Die Rolle Gottes in der Erkenntnistheorie George Berkeleys


Hausarbeit, 2001

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Berkeleys Ideenbegriff
2.1 Sinnliche Ideen
2.2 Ideen der Einbildungskraft
2.3 Abstrakte Ideen

3 Das Verhältnis von Wort, Begriff und abstrakten Ideen

4 Was perzipieren die Sinne der Erkenntnisbegriff George Berkley

5 Schluß

6 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Frage wie wir erkennen und was Gegenstand dieser Erkenntnis ist, ist so alt wie die Philosophie selbst. Ich möchte mich in dieser Arbeit mit er Art und Weise wie der Philosoph, Theologe und spätere Bischof George Berkeley (1685-1753) dieser Frage nachgeht beschäftigen. Berkeley leugnet in “Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis” die Existenz der Materie und damit die einer real, d.h. unabhängig vom Subjekt, existierenden Außenwelt.

Auch aufgrund Berkeleys nähe zur Theologie und Religion, halte ich die Frage nach der Rolle Gottes in oben genannter Abhandlung für ein untersuchungswürdiges Thema; insbesondere deshalb, weil die Leugnung einer real existierenden Außenwelt unweigerlich die Frage aufwirft, was Gott dann denn eigentlich geschöpft hat.

Ich vertrete die These, daß die gesamte berkleysche Lehre des Immaterialismus (um konsistent zu bleiben) die Existenz Gottes voraussetzt, durch selbige aber gleichzeitig sein Existenz zu erweisen versucht, was einen offenkundigen Widerspruch darstellt. Ich halte diese These für interessant, da der Text durchaus die Vorstellung suggeriert, daß die Beschaffenheit unserer Wahrnehmung und die der Welt unausweichlich auf die Existenz Gottes deuten. Diese Ansicht gründet sich, wie ich zeigen werde im wesentlichen auf zwei Annahmen, der Identifikation von Wahrnehmung und Objekt der Wahrnehmung und der Annahme Gott sei die Ursache unserer Wahrnehmung (Ideen).

Ich werde meine oben genannte These anhand einer weitestgehend textimmanenten begriffsklärenden Erörterung der Lehre des Immaterialismus belegen. Eingangs werde ich den meiner Ansicht nach zentralen Begriff der Idee untersuchen, zeigen daß er in seiner Bedeutung zum Teil erheblich von dem in welchen ihn andere Philosophen verwenden abweicht und darlegen welche Rolle er spielt. Im folgenden werde ich das Verhältnis von Wort, Begriff und abstrakten (allgemeinen) Ideen zueinander behandeln, welches in meinen Augen von entscheidender Bedeutung für den berkleyschen Erkenntnisbegriff und der damit verbundenen Frage: Was perzipieren die Sinne? ist, die den dritten Punkt meiner Arbeit bilden wird. Dieser Teil wird auch auf die sich aus der Lehre des Immaterialismus ergebenden Konsequenzen eingehen.

Im Schlußteil werde ich dann das Erarbeitete noch einmal in komprimierter Form darstellen um dann zur Verifizierung meiner These überzugehen. Abschließend werde ich kurz die Leistungskraft der Lehre des Immaterialismus eingehen und dann eine den Gegenstand betreffende weiterführende Frage formulieren.

2. Berkeleys Ideenbegriff

Der Begriff der Idee unterlag im Laufe der Jahrhunderte einem vielfältigen graduell unterschiedlichem Bedeutungswandel (vgl. Ritter 1976) auf den ich jedoch nur kurz und exemplarisch am Beispiel Lockes eingehen möchte, da sich hieran besonders deutlich zeigen läßt, welch unterschiedlichen Sinn Berkeley und Locke dem gleichen Wort verleihen. Berkeley versteht allgemein gesprochen unter Idee vermittelte anschauliche Vorstellungsinhalte, wobei er zwischen drei Unterarten von Ideen unterscheidet, den direkt durch die Sinne vermittelten Ideen, die den Grundstoff unserer Erkenntnis bilden und damit die wichtigsten sind, den Ideen der Phantasie oder der Einbildungskraft, die vom Traum einmal abgesehen weitestgehend unserer Willkür unterliegen (vgl.§ 1) 1*) und den abstrakten 2 allgemeinen Ideen deren Existenz und Denkbarkeit er (wenn auch nur in einem gewissen Sinn) leugnet. (vgl. §§ 6, 10 E.)

In § 12 der Einleitung ist auch die Rede von allgemeinen (nicht abstrakten) Ideen, deren Sinn meiner Ansicht nach aber nur in Zusammenhang mit den abstrakten allgemeinen Ideen deutlich gemacht werden kann. Aus diesem Grunde werde ich ihnen keinen eigenen Unterpunkt zukommen lassen, sondern sie gemeinsam mit den abstrakten allgemeinen Ideen behandeln.

Der Ideenbegriff Lockes ist im Gegensatz zum berkleyschen weiter gefaßt. Locke versteht unter Idee Bewußtseinsinhalte im weitesten Sinne ( Phantasma, Begriff, Vorstellungen, etc.), also auch die nicht-anschaulichen. ( vgl. J. Locke Versuch über den menschlichen Verstand Bnd.1 Einleitung Abs.8)

2.1 Sinnliche Ideen

Das, was gemeinhin als die Außenwelt bezeichnet wir, besteht aus Dingen. Nach Berkeley entsteht das, was allgemein als Ding bezeichnet wir durch die Zusammensetzung miteinander. einhergehender Sinnesempfindungen bezeichnet wird, durch das vereinte Auftreten einer

-Anm. zu Zitaten: Paragraphen der Einleitung der Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis sind hinter der Paragraphenzahl mit einem “E.” gekennzeichnet, bei den zitierten Paragraphen des Hauptteils steht nur die Paragraphenzahl.

gewissen Farbe, Geschmacks- und Geruchsempfindung, einer Gestalt und Festigkeit (vgl. §

1), also durch Empfindungen der einzelnen Sinne. Diese einzelnen Empfindungen sind, so Berkeley, die eigentlichen Ideen und damit Grundstoff der Erkenntnis.

Da Empfindungen sich dadurch definieren, daß sie empfunden werden, muß noch etwas von ihnen verschiedenes existieren, nämlich das, was die Empfindungen empfindet bzw. die Ideen perzipiert.

“Dieses perzipierende tätige Wesen ist dasjenige, was ich Gemüt, Geist, Seele oder mich selbst nenne.” (§ 2)

Dieses perzipierende Wesen, fortan Geist genannt, bezeichnet also etwas von den Ideen grundsätzlich verschiedenes, nämlich die Bedingung der Möglichkeit der Existenz von Ideen. “...denn die Existenz einer Idee besteht in ihrem Perzipiertwerden.” (§ 2) Ein weiteres Charakteristikum von Ideen ist ihre Inaktivität.

“...es ist in ihnen nichts von Kraft oder Tätigkeit enthalten, so daß eine Idee oder ein Denkobjekt nicht irgendeine Veränderung in einem anderen hervorbringen oder bewirken kann.” (§ 25) Berkeley hält es daher für unmöglich, “...daß eine Idee etwas tut oder um den genauen Ausdruck zu gebrauchen, die Ursache von irgend etwas ist;...” (§ 25) Im gesamten § 25 findet sich jedoch nicht ein wirklich schlüssiges Argument für diese These. Berkeleys Argumente bleiben hier appellative Behauptungen, da er lediglich, sich wiederholend, sagt, daß ein jeder, der auf die von ihm wahrgenommenen Ideen achtet, feststellen wird, daß keine Kraft und Tätigkeit in ihnen sei, ohne dies weiter zu begründen. Das Ideen generell nicht Ursache von etwas sein können halte ich für unplausibel, da es evident ist, daß bspw. die sinnlich wahrgenommene Idee eines heransurrenden Pfeiles und die daraus resultierende Todesangst, der entscheidende Anlaß und damit meinem Verständnis nach die Ursache für den Versuch ist, dem Pfeil auszuweichen. Doch das nur am Rande.

Es scheint mir auch so, als wolle Berkeley an dieser Stelle (§25) final auf etwas anderes hinaus, als zu sagen, daß Ideen grundsätzlich nicht Ursache von etwas sein können, nämlich darauf, daß die nach Locke primären Qualitäten Ausdehnung, Figur und Bewegung nicht Ursache der Ideen bzw. Sinnesempfindungen sein können, was der berkleyschen Argumentation folgend wieder einzuleuchten vermag, da Ausdehnung, Figur und Bewegung im berkleyschen Modell nur mittels der Sinne wahrgenommen werden können und etwas, daß erst durch die Sinnesempfindung seine Existenz erhält, schlecht Ursache von selbiger sein kann.

2.2 Ideen der Einbildungskraft

Die Ideen der Einbildungskraft unterscheiden sich von den sinnlichen Ideen dadurch, daß sie der Willkür des Menschlichen Geistes unterliegen.

“Ich finde, daß ich Ideen in meinem Geist nach Belieben hervorrufen und die Szene so oft wechseln und sich verändern lassen kann, als ich es für geeignet halte.” (§ 28) Hierdurch werden Vorstellungen wie die eines Hippogriffs oder einer Harpyie möglich, die bei direkt durch die Sinne vermittelten Ideen nicht vorkommen.

So bildet die Phantasie die Idee eines Hippogriffs, indem sie die Idee eines Pferdes (genauer die Gruppe von Ideen, die durch den Namen Pferd bezeichnet wird (§ 1)) mit der Idee von Flügeln kombiniert.

Doch woran liegt es, daß wenn ich ein Pferd sinnlich wahrnehme es mir ungleich realer erscheint, als der durch meine Einbildungskraft entstandene Hippogriff? Berkeley erklärt dieses Phänomen damit, daß die sinnlichen Ideen nicht dem eigenen menschlichen Willen unterliegen, sondern ein anderer Wille sie entstehen läßt. So sagt er: “...und so sind gleichermaßen auch beim Gehör und den anderen Sinnen die ihnen eingeprägten Ideen nicht Geschöpfe meines Willens. Es gibt also einen anderen Willen oder Geist, der sie hervorbringt.” (§29)

Dieser andere Wille oder Geist läßt die sinnlichen Ideen “stärker, lebhafter und bestimmter” erscheinen als die Ideen der Einbildungskraft. (vgl. § 30) Den Ideen der Einbildungskraft mangelt es zudem an Ordnung, Zusammenhang und Beständigkeit, Eigenschaften die den sinnlichen Ideen innewohnen und dem Menschen, so Berkeley, eine gewisse Planung und Voraussicht ermöglichen. (vgl. § 31)

Die Ideen der Einbildungskraft haben in diesem Zusammenhang also die Funktion einer Vergleichsgröße, durch welche die größere Ordnung und Beständigkeit der sinnlichen Ideen deutlich werden soll. Da der menschliche Wille oder Geist Schöpfer der Ideen der Einbildungskraft ist, scheint es für Berkeley evident zu sein, daß der Schöpfer der sinnlichen Ideen ebenfalls ein Wille oder Geist sein muß, der eben nur viel mächtiger ist als der menschliche.

2.3 Abstrakte Ideen

Die Annahme es existiere ein Vermögen des Geistes abstrakte Ideen von Dingen zu bilden, ist, so Berkeley, zu großen Teilen für “unzählige Irrtümer und Schwierigkeiten in fast allen Teilen der Wissenschaft” verantwortlich. (§ 6 E.)

Dieses Vermögen soll es bspw. ermöglichen durch Abstraktion eine beliebige wahrgenommene Idee bzw. Gruppe von Ideen so in ihre Einzelteile zu zerlegen, daß man letztlich eine Idee von Farbe ohne Ausdehnung zu bilden vermag. (vgl. “Dreiecksbeispiel.” J. Locke V. ü. d. m. Verstand Buch IV, Kap. 7, § 9)

Betrachtet man aber nun nochmals das, was Berkeley unter Idee versteht, so merkt man schnell, daß eine Idee von Farbe ohne Ausdehnung logisch unmöglich ist, da weder einer der 5 Sinne noch die Einbildungskraft dazu in der Lage sind eine Empfindung oder eine anschauliche Vorstellung, denn nur dies sind für Berkeley Ideen, einer Farbe zu bilden, die nicht auch ausgedehnt ist. Die hängt damit zusammen, daß Ausdehnung die notwendige Voraussetzung für die Existenz und Wahrnehmbarkeit von Farbe ist.

Das einzige was bleibt, so man den Versuch unternimmt sich Farbe ohne Ausdehnung zu denken ist das Wort Farbe.( vgl. § 23 E.) Sobald man jedoch dieses Wort, denn mehr als eine Buchstabenfolge ist dies für sich betrachtet nicht, mit einem konkreten Vorstellungsinhalt ausfüllen möchte d.h. es begreifen möchte, wird man nicht vermeiden können sich irgendeine Vorstellung einer beliebigen Farbe zu vergegenwärtigen. Tut man dies, wird mit dieser Vorstellung notwendig eine wie auch immer geartete Form von Ausdehnung verbunden sein, da Farbe Fläche und Fläche Ausdehnung voraussetzt. Hieraus wird denke ich deutlich, daß nur das gesondert vorgestellt werden kann, was zumindest der Möglichkeit nach auch gesondert existieren kann. So ist es ohne weiteres möglich die Vorstellung eines goldenen Berges oder die eines grünlilagepunkteten Himmels zu bilden, selbst wenn ein solcher nirgends existiert.(vgl. § 10 E.)

Nun bleibt die Frage zu beantworten, wofür denn Wörter, die keine Einzeldinge bezeichnen, wie z.B. Mensch, Tier oder auch Dreieck, stehen(d.h. welchen Begriff haben wir von ihnen?). Berkeley wendet sich in seiner Position diese Frage betreffend gegen J. Locke (vgl. § 11 E.), der die Meinung vertritt, daß sie (Mensch, Tier etc.) für allgemeine Ideen stehen.(vgl. J. Locke V. ü. d. m. V. Buch III Kap. 3, § 6) Berkeley ist der Ansicht, daß es unmöglich ist eine allgemeine abstrakte Vorstellung bzw. Idee von Mensch zu bilden, da eine Idee ihm zufolge immer konkret, d.h. bestimmt ist; so hat jeder Mensch den ich mir vorstelle eine gewisse Hautfarbe, Größe etc. und ist damit nicht mehr allgemein (vgl. § 10 E.), da Bestimmtheit und Allgemeinheit sich in diesem Sinne ausschließen.

Nun bestreitet auch Berkeley nicht, daß es allgemeine Bezeichnungen gibt. Er ist jedoch der Ansicht, daß allgemeine Bezeichnungen dadurch allgemein werden, daß sie mehrere Einzelideen gleichzeitig repräsentieren.

“Es scheint jedoch, daß ein Wort allgemein wird, indem es gebraucht wird nicht für eine abstrakte allgemeine Idee, sondern für mehrere Einzelideen deren jede es gleichermaßen im Geist anregt.” ( § 11 E.)

Welche Einzelideen eine solche allgemeine Bezeichnung im Geist anregt muß demnach durch die Definition der Bezeichnung festgelegt sein, die daher eine Anleitung gibt, welche Charakteristika darüber entscheiden ob eine Einzelvorstellung noch unter die Bezeichnung fällt und welche Charakteristika für diese Zuordnung irrelevant sind.

So ist bspw. ein mögliches entscheidendes Kriterium dafür ob eine Einzelvorstellung durch das Wort Dreieck bezeichnet wird, das, daß sie aus einer Fläche besteht, die von drei geradlinig miteinander verbundenen Linien umschlossen wird; die Größe der einzelnen Winkel, die Länge der Linie bzw. Strecken, die Farbe etc. sind für diese Entscheidung, so lange oben genanntes Kriterium erfüllt ist, völlig nebensächlich.

Hierdurch wird denke ich deutlich wie es zu verstehen ist, daß Berkeley die Existenz allgemeiner abstrakter Ideen leugnet. Es soll nicht bestritten werden, daß es allgemeine Bezeichnungen für Dinge gibt, auch bezweifelt er nicht, daß man Dinge unter allgemeinen Gesichtspunkten betrachten kann. Er will vielmehr zeigen, daß die Vorstellungen d.h. die Ideen, die Denkoperationen in denen allgemeine Bezeichnungen verwendet werden begleiten stets anschaulich und konkret sein müssen. So mag das Wort Pferd bei einem die Vorstellung eines feurigen galloppierenden Hengstes hervorrufen und bei einem anderen die Vorstellung einer lahmenden einen Pflug ziehenden Stute.

Da es jedoch keine anschauliche Vorstellung gibt, die sowohl den Hengst als auch die Stute gleichzeitig darstellt, wird denke ich deutlich, daß eine allgemeine Idee, d.h. anschauliche Vorstellung, die alle möglichen Erscheinungsformen von Pferden gleichzeitig repräsentiert nicht denkbar ist, denn nur eine solche wäre allgemein.

Dies vermag jedoch die Lockesche Konzeption allgemeiner abstrakter Ideen nicht wirklich zu treffen, da wie bereits angesprochen, Locke “Idee” in einem viel allgemeineren Sinne verwendet (Bewußtseinsinhalt im weitesten Sinne). D.h., daß sobald unter Idee nicht mehr nur anschauliche Vorstellungsinhalte verstanden werden, es sehr wohl wieder möglich wird sinnvoll von abstrakten allgemeinen Ideen zu sprechen insofern es im Lockeschen Sinne ja nichts anderes heißt, als daß es einen wie auch immer gearteten abstrakt allgemeinen Bewußtseinsinhalt gibt. So kann man bspw. das Wort Pferd für sich betrachtet als einen solchen bezeichnen. Ich vermute, da davon auszugehen ist, daß auch Berkeley sich dieses terminologischen Unterschiedes bewußt gewesen ist, daß es in den gegen Locke bzw. die abstrakt-allgemeinen Ideen gerichteten Textpassagen vor allem darum ging seinen präziseren Ideenbegriff durchzusetzen und zu etablieren.

3. Das Verhältnis von Wort, Begriff und abstrakten Ideen

Ich habe im Vorangegangenen gezeigt, daß der Mensch bei Berkeley einen durch Worte vermittelten Begriff von den Ideen d.h. von den Dingen hat. Begriff heißt bei Berkeley ein Verständnis des Sinns von Worten haben.

“Doch muß gleichzeitig zugegeben werden, daß wir einen gewissen Begriff (notion) von der Seele, dem Geist und den psychischen Tätigkeiten wie wollen. Lieben, hassen haben, sofern wir den Sinn dieser Worte kennen oder verstehen.” (§ 27) Da für Berkeley die Ideen anschauliche Vorstellungen sind und er die Existenz abstrakten Ideen im oben erörtertem Sinne leugnet, wirft dies die Frage auf, durch was bzw. wie der Mensch Kenntnis und Verständnis von Wörtern haben kann, die nicht Eigennamen sind, d.h. fr eine konkrete Einzelvorstellung stehen. Die dies geschieht, wie oben bereits angedeutet, durch Begriffe insofern sie allgemeine Repräsentanten des Konkreten sind. Allgemeiner Repräsentant soll hier heißen, daß sie ohne daß sie eine Einzelvorstellung konkret bezeichnen, Aufschluß darüber geben, was unter dem jeweiligen Wort im allgemeinen verstanden werden soll. Bezeichnungen bzw. Worte werden also nicht dadurch allgemein, daß sie zu Zeichen allgemeiner Ideen gemacht werden (vgl. § 11 E.), sondern dadurch, daß Begriffe dem Menschen Kenntnis und Verständnis von den Worten geben, von denen sie keine Ideen haben.(vgl. §§ 27, 140)

Hier wird deutlich, daß das was Locke als abstrakte allgemeine Idee bezeichnet und Berkeley unter diesem Namen für undenkbar hält, er in ähnlicher Weise selber unter dem Namen Begriff wieder einführt. Der Terminus Begriff ist für das Berkleysche Erkenntnismodell von entscheidender Bedeutung, da erst durch ihn die eigentlichen Denkoperationen z.B. die der Arithmetik, die ja faktisch nicht von Ideen begleitet werden, erklärbar werden und Bezeichnungen nur insofern allgemein sein können, als daß wir einen Begriff von ihnen haben, d.h. eine Anleitung darüber welche Ideen unter das bezeichnende Wort fallen und welche nicht, so erhalten wir Kenntnis der Bedeutung von Worten. Erst durch Begriffe wird es möglich die Verhältnisse der verschiedenen Ideen zueinander zu benennen und zu verstehen.

4. Was perzipieren die Sinne? Der Erkenntnisbegriff Berkeleys

Daß die Sinne Ideen perzipieren habe ich schon in Punkt eins dieser Arbeit dargelegt. Auf die Konsequenzen die sich daraus ergeben bin ich jedoch bisher nicht näher eingegangen, da ich es für sinnvoll hielt zuerst eventuelle begriffliche Unklarheiten zu beseitigen. Diesem Anspruch bin ich in den voranstehenden Erörterungen nachgegangen. Die Schlußfolgerungen die sich für Berkeley aus seiner Ideenkonzeption ergeben, werde ich im Folgenden behandeln. Daß die Dinge der sog. Außenwelt nur durch unsere Sinne perzipiert, wahrgenommen werden, habe ich bereits dargelegt. Die Beschaffenheit der Dinge ist also durchweg durch die 8 menschliche Sinnlichkeit bestimmt, d.h., daß wenn unsere Sinne anders beschaffen wären auch die Dinge anders wahrgenommen werde würden. Daraus folgert Berkeley nun, da es nur Sinn macht von der Existenz von Dingen zu sprechen insofern sie durch eine wie auch immer geartete Empfindung repräsentiert werden.

“Dies ist der einzige verständliche Sinn dieser und aller ähnlichen Ausrücke. Denn was von einer absoluten Existenz nicht-denkender Dinge ohne irgend eine Beziehung auf ihr perzipiert werden gesagt zu werden pflegt, scheint durchaus unverständlich zu sein. Das sein (esse) solcher Dinge ist Perzipiertwerden (percipi). Es ist nicht möglich, daß sie irgendeine Existenz außerhalb der Geister oder denkenden Wesen haben, von denen sie perzipiert werden.” (§ 2) Das heißt, daß alle Dinge ihrem Wesen nach von Geistern perzipierte Ideen sind. Das wiederum bedeutet, daß die Annahme es existiere eine von perzipierenden Geistern unabhängige materiale Außenwelt widersprüchlich ist, da alles was wahrgenommen wird Idee ist und man von dem was man nicht wahrnehmen kann nichts wissen kann.

“Außerdem frage ich, ob diese vorausgesetzten Originale oder äußeren Dinge, deren Abbilder oder Darstellungen unsere Ideen sein sollen, selbst perzipierbar sind oder nicht. Sind sie es, dann sind sie Ideen und wir haben erreicht was wir wollten; sagt ihr dagegen sie sind es nicht, so gebe ich jedem Beliebigen die Entscheidung anheim, ob es einen Sinn hat zu behaupten, eine Farbe sei ähnlich etwas unsichtbaren, Härte und Weichheit ähnlich etwas Untastbarem.” (§ 8)

Der mögliche Einwand, daß da Zustandekommen unserer Ideen doch ohne die Annahme der Existenz ihnen ähnlicher äußerer Dinge nicht erklärt werden kann ist für Berkeley gegendstandslos denn:

“Hiernach leuchtet ein, daß die Produktion von Ideen oder Sinneswahrnehmungen in unserem Geist kein Grund sein kann, Materie oder körperliche Substanzen vorauszusetzen, da anerkannt wird, daß diese Produktion mit dieser Voraussetzung und ohne sie gleich unerklärlich bleibt.” (§ 19)

An dieser Stelle wird besonders deutlich, daß Berkeley nicht nur nicht zwischen Wahrnehmung und Objekt der Wahrnehmung unterscheidet, sondern eine solche Unterscheidung geradezu für sinnlos hält, denn für ihn scheint es eine ausgemachte Sache zu sein, daß das wovon wir nichts wissen können (von unperzipierbaren Dingen), auch nicht Ursache unserer Wahrnehmung sein kann.

Dies wirft nun freilich die Frage auf, was denn nun eigentlich Ursache unserer Wahrnehmung, Ideen ist. Ideen der Einbildungskraft werden, wie bereits gesagt, durch den menschlichen Geist oder Willen hervorgerufen, die stärkeren realer erscheinenden sinnlichen Ideen werden durch einen anderen Geist hervorgerufen. (vgl. §§ 29, 146) “Es ist also klar, daß nichts offenbarer für jeden, der des geringsten Nachdenkens fähig ist, sein kann, als die Existenz Gottes oder eines Geistes, der unseren Geister innerlich gegenwärtig ist, indem er ihnen alle jene Mannigfaltigkeit von Ideen oder Sinneswahrnehmungen hervorbringt, die uns beständig affizieren, eines Geistes, von dem wir absolut und gänzlich abhängig sind,..."”(§ 149)

Gott ist also die Ursache der Ideen, die mittels der Sinne in den menschlichen Geist gelangen. Wollte man dieses Erkenntnismodell in eine der gängigen philosophiegeschichtlichen Schemata einordnen (Empirismus, Rationalismus, Idealismus...),so hat Berkeley einen eindeutig spiritualistischen Erkenntnisbegriff, da für ich alles (d.h. alle Ideen) nur in oder durch Geister existiert. Unter Geist versteht Berkeley nur das was denkt, will und perzipiert. (vgl. § 138)

Dieser spiritualistische Erkenntnisbegriff und die daraus resultierende Immaterialität der Welt hat in Berkeleys Augen gegenüber den Lehren die eine materiale Außenwelt proklamieren entscheidende Vorteile.

So macht das immaterialistische Prinzip allem Skeptizismus und Atheismus ein Ende (vgl. § 92), da man wenn alle Ideen von Gott kommen schwerlich behaupten kann, daß ein solcher nicht existiere, auch dem Skeptizismus ergeht es, insofern die Wirklichkeit der Dinge für Berkeley in ihrem Peripiertwerden besteht, nicht besser, da ihm die Basis des Zweifelns (die Annahme einer unabhängig vom perzipierenden Geist existierenden Außenwelt) entzogen wird. Diese Argumentation zur Widerlegung des Skeptizismus ist in meinen Augen sehr interessant, da höchst unorthodox. Hier wird nämlich der Versuch unternommen etwas dadurch seiner Grundlage zu berauben, indem genau das was der Skeptiker nur bezweifelt (die Existenz einer materialen Außenwelt) geleugnet wird. Der Skeptiker wir in gewissem Sinne dadurch zum Schweigen gebracht, indem ihm Recht gegeben wird.

6. Schluß

Das esse ist percipi ist für Berkeley unmittelbar evident. Die Existenz von Dingen ist mit ihrem Wahrgenommen werden gleichzusetzen, da es keinen Sinn macht von der Existenz nicht wahrnehmbarer Dinge zu sprechen. Wo etwas wahrgenommen wird existiert notwendig auch ein Wahrnehmender. Diesen Wahrnehmenden nennt Berkeley Geist. Der Mensch ist ein endliches ideenperzipierendes geistiges Wesen. Die Regelmäßigkeit, die Ordnung und der Zusammenhang der vom Menschen sinnlich perzipierten Ideen weisen nach Berkeley notwendig auf die Existenz eines andere höheren Geistes hin, der die Ideen hervorbringt und die Beständigkeit der sinnlichen Ideenfolge gewährleistet. Die Konsequenzen dieser Konzeption sind weitreichend. Wie bereits gesagt, werden sowohl dem Atheismus als auch dem Skeptizismus ihre theoretischen Grundlagen entzogen. As esse ist percipi macht die Lockesche Unterscheidung von primären und sekundären Qualitäten unhaltbar, Wahrnehmung durch eine Repräsentationstheorie zu erklären ist ebenfalls nicht mehr möglich.

Schaut man sich die berkleysche Konzeption genauer an, so stellt man fest, daß die ganze Lehre des Immaterialismus von der Existenz Gottes abhängt, da sonst die Frage nach Herkunft der sinnlichen Ideen unbeantwortet bliebe. Es ist zwar richtig, daß man aus der Prämisse esse ist percipi, die ja nichts anderes als die Identifikation von Wahrnehmung und Objekt der Wahrnehmung ist, die Nichtexistenz der Materie ableiten kann, doch wirft dies viele Fragen auf, z.B. die wie man zwischen Phantasie und Realität unterscheidet und die Frage nach dem Ursprung unserer Ideen.

Berkeley sieht diese Schwierigkeiten auch; für ihn sind sie jedoch nicht Anlaß weitergehender Untersuchungen, sondern eindeutiger Hinweis, ja mehr schon Beweis für die Existenz Gottes. Die ist in meinen Augen aber ein höchst fragwürdiger Schluß, weswegen ich denke, daß man die Existenz Gottes ebenso wie das esse ist percipi als Prämisse betrachten muß und nicht wie es der Text nahelegt als etwas das notwendig aus dem esse ist percipi folgt. Man kann also sagen, daß das berkleysche Erkenntnismodell mit der Anerkennung dieser beiden Prämissen steht und fällt. Akzeptiert man die Prämissen, so ist es im Großen und Ganzen in sich schlüssig, obgleich einzelne Aspekte doch ein wenig dunkel bleiben, z.B. wie es zur Begriffsbildung kommt.

Eine von diese Ergebnissen ausgehende weiterführende Frage ist die, inwieweit die Frage nach einer Ursache von Wahrnehmung oder Ideen überhaupt berechtigt ist. Da man genausogut wie man sagen kann, daß die Beschaffenheit unserer Sinne unsere Wahrnehmung bestimmt, man auch sagen kann, daß die Form unseres Denkens, insbesondere das Denken nach dem Schema von Ursache und Wirkung, unseren Erkenntnishorizont determiniert. Da nun unsere Denkobjekte (Ideen, Begriffe) durch die Sinne und die Gehirnfunktion vermittelt sind, ist die Frage nach der Ursache dieser Denkobjekte eine tranzendente, was zumindest zu der Vermutung berechtigt, daß das Prinzip von Ursache und Wirkung jenseits unseres Bewußtseins keine Gültigkeit besitzt, was dann die Frage nach der Ursache von Ideen bzw. Wahrnehmung unbeantwortbar machen würde.

6. Literaturverzeichnis

Berkeley, George: Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, verbesserter Nachdruck der Ausgabe von 1957: Hamburg 1976

Locke, John: Versuch über den menschlichen Verstand, 3.Aufl.. Hamburg 1981

Ritter, Joachim u. Gründer Karlfried

(Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie: Basel 1976

Volpi, Franco

(Hrsg.): Großes Werklexikon der Philosophie: Stuttgart 1999

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Rolle Gottes in der Erkenntnistheorie George Berkeleys
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
ProSeminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V105853
ISBN (eBook)
9783640041343
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Gottes, Erkenntnistheorie, George, Berkeleys, ProSeminar
Arbeit zitieren
Christian Salewsky (Autor:in), 2001, Die Rolle Gottes in der Erkenntnistheorie George Berkeleys, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105853

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