Ernst Glaeser


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

19 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Vorwort
- Wieso ich mich für Ernst Glaeser als Thema für dieses Referat entschieden habe?

2. Ernst Glaeser
2.1. Biographie
2.2. Zeittafel

3. "Jahrgang 1902"
3.1. Inhaltsangabe zu "Jahrgang 1902"
3.2. Interpretation zu "Jahrgang 1902"

4. "Glanz und Elend der Deutschen"
4.1. Inhaltsangabe zu "Glanz und Elend der Deutschen"
4.2. Interpretation zu "Glanz und Elend der Deutschen"

5. Inwiefern identifiziert sich Ernst Glaeser mit seinen Werken und welche Auswirkung hat seine Biographie auf sein literarisches Schaffen ?

6. Schlußworte

7. Literaturverzeichnis

Vorwort

-Wieso ich mich für Ernst Glaeser als Thema für dieses Referat entschieden habe.

Beim durchsehen einiger Bücher, die die Zeit von 1900 bis 1940 behandeln, stieß ich auf den Namen Ernst Glaeser, mit dem ich bis dahin nichts verbinden konnte. Nach näherer Betrachtung stellt ich fest, daß es interessant sein könnte sich mit einem Autoren wie Glaeser auseinanderzusetzen. Der sozialistische Schriftsteller floh 1934 vor Hitler in die Schweiz, kehrte aber 1938 ins Deutsche Reich zurück, und war anders, als heute, einer der bekanntesten Autoren seiner Zeit.

2.1. Biographie

Ernst Glaeser wurde am 29.07.1902 als Sohn eines Amtsrichters im hessischen Butzbach geboren. Mit 14 Jahren wechselte er auf Wunsch seines Vaters von der Realschule auf das Gymnasium. Nach dem Studium in Freiburg und München ist er in der letzten Phase der Weimarer Republik mit mehreren zeitkritischen Romanen hervorgetreten. Er starb am 08.02.1963 in Mainz.

Der einst sehr bekannte und erfolgreiche Romancier Ernst Glaeser ist von der Literaturwissenschaft fast völlig vergessen worden. Biographische und bibliographische Angaben in Lexika sind lückenhaft und unpräzise.

Literaturgeschichtlich wird der Autor bestenfalls beiläufig erwähnt.

Überaschenderweise ist auch die Erforschung der Exilliteratur zumeist an Glaeser vorbeigegangen. Eine treffende, wenn auch knappe Bemerkung über ihn findet sich im Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte : "Ernst Glaeser ist jener Gruppe von Autoren zuzuordnen, die nach 1933 einfach ihre Kunst, die ihnen geistige Heimat war, in der Fremde fortsetzten und auf diese Weise zur Wahrung des deutschen Kulturerbes beitrugen"(Erwin Rotermund, Zwischen Exildichtung und innerer Emigration: Ernst Glaesers Erzählung "Der Pächter": Seite 7). In diesem Zusammenhang wird er zusammen mit Hans Mann, Carl Zuckermayer und Stefan Zweig genannt.

Sein 1936 erschienenes Werk "Das Unvergängliche" wird oft zur Exilliteratur gezählt, was jedoch nicht richtig ist, da drei der vier Erzählungen in diesem Band vor seiner Flucht aus Deutschland geschrieben worden sind und die vierte ebenfalls ein früheres Werk zurückzuführen ist.

"Jahrgang 1902" (1928), ein Roman, der das Leben und Leiden einer durch den "Krieg der Eltern" desillusionierten und desorientierten Jugend darstellt (vgl. Erwin Rotermund, Seite 10), erreichte fast den Erfolg von Erich Maria Remarques Antikriegsbuch "Im Westen nichts Neues". Er bildet die Grundlage für Glaesers Anerkennung unter den sozialdemokratischen Schriftstellern und wurde von den Literatur Kritikern der freien demokratischen Welt hoch gelobt. 1929 wurden Auszüge aus diesem Werk in die Antikriegs-Anthologie "Der Krieg" aufgenommen. 1928-1930 war Glaeser literarischer Leiter des Süddeutschen Rundfunks. 1930 wirkte er an einem Wahlaufruf der BPRS ( Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller ) zugunsten der KPD mit. Im selben Jahr beteiligte sich der auch als Journalist, Dramaturg und Verlagslektor tätige Autor an der "Zweiten Internationalen Konferenz revolutionärer Schriftsteller" in Charkow, in der nordöstlichen Ukraine, an der unter anderem auch Egon Erwin Kisch, Anna Seghers und Johannes R. Becker teilnahmen. Zusammen mit dem kommunistischen Schriftsteller Franz Carl Weiskopf veröffentlichte er 1931 ein Buch über die Sowjetunion. Zwischen 1931 und 1933 gehörte Glaeser dem literarischen Beirat der Moskauer Zeitschrift "Literatur der Weltrevolution", die nach 1932 "Internationale Literatur" hieß, an, in der er auch selbst publizierte. Er soll, was aber nicht hundertprozentig belegt ist, im Februar 1933 an einer Zusammenkunft, die von Bernard von Brentano einberufen worden war, teilgenommen haben. Diesem Treffen wohnten auch Heinrich Mann, Johannes R. Becker, Bert Brecht und Leonhard Frank bei. Im Mai 1933 wurden Ernst Glaesers Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt. Im zweiten "Feuerspruch" wurde er zusammen mit Heinrich Mann und Erich Kästner namentlich genannt. In einer NS-Zeitschriften "bezeichnete man ihn des öfteren als "Kulturbolschewisten", Dichter des "Verfalls" oder "Landesverräter"(Erwin Rotermund, Seite 11).

Bereits 1926 geriet er in Konflikt mit den Rechten, wegen angeblicher Gotteslästerung in "Seele über Bord". Hauptbelastungszeuge war Dr. Roland Freisler, der spätere Vorsitzende des "Volksgerichtshofes". Schon vor 1933 galt Glaeser als "marxistischer Kollektiv-Literat".

1934 emigrierte er zuerst nach Prag und zog noch im selben Jahr in die Schweiz ( Locarno und Zürich). Von den sozialistischen Emigranten wurde er als einer der ihren angesehen. Während dieser Zeit schrieb Glaeser sein, nach "Jahrgang 1902", wichtigstes Werk, "Der letzte Zivilist". In diesem Buch schildert er die allmähliche Nazifizierung einer deutschen Kleinstadt aus Sicht eines, in Hoffnung auf ein demokratisches Deutschland, zurückgekehrten Deutschamerikaners. 1932/33 erfuhren Ernst Glaesers Werke jedoch von kommunistischer Seite vehemente Kritik. So wurde 1932 das damals gerade erschiene Werk "Ein Gut im Elsaß" Gegenstand heftiger Diskussionen auf einer Tagung deutscher Kommunisten in Moskau. Dem Autor wurde vorgeworfen, daß der dargestellten "bürgerlichen Ideologie keine proletarisch-revoltionäre Weltanschauung"(Erwin Rotermund, Seite 12) entgegenstünde. Weiterhin charakterisiere er seine Romanfiguren "nicht aufgrund von Klassenverhältnissen, sondern von nationalen Eigentümlichkeiten, Verbundenheit mit ´Heimat´ und ´Natur´, und endlich ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Generationen"(Erwin Rotermund, Seite 12). Hierdurch geriet Glaeser in den Verdacht der faschistischen Ideologie anzuhängen. 1934 wurde er in der "Internationalen Literatur" allerdings wieder zusammen mit Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig und Ernst Toller, als wichtiger linksbürgerlicher antifaschistischer Schriftsteller erwähnt (vgl. Erwin Rotermund, Seite 15).

Allem guten Zureden seiner sozialistischen Mitemigranten zum Trotz, näherte er sich immer konservativeren Positionen an und kehrte 1938 überraschend nach Deutschland zurück. Von diesem Zeitpunkt an wurde er von den Exilschriftstellern als "Deserteur" und "Völkerverräter" angesehen.

Einem Schreiben der Reichsschriftumskammer vom 03.07.1941 ist zu entnehmen, daß Glaeser in dieser Zeit mit Genehmigung des Propagandeministeriums an einem neuen Roman schrieb (vgl. Erwin Rotermund; Seite 16). Dieses bis zum Kriegsende nicht vollendete Werk wurde nach 1945 vom Autor totgeschwiegen. Zwischen 1941 und 1945 war er als Hauptschriftleiter der Wehrmachtsfrontzeitung "Adler im Süden"(Sizilien) tätig. Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands waren es nicht nur die zurückkehrenden Exulanten, die den "Fall Glaeser" an die Öffentlichkeit brachten. "Alfred Döblin charakterisierte ihn 1947 als Opportunisten, Bert brecht rechnete ihn 1948 zu den Volksfeinden, Weiskopf erneuerte den Vorwurf der Desertation zu Hitler und Hermann Kesten ließ in seinem 1947 erschienen Roman "Die Zwillinge von Nürnberg" sogar einen Mann namens Gläser als Rapportfüher im KZ- Buchenwald auftreten" (Erwin Rotermund, Seite 16). Heinrich Mann kam 1952 zu der Erkenntnis, daß er alle deutschen Schriftsteller im Exil kannte. Nur nicht Ernst Glaeser, der in den ersten Jahren der Emigration vorgab zu ihnen zu gehören (vgl. Erwin Rotermund, Seite 16).

Aufgrund all dieser Anschuldigungen versuchte Ernst Glaeser sich für sein Verhalten nach 1939 mehrfach zu rechtfertigen. Zugute kam ihm hierbei, daß der Großteil der Bevölkerung besser über seine Arbeit in den letzten Jahren der Weimarer Republik informiert war, als während des Dritten Reiches. Noch in seinem letzten Werk "Glanz und Elend der Deutschen" von 1960 versuchte er durch Einbringung autobiographischer Elemente, die Gründe für sein Verhalten offenzulegen. Das Buch wurde vorwiegend kritisch aufgenommen. Marcel Reich-Ranicki und Friedrich Sielung bestritten diesem Roman die zeitdiagnostische Kraft (vgl. Erwin Rotermund, Seite 17).

2.2. Zeittafel

1902 29.07. Ernst Glaeser wird in Butzbach geboren

1917 Er wechselt auf Wunsch seines Vaters auf das Gymnasium

1926 Anklage wegen Gotteslästerung in seinem Buch "Seele über Bord"

1928 "Jahrgang 1902"

1928

-1930 Als Leiter des Süddeutschen Rundfunks tätig

1930 Mitwirkung am Wahlaufruf der BPRS zugunsten der KPD

1930 Teilnahme an der "Zweiten Internationalen Konferenz revolutionärer Schriftsteller" in Charkow

1931 Zusammen mit F. C. Weiskopf Buch über die Sowjetunion veröffentlicht

1931

-1933 Sitz im literarischen Beirat der Moskauer Zeitschrift "Literatur der Weltrevolution

1932 "Ein Gut im Elsaß"

1932

-1933 Vehemente Kritik an Glaesers Werken durch Kommunisten

1933 Februar, wahrscheinlich Teilnahme an einem Treffen mit H. Mann, J. R. Becker. B. Brecht und L. Frank

1933 Mai, Glaesers Bücher werden von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt

1934 Emigration nach Prag und später in die Schweiz (Locarno und Zürich)

1936 "Der letzte Zivilist"

1938 überraschende Rückkehr nach Deutschland

1941 03.07. Schreiben der Reichsschriftumskammer, die ihm erlaubt ein neues Buch zu schreiben

1941

-1945 Hauptschriftleiter einer Wehrmachtsfrontzeitung

1947

-1952 Kritik an Glaeser durch zurückkehrende Exil-Autoren

1960 "Glanz und Elend der Deutschen"

1963 08.02. Glaeser stirbt in Mainz

3. "Jahrgang 1902"

3.1. "Inhaltsangabe zu "Jahrgang 1902"

Im ersten der beiden Teile, in die das Buch aufgeteilt ist und "Der Aufmarsch" heißt beschreibt Ernst Glaeser die Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der zweite Teil, "Der Krieg ", beschreibt die Zeit nach Kriegsausbruch. Aus der Perspektive eines 1902 geborenen Schülers, der in einer Südwestdeutschen Kleinstadt aufwächst, schildert der Autor die letzten Monate vor dem Ersten Weltkrieg und die weiteren Jahre bis 1917, sowie die Entwicklung Ernsts, wie Glaeser seinen Hauptcharakter nennt, mit Blick auf die wilhelminische Gesellschaft. Ernst wächst als Sohn eines Beamten auf. Bei seiner Erziehung läßt sein Vater seiner Mutter jedoch freie Hand. Er besucht die Realschule seiner Heimatstadt, wechselt aber später auf das Gymnasium nach D.. Dieses ist der Wunsch seines Vaters, der in einem Brief von der Ostfront die Ansicht vertritt, daß es wichtiger sei, den Geist der Antike über das lateinische und griechische kennen zu lernen, als sich Kenntnisse des Englischen oder der höheren Mathematik anzueignen, was Ernst später immer noch erlernen könne.

Sein bester Freund ist Ferd v. K., Sohn einer früh verstorbenen Engländerin und eines ehemaligen deutschen Majors., der aufgrund seiner politischen Einstellung der "Rote Major" genannt wird. Im Verlauf des Buches werden Ferd und sein Vater, die zusammen auf einem Gehöft vor der Stadt leben, zu vergötterten Vorbildern für Ernst. Zusammen mit den Arbeitersöhnen Pfeiffer und August Kremmelbein beschützen sie den einzigen Juden ihrer Klasse, Leo Silberstein, vor den Angriffen ihrer Mitschüler. Leo stirbt aber schon in der ersten Nacht, nach den Eintritt des Deutschen Reiches in den Weltkrieg 1914, an langer Krankheit. ein wichtiger Aspekt in Glaesers Roman ist die sexuelle Prüderie der Elterngeneration. Da Ernst keine Antworten auf seine Fragen nach dem "Geheimnis" erhält, gibt er einem älteren Jungen, der, wegen seines Aussehens, der "Kalmück" genannt wird, drei Mark, damit dieser ihm das "Geheimnis" zeigt. Als Ernst nun der "Vorstellung" in einer Sandgrube beiwohnt, rennt er, um Hilfe rufend, weg., da er denkt, der "Kalmück" würde die Polin umbringen. Erst viel später erkennt er, daß das "Geheimnis" auch etwas schönes sein kann. Er freundet sich mit der Tochter einer Bäuerin an, auf deren Hof er zusammen mit August Kremmelbein arbeitet, um dem Hunger während des Krieges zu entgehen. Bevor er Allerdings von Anna, einer Schaffnerin, in das "Geheimnis" eingewiesen werden kann, kommt diese bei einem Bombenangriff 1917 ums Leben.

Kurze Zeit nachdem das Attentat auf den österreichischen Thronfolger verübt worden ist, fährt Ernst mit seiner Mutter zur Erholung in ein Schweizer Kurhotel. Hier lernt er Gaston, einen jungen Franzosen, kennen. Während des Kuraufenthalts erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Schlagartig verändert sich das bis dahin zwar distanzierte aber freundliche Verhalten der Gäste untereinander. Die jetzt zu Feinden gewordenen Menschen gehen sich aus dem Weg und jeder ist den Anfeindungen der anderen ausgesetzt. Zwei Tage später kehren Ernst und seine Mutter nach Hause zurück. sie kommen gerade noch rechtzeitig, um den Kriegseintritt des Deutschen Reiches zusammen mit der ganzen Stadt zu feiern. die Kriegseuphorie verbrüdert alle Deutschen miteinander. Selbst Augusts Vater, der sozialdemokratische Arbeiterfüher, stößt mit Regierungsassessor Persius auf den Krieg an, obwohl dieser ihn nur wenige Monate zuvor hat verhaften lassen. Erst nach dem Tot des "Roten Majors" verfliegt allmählich Ernsts Begeisterung für den Krieg. Mit Ausnahme Ferds, der nach dem Tot seines Vaters bei Tanneberg, mit seiner Tante nach Pommern geht, gibt es nur eine Person, die sich deutlich gegen den Krieg stellt. dies ist der Schuldirektor der Realschule, der anstatt eine Lobesrede auf das deutsche Heer nach dem Sieg bei Vaux zu halten, die Namen aller Gefallenen der Stadt aufzählt. Zwei Tage später wird er im beschleunigten Disziplinarverfahren seines Amtes enthoben.

3.2. Interpretation zu "Jahrgang 1902"

In diesem Werk verwendet Ernst Glaeser viele autobiographische Elemente, was unteranderem an der Wahl des Namens Ernst für seine Hauptfigur deutlich wird. Auch wird seine Vorliebe für die französische Sprache erkennbar, die in vereinzelten, meist unübersetzen, Sätzen auftaucht.

"Jahrgang 1902" ist eine scharfe Anklage gegen die deutsche Gesellschaft unmittelbar vor und während des Ersten Weltkrieges. Als Kernsatz dieses Werkes ist der Satz "La guerre, ce sont nos Parents !"(Ernst Glaeser, Jahrgang 1902: Seite 185; Der Krieg, das sind unsere Eltern !) anzusehen. Dieser von Glaeser bereits vor dem Ersten Teil des Buches vorweggenommene Satz, drückt treffend die Gefühle des Hauptcharakters Ernst in seiner Jugend aus, der den Krieg nicht versteht und deshalb glaubt, er würde nur die Erwachsenen betreffen. Er versteht das Verhalten der Erwachsenen nicht. Besonders machen ihm deren Gefühlsschwankungen zu schaffen. Nach Kriegsausbruch "wurde die Wacht am Rhein und das Flaggenlied gesungen. Ich hatte Angst vor soviel Fröhlichkeit"(Ernst Glaeser: Seite 190). Glaeser zeigt in seinem Roman auch die Feindschaft der europäischen Völker, insbesondere der Franzosen und der Deutschen, untereinander auf. "Fi donc, un prussien !"(Ernst Glaeser: Seite 187; Pfui, ein Preuße) "England hat uns verraten, Gott strafe England !"(Ernst Glaeser: Seite 220) Ernst, der zuerst vom Krieg begeistert ist "Ach Mutter, wie schön ist der Krieg..."(Ernst Glaeser: Seite 202), entdeckt im Laufe des Buches sein Wahres Gesicht. Als sich die Meldungen von Gefallenen häufen, bekommt er auf seine Frage, wo sie denn gefallen seien immer die selbe Antwort, "Bei Verdun..., immer bei Verdun, das war damals für uns der Refrain des Todes"(Ernst Glaeser: Seite 272). Weiterhin will Glaeser auf die Inkonsequenz der damaligen Sozialdemokraten aufmerksam machen, die sich vor Beginn des Krieges auf die internationale Solidarität des Proletariats berufen, welche eine bewaffnete Auseinandersetzung bereits im Keim ersticken lassen würde. Im Taumel der allgemeinen Kriegseuphorie bezeichnet der Führer der Sozialdemokraten Kremmelbein, den Krieg als "das beste Geschäft; die Bourgeoisie braucht uns,[...]. Jeder deutsche Arbeiter kämpft für die Sicherheit seines Vaterlands bis zum letzten Blutstropfen. Deutsches Volk, du wirst sehn, das in der Stunde der Gefahr dein ärmster Sohn auch dein tapferster ist !!"(Ernst Glaeser: Seite 198) Die Kriegsbegeisterung läßt die Bevölkerung nur die siege der Deutschen Armee sehen. So reden zu Beginn des Krieges alle nur von den Erfolgen in Frankreich und Belgien, aber niemand erwähnt, daß die russische Armee bereits auf Deutschem Boden steht. Nachdem sich aber die Siege in Rußland häufen, spricht niemand mehr von Frankreich, wo das Deutsche Heer immer mehr in Bedrängnis gerät. Auf diese Weise entsteht ein verzehrtes Bild von der militärischen Lage Deutschlands Insgesamt gesehen ist dieser Roman von Ernst Glaeser ein "Dokument für die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen und die Atmosphäre jener Jahre"(Kindlers Literatur Lexikon (12): Seite 4950). Das Buch schafft ein plastisches Bild der Wilhelminischen Gesellschaft.

4. "Glanz und Elend der Deutschen"

4.1. Inhaltsangabe zu "Glanz und Elend der Deutschen"

In diesem Werk schildert Glaeser das Leben der Deutschen in der jungen Bundesrepublik. In den 14 Kapiteln des Buches beschreibt er am Beispiel Einzelner die Probleme und Lebensumstände dieser Zeit.

Der Hauptcharakter, der Architekt Simmern, hat die Aufgabe die Südwestdeutsche Stadt Dreimünster aus den Ruinen des Zweiten Weltkrieges wiederaufzubauen. Hierbei hat er mit seiner Gesundheit und seinen, ihm den Auftrag neidenden, Konkurrenten zu kämpfen. In mehreren Rückblenden wird sein Leben geschildert. Er ist in der Schweiz aufgewachsen und hat in jungen Jahren viele Liebschaften. Simmern, der in den 20er und Anfang der 30er Jahre am Bauhaus tätig ist, geht nach der Machtübernahme Hitlers, den er selbst einmal in einem Salzburger Restaurant bedient, in die Schweiz, kehrt aber 1939 nach Deutschland zurück. Der polnischstämmige Gewerkschaftsführer Blasebalg emigriert 1933 in die Türkei, wo er auf einem englischen U-Boot und in den Krieg gegen das Deutsche Reich zieht. Nach Kriegsende kehrt er in seine Heimat zurück, in der er aufgrund seiner Vergangenheit eine gute Beziehung zu den Alliierten hat. Er gerät mit einigen Altnazis in Konflikt, die ihn des Landesverrats bezichtigen. Wegen seines tadellosen Lebenswandels geht er als Sieger aus diesem Zwist hervor und wird zu einem der einflußreichsten Bewohner von Dreimünster und Umgebung.

Stefan, der Sohn des Regierungspräsidenten von Dreimünster, verbindet eine enge Freundschaft mit Claudia, der Adoptivtochter des Oberbürgermeisters Bartholdy. Nachdem Stefan zum Studium die Stadt verläßt, reduziert sich ihr Kontakt auf gelegentliche Briefe. Claudia verdient sich ihren Lebensunterhalt als Hostesse reicher Geschäftsmänner, mit denen sie oft mehr als nur des Geld verbindet. Stefan, der bereits vom Beginn seines Studiums an lieber den Einladungen der Frauen der Professoren folgt, als sich dem Lernen zu widmen, schreibt in seinen Briefen an Claudia, daß die meisten Professoren gerne aus ihrem Leben erzählen, die Zeit zwischen 1933 und 1945 jedoch meist unerwähnt lassen, und auf Fragen, die ihre Tätigkeit während dieser Zeitspanne betreffen, nervös und ausweichend reagieren.

4.2. Interpretation zu "Glanz und Elend der Deutschen"

Mit diesem Werk wollte Glaeser Kritik an der Gesellschaftsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland üben.

Durch die stark authobiographisch geprägte Hauptfigur versucht der Autor sein eigenes Leben zu schildern und sich für seine Taten zu rechtfertigen. Seine stärkste Kritik gilt der Verherrlichung des Geldes, welches das Handeln und Denken des größten Teils der im Buch auftretenden Personen bestimmt. "Wir müssen Umsatz machen, [...] immer Umsatz, Umsatz um jeden Preis, [...] das Geld muß rollen"(Ernst Glaeser, Glanz und Elend der Deutschen: Seite 113). So werden ohne Rücksicht auf die eigene Vergangenheit Wehrmachtsüberbleibsel verkauft, um die Amerikaner im Koreakrieg zu unterstützen. Auch beim Wiederaufbau der Stadt Dreimünster steht der eigene Profit über dem Gemeinwohl.

Weiterhin geht Glaeser auf Deutschland, als "Land der Dichter und Denker" ein. Die junge Generation, die der Autor am Beispiel Claudias, Stefans und Rosalindes darstellt, entwickelt sich zu einer neuen Gesellschaft der Intellektuellen. Alle drei brechen aus den hergebrachten Lebensstrukturen aus. Claudias Vater, der ihren Beruf als Hostesse akzeptiert und ihn auch gegenüber Freunden und Geschäftspartnern nicht verschweigt, kritisiert ihre männerfeindlichen Artikel, die in bundesweit erscheinenden Zeitungen veröffentlicht werden. "Der weibliche Bienenstaat ist die einzige Rettung dieser verrotteten Welt, und der Honig gehört uns"(Ernst Glaeser: Seite 380). Diese Drei scheinen für ein höheres Ziel zu leben und heben sich von der Allgemeinheit durch ihr Verhalten und ihre Sprache ab. So kommunizieren Stefan und sein Vater untereinander fast ausschließlich auf Französisch, um sich von der Masse abzuheben.

Ein großer Teil der Charaktere des Buches, die fast ausschließlich der gehobenen Schicht zu geordnet werden können, hat in jungen Jahren ein Buch geschrieben, das reißenden Absatz gefunden hat, und von den Nazis verboten wurde. Hierdurch schafft Glaeser mehrere Verweise auf seinen eigenen Erfolg mit "Jahrgang 1902". Durch die unrealistische und oft nicht nachvollziehbare Handlung des Romans, die auch an vielen Stellen verwirrend und undurchsichtig ist, verliert der Autor an Glaubwürdigkeit und Aussagekraft.

Aus dem Versuch einer zeitkritischen Darstellung der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist ein Produkt geworden, "das ein gewisses dokumentarisches Interesse bestenfalls insofern hat, als es den Verfall eines Autors zeigt, der vor Hitler einmal etwas zu erzählen hatte"(Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart, Die Literatur der Bundesrepublik Deutschland I: Seite 293).

Inwiefern identifiziert sich Ernst Glaeser mit seinen Werken und welche Auswirkung hat seine Biographie auf sein literarisches Schaffen Ernst Glaesers Werke sind stark autobographisch geprägt. Er webt seine eigene Lebensgeschichte in zumeist frei erfundene Handlungen ein und liefert so indirekt eine Autobiographie. Diese "Autobiographien" sind aber nur von geringem Nutzen, da nicht zwischen realem und fiktivem Geschehen unterschieden werden kann. In "Jahrgang 1902" schildert Glaeser seine eigenen Erfahrungen in der Zeit von 1914 bis 1917. Dieses Buch schrieb er um den Kernsatz seiner Jugend herum. La guerre - ce sont nos parents ( Der Krieg - das sind unsere Eltern). Die Hauptfigur dieses Buches heißt nicht nur, genau wie der Autor, Ernst, sondern ist ebenfalls Sohn eines Beamten und wächst in einer Kleinstadt auf. Auch läßt Glaeser Ernst mit 14 Jahren von der Realschule auf das Gymnasium wechseln, und schafft so eine weitere Übereinstimmung . Der Wegzug von Ernsts Jugendfreund Ferd v. K. läßt darauf schließen, daß Glaeser ebenfalls früh einen guten Kameraden durch Tod oder Umzug verloren hat.

In "Glanz und Elend der Deutschen" läßt Glaeser seine Hauptfigur, den Architekten Simmern, viele Stationen seines eigenen Lebens durchlaufen. Simmern schreibt in den 20er Jahren ein Buch, das von den Nationalsozialisten verbrannt wird und flieht dann in die Schweiz. 1939 kehrt er ins Deutsche Reich zurück. In diesem Werk schildert der Autor, über die für ihn wichtigen Ereignisse hinaus, alle Geschehnisse, die ihn zum Opfer der Kritiker gemacht haben.

Der Übermäßige Bezug zur eigenen Person in Glaesers letztem Werk, läßt dieses zu einer Aufreihung privater Erlebnisse werden, die wahrscheinlich nur vom dem Autor selbst vollständig verstanden werden können.

Abschließend ist zu sagen, daß sich Ernst Glaeser nicht nur mit seien Werken identifiziert, sondern regelrecht in ihnen aufgeht.

6. Nachwort

Ernst Glaeser war bis zu seiner "Emigration zu Hitler" ein wichtiger Bestandteil der deutschen Exilliteratur. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Werke hervorragende Gesellschaftskritiken. Seine durch den Zweiten Weltkrieg ausgelöste Schaffenskrise konnte auch durch seinen Rechtfertigungsroman "Glanz und Elend der Deutschen" nicht beendet werden. Sein letztes literarisches Aufbegehren vor seinem Tod konnte seinen einstigen Ruhm nicht wieder herstellen.

7. Literaturverzeichnis

Erwin Rotermund: Zwischen Exildichtung und Innerer Emigration. Ernst Glaesers Erzählung "Der Pächter", 1980 München

Ernst Glaeser: Jahrgang 1902, 1929 Berlin

Ernst Glaeser: Glanz und Elend der Deutschen, 1960 München

Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart; Die Literatur der Bundesrepublik Deutschland I, 1980

Kindlers Literaturlexikon (12), 1973

Harenbergs Lexikon der Weltliteratur (2), 1989

Ernst Glaeser

- Ein von der

Literaturwissenschaft vergessener Autor

von Marcel Meinken

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Ernst Glaeser
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V105636
ISBN (eBook)
9783640039227
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ernst, Glaeser
Arbeit zitieren
Marcel Meinken (Autor:in), 2001, Ernst Glaeser, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105636

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