet sich die Möglichkeit, Hilfsbereitschaft, Kontaktfähigkeit und Kooperationsfähigkeit systematisch aufzubauen.

Projektschritt 4: Die erarbeitete Problemlösung an der Wirklichkeit überprüfen

Merkmal 8: Produktorientierung

Das Produkt im Projektunterricht ist in der Regel ein anderes als im traditionellen Unterricht. Es können z.B. neue Erfahrungen und Einstellungsveränderungen sein. Es ist kein träges, sondern arbeitendes Wissen, dass gedächtniswirksamer und anwendungsfähiger ist. „Am Ende eines Projektes stehen Ergebnisse, die wertvoll, nützlich, wichtig sind, für den Einzelnen wie für die Klasse.“(Gudjons2001,S.88) Als wesentlich sieht Gudjons an, dass die Ergebnisse des Projektunterrichtes öffentlich gemacht werden, also auch durch andere beurteilt werden können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Förderung des selbsttätigen Lernens an der Schule für Lernbehinderte durch die Projektmethode
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Rehabilitationspädagogik)
Note
3
Autor
Jahr
2002
Seiten
63
Katalognummer
V10601
ISBN (eBook)
9783638169776
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Förderung, Lernens, Schule, Lernbehinderte, Projektmethode
Arbeit zitieren
Marion Hofrichter (Autor:in), 2002, Förderung des selbsttätigen Lernens an der Schule für Lernbehinderte durch die Projektmethode, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10601

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