Schutz für unbegleitete Flüchtlingskinder, rechtliche Grundlagen, gegenwärtige Praxis


Hausarbeit, 2002

8 Seiten


Leseprobe


I. Einleitung

II. Erosion des Schutzes auf Bundesebene

III. Statistiken und Alterskorrekturen

VI. Schutz der Jugendhilfe mit sinkenden Standards

V. Unterbringung in der Jugendhilfe nach §§ 27, 34 KJHG

VI. Aufenthaltsrechtlicher Schutz

VII. Kinderspezifische Fluchtgründe

VIII. Aufenthaltsrechtliche Anträge

IX. Asylantrag

X. Abschiebehindernisse nach § 53 AuslG

XI. Zusammenfassung

XII. Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 23.02.1989 S

XIII. Quellenangabe

I. Einleitung

Jedes Jahr hat die deutsche Rechtsprechung über Hunderte von Asylanträgen zu entscheiden. Zu den Antragstellern gehören aber nicht nur Erwachsene, sondern oft auch Kinder und Jugendliche, die ohne elterliche Begleitung aus ihren eigenen Ländern vor Verfolgung, Krieg und den familiären und sozialen Folgen flüchten und in Deutschland Schutz suchen.

Auf internationaler Ebene gilt als minderjährig, wer noch nicht achtzehn, in Deutschland, entsprechend § 12 AsylVfG folgend, wer noch nicht sechzehn Jahre alt ist. Hierbei gelten zwei Rechtsbereiche für diese unbegleiteten Flüchtlingskinder, die noch unter der Altersgrenze sind: zum einen greift das Haager Minderjährigen Schutzabkommen (MSA), dazu gehören das Kinder- und Jugendhilfsrecht (KJHG) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), wenn es die Interessen des Kindes betrifft. Zum anderen das Ausländergesetz (AuslG) und das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sowie die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL). Im letzteren Rechtsbereich wird geprüft, ob das Flüchtlingskind einen aufenthaltsrechtlichen Schutz bekommen kann. Meistens kommt es hier zu einem negativen Ergebnis, so dass die Antragstellung hier die wichtigste Aufgabe des gesetzlichen Vertreters wird (§ 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 AsylVfG; § 68 Abs. 4 AuslG). (1)

II. Erosion des Schutzes auf Bundesebene

Seit den 90er Jahren gibt es in Deutschland weitreichende Einschränkungen des Asylrechts und auch drastische Kürzungen bei den sozialen Leistungen. Solche Einschränkungen sind auch beim Schutz für die Flüchtlingskinder zu verzeichnen. 1992, bei der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention (KRK), gab die Bundesregierung eine Willenserklärung ab, in der sie festhielt, dass die KRK keine bestehenden Gesetze und Verordnungen bezüglich der Asylpolitik beschränken könne. Somit sprach sich Deutschland von ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung frei, ihre innerstaatlichen Gesetze dem Inhalt der Konvention anzupassen. In Art.22 Abs. 1 KRK heißt es, dass für Flüchtlingskinder ein Diskriminierungsverbot gilt, desweiteren haben sie ein Recht auf Familienzusammenführung und auf Bildung. Aufgrund ihrer ersten Erklärung wurde die BRD aufgefordert, die abgegebene Interpretationserklärung zu überprüfen und im Endeffekt, zurückzunehmen.

Mit dem neuen AsylVfG aus dem Jahr 1993 erhielten die 16-18jährigen Handlungsfähigkeit. Das bedeutet, dass sie keinen Vormund bekommen und wie Erwachsene in Aufnahmeeinrichtungen behandelt werden, d.h. keinerlei kindgerechte Betreuung und bundesweite Verteilung. Da sie verpflichtet sind, in solchen Einrichtungen zu wohnen, kann eine gemeinsame Unterbringung mit Erwachsenen aus anderen Kulturen aus naheliegenden Gründen problematisch werden. Insbesondere Mädchen leiden häufig darunter, deshalb bringen einige Bundesländer unbegleitete Mädchen unter 18 Jahren grundsätzlich in Jugendhilfeeinrichtungen unter.

Seit Juli 1994 wird das Flughafenverfahren auch bei unter 16jährigen Flüchtlingskindern durchgeführt. Damit kann die Einreisefrist um zwei Tage auf 21 Tage verlängert werden, da die Bestellung eines Pflegers mindestens eben jene zwei Tage benötigt. In der Praxis ist die Ausschöpfung dieser Frist meist nicht nötig, denn die Kinder können meistens nach vier bis sieben Tagen einreisen. In dieser Zeit müssen sich die Kinder jeden Alters auf dem Flughafen aufhalten und absolvieren dort auch nach Bestellung des Pflegers ihr Asylverfahren.

Am 15. Januar 1997 folgte die ergänzende Einführung der Visumspflicht für unter 16jährige, die aus den Ländern außerhalb der EU kommen, die nach dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes 1990 noch nicht aufenthaltsgenehmigungsfähig waren. Hierzu zählen auch die Türkei und die BR Jugoslawien, aus diesen Ländern kamen zahlreiche Kinderflüchtlinge der kurdischen und kosovo-albanischen Minderheiten nach Deutschland. Diese Einführung der Visumspflicht führte zu einer Verringerung der Einreisen. (1)(2)

III. Statistiken und Alterskorrekturen

Das BAFL erstellt Statistiken über Einreisen der Asylbewerber, wobei keine spezifizierten Angaben wie Geschlecht, Alter oder das Unbegleitet-Sein von Kindern gemacht werden. Eine bundesweit durchgeführte Umfrage über die Einreisen von Flüchtlingskindern mit dem Ziel einer bundesweiten Statistik konnte nicht erreicht, lediglich ein Trend der Einreisen aufgrund der Annäherung der Zählungen konnte ermittelt werden.

Trendzahlen unbegleiteter Kinder unter 16 Jahren:

1994 3300 Kinder

1995 4500 Kinder

In den folgenden Jahren ergab sich ein Rückwärtstrend, die anhand der Städte Hamburg, Frankfurt und Berlin deutlich gemacht werden können:

Einreisen unbegleiteter Kinder unter 16 Jahren:

Hamburg Rückgang um 57% (= von 916 Einreisen auf 396)

Frankfurt Rückgang um 30% (= von 715 Einreisen auf 339)

Berlin Rückgang um 24% (= von 2326 Einreisen auf 1765)

Diese Verringerungen ergeben sich aus der Einführung der Visumspflicht, den verschärften Grenzkontrollen, auch an Flughäfen, sowie aus Alterskorrekturen. Solche Alterskorrekturen werden mittels „Inaugenscheinnahme“ vorgenommen. Sobald eine solche Alterskorrektur ermittelt wurde, ist das neue, fiktive Datum für die Behörden Handlungsgrundlage. Eine derartige Alterskorrektur liegt im Ermessen des Beamten, der das angegebene Geburtsdatum des Flüchtlingskinds entweder akzeptiert oder eine Korrektur vornimmt. Solche Inaugenscheinnahmen werden je nach Bundesamt von den unterschiedlichen Behörden vorgenommen, in Berlin vom Landesjugendamt, in Hamburg von der Ausländerbehörde und in Frankfurt vom Jugendamt. Alterskorrekturen werden bei Zweifeln ob der Altersangabe des Flüchtlingskindes vorgenommen, als rechtliche Grundlage gilt hier das §§ 24 Abs. 1, 26 Abs. 1 Satz 4 VwVfG ausgehend von der freien Beweisführung nach § 69 Abs. 1 VwVfG. Inwieweit solche Alterskorrekturen als objektiv angesehen werden können, sei dahin gestellt, die Bundesregierung verweist auf die Möglichkeit, durch entsprechende Dokumente die korrekte Altersangabe zu beweisen. Früher wurde das Alter mittels einer Röntgenuntersuchung der Handwurzelknochen oder durch eine Kieferuntersuchung durchgeführt. Die Methode des Röntgens wird nach einem Gutachten von Pro Asyl nicht mehr durchgeführt, da die gewonnene Diagnose eine Körperverletzung laut §223 StGB darstellt. (1)

IV. Schutz in der Jugendhilfe mit sinkenden Standards

Auf Grundlage des MSA kommen zwei Schutzmaßnahmen zur Anwendung: Die Inobhutnahme (§ 42 KJHG) und die Bestellung eines Vormundes (§§ 1773 ff BGB). Die Jugendämter sind für die Umsetzung des KJHG (§ 2 KJHG) und für die Standards der Jugendhilfe (§ 6 KJHG) zuständig. Da in jedem Bundesland etwas anders verfahren wird, gibt es 16 verschiedene Varianten bei der Interpretation der gesetzlichen Grundlagen, wobei anzumerken ist, dass es zu einem Absinken der Standards kommt. Mit der Inobhutnahme erhält das Flüchtlingskind umgehend Schutz und einige Wochen Zeit zur Erholung von den Fluchtstrapazen. Das Jugendamt übt in seiner Funktion der Obhut das Recht der Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung aus (§ 42 KJHG Abs. 1). Beim Erstgespräch wird nach den Erziehungsberechtigten gefragt, bei Negation über Aufenthaltsort in Deutschland wird umgehend ein Antrag auf Vormundschaft und Kostenübernahme gestellt (§ 89d KJHG). Eine Inobhutnahme darf nur in einer Jugendhilfeeinrichtung erfolgen, die eine Betriebserlaubnis nach § 45 KJHG besitzt.

Die Bestellung eines Vormunds durch das Vormundschaftsgericht (§1789 BGB) erfolgt nach dem Feststellen des Ruhens der elterlichen Fürsorgepflicht (§ 1647 BGB). Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, für die Person und deren Vermögen zu sorgen und sowie als deren gesetzliche Vertretung zu fungieren (§ 1793 Satz 1 BGB) Bei der Aufnahme eines Flüchtlingskindes darf es für den Vormund zu keiner Pflichtenkollision in ausländerrechtlichen Angelegenheiten kommen.

In der Praxis wird zwar dem Einzelvormund und nachfolgend dem Vereinsvormund der Vorzug gewährt, trotzdem werden hier vorwiegend Amtsvormünder bestellt. Letztere sind in der jüngeren Vergangenheit in die Kritik geraten, weil sie oftmals durch zu viele Mündel überlastet sind und nicht als weisungsfrei angesehen werden, um sich umfassend für jedes ihrer Mündel einzusetzen. Betreute Einzelvormünder stellen eine gute Alternative zum Amtsvormund dar. Betreut bedeutet in diesem Fall, dass sie von einem Wohlfahrtsverband in der Wahrnehmung ihrer Pflichten unterstützt werden. Sie werden mittels einer Pressemitteilung gesucht, auf ihre Eignung überprüft und auf ihre Aufgaben vorbereitet. (1)

V. Unterbringung in der Jugendhilfe nach §§ 27, 34 KJHG

Es existieren zur Zeit zwei Begründungen für Kosteneinsparungen bei der Unterbringung von Flüchtlingskindern in der Jugendhilfe. Ein Argument begründet sich in der Annahme, dass Flüchtlingskinder ab 16 Jahren keinen Erziehungsbedarf mehr haben, das zweite Argument bezieht sich auf die defizitäre Lage der deutschen Kinder in bezug auf familiäre Konflikte und ähnlichem im Gegensatz zu den ausländischen Kindern. Der eingeschränkte Erziehungsbedarf ist zwar fachlich nicht nachvollziehbar, aber sie dienen als Alibi für die Schaffung einer "Zweite-Klasse-Jugendhilfe“ mit herabgesetzten Standards. Zumindest diejenigen Flüchtlingskinder, die eine positive Prognose über die Verweildauer in Deutschland bekommen, unabhängig vom erreichten aufenthaltsrechtlichen Schutz, haben Erziehungsbedarf. Hierzu zählen auch die Annäherung an eine für sie fremde Kultur, das Erlernen der Sprache, der Besuch einer Schule bei gleichzeitigem Bewähren tradierter Verhaltensweisen. Letzteres wegen der Möglichkeit, aufgrund des ungesicherten Aufenthaltstatus doch noch des Landes verwiesen zu werden. (1)

VI. Aufenthaltsrechtlicher Schutz

Der Vormund hat zunächst die Aufgabe, entweder einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung (§ 68 Abs. 4 AuslG) oder einen Asylantrag (§ 14 Abs. 2 Satz

2 und 3 AsylVfG) zu stellen. Dabei wird er von den gewonnenen Informationen aus dem Clearingprozeß ( hierbei werden die persönlichen Lebensverhältnisse, der Verbleib der Eltern usw. ermittelt), durch weitere Gespräche mit dem Mündel und eigener Erkenntnisse einen entsprechenden Antrag stellen, um einen aufenthaltsrechtlichen Schutz zu erreichen. (1)

VII. Kinderspezifische Fluchtgründe

In den letzten Jahren sind die Fluchtgründe als auch die Herkunftsländer der Flüchtlingskinder gleich geblieben:

Kriege und Bürgerkriege

Politische, ethnische und religiöse Verfolgung Unterdrückung

Vertreibung von Minderheiten Menschenrechtsverletzungen

Zu den kinderspezifischen Fluchtgründen gehören:

Zwangsrekrutierung und Registrierung (im Kosovo ab 15 Jahren)

Einzug in Widerstandsgruppen (ab 12 Jahren durch die Tamil-Tigers in Sri Lanka) Eigene politische Aktivität oder Hilfsdienste hierfür Teilnahme an Demonstrationen Beschränkung des Zugangs zur Bildung Ausschluß von Mädchen zu bestimmten Schul- und Studienfächern Zugehörigkeit zu einer verfolgten Familie

Folge eines politischen Wandels und wirtschaftlichen Niedergangs

im Lande und damit verbundene völlige Perspektivlosigkeit (1)(2)

VIII. Aufenthaltsrechtliche Anträge

Eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. AuslG aus humanitären Gründen, z.b. bei einer Vollwaise, wäre für viele Flüchtlingskinder ein angemessener Aufenthaltsschutz. Behörden lehnen diese aber oftmals mit der Begründung einer illegalen Einreise ohne Visum ab (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Eine weitere Möglichkeit wäre der Verweis auf Abschiebehindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG, wonach für das Kind bei der Rückkehr ohne Eltern Leib und Leben in erheblicher Gefahr sind. Die Ausländerbehörde verweist dann aber auf eine Prüfung durch das BAFL und wird erst tätig, wenn ein abgelehnter Asylantrag vorliegt. Ein Antrag auf befristete Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG wird dagegen von der Ausländerbehörde beschieden, wenn der Vormund eine Rückführung des Kindes in ein Land ohne politische Verfolgung abklärt. (1)

IX. Asylantrag

Der Vormund muß einen Asylantrag beim Bundesamt stellen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG), um einen aufenthaltsrechtlichen Schutz für sein Mündel prüfen zu lassen, hierbei wird das gleiche Prüfungsverfahren wie bei Erwachsenen angewandt. Durch die Forderungen des Einzelentscheiders nach präzisen Angaben über die Fluchtumstände entstehen oftmals Schwierigkeiten, da die Kinder oftmals nicht in der Lage sind, derartige Angaben leisten zu können.

Meistens schicken die Eltern ihr Kind aus kinderspezifischen Gründen auf die Flucht, aus Furcht vor Verfolgung ihres Kindes wegen dessen Rasse, Religion oder Nationalität. Zwar sind diese Fluchtgründe der Eltern für das Kind durchaus glaubhaft, können aber als solche nicht glaubhaft vorgetragen werden. Wenn Kinder zudem eigene Verfolgung erlebt und traumatische Erfahrungen gemacht haben, sind sie oftmals nicht in der Lage, ihre Erlebnisse in Worte zu fassen. Durch die Befragungssituation, in der der Entscheider vor dem Kind am Schreibtisch sitzt, können zudem Erinnerungen an gefürchtete Situationen und Erlebnisse mit Polizei und Militär im Heimatland aufkommen, das Kind reagiert eingeschüchtert und kann nicht mehr dem Antrag entsprechend seine Erlebnisse glaubhaft machen. Dem kann der Vormund vorbeugen, indem er beispielsweise mit seinem Mündel ein Rollenspiel durchführt. Neben den objektiven Sachverhalten sollte auch die geistige und körperliche Reife, das Alter sowie möglicherweise begrenztes Wissen über die Bedingungen des Herkunftsland bei der Befragung berücksichtigt werden. Seit Oktober 1996 setzt das BAFL speziell geschulte Entscheider für unbegleitete Flüchtlingskinder ein, die nicht nur selbst die Befragungen durchführen, sondern auch als Ansprechpartner für andere Entscheider fungieren. Entscheider gelten als Verbesserung für die Situation der Kinder während der Anhörung, ob sich dadurch allerdings die Entscheidungen über die Asylanträge verbessern, bleibt zweifelhaft. Eine Anerkennung als Asylberechtigter erfolgt nur bei staatlicher Verfolgung, das bedeutet für die Flüchtlingskinder, dass sie ihre direkte Verfolgung bei der Anhörung glaubhaft machen müssen, was aus oben genannten Gründen oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. (1)

X. Abschiebehindernisse nach § 53 AuslG

Um aufenthaltsrechtlichen Schutz zu bekommen, bleibt die Feststellung eines Abschiebehindernisses nach § 53 AuslG, eine ausländerrechtliche Mitentscheidung des BAFL nach § 24 Abs. 2 AsylVfG im Asylverfahren. Der Entscheider muß eine positive Entscheidung zu § 53 AuslG von dem Außenstellenleiter bestätigen lassen, d. h. er ist nicht weisungsfrei. Er muß die Voraussetzungen für Abschiebehindernisse nach § 53

AuslG sorgfältig prüfen. Die Feststellungsrate von Abschiebehindernissen liegt zwischen 1 und 1,6%, bezogen auf die Zahl der gestellten Asylanträge. Als Abschiebehindernisse gelten konkrete Gefahren in Zielland der Kinder, z. B. die Gefahr von Folter. Abschiebehindernisse ergeben sich aus den in der EMRK geschützten Menschenrechten. Danach darf niemand in ein Land abgeschobenen werden, wo die Person Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt ist. Ausgeschlossen von § 53 Abs. 6 Satz 1AuslG sind dagegen Gefahren, der im Zielland die ganze Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist (§ 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Für Kinder gilt auch die Nichtbetreuung im Zielland als Abschiebehindernis, dazu gehören elternlose Kinder ohne weitere Verwandtschaft. Aber auch hier gilt, wenn im Zielland eine Betreuung durch ein Jugendhilfesystem gewährleistet ist, besteht keine Gefahr für Leib und Leben des Kindes. In Verbindung mit derartigen kinderspezifischen Abschiebehindernissen der fehlenden Betreuung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 BGB wird in der Rechtsprechung gelegentlich eine generell gefährdende Situation im Herkunftsland als Abschiebehindernis gewertet. Schwere, im Herkunftsland unbehandelbare Krankheiten wie Niereninsuffizienz können ebenfalls als Abschiebehindernisse betrachtet werden, allerdings nicht solche Krankheiten im Zusammenhang mit Reiseunfähigkeit oder entstandene emotionale Störungen eines Kindes in einer Pflegefamilie. Diese werden von der Ausländerbehörde nur als aufschiebbare Gründe nach § 55 Abs. 2 oder 3 AuslG gewertet. (1)

XI. Zusammenfassung

Es ist festzustellen, dass der Schutz für unbegleitete Kinder zur Zeit in Deutschland nicht ausreichend ist. Genannte Fluchtgründe werden oftmals als nicht glaubwürdig angesehen und selten als staatliche Verfolgung gewertet. Es gibt selten Anerkennungen nach Art. 16a GG, ebensowenig wie Abschiebehindernisse nach § 51 AuslG. Meist erst nach einer Klage beim VG erhält ein Kind Abschiebehindernisse nach § 53 AuslG, lediglich mit einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG verbunden. Eine Duldung ist aber kein aufenthaltsrechtlicher Schutz, sondern lediglich eine temporäre Aussetzung der Abschiebung, die für das Kind bis zum 18. Lebensjahr verlängert wird. Sobald dieses Stichdatum erreicht wird, entfällt das kinderspezifische Abschiebehindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Ironischerweise sind solche nach § 53 AuslG geduldeten Kinder privilegiert, im Vergleich zu den allermeisten unbegleiteten Kindern, die aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können und deshalb nur befristete Duldungen nach § 55 Abs. 2 AuslG erhalten. Im Endeffekt bedeutet dies, dass egal welche Anträge vom Vormund gestellt werden, das Kind immer nur eine Duldung erhält.

Als Aufforderung an die Bundesländer sollte deshalb eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG an diejenigen Kinder gehen, deren Herkunftsländer in absehbarer Zukunft keine Rückkehr möglich machen, diese Möglichkeit ist in Abs. 1 und Abs. 3 dieses Gesetzes festgehalten.

Im Rechtsbereich der Jugendhilfe (KJHG und BGB) muß der Verfall des Schutzes gestoppt werden, auch in Hinblick auf die MSA und KRK. Bei allen Entscheidungen sollte das Kindeswohl zugrunde gelegt werden, auch haben unbegleitete Flüchtlingskinder, unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer, einen Erziehungsbedarf. Dieser ergibt sich aus der Notwendigkeit einer Annäherung an die deutsche Sprache, Kultur und Sichtweisen bei gleichzeitigem Erhalt der Muttersprache und der kulturellen Identität. Unbegleitet Flüchtlingskinder sind zuerst mal Kinder, erst dann Ausländer. Zu ihrer Diskriminierung zählen nicht nur Vorurteile von seiten Deutscher, sondern auch die Vertretung mehrerer Hundert Mündel durch einen Vormund, der Automatismus bei der Unterbringung des nächsten freiwerdenden Platzes aufgrund von Quotierung, der herabgesetzte Betreuerschlüssel bei ihrer Unterbringung und auch die Schwierigkeiten bei Einschulungen.

Hier sind nachhaltige Verbesserungen notwendig. (1)

XII. Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 23.02.1989

„Nichts in dem Übereinkommen kann dahin ausgelegt werden, daß die widerrechtliche Einreise eines Ausländers in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder dessen widerrechtlicher Aufenthalt dort erlaubt ist; Auch kann keine Bestimmung dahin ausgelegt werden, daß sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise von Ausländern und die Bedingungen ihres Aufenthaltes zu erlassen oder Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen.“ (3)

XIII. Quellenangabe:

1. Text: Jockenhövel-Schiecke, Helga, Schutz für unbegleitete

Flüchtlingskinder:

Rechtsgrundlagen und gegenwärtige Praxis, ZAR 4/98 S. 165-175

2. Internet: Bundesministerium des Inneren, Unbegleitete Minderjährige,

http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_46966.htm

3. Internet: Erklärung der Bundesrepublik Deutschland

http://www.der-jugendrichter.de/html/un-kk.html

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Schutz für unbegleitete Flüchtlingskinder, rechtliche Grundlagen, gegenwärtige Praxis
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltung
Ausländer- und Asylrecht
Autor
Jahr
2002
Seiten
8
Katalognummer
V105738
ISBN (eBook)
9783640040223
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schutz, Flüchtlingskinder, Grundlagen, Praxis, Ausländer-, Asylrecht
Arbeit zitieren
Anika Sigl (Autor:in), 2002, Schutz für unbegleitete Flüchtlingskinder, rechtliche Grundlagen, gegenwärtige Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105738

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