Scholl, Sophie - eine Biographie


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

19 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Vorwort

2. Die Familie Scholl
2.1 Die Eltern - Magdalene und Robert Scholl
2.2 Die Gechwister - Inge, Hans, Elisabeth und Werner Scholl

3. Sophie Scholl
3.1 Sophies Kindheit 1921- 1930
3.2.1 Der BDM
3.2.2 Das Leben für den BDM 1932 - 1938
3.3 Entfernung vom Nationalsozialismus 1938 - 1942
3.4 Leben für den Widerstand 1942 - 1943
3.5 Die Weiße Rose
3.5.1 Die Mitglieder
3.5.2 Der Verlauf des Widerstands
3.6 Die letzten Tage 18. - 22. Februar 1943
3.6.1 Der Prozess
3.6.2 Die Urteilsvollstreckung
3.6.3 Ein Zeitungsbericht

4. Nachwort

5. Bildkatalog

6. Literaturverzeichnis
6.1 Quellennachweis

1. Vorwort

Nicht viele Deutsche leisteten in dem NS-Regime Widerstand, aber es waren mehr, als man wußte, mehr als man nach 1945 wahrhaben wollte. Einige Hunderte wurden in Konzentrationslager geschleppt, in Zuchthäusern und Gefängnissen eingeschlossen, zu Verhören zur Gestapo beordert. Viele Tausende wurden hingerichtet, erschlagen, starben an Krankheit und Erschöpfung.

Zu diesen Widerstandskämpfern gehörte auch Sophie Scholl. Zusammen mit ihrem Bruder Hans und anderen jungen Menschen kämpfte sie gegen Hitler- Deutschland und bezahlte diesen Kampf mit ihrem Leben.

2.Die Familie Scholl

Magdalene Scholl, geb. Müller, 5. Mai 1881 - 31. März 1958

Robert Scholl, 13. April 1891 - 25. Oktober 1975

Inge Scholl, 11. August 1917 - 4. September 1998

Hans Scholl, 22. September 1918 - 22. Februar 1943

Elisabeth Scholl, 27. Februar 1920

Sophie Scholl, 9. Mai 1921 - 22. Februar 1943

Werner Scholl, 13. November 1922 - Juni 1944 (3)

2.1 Die Eltern - Magdalene und Robert Scholl

Robert Scholl kam als fünftes von elf Kindern am 13. April 1891 in dem kleinen Dorf Steinbrück westlich von Schwäbisch Hall zur Welt. Nach der Mittleren Reife lernte er sechs Jahre lang Verwaltungs- und Justizdienst. 1913 legte er die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst ab. Während des ersten Weltkriegs ließ er sich von der allgemeinen Kriegsbegeisterung nicht anstecken sondern vertrat eindeutig den Pazifismus. Als er eingezogen wurde, ließ er sich zum Sanitäter ausbilden. In diesem Lazarett lernte er auch seine spätere Frau Magdalene Müller kennen, die dort als Krankenschwester arbeitete. Sie wurde am 5. Mai 1881 als Tochter eines Schuhmachers geboren. Sie wuchs mit drei weiteren Geschwistern in sehr einfachen Verhältnissen auf. Ihren Wunschberuf, Lehrerin, konnte sie nicht erlernen, da ihr Vater in ihr nur eine zukünftige Mutter und Hausfrau sah. Nachdem sie Haustochter war, trat sie als Lernschwester in ein Diakonissenhaus in Schwäbisch Hall ein.(4) Nach dem Aufenthalt im Lazarett und ihrem Kennenlernen heirateten sie im November 1916 und zogen nach Ingersheim, wo Sophies Vater seinen ersten Posten als Dorfschultheiß erhielt. Dort kamen auch Hans und Inge zur Welt.

Sophies Vater wurde 1919 mit knapper Mehrheit zum Bürgermeister von Forchtenberg gewählt. Zu dieser Zeit ging es den Scholls wirtschaftlich nicht gut, da Forchtenberg eine arme Gemeinde mit einfachen Acker- und Weinbauern sowie ein paar Gewerbetreibern war und die Folgen der Inflation spürbar waren. Die Arbeit als Bürgermeister von Forchtenberg war aufwendig, so hatte er während dieser Zeit selten Zeit für die Familie.

Die Scholls legten großen Wert auf die musikalische Ausbildung ihrer Kinder und schickten alle 5 zur Kinderschwester. Im März 1925 brachte die Mutter das letzte Mädchen, Thilde, zur Welt, sie verstarb knapp ein Jahr später wegen einer Masernerkrankung, so blieb Sophie die jüngste Tochter und wurde der geheime Liebling der Mutter.(5)

Die Mutter war eine sehr fromme Frau, die den Kindergottesdienst abhielt, der Vater hingegen hatte sich von der Kirche enfernt, konnte das wegen seinem Beruf jedoch nicht öffentlich zeigen.(6) Der Verlust der Wahl im Jahr 1929 machte der Familie schwer zu schaffen, denn sie standen vor dem Nichts. Der Vater fand einen neue Anstellung als Syndicus (= ständiger Rechtsbeistand eines Wirtschaftsunternehmens) und so zog die Fdamilie Scholl nach Ludwigsburg. Dort ließ er sich zum Wirtschaftstreuhänder und Buchprüfer fortbilden. Diese Fortbildung ermöglichte ihm, dass die Familie 1932 nach Ulm umsiedelte, wo er als Teilhaber in einem Treuhandbüro arbeitete.1933 konnte derVater den Vorbesitzer der Steuerberaterfirma auszahlen und war zum Alleininhaber geworden. Als der Vater erfuhr, dass seine beiden Ältesten in die HJ eintreten wollten, verbot er es ihnen. Es kam zu heftigen Streitereien, die die Mutter beendete, indem sie den Vater überredete den Kindern ihren eigenen Willen zulassen. Jahrelang litt der Vater unter der Tatsache, dass alle seine Kinder das Regime unterstützten, das er so haßte.

Nach dem Gespräch mit seinen beiden Ältesten, Hans hatte gerade seinen Arbeitsdienst beendet, in dem er ihnen seine Auffasussung über die Politik Hitlers nahe bringen konnte und ihrem Weltbild einen Stoß in seine Richtung geben konnte, war er überglücklich. Inge und Hans hatten ihm zum ersten Mal richtig zugehört und sich den negativen Seiten des Nationalsozialismus geöffnet.(7)

Während des Krieges verfolgte Robert Scholl den Kriegsverlauf sehr gründlich, er kaufte ein neues Radio um die "Feindsender" zu hören. Im Jahre 1942 wurde Robert Scholl von seiner Bürokraft angezeigt, weil er privat und vor Klienten über den Führen und die Partei herzog. Er wurde von der Gestapo verhaftet, wurde nach seinem Verhör aber wieder entlassen.(8) Der Prozess fand am 3. August 1942 vor dem Sondergericht statt und Robert Scholl wurde wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Robert Scholl wurde nach der Hälfte der Haftstrafe wegen guter Führung wieder freigelassen. Der Vater kam völlig ungebrochen aus dem Gefängnis zurück. Die Haft hatte nicht den kleinsten Rest von Haß oder Vergeltungssucht hinterlassen. Dafür wurde er von seiner Tochter bewundert.(9) Der Vater konnte seinen Beruf wegen politischer Unzulässigkeit nicht mehr ausüben und mußte so als angestellter Buchhalter arbeiten.

Nach dem Tod ihrer Kinder Sophie und Hans kamen die Eltern in Haft. Die Mutter blieb vier Monate eingesperrt, der Vater mußte ein Dreivierteljahr im Gefängnis bleiben. Ihm wurde dann noch ein ein Prozess wegen Rundfunkverbrechens gemacht, bei dem er eine Strafe von 2 Jahren erhielt.(10) Nach dem Krieg starb die Mutter aus Gram, weil sie es nicht verkraften konnte, daß drei ihrer fünf Kinder Hans, Sophie und Werner als Folgen des Krieges gestorben waren.

Die Kinder achteten und bewunderten Robert Scholl sehr, "weil er ein liberaler Mann war, nicht liberal im Sinne des Großbürgertums oder des Deutschnationalen, sondern im Sinne von Fortschritt und Veränderung." Seine Kinder durften ihre eigenen Wege gehen. Diese Erziehung war eine Grundlage und Voraussetzung der späteren Handlung von Hans und seiner Schwester Sophie.(11)

2.2 Die Geschwister Inge, Hans, Elisabeth und Werner Scholl

In Ludwigsburg besuchten die drei Großen die Ludwigsburger Oberrealschule und Werner die Evangelische Jungenvolksschule. Inge mußte von Anfang an mütterlich Pflichten übernehmen, da die Mutter ohne die Hilfe des Vaters nicht alle Kinder ausreichend versorgen konnte.(12)

In Ulm besuchte Hans die Oberrealschule und Werner die Grundschule, während alle drei Mädchen in die Mädchenoberrealschule gingen.

Mit ihren fünzehn und vierzehn Jahren spürten Inge und Hans die sozialen Spannungen in ihrer Stadt und so begann Hans mit seinem Vater darüber zu diskutieren, welche Politik richtig für Deutschland war. Während der Vater fest am Parlamentarismus und seinen liberalen Ideen festhielt, verteidigte Hans immer öfter den Nationalsozialismus. Der Vater warnte ihn vor Hitler, der inzwischen aufgestiegen war wie ein Komet, und dessen Politik.(13)

Der jüngere Bruder Werner tratt an seinem 10. Geburtstag einem der vielen Jugendbünde bei. Er tratt in den beliebtesten Bund ein, in die "Freischar junger Nation". Dieser Bund huldigte, wie auch die meisten anderen, dem strengen Führerprinzip. So spielten militärische Übungen und der Geist der Wehrmacht eine wichtige Rolle. Politik war für die Jungen unwichtig, für sie zählten nur die Freunde und ihr gemeinsames Leben.(14)

Die Scholl- Kinder, vorallem Inge und Hans waren von der Bewegung, die Deutschland erneuern sollt, mitgerissen. Sie wollten dazu gehören und wollten in die Hitlerjugend eintreten. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit ihrem Vater, der strikt gegen einen Einstieg in die HJ war, traten sie mit Hilfe ihrer Mutter doch zum 1. Mai 1933 in die Hitlerjugend ein. Da der BDM gleich an den ersten tagen einen gewaltigen Zustrom erlebte, konnte die sechszehnjährige Inge gleich eine eigene Gruppe eröffnen. Auch Werner verließ seine bündnische Gruppe und tratt in die Hitlerjugend ein.(15) Als im Herbst 1933 das "Deutsche Jungvolk" gegründet wurde, übernahm der fünfzehnjährige Hans seinen ersten Posten als Schaftführer. Ein Schaftführer gebot über zehn bis zwanzig Jungen.(16)

Ostern 1934 vollendete Inge ihr zehntes Schuljahr, entschloss sich gegen das Abitur und arbeitete beim Vater im Büro. Mit der Kirche standen die Geschwister bald auf dem Kriegsfuß, denn "Sie lebten ein neues Jugendleben! Darin hatten die Kirche und die alten Leute - zu denen auch die Eltern zählten - keinen Platz mehr." Nur der Mutter zuliebe, ließen sich Hans und Inge Ostern ´34 konfirmieren. (17) Nach den Osterferien ´34 wurde Hans zum Jungzugführer und fühlte sich in seinem Dienst sehr bestätigt. Er wollte, dass Ulm zu einer Hochburg der HJ werden sollte. Zur gleichen Zeit wurden die Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Vater immer heftiger. Der Vater wurde in Hans´ Augen zu einem Reaktionär und Miesmacher. Im Sommer ging Hans dann mit seine Jungen zum ertsen Mal auf große Fahrt in den Böhmer Wald. Seinen Bruder Werner nahm er mit.(18)

Mit vierzehn erhielt auch Elisabeth den langersehnten Posten als Schaftführerin bei den Zehnjährigen. Inge war zu dieser Zeit schon Ringführerin.(19)

Kurz vor der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 war Hans zum Fähnleinführer aufgestiegen. In Hans` Gefolgschaft ging es sehr zackig zu und er zog fast fanatisch die Ausbidung seiner Jungen durch. Die Aufforderung des Führers " Wir wollen, dass dieses Volk einst nicht verweichlicht wird, sondern dass es hart sei, dass es den Unbilden des menschlichen Lebens Widerstand zu leisten vermag, und ihr müßt euch in der Jugend dafür stählen! Ihr müßt lernen, hart zu sein, Entbehrungen auf euch zu nehmen, ohne jemals zusammenzubrechen." nahm er sehr ernst. Er selber war sportlich sehr gut durchtrainiert. Das und sein leicht kantiges Gesicht entsprachen ganz dem nordischem Idealbild. Er bestand auf Ordnung und Disziplin und mit scharfem Kasernenton ließ er seine Jungen marschieren, exakt exerzieren, Apelle nach Vorschrift ausführen und gehorchen. Er war stolz, dass er seine Jungen voll im Griff hatte. Er forderte aber nichts von ihnen, was er nicht selber vorlebte. Hans pflegt das bündnische Brauchtum weiter, dass er am Anfang kennengelernt hatte.(20)

Im September 1935 fand der Reichsparteitag in Nürnberg statt zu dem Hans fahren durfte. Diese Fahrt veränderte ihn. Er hatte dort in einer riesigen Zeltstadt für 450 000 Hitlerjugen gewohnt, mußte andauernd antreten, neue Lieder lernen und für den Auftritt in der großen Parteitagsarena üben. Stundenlang mußten sie maschieren und strammstehen, Reden zuhören und auf Befehl jubeln. Nach dem Parteitag lernte er Ernst Reden kennen, der sein bündnisches Leben, dass er wie Werner und Hans in der "Freischar junger Nation" und der dj.11.1 kennengelernt hatte, in der HJ weiterführte. Er war homosexuell und suchte nach seinem Umzug aus Köln nach Ulm eine ähnliche Jugendvolkgruppe wie in seiner Heimatstadt. Er wurde dann mit Hans zusammen gebracht, dessen Vorliebe für bündnische Ideen bekannt waren. Hans nahm ihn als Mentor an und nahm ihn auch mit auf die Fahrten. Am 1. November 1935 wurden die bündnischen Ideen verboten. Daraufhin wurde Hans` Mannschaft im Jungvolk aufgelöst und in andere Gruppen geordnet. Hans reagierte mit Wut und Enttäuschung, denn er konnte nicht verstehen, dass seine Jungen ohne Grund zurückgesetz wurden. Im nächsten Jahr gingen die Maßnahmen gegen bündnische Umtriebe in der Hitlerjugend weiter.(21)

Nach der Auflösung seiner Mannschft hatte Hans damit angefangen, eine Art "Privatbetrieb" innerhalb des Jungvolkes aufzumachen. Zu diesem Kreis gehörte auch Werner. Hans gestalltete unerlaubter Weise seine Heimabende immer mehr nach den Ideen der dj.11.1 und den Schriften von Tusk. Tusk propagierte ein Leben in der Gemeinschaft von Gleichen, in dem sie ihre Lebendigkeit fühlen konnten und die Nähe der Natur in ihrer ganzen Schönheit und wilden Gefährlichkeit auskosteten. Seine Ansprüche waren von einem elitären Denken geprägt. In Tusks Forderungen lag die gleiche Absolutheit, die Hans unbewußt für sich selbst von seinem Vater übernomen hatte: "Lebe so, wie es dir dein Gewissen es dir vorschreibt. Prüfe immer wieder deine Haltung, erkenne die Fehler, lerne daraus. Sei mißtrauisch gegen die Meinung der Mehrheit und gegen die, die Autorität beanspruchen. Prüfe sie besonders gründlich. Erforsche die Meinung der Minderheit. Gehe nie mit den Mächtigen. Wende dich gegen Unrecht und Gewalt."(22) Im Grunde schienen seine Forderungen nicht weit von denen der HJ entfernt, Hnas merkte jedoch wieviel inzwischen verboten wurde. All die Lieder er früher gesungen hatte, waren "fremdvölkisch" und somit verboten. Auch begann Hans sich mit siebzehn Jahren für Kunst und Kultur und weltanschauliche Ideen außerhalb des Nationalsozialismus zu interessieren, doch das war in der Hj unerwünscht und so machte ihn Ernst heimlich mit Literatur und Kunst vertraut, die als entartet galt.

Zum Fahnenumzug Ostern 1936 verzierte Hans die Fahne seiner Jungen mit einem Fabeltier, die die Jungen sehr stolz trugen. Der neue Stammführer forderte die Abgabe der Fahne, weil eine besondere Fahne nicht gestattet war. Daraufhin gab ihm Hans eine Ohrfeige. Die Fahne wurde mitgenommen. Um sie wiederzuholen, warf Hans in der Nacht ein Fenster ein. Daraufhin wurde ihm sein Fähnlein entzogen und er war nur noch Jungzugführer.(23)

Ostern 1937 machte Hans sein Abitur danach folgte der sechs monatige Reichsarbeitsdienst und der Wehrdienst bei der Kavallerie.Nach seinem Weggang löste sich die Jugengruppe vollständig auf, das schmerzte vorallem Werner, der zuvor noch mit Sophie konfirmiert wurde.

Kurz vor ihrem Abitur beschloß Elisabeth die Schule zu verlassen um Kindergärtnerin zu werden. Als Hans seinen seinen Reichsarbeitsdienst beendet hatte, dort lernte er das Leben von einer neuen, harten und strengen, Seite kennen und erfuhr auch erstmalig von der Lage in den Konzentrationslagern, suchte er erstmalig dasGespräch mit seinem Vater. Inge war bei diesem Gespräch auch dabei und beide waren schockiert über das, was sie von ihrem Vater erfuhren. Die jüngeren Geschwister bekammen auch mit, wie sehr Inge und hans an der bestehenden Ordnung zu zweifeln begannen. (24)

Im November 1937 wurde die Geschwister Scholl von der Gestapo festgenommen und kamen in das Untersuchungsgefängnis. Sophie kam noch am gleichen Tag frei, Inge konnte sich mit gespielter Naivität herausreden, ihre beiden Brüder mußten aber bleiben. Die Gruppe um Hans war angezeigt worden. Seine bündnischen Aktivitäten wurden seit 1936 detailliert aufgelistet und es wurden herausgefunden, dass Hans mit einem seiner besten Freunde eine erotisch gefärbte Beziehung hatte und auch Werner gab zu, dass Ernst Reden ihm sich unsittlich genähert hatte. Dieser wurde daraufhin sofort verhaftet. Ernst, Hans und Werner wurden wegen bündnischer Umtriebe und dem Paragraphen 175 beschuldigt. Da Hans seine Unschuld beteuerte, er hätte nicht gewußt, dass er etwas Unrechtes tat, wurde das Verfahren eingestellt und er bekam keine Vorstrafen. Sei Verhalten wurde als "jugendliche Verwirrung eines sonst anständigen und auch geschlechtlich normal empfindeden Menschen" beurteilt. Ernst wurde verurteilt und kam in ein Konzentrationslager.

Inge wurde nach der Verhaftung vom BDM-Dienst beurlaubt und tratt dann, weil sie schon über 18 Jahre alt war, ganz aus und verlor alle Freundinnen. Auch Werner wandte sich innerlich fast ganz von der HJ ab, konnte aber wegen seinem Abitur nicht austreten.(25).

Zu Ostern 1939 bestand Elisabeth ihre Prüfung als Kindergärtnerin am Fröbelseminar und verließ das Elternhaus.

Der Freundeskreis um Inge, Werner und Sophie wuchs immer mehr zusammen und sie interessierten sich vorallem für die verbotende "entartete" Kunst. Als der Krieg begann, der von den Scholls euphorisch begrüßt wurde, denn sie hofften die Nationalsozialisten würden den Krieg sehr bald verlieren, begannWerner über die Teilnahme an einer Widerstandsgruppe nachzudenken. So versteckte er am Heldengedenktag im März 1939 eine Knallkapsel auf dem Rednerpult oder verband der Justitia, die vor dem Ulmer Gerichtsgebäude stand, die Augen mit einer Hakenkreuzbinde. Hans begann in der Zwischenzeit sein Medizinstudium in München (26) Dieses mußte er aber wegen Kriegseinsätzen an der Westfront immer wieder unterbrechen. Hans machte in München Bekanntschaft mit Theodor Haecker, der in seinem Buch "Was ist der Mensch" zornig und sprachgewaltig mit dem Nationalsozialismus abrechnete, und dem Katholiken Muth, der die literarisch-philosophische Zeitschrift Hochland herausgab.(27) In der Zwischenzeit wurde Hans´ Haß auf die Nationalsozialisten verbissen, unhemlich und schon fanatisch. Nach einer Lesung des Architekten Manfred Eickemeyer kam es zu offenen politischen Dikussionen, dieser berichtete Hans und A. Schmorell über die Zustände in Polen, die Zustände in den Konzentrationslagern und den jüdischen Ghettos. Alexander und Hans waren über diesen Zeugenbericht so schockiert, dass sie beschlossen etwas gegen Deutschland zu tun. Sie waren fest davon überzeugt, dass Deutschland den Krieg verlieren würde und diskutierten über die zukünftige Staatsform. Das Thema Widerstand lag somit offen auf dem Tisch. Professor Huber forderte, dass etwas getan werde mußte und Hans, der sich sonst aus solchen Diskussionen heraushielt, stimmte energisch zu. Er mußte sein Wissen über die Greultaten des Nationalsozialismus weitergeben. Er mußte seiner inneren Aufforderung, besser zu sein als die anderen und ein guter Mensch zu werden, folgen und beschloß in diesem Augenblick, dass es seine größte Aufgabe sei, dass so viele Gleichgesinnte wie möglich die Wahrheit erfahren mußten. Hans wußte, dass er schon viel zu lange gezögert hatte. Er wollte die Schuld abtragen, die er sich beim Mitaufbau der Hitlerjugend in Ulm aufbürgte.(28)

Nach dem Tod ihrer Geschwister kamen Inge und Elisabeth ins Gefängnis. Elisabeth wurde wegen einer Erkrankung nach zwei Monaten entlassen und Inge blieb vier Monate eingesperrt. Werner blieb als Soldat vom Gefängnis verschont, mußte aber bald zurück zur Front, wo er verschollen blieb.(29)

3. Sophie Scholl

3.1 Sophies Kindheit 1921 - 1930

Sophie Scholl wurde am 21. Mai 1921 im schwäbischen Ort Forchtenberg geboren als viertes Kind von Magdalene und Robert Scholl geboren. Im Alter von drei Jahren besuchte Sophie den streng geführten Kindergarten.

Als sie sieben Jahre alt war, wurde sie eingeschult. Das Klassenzimmer beherbergte 40 und mehr Schüler, da zwei Jahrgänge gemeinsam unterrichtet wurden. Schon während ihrer frühen Schulzeit war Sophie recht selbstbewußt. So wies sie einmal ihren strengen Lehrer mit den Worten " Die Brävste bin ich nicht, die Schönste will ich gar nicht sein, aber die Gescheiteste bin ich immer noch" zurecht, als der sie ungerecht behandelte. Da sie die Jüngste der Scholl-Kinder war, mußte sie sich von Anfang an behaupten, genoss aber auch Previlegien bei der Mutter, da sie das Nesthäkchen war.(30)

Sie wurde von den Eltern, vorallem von der Mutter, protestantisch erzogen.

Sophie litt sehr unter dem Wegzug aus Forchtenberg. In Ludwigsburg besuchte sie die Evangelische Mädchenvolksschule, wo sie sich jedoch schnell einlebte und zu den besten Schülerinnen gehörte.(31) Den Vater bekam Sophie sehr selten zu Gesicht, da er sich meist in Stuttgart aufhielt.

Gerade als Sophie und ihre Geschwister in ihrer neuen Umgebung heimisch geworden waren, mußten sie ihre neuengewonnenen Freunde wieder verlassen und zogen nach Ulm.

3.2 Das Leben für den BDM 1932 - 1938

In Ulm besuchte Sophie, nachdem sie in Ludwigsburg die Prüfung zur höheren Schule mit Leichtigkeit bestanden hatte, mit ihren Schwestern Inge und Elisabeth die Mädchenoberrealschule. Wieder mußte sich Sophie in eine völlig neue Umgebung eingewöhnen.(32)

Sophies neue Heimat Ulm war eine Festungs- und Garnisonsstadt, die eine große Zahl von Soldaten beherbergte, von deren Anwesenheit eine ganze Anzahl von Betrieben und Geschäften abhängig waren. Durch den Bedeutungsverlust des Militärs als Folge des Versailler Vertrages erlitten viele Ulmer Firmen beträchtliche Einbuße. Demzufolge wurde hier die Forderung nach Remilitarsierung besonders groß und so erhielt die NSDAP 1930 in Ulm einen höheren Stimmenanteil als im Reichsdurchschnitt. Ab 1932 war die NSDAP in der Stadt fest etabliert und die SA war staändig im Stadtbild präsent.(33) Sophie bekam von der schlechten wirtschaftlichen Lage Deutschlands nichts mit, denn die Eltern versuchten das von ihren Kindern fern zuhalten, und so wuchsen die 5 Scholl- Kinder in einer sorgsam behüteten und heilen Familie auf.

In ihrer neuen Klasse verhielt sich Sophie eher still, sie zog sich zurück und benahm sich den Anderen gegenüber immer etwas verschlossen.

Natürlich bekam Sophie durch die Erzählungen ihrer älteren Geschwister von Anfang an mit, was in der HJ los war. Sie wollte unbedingt mitmachen, und als die Jungmädelschaften eingerichtet wurden, erlaubten ihr die Eltern den Eintritt in den BDM. Im Januar tratt Sophie mit knapp dreizehn Jahren in die Gefolgschaft von Charlo ein, die ein Jahr älter als ihre Schwester Inge war. Im Freien spielten die Mädchen dann das, was die Jungen auch machten. Sie übten Maschieren und Speerwerfen, veranstalteten Ringkämpfe, machten Geländespiele, kletterten auf Bäume und übten Kleinkaliberschießen. Sie sangen gemeinsam, betrachteten Kunstwerke und diskutierten, so verhalf Charlo den Mädchen zu neuen Einsichten. Durch diese gemeinsamen Aktivitäten bildeten die Mädchen bald eine richtige feste Gemeinschaft. So kam es, dass sich Sophie das erste Mal in Ulm richtig wohl fühlte. Sie konnte richtig aus sich herausgehen und übernahm auch bald erste Führungsaufgaben. Auch körperlich machte sie positive Fortschritte, der viele Sport an der frischen Luft macht sie stark, gesund und kräftig und so wurde sie nicht mehr so schnell krank wie früher.(34)

Ihre Begeisterung für den Sport übertrug sich auch auf ihre Jungmädel. Wie von oben angegeben, verwandte sie zwei Drittel der Zeit mit ihren Mädchen für sportliche Betätigung und ein Drittel für weltanschaulichen Unterricht. Das Ideal der Härte gegen sich selber, dass der Bruder konsequent vorlebte, übernahm auch Sophie."Gelobt sei, was hart macht!" wurde ihre Devise.(35) Sie und die anderen Mädchen wollten bewußt leben, die Welt in vollen Zügen genießen, gesund und stark sein, wollten Erfahrungen sammeln, nichts ausschließen, aktiv und zupackend sein. Sie wollten nichts verpassen und fingen an die Werte und Vorstellungen ihrer Eltern in Frage zu stellen.(36)

Durch Ernst Reden lernte auch Sophie die Ideale der dj.1.11 kennen. Er versuchte vorsichtig den Geschwistern jene Zweifel an der HJ und ihren Zielen zu nähren, die untergründig schon bei ihnen vorhanden waren.

Nach dem Weihnachtsfest 1935 war Sophie zur Scharführerin aufgestiegen und machte über Silvester ihre erste große Tour in der Hitlerjugend. Sie fuhren in die Berge und das einfache Leben ohne jeden Komfort und Hygiene war ganz anders als das Leben, das sie von zu Hause gewohnt waren. Für die Mädchen war es ein richtiges Abenteuer. Am Abend sangen, lasen sie unterhielten sich miteinander. Sophie beteiligte sich selten aktiv an dem Gespräch, sie hörte meist nur interessiert zu, wirkt fast schüchtern , konnte ihre Meinung aber mit Nachdruck vertreten.(37)

In ihrer Arbeit bei den Jungmädeln orientierte sich Sophie immer mehr an ihrem großen Bruder. So nahm sie seine neuen Ideen von Freiheit, Auserwähltsein und Treue und seine fremden Lieder mit großer Begeisterung auf. Sophie nahm die Aufhebung der sozialen Schranken innerhalb ihrer Gruppe sehr ernst. Alle Mädchen sollten bei ihr gleich sein.

Ostern 1937 wurde Sophie mit ihrem Bruder konfirmiert, sie trug dabei ihre Uniform, denn auch sie ließ sich nur wegen der Mutter konfirmieren.

3.2.1 Der Bund Deutscher Mädel:

Der "Bund Deutscher Mädel", kurz gesagt BDM, war ein Teil der Hitlerjugend, der eine reine Mädchenorganisation war.

Der erste "Deutsche Frauenverband" wurde 1923 von Elsbeth Zander gegründet. Der Verband war für und von nationalistisch eingestellte Frauen. Als Folge darauf bildeten sich zahlreiche andere Mädchenorganisationen, die im Sommer 1931 jedoch alle wieder aufgelöst wurden. Kurze Zeit später entstanden dann der BDM und die NS-Frauenschaft.

Anfangs war der BDM eine Art Pfadfinderlager für Mädchen, in dem sie Aufgaben erledigen durften, die sonst den Jungen vorbehalten gewesen waren.

Am 1.12.1936 wurde die Hitlerjugend gesetzlich zur einzigen offiziellen Jugendorganisation erklärt. ,,Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muss deshalb künftig auf ihre Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§1

Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefasst.

§2

Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erzielen."

Vom 25.März 1939 an wurde es aufgrund der Jugenddienstverordnungen zur Pflicht, der jeweiligen Organisation beizutreten.

Nach diesem Gesetz erhöhte sich die Zahl der Mitglieder auf 98%, vorher waren nur knapp die Hälfte aller Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren in einer nationalsozialistischen Jugendorganisation. Ab diesem Tage war es ein "freiwilliger" Zwang zu den regelmäßigen Treffen des BDM zu erscheinen. Bei mehrmaligem Versäumen kam es zu Bestrafungen.

- Küken (6-10 jährige Mädchen und Jungen)
- deutsches Jungvolk(10-14 - jährige Jungen)
- Hitlerjugend (14-18 - jährige Jungen)
- Jungmädel (10-14 - jährige Mädchen)
- BDM (14-18 - jährige Mädchen)
- BDM-Werk Schönheit und Glaube (17-21 - jährige Mädchen)

Hielten Eltern ihre Töchter von dem Beitritt ab, wurden sie bestraft. Manche Elternpaare wurden von ihren eigenen Töchtern an die Gestapo ausgeliefert, da sie nicht die NS-Weltanschauung mit ihren Kindern teilten.

Vor dem Eintritt in den BDM mußten sich die Mädchen einer ärzlichen Untersuchung auf Tauglichkeit unterziehen.

Durch besondere Leistungen wie Gehorsam, Fleiß und Sorgfalt konnte die Mädchen innerhalb des BDM befördert werden. Diese erfolgte von den höheren Führungskräften. Viele der Mädchen hielten den HJDienst nur durch, weil sie die Hoffnung auf eine Beförderung nicht aufgaben.

Gliederung des BDM:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aufgaben der Mädchen:

Die Treffen der Mädchen fanden hauptsächlich jeden Mittwoch und Samstag Nachmittag statt. Es gab aber auch oft Lager, sogenannte BDM-Lager.

Zu Beginn der Oragnisation bestanden die Tätigkeiten der BDM-Mitglieder in Basteln, Singen Tanzen, Nähen, Wandern und vorallem viel Sport. Des weiteren wurden sie auch in Hauswirtschaft unterrichtet. Später wurden dann auch das Maschieren und Antreten geübt, die Mädchen wurden politisch geschult und erlernten kriegswichtige Arbeiten ( medizinische Grundgriffe, etc.).

- Zu den Treffen wurden auch mehrere Freizeiten abgehalten, auf denen es einen genauen und strengen Tagesablauf gab:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Fahrten dauerten meist 10 Tagen, an deren Ende in der Regel Leistungsabzeichen gemacht wurden. Sie wurden in hauswirtschaftlichen, politischen und sportlichen Gebieten geprüft. Während des zweiten Weltkriegs änderten sich die Aufgaben der Mädchen. Sie mußten Kriegshilfe in der Heimat leiste. So mußten sie sich um Verwundete in Lazaretten und verwaiste Kinder kümmern. Des weiteren halfen sie in sogenannten Feldküchen. Auf dem Land mußten die Mädchen bei der Ernte helfen und andere Mitglieder mußten Uniformen nähen, reparieren und besticken.

Die Uniform der BDM-Mitglieder bestand aus einer weißen Bluse, einem blauen Rock, einer braunen Weste und einem Halstuch mit Lederknoten. Diese Uniform mußten die Eltern selbst bezahlen. Eltern, die sich sich das nicht leisten konnten, bekammen sie vom Staat gegen ein geringes Pfand geliehen. Neben der normalen Uniform, die von jedem Mädel getragen werden mußte, gab es ein "Mädeltanztkleid" und ein reichseinheitliches "BDM-Festkleid". Die Mädchen trugen ihre Uniformen auch an besonderen Feiertagen, wie zum Beispiel Hitlers Geburtstag. Nicht-Mitglieder, die die absoluten Minderzahl waren, fielen demzufolge besonders auf und wurden zu ausgegrenzten Opfern des Spotts.

Ausbildungsangebote:

Die BDM-Mitglieder konnten an "Arbeitsgemeinschaften für Auslandskunde" teilnehmen, die es ihnen nach zwei Jahren ermöglichte eine Auslangdsfahrt zu machen.

Vor der Berufsausbildung mußten sie "freiwillig" ein "hauswirtschaftliches Jahr" absolvieren. Dieses Jahr wurde ab 1938 zur Pflicht. Die jungen Frauen wurden meist in kinderreiche bäuerliche Familien geschickt, wo sie im Haushalt mitarbeiteten.

Wurde ein Mädchen 17 Jahre bestand für sie die Möglichkeit einberufen zu werden. War man über 16 Jahre konnten die BDM-Mädels einen "Osteinsatz" von bis zu einem Jahr leisten. Dieser fand meist in Danzig-Westpreußen und Oberostschlesien statt und diente dazu, dass die Mädchen die Menschen für den Nationalsozialismus gewinnen sollten.

Die Ziele des BDM:

Vor dem Krieg diente der BDM den Mädchen hauptsächlich dazu, neue Kontakte zu knüpfen und sich von ihrem kindlichen und engem Leben zu lösen.

Wie auch die Jungen der HJ fanden es die Mädchen spannend sich an etwas Großes und Wesentliches zu binden.

,,Man war bestätigt und man konnte was!"

Das Wichtigste war jedoch das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Ab dem Beginn des zweiten Weltkrieges wurde aus dem BDM ein Erziehungsbund.

1939 gab Hitler öffentlich bekannt, dass die Tätigkeiten der Mädchen beim BDM ausschließlich dem Kriegseinsatz gegolten hatten.

Ein weiteres Ziel war es, die Mädchen zu gläubigen Anhängern des Nationalsozialismus zu machen und sie auf ihre Ehe und Mutterschaft "erbgesunder" Kinder vorzubereiten.

Sie sollten Hitler treu und selbstlos dienen und ihre Aufgaben mit Freude und ohne Kritik ausführen. Die Mädchen wurden so zu Disziplin, Gehorsam und Opferbereitschaft erzogen. Des weiteren sollten die Mädchen von von der Kirche entfremdet werden, dies geschah durch verstärkte weltanschauliche Schulungen.

Da die Mädchen schon teilweise im Alter von 14-15 Jahren verantwortungsbewußte Aufgaben übernehmen mußten, wurden sie nicht zu den geplanten Gebärmaschienen und Hausfrauen. So erreichten die Nazis ihr Ziel nicht.(38)

3.3 Entfernung vom Nationalsozialismus 1938 - 1932

Als ihr Bruder Hans vom Arbeitsdienst wieder nach Hause kam, bemerkte Sophie seine Veränderung. Sie erfuhr von dem Gespräch zwischen dem Vater und den beiden Großen und auch sie begann an ihrer Arbeit für Hitler zu zweifeln. Zu dieser Zeit lernte sie ihre erste Liebe kenne. Sie war gerade sechzehn und zu dieser Zeit begann sie auch das wilde Verhalten abzulegen, dass sie in den ersten Jahren im BDM bestimmt hatte. Sie war nachdenklicher, stiller und fraulicher geworden. Sie hörte auf alle Anschauungen einfach hinzunehmen und begann sich eigene Gedanken zumachen und genauer hinzuschauen. Sie lernte den vier Jahre älteren Fritz kennen, der zur selben Zeit wie ihr Bruder Hans das Abitur machte. Er strebte eine Offizierslaufbahn an. Die beiden lernten sich bei Sophies Freundin kennen und verliebten sich.(39) Anfang November 1937 fand bei den Scholls eine Hausdurchsuchung statt. Inge, Sophie und Werner wurden verhaftet, Sophie wurde nach einigen Stunden wieder freigelassen. Nach ihrer Verhaftung und dem Prozess gegen die Brüder blieb Sophie zwar noch bei den Jungmädeln, sie war inzwischen zur Gruppenführerin aufgestiegen, aber für sie war alles brüchig geworden. Sie fühlte sich nicht mehr zugehörig und die anderen Mädchen begegneten ihr mit Mißtrauen. Die Hitlerjugend erschien ihr in einem neuen Licht. Sie bemerkte die Widersprüche zwischen den hohen Idealen und dem, was wirklich im nationalsozialistischen System geschah. Sophie begann mit ein paar Freundinnen den BDM zu prüfen. So stickten sie auf die Wimpel ihrer Schaften andere Symbole, als vorgeschrieben war. So besaß jede Gruppe ihre eigene Fahne. Wie bei Hans kam es zum Eklat. Die Mädchen wurden feierlich abgesetzt und man warf ihnen Treulosigkeit vor. Sophie wurde aber nicht grundsätzlich aus der Hitlerjugend ausgeschlossen, so blieb ihr die Möglichkeit offen ihr Abitur zu machen. Sophie fiel in eine Leere, denn sie stand vor dem Nichts. Alles was ihr jahrelang etwas bedeutet hatte, war verschwunden und so witmete sie sich ihren Lieblingsbeschäftigungen, Zeichnen und Lesen.(40)

Die Kameradinnen zogen sich von Sophie zurück, denn sie verhielt sich zunehmend kritischer und redete staatsfeindlich. Der Unterricht wurde für Sophie zunehemend unerträglicher. Als sie in die Oberprima kam und somit ein Jahr vor ihrem Abitur stand, kam ihr der nationalsozialistisch Unterricht so vor, als müsse sie "durch ein kleines braunes Fenster" sehen.(41)

Nach Kriegsanfang begann sich Sophie ernsthaft mit Politik zu beschäftigen. Sie hatte viele Gespräche mit ihrem Vater und teilte seine Ansicht, dass dies nur ein Eroberungskrieg war, hinterdem nur der Großmachtwille des Führers stand.(42)

Sophie begann während ihres letzten Schuljahres sich Gedanken um ihre Zukunft zu machen. Für sie stand fest, dass sie studieren werde. Um eine Zulassung zuerlangen, mußte sie ihren Reichsarbeitsdienst ableisten. Diese Forstellung gefiel ihr nicht und sie suchte nach einer Alternative. Sie fand heraus, dass eine soziale Ausbildung als Ersatz angesehen wurde und so beschloß sie eine einjährige Ausbildung als Kindergärtnerin zu machen. Im Mai 1940 begann die Ausbildung im Fröbelseminar, dass schon ihre Schwester Elisabeth besucht hatte. Sie ging gern in das Seminar, konnte die Ausbildung aber nicht ernstnehmen. Sie fand die anderen Mädchen dumm und ihre zurückhaltende Art empfanden die anderen Mädchen als Arroganz. Sophies Gedanken waren ständig bei ihrem Freund Fritz und ihrem Bruder, die im Krieg als Soldaten an der Front standen. Die Schuldgefühle, den Nationalsozialismus unterstützt zu haben, wurden immer größer, so dass Sophie anfing sich zu wünschen, dass ihr Leben bald ein Ende habe. Sophie Stimmung wurde immer schlechter, die Taten der Nationalsozialisten wurden für sie unerträglicher und so wurden die seltenen Treffen mit Fritz zu einzigen Freude die sie noch hatte. (43)

Nachdem sie das Seminar im März 1941 bestand, erfuhr sie, dass sie doch zum Arbeitsdienst mußte und somit ein Jahr verschenkt hatte. Während des Seminars hatte sie gelernt sich anzupassen und so innerlich unabhängig zu bleiben und jeden Ärger rasch zu verdrängen. So baute Sophie eine Mauer der Unberührtheit um sich auf.

Am 6. April 1941 begann Sophies Arbeitsdienst. Gegen die weltanschaulichen Schulungen war sie immun, sie kapselte sich ab, aber der Siegestimmung der anderen Mädchen konnte sie sich nicht entziehen. Ausrufe der Anderen wie "Wo deutsche Soldaten kämpfen, da wird auch was erreicht!", "der Sieg ist uns gewiss! Niemand kann ihn uns entreißen! Wir müssen nun auch das behalten, was der deutsche Soldat mit seinem Blut erkämpft hat!" und "Herlich wie schnell und sicher alles ging!" machten ihr schwer zu schaffen. In dieser Zeit wurde der Ausruf des Dichters Maritain "Il faut avoir un esprit dur et le coeur tendre." (Man muß einen harten Verstand und ein weiches Herz haben.) zu ihrem Leitspruch. Auch wenn sie im Lager bevorzugt behandelt wurde, sie durfte ihre Bücher behalten, vermißte sie ihre Familie und die täglichen Diskussionen mit ihrem Vater.(44) In Sophie wuchs eine tiefe Sehsucht nach etwas, dem sie ohne Vorbehalte zustimmen konnte, wie ihrem damaligen Glauben an den Führer während der Jungmädelzeit.

Auch im Arbeitsdienstlager war das Verhältnis zu anderen Mädchen schlecht, denn Sophie wirkte mit ihrer Ernsthaftigkeit und Distanziertheit arrogant auf die anderen.

In dieser Zeit begann sich Sophie, auf der Suche nach einem Glauben, mit der katholischen Kirche zu beschäftigen. Sie suchte in Schriften die Orientierung, die für sie zum Überleben nötig war. Wieder begann sie über sich selbst nachzudenken und ihr erschien der eigene Einsatz für den Nationalsozialismus als eine schwere jugendliche Verfehlung. (45)

Die Nachricht, dass sie ihre Arbeitsdienstszeit um weitere sechs Monate verlängern mußte um die Zulassung für die Universität zuerlangen, setzte ihr schwer zu und auch die Sorgen um Fritz wurden größer, da er immer an vordester Front mitkämpfte. Ihre einzige Abwechslung waren die Besuche in der Kirche des Ortes, in dem sie ihren Arbeitsdiens leistete.Ihr Interesse am katholischen Glaube, dessen Repräsentanten mutig gegen den Nationalsozialismus vorgingen, wuchs in der Zwischenzeit immer mehr. Sie wollte sich bewähren und suchte den Weg zu Gott, aber sie hatte das Gefühl , überhaupt keine Ahnung von Gott und kein Verhältnis zu ihm zu haben. So sagte sie sich: "Und da hilft wohl nichts anderes als Beten. Beten." Später erfuhr sie, dass sie die restliche Zeit in einem Kindergarten in der Nähe der Schweizer Grenze verbringen sollte. Dort genoß sie ihr Leben wieder, denn sie hatte mehr Freizeit, wurde nicht mehr so gefängnisartig verwahrt und die weltanschaulichen Schulungen fanden nur selten statt. (46)

Nach dem Angriff der Japaner am 7. Dezember 1941 gegen die USA, auf den vier Tage später Hitlers Kriegserklärung gegen die USA folgte, stand die Welt in Flammen. Sophie schrieb, nachdem sie diese Nachricht hörte, in ihr Tagebuch: "Gib Licht meinen Augen, oder ich entschlafe des Todes, und mein Feind könnte sagen, über den ward ich Herr." Ihre Zukunftsangst und die Angst um die Familie und Fritz lasteten zentnerschwer auf ihr. (47)

3.4 Leben für den Widerstand 1942 - 1943

Ende März 1942 war Sophie Arbeitsdienst vorbei und auch mit ihrer Stdienzulassung hatte es geklappt. Sie hatte beschlossen Philosophie und Biologie zu studieren, denn sie suchte nach den philosophischen Kernfragen des Lebens und der Welt und andererseits hatte sich in ihr der Wunsch gefestigt, die Dinge mit den scharfen und klaren Augen der Naturwissenschaft zu betrachten und zu verstehen. Die Verhaftung des Vaters warf einen dunklen Schatten auf ihre Vorfreude. (48)

Im Mai zog Sophie nach München und wurde bald mit Hans` Freunden zusammen gebracht. Vorallem der übersprudelnde Alexander Schmorell gefiel ihr, denn beide begeisterten sich für die Kunst, waren "Gefühlsmenschen", ähnlich spontan und künstlerisch begabt. Chistoph Probst kam ihr viel gefestigter, verantwortungsbewußter und begabter vor als die ganzen jungen Leute, die sie kannte. Bald darauf stoß auch Willi Graf zu ihnen, der ihr viel ernsthafter, introvertierter und bedächtiger als ihr Bruder vorkam.

So konnte Sophie am 9. Mai 1941 den Tag ihrer Volljährigkeit, ihren 21. Geburtstag, mit vielen neuen Freunden in München feiern.(49)

Auch in dieser Gruppe blieb sie während den Gesprächsrunden meist stille Zuhörerin und traute sich kaum den Mund aufzumachen, denn unter den ganzen älteren Kommilitonen und Professoren kam sie sich klein und unwissend vor.

Sophie bekam das erste Mal ein Flugblatt der Weißen Rose während einer Vorlesungspause zu Gesicht. Sie wußte sofort, dass Hans beteiligt war. Sie wollte sogleich mitmachen, denn die Mitschuld am Nationalsozialismus belastete sie noch immer. Sie wollte wie ihr großer Bruder aktiv in das Weltgeschehen eingreifen und für ein freies und besseres Vaterland kämpfen.(50) Sophie übernahm die Verwaltung der Finanzen bei der Weißen Rose.

Während die Männer zum Frontdienst abkommandiert wurden, mußte Sophie einen Rüstungseinsatz in den Semesterferien absolvieren.Die Arbeit in der Rüstungsfabrik fand sie geist- und leblos und auch der Maschienlärm griff sie psyschisch stark an. Sie versuchte die Fabrikation zu sabotieren, wie die Weiße Rose es auf ihren Flugblättern forderte.(51)

Am 19. September 1942 war der Fabrikdienst beendet und sie fuhr mit ihrer Schwester Elisabeth nach München zurück.

Die Unsicherheit des Krieges machte Sophie schwer zuschaffen, seit der Denunzierung des Vaters war sie noch mißtrauischer und vorsichtiger geworden. Wieder enstanden in Sophie Zweifel. Sie wurde immer wieder von einer inneren Öde, leeren Ruhe und tiefen Traurigkeit erfaßt, der ihr die Lust raubte, überhaupt noch etwas zu tun. Sie zweifelt an sich und ihrer Motivation zum Wiederstand. Manchmal dachte sie, sie täte alles nur um bei den Anderen als gut zu gelten und ihrem großen Vorbild Hans genüge zu sein.

3.5 Die Weiß e Rose

3.5.1 Die Mitglieder der Weiß en Rose :

1. Alexander Schmorell

Alexander Schmorell wurde am 16. September 1917 in Ohrenburg (Rußland) als Sohn eines deutschen Arztes und einer Russin geboren.(52)

1221 siedelte er mit seinem Vater nach München über. 1939 begann er sein Medizinstudium in Hamburg. Nach der Teilnahme am Frankreich-Feldzug setzte er sein Studium in München fort, wo er Hans Scholl und Willi Graf kennenlernte. Im Sommer 1942 schrieben er und Hans die ersten vier Flugblätter der Weißen Rose. Zusammen mit mit Hans und Prof. Kurt Huber verfaßte er im Januar 1943 das fünfte Flugblatt "Aufruf an alle Deutschen", das er in Salzburg, Linz und Wien verteilte.Er schreib mit anderen Mitgliedern Parolen wie "Freiheit" und "Nieder mit Hitler" an münchner Hauswände. Nach der Festnahme der Scholls floh er, wurde aber aufgrund eines Verrats am 24. Februar 1943 in München festgenommen. Alexander Schmorell wurde am 19. April 1943 hingerichtet.

2. Professor Kurt Huber

Kurt Huber wurde am 24. Oktober 1893 in Chur (Schweiz) geboren und siedelte nach Stuttgart um, wo er 1912 sein Abitur machte. Er studierte Musik, Philosophie und Psychologie und wurde 1925 Professor. Im Sommer 1942 lernte er die Mitglieder der Weißen Rose kennen. Er war an der Fertigung der beiden letzten Flugblätter beteiligt. Er wurde am 27. Februar 1943 festgenommen und am 13. Juli 1943 hingerichtet.

3. Christoph Probst

Christoph Probst wurde am 6. November 1919 in Murnau geboren. Im Schuljahr 1935/1936 freundete er sich mit A. Schmorell an. Nach dem Abitur absolvierte er seinen Arbeits- und Militärdienst bei der Luftwaffe. 1939 begann er sein Medizin Studium an der Universität von München. Er heiratete Herta Dohm und hatte drei Kinder mit ihr.

Am 27. Januar 1943 entwarf er ein Flugblatt, das später bei H. Scholl gefunden wurde. Er wurde am 22. Februar 1943 verurteilt und hingerichtet.

4. Willi Graf

Willi Graf wurde in der Eifel geboren und wuchs in Saarbrücken auf. Seine Erziehung war streng katholisch und er schloß sich demzufolge Jugendgruppen, wie "Neudeutschland" und "Grauer Orden" an. In der Aufbruchphase des Nationalsozialismus war er 15-16 Jahre alt und strich sämtliche Namen aus seinem Adressbuch, die von Mitgliedern der HJ stammten. Er begann 1938 mit seinem Medizinstudium und verweigerte den Kriegsdienst, war aber ab 1940 für zwei Jahre Sanitäter bei der Wehrmacht. Er wurde freigestellt und studierte weiter. Hans Scholl und die Weiße Rose lernte er am 13. Juni 1942 kennen. Am 12. Oktober 1943 wurde er hingerichtet.

5. Die Geschwister Scholl

3.5.2 Der Verlauf des Widerstands

Die Weiße Rose wurde als Vertreter des ,,reinen, das nicht macht- und einflußorientierten, das moralischen Widerstands" interpretiert. Sie wendeten keine Gewalt gegen das Regime an, sondern verschafften sich durch die Verbreitung von sechs Flugblättern Gehör.

Dabei läßt sich die Arbeit der Weißen Rose in drei Phasen einteilen:

In der 1.Phase erschienen im Juni und Juli 1942 die ersten vier Flugblätter und zwar im relativ kurzen Abständen von 16 Tagen.

Die Flugblätter hatten als zentrales Thema die politischen Verbrechen an Juden und Polen und die damit verbundene Mitschuld der Deutschen. Adressiert waren sie an Menschen die ,,der christlichen und abendländischen Kultur" angehörten. Beide vertraten die Ansicht, dass diese Leute an ihre staatspolitischen Pflichten erinnert werden müßten. Um die Akademiker und Gebildeten besser erreichen zu können, zitierten Schmorell und Scholl immer wieder berühmte Persönlichkeiten wie Goethe oder Schiller. Die angeschriebene Zielgruppe wurde jedoch relativ klein gehalten, so dass wahrscheinlich niemals mehr als je 100 Flugblätter verschickt wurden.

,,Jedes Wort, das aus Hitlers Mund kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er den Krieg, und wenn er in frevelhafter Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. (...) Wohl muß man mit rationalen Mitteln den Kampf wider den nationalsozialistischen Terrorstaat führen; wer aber heute noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen. (...) Gibt es Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen um die Erhaltung Deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, daß ein anderer die Waffe erhebt, um Dich zu verteidigen? Hat Dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen. Wir müssen (kursiv im Original)das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers"

(Flugblatt IV).

In der 2.Phase zwischen 27. und 29. Januar 1943 wurde das fünfte Flugblatt verbreitet. die Mitglieder hatten versucht ihrer Widerstandsgruppe auch in anderen deutschen Städten zu etablieren, staoßen aber auf Unverständnis. Um mehr Aufsehen zu erregen, beahupteten Die Mitglieder trotzalledem, dass es Widerstandsgruppen auch in anderen Städten gab. Diesmal waren die Flugblätter in einer wesentlich klareren und politischeren Sprache verfasst. Das Flugblatt trug die Überschrift ,,Flugblatt der Widerstandsbewegung in Deutschland" und richtete sich an ,,alle Deutschen". Kurt Huber trug wieder durch seine Vorlesungen einen wesentlichen Teil bei. Im Flugblatt wurde angesichts der drohenden Niederlage dazu aufgerufen, sich vom Nationalsozialismus rechtzeitig zu distanzieren. Andernfalls würden die Deutschen ,,dasselbe Schicksal erleiden wie die Juden". Insgesamt wurden 6000-9000 Flugblätter hergestellt und in Augsburg, Stuttgart und Frankfurt a. M, Salzburg, Linz und Wien verbreitet. Kurt Huber war der Ansicht, dass der Süden eine liberalere Tradition hatte, als der Norden, und die Chance größer war, über die Flugblätter Menschen zu erreichen.

In der 3.Phase kam es im Februar zu nächtlichen Malaktionen und zur Verbreitung des 6.Flugblattes per Post und in der Münchner Universität.

"Freiheit und Ehre! Zehn lange Jahre haben Hitler und seine Genossen die beiden herrlichen deutschen Worte bis zum Ekel ausgequetscht, abgedroschen, verdreht, wie es nur Dilettanten vermögen, die die höchsten Werte einer Nation vor die Säue werfen. Was ihnen Freiheit und Ehre gilt, das haben sie in zehn Jahren der Zerstörung aller materiellen und geistigen Freiheit, aller sittlichen Substanz im deutschen Volk genügsam gezeigt... Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es, wie 1813 die Brechung des Napoleonischen, so 1943 die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes."

Diesmal wollte die Weiße Rose ganz gezielt nur die Münchener Studentenschaft mobilisieren, ..." weil wir die Auffassung vertraten, dass die meisten Studenten revolutionär und begeisterungsfähig sind..." so Sophie Scholl. Außerdem wurde das Flugblatt diesmal von Kurt Huber verfasst. Im Flugblatt wurde sowohl auf die Katastrophe von Stalingrad, als auch auf die schlechte Situation der Münchener Studenten eingegangen. So wurde mit deutlichen Worten das nationalsozialistische Bildungssystem kritisiert. Das Flugblatt trug die Überschrift ,,Kommilitonen! Kommilitoninnen!" und wurde etwa 2000- 3000 mal hergestellt. Beflügelt vom allmählichen Zweifel in der Bevölkerung an Hitlers Unbesiegbarkeit, traute sich die Weiße Rose sogar noch mehr zu, als Hans Scholl und Alexander Schmorell in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1943 auf öffentliche Gebäude mit Teerfarbe ,,Nieder mit Hitler" schrieben. Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie in der Münchner Universität gefaßt, da Sophie aus dem 2.Stockwerk etwa 100 Flugblätter in den Lichthof geworfen wurden und so der Hausmeister aufmerksam wurde. (53)

3.6 Die letzten Tage 18. - 22. Februar 1943

Am 18. Februar 1943 verschliefen Hans und Sophie ihre Vorlesung. So entschloßen sie die übrigen Flugblätter während der Vorlesung auszulegen. da sie die Zeit vergaßen, wurden sie erwischt und verhaftet.Während der Verhöre sagte Sophie: "Es war unsere Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland verloren ist, und dass jedes Menschenleben das für diesen verlorenen Krieg geopfert wird, umsonst ist. Besonders die Opfer, die Stalingrad forderte, bewogen uns, etwas gegen dieses unserer Ansicht nach sinnlose Blutvergießen zu unternehemen." Sophie blieb während dieser Tage stark, hatte sie sich doch seit ihrer Jungmädelzeit zu Selbstbeherrschung und Härte gegen sich selbst und ihren Körper erzogen. (54)

3.6.1 Der Prozess

Hans und Sophie wurden zunächst im Wittelsbacher Palais verhört. Zuerst stritten sie alle Vorwürfe ab. Ihnen wurde auch fast Glauben geschenkt, da sie so ruhig, gelassen und unschuldig wirkten. Doch als ihnen immer mehr gegen sie vorgeworfen wurde nahmen sie unabhängig voneinander die Schuld auf sich, um ihre Freunde zu entlasten. Ein Paar Tage später wurde Christoph Probst auch verhaftet und kam mit den Geschwistern Scholl vor Gericht.

Der Prozess selbst war eine Art "Schnellverfahren", damit niemand etwas davon mitbekam. Die Geschwister Scholl wurden um 9.00 Uhr in den Gerichtssaal geführt. Der Richter war der berüchtigte Roland Freisler, der wie ein Tobender immer wieder explosiv aufsprang und mit schreiender, bis zum Überschlag brüllende Stimme die Verhandlung führte.

Trotz der schlimmen Situation blieben die drei immer ruhig und gelassen. Dann stand das Urteil fest: Tot durch das Beil. (55)

Im Namen des Deutschen Volkes In der Strafsache gegen

1.) den Hans Scholl aus München, geboren in Ingersheim am 22. September 1918,
2. die Sophie Magdalena Scholl aus München, geboren in Forchtenberg am 9. Mai 1921
3.) den Christoph Hermann Probst aus Aidrans bei Innsbruck, geboren in Mumau am 6. November 1919,

zur Zeit in gerichtlicher Untersuchungshaft,

wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung

hat der Volksgerichtshof, 1. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 22. Februar 1943, an welcher teilgenommen haben

als Richter:

Präsident des Volksgerichtshofs Dr. Freisler, Vorsitzer,

Landgerichtsdirektor Stier,

SS- Gruppenführer Breithaupt,

SA- Gruppenführer Bunge,

Staatssekretär und SA- Gruppenführer Köglmaier,

als Vertreter des Oberreichsanwalts: Reichsanwalt Weyersberg,

für Recht erkannt:

Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defätistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und die Wehrkraft zersetzt.

Sie werden deshalb mit dem

Tode bestraft.

Ihre Bürgerehre haben sie für immer verwirkt. (56)

Inge Aicher-Scholl beschreibt jene "letzte Stunde" vor der Hinrichtung, den Abschied der Eltern von ihren Kindern:

"Zuerst wurde ihnen Hans zugeführt. Er trug Sträflingskleider. Aber sein Gang, war leicht und aufrecht, und nichts Äußeres konnte seinem Wesen Abbruch tun. Sein Gesicht war schmal und abgezehrt, wie nach einem schweren Kampf.

Er neigte sich liebevollüber die trennende Schranke und gab jedem die Hand. "Ich habe keinen Hass, ich habe alles, alles unter mir". Mein Vater schloss ihn in die Arme und sagte: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen, es gibt noch eine Gerechtigkeit". Darauf trug Hans Gr üß e an alle seine Freunde auf. Als er zum Schluss noch den Namen eines Mädchens nannte, sprang eine Träneüber sein Gesicht, und er beugte sichüber die Barriere, damit niemand sie sehe. Dann ging er, aufrecht, wie er gekommen war." (57)

Kurz vor ihrer Hinrichtung stellt Sophie Betrachtungen über ihren Tod an: "So ein herrlicher, sonniger Tag, und ich soll gehen. Aber wieviele müssen heutzutage auf den Schlachtfeldern sterben, wieviel junges, hoffnungsvolles Leben ... Was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln Tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden" (58)

Als die drei abgeführt wurden, ermöglichte der Aufseher, dass sie sich noch einmal sehen konnten. Christoph Probst sagte: "In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder" und "Ich hätte nie gedacht, daß sterben so leicht sein kann!" Dann wurden sie abgeführt. Sophie ging aufrecht zur Richtstätte und starb, ohne mir der Wimper zu zucken. Hans schrie laut so das alle es hören konnten: "Es lebe die Freiheit!" (59)

Zwei Tage nach der Hinrichtung wurden Hans und Sophie auf dem Perlacher Friedhof beerdigt. Die Eltern, Inge, Elisabeth, Werner, der von der russischen Front kam, Hans´ Freundin und der Gefängnisgeistliche standen am Grab.

Zurück in Ulm wurde die Familie ohne jede Begründung festgenommen.

In den nächsten Monaten wurden alle Mitglieder und Mitwisser sowie die ganze Familie Scholl in Sippenhaft genommen.(60)

3.6.3 Ein Zeitungsbericht

"Münchener Neuesten Nachrichten" die Todesmeldung: "Todesurteile wegen Vorbereitung zum Hochverrat LPM. Der Volksgerichtshof verurteilte am 22. Februar 1943 im Schwurgerichtssaal des Justizpalastes den 24 Jahre alten Hans Scholl, die 21 Jahre alte Sophie Scholl, beide aus München, und den 23 Jahre aten Christoph Probst, aus Aldrans bei Insbruck, wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Feindbegünstigung zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Das Urteil wurde am gleichen Tage vollstreckt. Die Verurteilten hatten sich als charakteristische Einzelgänger durch Beschmieren von Häusern mit staatsfeindlichen Aufforderungen und durch Verbreitung hochverräterischer Flugschriften an der Wehrkraft und den Widerstandsgeist des deutschen Volkes in schamloser Weise vergangen. Angesichts des heroischen Kampfes des deutschen Volkes verdienen derartige verworfene Subjekte nichts anderes als den raschen und ehrlosen Tod." (61)

4. Nachwort:

Mit den Verurteilungen der Mitglieder und Mitwisser vernichteten die Nationalsozialisten gewaltsam und unrechtmäßig einen Kreis von Menschen, die sich in ihrer Abscheu gegen das Hitler Regime einig gewesen waren und diese Diktatur des Bösen und Grauen nicht länger ertragen konnten und wollten. So groß die Entschlußkraft und der Mut von Sophie Scholl, ihrem Bruder Hans und den anderen Mitgliedern der Weißen Rose, so hoch die moralische Kraft gewesen war, die in ihnen steckte, sie konnten der Übermacht des ausgeklügelten Machtapparats nicht standhalten. Die "Welle des Aufruhrs", die Sophie und Hans sich von ihrem Tod erhofft hatten, blieb aus. Thomas Mann nahm im Juni 1943 ihre Hinrichtung zum Anlaß, sich gegen die weit verbreitete Meinung zu wenden, das "deutsch und nationalsozialistisch ein und dasselbe seien."

Auch wurde sichtbar, dass die nationalsozialistische Bewegung sogar von ihrer eigenen Jugend, von jenen Kindern, die sie selbst erzogen hatte, nicht mehr getragen wurde.

5. Bildkatalog

6. Literaturverzeichnis

- Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", München 2000, List Taschenbuch Verlag
- A.E. Dumbach/ J. Newborn, Die Geschichte der Weißen Rose, Stuttgart 1994, Verlag Herder Spektrum
- R. Löwenthal/ P. von zur Mühlen, Widerstand und Verweigerung in Deutschland 1933 bis 1945, Berlin 1990, Dietz Taschenbuch Verlag
- Joachim Immisch, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft von 1919 bis 1945, Paderborn 1990, Schroedel
- http://www.muenster.de/~wrose
- home.t-online.de/home/079142612-0001/scholl.htm
- http://www.hss.schule.ulm.de/IE/index.html

6.1 Quellennachweis

1. home.t-online.de/home/079142612-0001/scholl.htm

2. Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S. 140

3. Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S. 255

4. ebenda, S. 26f

5. ebenda, S.16ff

6. ebenda, S. 22

7. ebenda, S.123f

8. ebenda, S.198f

9. ebenda, S. 219ff

10.ebenda, S. 250

11.home.t-online.de/home/079142612-0001/scholl.htm

12.Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S. 35f

13.ebenda, S. 41ff

14.ebenda, S. 44f

15.ebenda, S. 52ff

16.ebenda, S. 60f

17.ebenda, S. 64

18.ebenda, S. 73ff

19.ebenda, S. 81

20.ebenda, S. 84ff

21.ebenda, S. 94ff

22.ebenda, S.100ff

23.ebenda, S.104ff

24.ebenda, S.123f

25.ebenda, S.130ff

26.ebenda, S.156ff

27.ebenda, S.186ff

28.ebenda, S.196ff

29.ebenda, S. 250

30.ebenda, S. 21

31.ebenda, S. 34

32.ebenda, S. 39

33.ebenda, S. 39f

34.ebenda, S. 61ff

35.ebenda, S. 99

36.ebenda, S. 89ff

37.ebenda, S.107f

38.Joachim Immisch, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft von 1919 bis 1945, S. 167f

39.Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S.125ff

40.ebenda, S.133ff

41.ebenda, S.149

42.ebenda, S.157

43.ebenda, S.158 ff

44.ebenda, S.175ff

45.ebenda, S.179f

46.ebenda, S.182ff

47.ebenda, S.198

48.ebenda, S.196ff

49.ebenda, S. 199ff

50.ebenda, S. 213f

51.ebenda, S.219ff

52.http://www.muenster.de/~wrose

53.home.t-online.de/home/079142612-0001/scholl.htm

54.Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S.240ff

55.http://www.muenster.de/~wrose

56.http://www.hss.schule.ulm.de/IE/index.html

57.home.t-online.de/home/079142612-0001/scholl.htm

58.ebenda

59.ebenda

60.Barbara Leisner, Sophie Scholl "Ich würde es genauso wieder machen", S.249f

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Scholl, Sophie - eine Biographie
Veranstaltung
PW- Unterricht
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V105756
ISBN (eBook)
9783640040391
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sophie Scholl, Weiße Rose, BDM
Arbeit zitieren
Nadine Burdack (Autor:in), 2001, Scholl, Sophie - eine Biographie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105756

Kommentare

  • Gast am 17.2.2008

    "Das wird Wellen Schlagen".

    Der Hausarbeit ist eventuell noch anzufügen, dass das 6. von der Weißen Rose gedruckte Flugblatt von englischen Bombern einige Zeit nach der Hinrichtung der Mitglieder über ganz Deutschland abgeworfen wurde.
    Die erwünschte Wirkung blieb also nicht ganz aus wie im Nachwort beschireben...

Blick ins Buch
Titel: Scholl, Sophie - eine Biographie



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