Zweitspracherwerb in Nord- und Südschleswig


Hausarbeit, 2000

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


0 Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema des Zweitspracherwerbs in Nord- und Südschleswig auseinander. Zur Annäherung an dieses komplexe Thema folgen zunächst allgemeinere Anmerkungen zur Grenzregion und ihrer Geschichte. Gerade die spezifische Situation in diesem Gebiet darf man bei der Bearbeitung eines solchen Themas nicht außer Acht lassen. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden einige Spracherwerbstheorien vorgestellt und auf die Besonderheiten des Spracherwerbs in sprachlichen Minderheiten und des Phänomens der Dreisprachigkeit eingegangen. Im abschließenden Gedankengang werden die formulierten Überlegungen zur Zwei- bzw. Dreisprachigkeit in einigen Punkten noch einmal abgewogen und in einen schulischen Zusammenhang gebracht.

1 Die deutsch-dänische Grenzregion

1.1 Zur geographischen Lage

Die deutsche Minderheit in Dänemark und die dänische Minderheit in Deutschland (SchleswigHolstein) sind geschichtlich bedingte und an den deutsch-dänischen Grenzraum gebundene nationale Minderheiten. Der Grenzraum umfasst heute den dänischen Kreis Südjütland (Sønderjylland), d.h. das Gebiet von der Königsau (Kongeåen) im Norden bis zur deutschdänischen Staatsgrenze im Süden und den deutschen Landesteil Schleswig zwischen der Staatsgrenze im Norden und der Eider im Süden. Schleswig gehört zum nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

Die beiden Gebiete sind offiziell einsprachig, doch die Minderheiten verwenden intern ihre eigenen Bezeichnungen für beispielsweise Ortsnamen (z.B. Flensborg statt Flensburg oder Tondern statt Tønder). Auch die Gebiete selbst haben andere Namen, so wird der Kreis Südjütland von der deutschen Volksgruppe Nordschleswig und der Landesteil Schleswig von der dänischen Volksgruppe Sydslesvig (Südschleswig) genannt (vgl. Pedersen 1996: 32f.).1

1.2 Statistik und Demographie

Das deutsch-dänische Grenzgebiet kann auf Grund seiner geringen Einwohnerzahl als relativ dünn besiedelt bezeichnet werden. 1990 hatte Nordschleswig 250.612 Einwohner auf einer Fläche von 3.938 km², d.h. 64 Einwohner pro km². Die deutsche Volksgruppe stellt mit ungefähr 15.000 Einwohnern 6 % dieser Bevölkerung dar. Sie bildet keine geografische Einheit, sondern lebt verstreut unter der Mehrheitsbevölkerung. 1990 zählte Südschleswig 417.640 Einwohner auf einer Fläche von 4.176 km², d.h. 103 Einwohner pro km² (vgl. Pedersen 1996: 33f.). Etwa 50.000 der Einwohner Südschleswigs gehören der dänischen Volksgruppe an, was einem Anteil von 12 % der Gesamtbevölkerung entspricht (vgl. Pedersen 2000-1: 17). Ihre Angehörigen leben in Südschleswig ebenso verstreut wie die deutsche Minderheit in Nordschleswig (vgl. Pedersen 1996: 34).

1.3 Zur geschichtlichen Entwicklung

Die beiden nationalen Minderheiten im Grenzgebiet sind das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung des Herzogtums Schleswig. Das Herzogtum war ursprünglich ein fester Bestandteil des dänischen Königreiches, wurde aber im Laufe des 13. Jahrhunderts als Folge der Belehnungspraxis der dänischen Könige ein eigenes Herzogtum, das mit Dänemark durch Personalunion bis 1864 verbunden blieb. Über Jahrhunderte hinweg kam es so zu einem friedlichen Zusammenleben von Dänen und Deutschen und es wurde sowohl Dänisch als auch Deutsch gesprochen. Unter dem Einfluss des Adels und der Kirche wurde Deutsch im Laufe der Zeit Amtssprache und im 18. Jahrhundert breitete sich Deutsch auch als Volkssprache nach Norden hin aus. Gründe dafür waren die wirtschaftlichen Verhältnisse, aber auch der Umstand, dass Deutsch eine wichtige Rolle als Sprache der Gebildeten Schleswigs und zum Teil auch Dänemarks spielte. Der nationale Gedanke des 19. Jahrhunderts führte zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen allerdings zu einer immer deutlicheren Abtrennung und zu heftigen Volkstumskämpfen. Da zwei Drittel der Bevölkerung Schleswigs Dänisch sprachen, wurde die Einführung des Dänischen als Amtssprache und zudem Dänischunterricht in den dänischsprachigen Gebieten gefordert. Die Deutschen widersetzten sich und es gelang der dänischen Regierung nicht, einen tragfähigen Konsens zu finden, der beide Seiten hätte zufrieden stellen können. Im Laufe der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde deutlich, dass der Konflikt tiefliegendere Wurzeln hatte und dass er sich zu einem Kampf um die künftige staatliche Zugehörigkeit des national gemischten Herzogtums zu entwickeln schien. Der 1. Deutsch-Dänische Krieg 1848-1850 führte zu keiner Lösung der Probleme, doch trug die dänische Sprachpolitik, wie sie danach an den Schulen Mittelschleswigs umgesetzt wurde (dänische Unterrichtssprache; nur 4 Stunden pro Woche Deutsch), dazu bei, die Kluft zwischen Deutsch und Dänisch noch zu vertiefen. Erst der 2. Deutsch-Dänische Krieg 1864 und die resultierende Abtretung Schleswigs an Preußen führte zu radikalen Veränderungen. Während sich die deutschgesinnte Bevölkerung in Schleswig ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr als nationale Minderheit innerhalb der dänischen Monarchie verstand, waren jetzt umgekehrt die Dänischgesinnten zur Minderheit in Preußen geworden und hatten sich mit deutscher Schulsprache abzufinden. Nach der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg führte 1920 eine Volksabstimmung zur Abtretung Nordschleswigs an Dänemark. In diesem Landesteil wurde Dänisch als Schul- und Kirchensprache sowie als Amtssprache wieder eingeführt. Die Deutschgesinnten organisierten sich hier in deutschen Vereinen und Verbänden und ein deutsches Schulwesen wurde aufgebaut. Südlich der Grenze waren die Dänen zu einer Minderheit geworden. Nach 1920 organisierten sie sich verstärkt in dänischen Vereinen und gründeten außerdem dänische Schulen, was zur Folge hatte, dass auch Reichsdänen2 als Beamte nach Südschleswig kamen. Unter dem Nationalsozialismus wurde die dänische Volksgruppe in ihren politischen und kulturellen Aktivitäten erheblich eingeschränkt. Gleichzeitig konnte die deutsche Minderheit in Dänemark ihrerseits ihre Aktivitäten ausweiten, was jedoch ihr Verhältnis zur dänischen Mehrheit stark belastete. Nach Kriegsende 1945 wurden zwar viele Angehörige der deutschen Volksgruppe wegen Kollaboration bestraft, doch die Gründung des Bundes deutscher Nordschleswiger (BdN) 1945 brachte mit sich, dass die deutsche Volksgruppe in Dänemark sich loyal zum dänischen Staat bekannte (vgl. Pedersen 1996: 39 - 41).

Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wurde die dänische Minderheit in Schleswig in der Kieler Erklärung als gleichberechtigt anerkannt. Die Bonn-Kopenhagener- Erklärungen von 1955 bekundeten dies dann offiziell und legten unter anderem fest, dass es den Menschen freigestellt wurde, zu welchem Volkstum bzw. zu welcher Kultur sie sich bekennen und dass die Angehörigen der Minderheiten nicht am Gebrauch der jeweils gewünschten Sprache behindert werden dürfen (vgl. Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955). Diese Erklärungen stellen die Grundlage der heutigen Minderheitenpolitik in beiden Staaten dar und werden in anderen Ländern als vorbildhaft für den Umgang mit nationalen und sprachlichen Minderheiten in Europa angesehen (vgl. http://www.nordschleswig.dk/nordschleswig/ 27.2.2001).

1.4 Zur sprachlichen Situation

Betrachtet man die deutsch-dänische Grenzregion, so sind es hauptsächlich sechs Sprachen, die die Situation prägen:

Hochdeutsch, die dänische Hochsprache, Niederdeutsch, Südjütisch (S ø nderjysk), Nordfriesisch und das Südschleswiger Dänisch (Sydslesvigsk).

Die deutsche Minderheit Nordschleswigs spricht meist als Haussprache weder die dänische Hochsprache noch Hochdeutsch, sondern bedient sich des dänischen Dialektes Südjütisch. Die dänische Minderheit Südschleswigs hingegen spricht weitestgehend Hochdeutsch als Haussprache (vgl. Pedersen 1996: 42, 47; Engsnap 1996: 5), während die aus Dänemark zugezogenen Mitglieder der Minderheit die dänische Hochsprache verwenden. Diese Gruppe macht allerdings nur einen geringen Teil der Minderheit aus (Pedersen 2000-2: 379-384). Da der Gebrauch von Niederdeutsch oder Nordfriesisch eher eine Ausnahme ist, werde ich in den folgenden Teilen meiner Arbeit nur auf die vier Sprachen Hochdeutsch, die dänische Hochsprache, Südjütisch und das Südschleswiger Dänisch eingehen.

2 Zu den beteiligten Sprachen

2.1 Hochdeutsch

Die deutsche Sprache gehört zum westlichen Zweig der germanischen Sprachen, einer Unterfamilie der indogermanischen Sprachen. Sie besteht aus zwei großen Dialektgruppen, nämlich Hochdeutsch und Niederdeutsch. Die deutsche Sprache wird heutzutage in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich, in der deutschsprachigen Schweiz, in Liechtenstein sowie in verschiedenen Gebieten West- und Osteuropas und in einigen Sprachinseln außerhalb Europas von insgesamt etwa 100 Millionen Menschen gesprochen. Die Entwicklung der deutschen Sprache wurde von mehreren systematischen Verschiebungen bestimmter Konsonanten im Lautsystem beeinflusst.

Durch die so genannte erste oder germanische Lautverschiebung wurde die protogermanische Sprache von anderen indogermanischen Sprachen abgetrennt. In der ersten Lautverschiebung (Grimm’sches Gesetz) wurde indogermanisch p, t, k zu germanisch f, th, h, indogermanisch b, d, g zu germanisch p, t, k und analog indogermanisch bh, dh, gh zu germanisch b, d, g.

Nachdem die westgermanischen Dialekte ihre eigenen, charakteristischen Wesenszüge entwickelt hatten, trat die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung ein, die im Zeitraum von 500 bis 700 stattfand. Mit dieser Lautverschiebung trennten sich die hochdeutschen Dialekte von den anderen westgermanischen Sprachen ab. In dieser Zeit wurde das germanische p am Wortanfang, nach Konsonanten oder bei Verdoppelung zu pf, in der Wortmitte oder in der Endstellung nach Vokalen wurde es zu ff oder f. Unter den gleichen Bedingungen wurde das germanische t zu z oder ss. Nach Vokalen wurde k zu ch.

Zu den lautlichen Merkmalen des Deutschen gehören u. a. die Verwendung des Knacklautes vor jedem betonten Vokal in Anfangsstellung bei einfachen Wörtern oder bei unabhängig gesprochenen Wortteilen, die Aussprache des r als Zungenspitzen- und als Rachen-r, die Stimmhaftigkeit des s vor und zwischen Vokalen und die stimmlose Aussprache von b, d, g in Endstellung als p, t, k.

Deutsch ist eine flektierende Sprache mit drei grammatischen Geschlechtern (Maskulinum, Femininum und Neutrum), vier Fällen (Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ) und der starken und schwachen Deklination von Adjektiven.

Das moderne Hochdeutsch stammt von mittelhochdeutschen Dialekten ähnlich denen ab, die Martin Luther im 16. Jahrhundert in seiner Übersetzung der Bibel verwendete. Im sprachgeographischen Sinn umfasst der Begriff Hochdeutsch alle Dialekte, die von der zweiten Lautverschiebung erfasst wurden, also nicht das Niederdeutsche.

Die Entwicklung der deutschen Sprache lässt sich in drei Perioden einteilen: Althochdeutsch (ausgehend von den ersten schriftlichen Überlieferungen im 8. Jahrhundert bis 1050), Mittelhochdeutsch (1050-1350), sowie Neuhochdeutsch (ab 1350) unter dem Einfluss Luthers und der Reformation. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war Latein die Amtssprache des Heiligen Römischen Reiches, zum dem die meisten deutschsprachigen Gebiete des heutigen Europa gehörten. Während der Regierungszeit von Ludwig IV. wurde Deutsch als Sprache für amtliche Gerichtsurkunden zugelassen. Um 1500 war die deutsche Sprache allgemein als Amtssprache aller Landesteile von Sachsen und Thüringen anerkannt und zur Schriftsprache der gebildeten Schichten geworden. Außerdem nahm die Zahl der in deutscher Sprache gedruckten Bücher zu. Diese Entwicklungen trugen dazu bei, dass die regionalen Sprachunterschiede ausgeglichen und ein Standard für eine gemeinsame Schriftsprache geschaffen wurde (vgl. Microsoft 1998: Deutsche Sprache).

2.2 Die dänische Hochsprache

Die dänische Sprache gehört zur ostskandinavischen Gruppe des nordgermanischen Zweiges der germanischen Sprachen. Dänisch geht mit Schwedisch, Norwegisch und Isländisch auf eine gemeinsame skandinavische Muttersprache zurück, deren älteste Zeugnisse Runeninschriften aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. sind. Während der Wikingerzeit (um 800 bis 1050) war die Muttersprache im Wandel begriffen. Es bildeten sich zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Dialektgruppen: die ostskandinavischen Dialekte, aus denen sich Dänisch und Schwedisch entwickelten, und die westskandinavischen Dialekte, auf die Norwegisch und Isländisch zurückgehen. Das Dänische hat während seiner sprachgeschichtlichen Vergangenheit zwei Perioden durchlaufen: die Periode des Runendänischen (800-1100) und des Altdänischen (1100- 1500), bevor es sich zum heute gesprochenen Neudänisch entwickelte (ab 1500).

Bis ca. 1500 hatten sich die wesentlichen Charakteristika des Dänischen herausgebildet, das sich allmählich als Landessprache durchsetzte. Weit reichende Veränderungen in der mittelalterlichen Orthographie wurden durch die Entwicklung des Druckgewerbes und des Buchdruckes während der Reformation hervorgerufen, die ebenfalls großen Einfluss auf die Entwicklung des literarischen Vokabulars hatte. Eine Erweiterung des dänischen Sprachgebiets fand statt, als Dänisch die offizielle Schriftsprache Norwegens wurde (1536 bis ca. 1850), das sich damals in Union mit Dänemark befand. Unter dem Einfluss des Humanismus dominierte von 1550 bis etwa 1700 Latein als Literatursprache. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Deutsch die Sprache des dänischen Königshofes. Viele deutsche Wörter fanden Einzug in den dänischen Wortschatz, nur wenige davon konnten sich jedoch langfristig durchsetzen. Anfang des 18. Jahrhunderts war die Entwicklung der Grammatik so gut wie abgeschlossen. Die Entfaltung des Dänischen zu einer bedeutenden Kultur- und Literatursprache wurde nachhaltig von den Werken des Dichters, Dramatikers und Historikers Ludvig Holberg beeinflusst.

Im 19. und 20. Jahrhundert ging die Zahl der gesprochenen Dialekte zurück, und es wurde eine stärkere Beziehung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache erkennbar. Durch die Entlehnung und Assimilierung von Wörtern aus dem Deutschen, Französischen und Englischen, insbesondere auf dem Gebiet der Technik, wurde der Wortschatz erweitert. Seit 1871 ist eine autorisierte Orthographienorm gültig, die seitdem mehrmals verbessert wurde. Mit der Rechtschreibreform von 1948 wurde die Substantivgroßschreibung aufgegeben und der Doppelvokal <aa> durch den Buchstaben <å> ersetzt, wodurch sich das Dänische dem Norwegischen und Schwedischen annäherte. Im Neudänischen gibt es nur zwei Kasus (Nominativ und Genitiv) und zwei Genera. Die auffälligste lautliche Besonderheit der Sprache ist der Glottisverschlusslaut (Stoßton), der sich aus dem ursprünglich tonalen Akzent des Dänischen entwickelt hat (vgl. Microsoft 1998: Dänische Sprache).

2.3 Südjütisch (S ø nderjysk)

Südjütisch unterscheidet sich von der dänischen Hochsprache lautlich, wie auch grammatikalisch und lexikalisch. Beispielsweise fällt auf lautlicher Ebene etwa der oben genannte Stoßton völlig weg. Auf grammatikalischer und lexikalischer Ebene ist besonders nennenswert, dass es nur einen vorangestellten Einheitsartikel für die bestimmte Form der Substantive gibt (æ anstelle der Endungen -en oder -et) (vgl. Pedersen 1986: 61 - 64).

Mehrere Gründe haben dazu geführt, dass sich die Südjüten ihrer eigenständigen Sprache bewusst wurden und daran festhielten. Auch heute noch bekennen sich die Südjüten gern zu ihrer Sprache und pflegen sie. Eine der Ursachen hierfür findet sich in der Geschichte der Region (vgl. 1.4 dieser Arbeit). Unter der deutschen Oberhoheit wurde Deutsch zur Verwaltungs- und Schulsprache Nordschleswigs, doch die dänischgesinnte Bevölkerung hielt am Südjütischen als Haus- und Vereinssprache fest und demonstrierte auf diese Art ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre politische Einstellung. Dadurch, dass in den Schulen in deutscher Sprache unterrichtet wurde, kamen die Kinder kaum mit der dänischen Hochsprache in Kontakt, sondern ausschließlich mit Südjütisch oder Deutsch (vgl. Pedersen 1996: 42). Südjütland ist so zu dem Gebiet Dänemarks geworden, in welchem sich die Mundart am ehesten halten konnte.

Nach Byram (1979: 29) hat sich der Gebrauch des Südjütischen in den folgenden Jahren weiter durchgesetzt, so dass der größte Teil der deutschen Minderheit im Alltag diese Sprache anstelle der deutschen oder der dänischen Hochsprache verwendet.

Auch aus eigener Erfahrung, die ich während mehrerer Praktika an der „Deutschen Schule - Østerhøjst“ in Nordschleswig machen konnte, weiß ich, dass viele der Schüler3 erst in der Schule mit der dänischen Hochsprache in Kontakt kommen, da im Elternhaus entweder Südjütisch oder Deutsch gesprochen wird. Mit Eintritt in die Schule müssen viele Kinder also sowohl Deutsch als auch die dänische Hochsprache schreiben und lesen lernen.

2.4 Das Südschleswiger Dänisch (Sydslesvigsk)

Im Zusammenhang mit dem deutsch-dänischen Grenzland nennen Fredsted (1997) und Pedersen (2000-1: 225-245) eine weitere Form des Dänischen, die allerdings nur in Südschleswig gesprochen wird: det sydslesvigdanske sprog. Ihren Beobachtungen zufolge haben die Südschleswiger eine eigene Sprachnorm des Dänischen entwickelt, die sie selbst als vollwertige Variante des Dänischen ansehen. Mit Hilfe dieser kommunizieren sie untereinander und bringen gleichzeitig ihre regionale, bikulturelle und bilinguale Identität zum Ausdruck. Dieses Südschleswiger Dänisch unterscheidet sich stark von der dänischen Hochsprache und vom Südjütischen. Engsnap (1996: 6) zufolge ist das Südschleswiger Dänisch stark von der regional- dominierenden Sprache (Deutsch) geprägt. Dieses lässt sich an prosodischen Merkmalen (z.B. Wegfall des Stoßtons, abweichende Betonung und Intonation), aber auch an einfließenden Germanismen (u.a. idiomatischen Ausdrücke, die direkt aus dem Deutschen übersetzt werden) feststellen.

Auch wenn der Südschleswiger Dialekt nicht der dänischen Sprachnorm gleicht, so stellt er aber für die dänische Minderheit ein ausgezeichnetes Kommunikationsmittel dar. Fast jeder, mit dem Südschleswiger gewöhnlich Dänisch sprechen, entspringt ebenfalls der Minderheit und der Dialekt bildet daher die gemeinsame sprachliche Grundlage (vgl. Fredsted 1997: 3). Während im Bildungssystem eine hochsprachliche Normierung herrscht, gewinnt der Südschleswiger Dialekt allmählich einen hohen Status im übrigen Teil der Minderheit (vgl. Pedersen 2000-2: 383).

3 Zum Spracherwerb

3.1 Einsprachiger Spracherwerb

Es gibt viele verschiedene Theorien, mit Hilfe derer das Phänomen des Spracherwerbs erklärt wird, doch eine allgemeine gibt es gegenwärtig nicht. Jede Theorie bietet jedoch gute Erklärungen im Hinblick auf bestimmte (verschiedenartige) Teilaspekte.

Apeltauer (1997: 63 - 67) unterscheidet zwei extreme Grundpositionen (Nativismus und Empirismus). Diese Grundpositionen werden jedoch von den Wissenschaftlern nicht in ihrer Reinform vertreten, sondern zeigen nur deren gedankliche Grundrichtung. Die Vertreter der nativistischen Grundrichtung (auch Rationalismus genannt) gehen davon aus, dass Sprache das Ergebnis einer angeborenen menschlichen Fähigkeit ist, die als angeborener Spracherwerbsmechanismus bezeichnet wird. Die Empiristen sind hingegen der Ansicht, dass der Sprachentwicklung ein Lernprozess zugrunde liegt, wobei Umgebung und Bezugspersonen einen stark prägenden Einfluss auf diesen haben.

Den zwei genannten Grundpositionen werden verschiedene Erklärungsversuche untergeordnet, von denen heute vor allem die Theorien von Burrhus F. Skinner, Avram N. Chomsky und Jean Piaget als Beispiele angeführt werden.

B.F. Skinner ist Begründer des behavioristischen Erklärungsversuches. Er sieht den Spracherwerb als eine Art Konditionierung an, wobei der Mensch durch Imitation und anschließender positiver Verstärkung von Seiten der Betreuungspersonen darauf konditioniert wird, sprachlich richtige Äußerungen zu produzieren. Als Kritik zu dieser Position lässt sich jedoch anmerken, dass ein so komplexer Bereich wie die Grammatik wahrscheinlich nicht allein durch Imitation oder Belohnungen zu erlernen sein kann. Außerdem reagieren Eltern häufiger auf den Inhalt einer Äußerung ihres Kindes, als auf die sprachliche Korrektheit des Gesagten (vgl. Apeltauer 1997: 139).

Der linguistische Erklärungsversuch stammt von A.N. Chomsky. Dieser geht davon aus, dass die Sprache sich auf genetischer Grundlage entwickelt und dass der Mensch über einen angeborenen Spracherwerbsmechanismus verfügt. Das fehlende sprachliche Korrekturverhalten von Eltern ist für ihn ein Argument dieses Mechanismus. Neuere Untersuchungen haben jedoch erwiesen, dass Eltern sehr wohl auf die sprachliche Korrektheit ihrer Kinder eingehen und ihnen direkt oder indirekt signalisieren, welche Äußerungen falsch oder richtig sind (vgl. Apeltauer 1997: 64 f.).

J. Piaget schließlich ist Verfechter des entwicklungspsychologischen Erklärungsversuchs. Er ist der Auffassung, dass die Sprachentwicklung Teil der allgemeinen kognitiven Entwicklung ist. Anhänger dieser Theorie distanzieren sich von den beiden oben genannten Erklärungsversuchen und gehen davon aus, dass der Mensch seine Sprache durch die beständige kognitive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt erwirbt (vgl. Apeltauer 1997: 66).

3.2 Zweisprachigkeit

Es gibt zwei verschiedene Arten von Zweisprachigkeit: den primären Bilingualismus und den sekundären Bilingualismus.

Wenn ein Kind Eltern mit unterschiedlicher nationaler Herkunft hat und diese in ihrer jeweiligen Muttersprache mit ihm sprechen, so wächst das Kind mit zwei Sprachen gleichzeitig auf und wird im Idealfall in beiden Sprachen eine muttersprachenähnliche Kompetenz erlangen. Diesen gleichzeitigen Erwerb zweier Sprachen nennt man „primären Bilingualismus“ (Apeltauer 1997: 11).

Nach einer Definition von Apeltauer (vgl. Apeltauer 1997: 149) kann eine Zweitsprache aber auch jede Sprache sein, die zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Erstsprache erlernt wird. Häufig ist diese Zweitsprache auch Alternativsprache, da sie von Angehörigen einer nationalen Minderheit innerhalb der Majoritätsgesellschaft im alltäglichen Leben benötigt wird und oft fast ebenso gut beherrscht wird wie die Erstsprache. In diesem Fall spricht man von einem nachzeitigen Erwerb einer Zweitsprache oder von „sekundärem Bilingualismus“ (vgl. Apeltauer 1997: 16).

In der Wissenschaft gibt es bisher noch keine Einigung darüber, wann man einen Menschen als zweisprachig bezeichnen kann oder muss. Die sprachliche Kompetenz eines Individuums stellt keine feste Größe dar, sondern unterliegt natürlichen Veränderungen. Je nach Lebensalter, sprachlichem Umfeld oder Motivation können sich die Sprachfähigkeiten eines Bilingualisten in bestimmten Bereichen weiter- bzw. zurückentwickeln.

Hattesen (1990: 11) betont sogar die Tatsache, dass die linguistische, kommunikative und kulturelle Kompetenz eines Zweisprachigen nie alle Lebensbereiche umfassen muss, sondern nur die für die bilinguale Person relevanten. Epstein (1988: 60) gibt hierzu konkrete Beispiele: Ein Kind spricht z.B. die eine Sprache mit seinen Eltern und die andere innerhalb seiner peer-group oder in der Schule. Der Wortschatz zum Thema „Schule“ wird also in der Schulsprache ausgeprägter sein als in der Haussprache. Das Kind wird also unterschiedliche Sprachfertigkeiten auf den jeweils relevanten sprachlichen Gebieten erlangen, und trotzdem als bilingual zu bezeichnen sein.

3.3 Zweitspracherwerb

Beim Zweitspracherwerb wird zwischen natürlichem und gelenktem Zweitspracherwerb differenziert. Von natürlichem Zweitspracherwerb spricht man, wenn man sich eine Sprache ohne Unterricht aneignet, während man unter gelenktem Zweitspracherwerb den schulischen bzw. institutionalisierten Sprachunterricht (Fremdsprachenunterricht) versteht.

Kleinkindern, die gleichzeitig zwei Sprachen erlernen, fällt es bis zum dritten oder vierten Lebensjahr häufig schwer, diese voneinander zu trennen. Daher geht man davon aus, dass sich bis in dieses Alter sprachspezifische neuronale Vernetzungen im Gehirn herausbilden. Wird eine zweite Sprache nach diesem Zeitpunkt (also nachzeitig) erworben, so muss sie mit bereits bestehenden Nervenstrukturen des Gehirns bearbeitet und verarbeitet werden (vgl. Apeltauer 1997: 70). Epstein (1988: 66f.) setzt die zeitliche Grenze bis zur endgültigen Lateralisierung der Sprachfunktion ein wenig höher. Seiner Ansicht nach geht die „kritische Phase“, also die Phase, in der das Gehirn über die notwendige Plastizität verfügt, bis zum vierten oder fünften Lebensjahr.

McLaughlin (1978: 86 - 97) ist der Ansicht, dass die Sprachentwicklung eines zweisprachigen Kindes nicht sehr viele Unterschiede zu der eines einsprachigen Kindes aufweist. Er zeigt zudem einige Gemeinsamkeiten in der Entwicklung auf, die sich in drei Hauptgruppen unterteilen lassen:

a) entwicklungsmäßige Gemeinsamkeiten in Bezug auf das Lautsystem und die Grammatik,

b) Interferenzen zwischen den beiden Sprachen, c) Codeswitching zwischen den beiden Sprachen.

zu a) Betrachtet man zunächst das Lautsystem, so stellen sich einem zweisprachigen Kind die gleichen Aufgaben, wie einem einsprachigen: es muss mit der Prosodie der Sprachen vertraut sein. Die Tatsache, dass zweisprachige Kinder gleichzeitig zwei verschiedene Lautsysteme auseinanderhalten müssen, scheint jedoch nur dann zu Problemen zu führen, wenn eine der beiden Sprachen bereits stärker verwendet wird, also dominierend und somit ausgeprägter ist. Dieses hätte zur Folge, dass die lautlichen Eigenheiten der dominierenden Sprache auf die untergeordnete übernommen würden.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erschließung und Verwendung bestimmter syntaktischer Strukturen gibt es Unterschiede zwischen den beiden Sprachen, wenn eine von ihnen komplexer ist. Allerdings unterscheidet sich die spätere Erschließung der komplexeren Sprache bei einem zweisprachigen Kind zeitlich nicht von der Erschließung der gleichen Sprache bei einem einsprachigen Kind. Die Auseinanderhaltung zweier Sprachsysteme, scheint dem bilingual aufwachsendem Kind jedoch keine besonderen Probleme zu bereiten.

zu b) Diese Art von Fehler wurde häufig in der Forschung mit zweisprachigen Kindern entdeckt, obwohl es eigentlich kein Problem für Bilinguale darstellt, die beiden Sprachen zu trennen. Wenn aber doch Interferenzfehler auftreten, so liegt ihre Ursache oft darin, dass die beiden Sprachen dem Kind nicht adäquat präsentiert werden. Positiv würde sich zum Beispiel eine gleiche Gewichtung im Gebrauch der Sprachen und die klare Abgrenzung der Situationen, in denen eine der Sprachen gesprochen wird, auswirken. Untersuchungen haben ergeben, dass eine strenge Einhaltung des Prinzips „Eine-Person - Eine-Sprache“ die beste Möglichkeit zur Verringerung von Interferenzen darstellt (vgl. Oksaar 1984: 249) und dass es gerade in Fällen, in denen die Bezugspersonen selbst beide Sprachen vermischen, beim Kind zu häufigeren Interferenzen (vgl. McLaughlin 1878: 94) kommt.

Zu der Überlegung, ob der Verwandtschaftsgrad zweier Sprachen in Relation zur Häufung von Interferenzen steht, gibt es bisher leider noch keine Forschungsergebnisse (vgl. Epstein 1988: 108f.).

zu c) Verschiedene Codes der Sprache sind gewöhnlich mit unterschiedlichen Individuen oder Situationen verknüpft. Wird dieses Schema nicht eingehalten, so spricht man von Codeswitching (Codewechsel). Dieser Wechsel kann durchaus auch bei Einsprachigen vorkommen, wenn zum Beispiel in einem formellen Zusammenhang plötzlich Alltagssprache verwendet wird oder man zu einem Fremden in sehr vertrautem Ton spricht. Zweisprachige müssen diese sprachlichen Regeln zudem für beide Sprachsysteme erlernen. Von dem Zeitpunkt an, an dem das bilinguale Kind sich seiner beiden Sprachen und der dazugehörigen linguistischen Codes bewusst wird und sie voneinander trennt, stellt die Einhaltung der verschiedenen Sprachcodes keine größere Schwierigkeit mehr dar als für monolinguale Kinder (vgl. McLaughlin 1978: 94 - 97).

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ein Kind keine größeren Probleme beim gleichzeitigen Spracherwerb haben muss, wenn man eine adäquate und konsequente Sprachtrennung von Seiten der Eltern voraussetzen kann.

3.4 Spracherwerb in einer Minderheit

In Nord- und Südschleswig gibt es zahlreiche nationale Mischehen, was eine Besonderheit in Minderheiten darstellt und das positive Verhältnis zwischen Nord- und Südschleswigern widerspiegelt. Wächst ein Kind in einer Familie auf, in der die Mutter eine andere Sprache spricht als der Vater, in der das Kind also gleichzeitig mit zwei Sprachen konfrontiert wird, so kann das Kind theoretisch zwei Erstsprachen erwerben. Nach Apeltauers Definition (1997: 11) wird eine solche Zweisprachigkeit als primärer Bilingualismus bezeichnet (vgl. auch 3.2. dieser Arbeit).

Tatsächlich ist es jedoch meist so, dass eine der beiden Sprachen stärker ausgeprägt ist und häufiger verwendet wird. Oft ist die dominierende Sprache auch diejenige, die im größeren Umfeld des Kindes gesprochen wird, also im Kindergarten, in der Schule oder auf der Straße. Dadurch, so McLaughlin (1978: 94), treten in solchen Fällen auch in sehr viel stärkerem Maße Interferenzen auf, da das Gleichgewicht zwischen den beiden Sprachen nicht mehr gegeben ist.

Das deutsch-dänische Grenzgebiet jedoch bietet, etwa durch die zahlreichen Schulen der sprachlichen Minderheiten, gute Möglichkeiten, um ein Kind tatsächlich gleichgewichtet bilingual aufwachsen zu lassen. Dazu kommen noch zahlreiche Freizeitaktivitäten, Sportvereine und Bibliotheken. Hat ein Kind aus Südschleswig etwa eine dänischsprechende Mutter, einen deutschsprechenden Vater und besucht es einen deutschen Kindergarten, so wird das Deutsche bei ihm höchstwahrscheinlich stärker ausgeprägt sein, da es nur mit der Mutter Dänisch spricht. Besucht das Kind aber einen dänischen Kindergarten, so kann es viel eher zu einem Gleichgewicht der Sprachen kommen, da mit dem Vater und auf der Straße dann Deutsch gesprochen würde, mit der Mutter und in der Schule jedoch Dänisch. Eine Bestätigung dieser Überlegungen findet sich auch bei Søndergård (1978: 61 - 64), der ebenfalls die Grundvoraussetzung für eine ausbalancierte Zweisprachigkeit darin sieht, dass das Kind innerhalb und außerhalb des Elternhauses beide Sprachen parallel bzw. in gleichem Ausmaße verwendet.

3.5 Dreisprachigkeit in Nordschleswig

Wie bereits unter 2.3 dieser Arbeit angedeutet, können viele Mitglieder der deutschen Minderheit in Nordschleswig als dreisprachige Personen bezeichnet werden. Deutsch, die dänische Hochsprache und Südjütisch prägen ihr Sprachbild. Wenn Søndergård (1978: 64f.) in diesem Zusammenhang den Begriff „Zweieinhalbsprachigkeit“ verwendet, so deutet er damit die sprachliche Realität in Teilen Nordschleswigs an, wie sie auch heutzutage existiert: Im weitaus größten Teil dieser Region ist Südjütisch die Haus- und Umgangssprache. Die dänische Hochsprache ist demnach für viele Kinder eine fremde Sprache, mit der sie außerhalb des Dänischunterrichts der Schule kaum in Kontakt kommen. Dadurch haben sie eine zu geringe sprachliche Stimulation, als dass sie eine ausreichende Kompetenz im Dänischen erlangen könnten. Oftmals ist der Dänischlehrer die einzige Person, mit der die Schüler die dänische Hochsprache sprechen. Pedersen (1996: 48) veröffentlicht folgende statistische Angaben über das Sprachverhalten der Kinder in der deutschen Minderheit: mit den Eltern sprechen 66,6 % der Kinder Südjütisch, 26,8 % Deutsch und nur 6,6 % Dänisch. Søndergård (1978: 64) konnte außerdem beobachten, dass einige der Schüler der dänischen Hochsprache gegenüber eine innere Blockierung haben: Sie wollen die für sie unnatürliche Sprache einfach nicht verwenden.

Dies spiegelt sich ebenfalls in meinen persönlichen Erfahrungen wider. An der Deutschen Schule Østerhøjst sprechen die Schüler untereinander nur Südjütisch und lediglich mit den Lehrern Deutsch (bzw. die dänische Hochsprache während der Dänischstunden). Die meisten Schüler haben Südjütisch als Haussprache und viele kommen mit Deutsch und der dänischen Hochsprache nur im Schulunterricht in Kontakt. Sprach ich sie einmal auf Dänisch an, so fanden sie dies überaus belustigend und erwiderten oftmals: „Du sprichst ja gar nicht unser Dänisch.“

4 Probleme und Möglichkeiten durch Zwei- oder Dreisprachigkeit in Nord- und Südschleswig

Die bereits unter 3.5 dieser Arbeit angesprochene innere Blockade vieler Schüler gegenüber der „unnatürlichen“ Sprache ist ein gewichtiger Aspekt im Hinblick auf die Schulausbildung der Nordund Südschleswiger.

Betrachtet man zunächst Südschleswig, so ist hier der Südschleswiger Dialekt (vgl. 2.4 dieser Arbeit) die Sprache der Minderheit, wenn sie nicht Deutsch spricht. Dies ist die Sprache, in der sich die Kinder eine eigene dänische Identität aufbauen, indem sie ihre Gefühle und Gesinnung zum Ausdruck bringen können. Ein Problem stellt sich nun aber darin, dass der Südschleswiger Dialekt aufgrund seiner regionalen (deutschen) Prägung von vielen Reichsdänen nicht als „wirkliches“ Dänisch angesehen wird. Treffen die Kinder der Minderheit nun auf einen reichsdänischen Lehrer, der ihren Dialekt nicht akzeptiert und sie daher korrigiert oder sie eventuell damit nicht ernst nimmt, so fühlen sie sich in ihrer Integrität angegriffen (vgl. Engsnap 1996: 6f.). Das fehlende Taktgefühl der Lehrer kann auf Seiten der Schüler schnell ein Gefühl der Niederlage hervorrufen oder sogar Trotzreaktionen bewirken.

Da den dänischen Schulen Südschleswigs nun aber die dänische Hochsprache als sprachliche Grundlage dient, stellt sich den Lehrern eine schwierige Aufgabe, auf die auch Fredsted (1997: 3) hinweist. Ihrer Erfahrung nach ist es eine sehr problematische Entscheidung, ob oder wann man als Lehrkraft die Interferenzfehler von Südschleswigern korrigiert. Man sollte zwischen zwei Fehlerartenkategorien unterscheiden: a) Interferenzen im eigentlichen Sinne, die also jeder deutsche Dänischlerner machen könnte oder b) Südschleswiger Formen. Im letzteren Fall sollte man mit Bedacht korrigieren, da man sonst die Südschleswiger Identität des Schülers in Frage stellen würde.

Nördlich der Grenzen stellen sich sehr ähnliche Probleme, hier jedoch nicht aufgrund der Minderheitensprache (also Deutsch), sondern durch das Südjütische. Wie unter 3.4 angesprochen, haben hier viele Schüler eine Blockade gegenüber der dänischen Hochsprache. Da dies nicht nur bei Kinder der Minderheit zu beobachten ist, ist Søndergård (1978: 65) der Ansicht, dass man in allen Schulen Südjütlands sehr intensiv mit der dänischen Hochsprache arbeiten muss, da man ansonsten riskiert, dass die Schüler später keine überregionalen Arbeitsplätze erhalten oder aufgrund ihres „sprachlichen Handicaps“ sprachenbedingter Diskriminierung ausgesetzt werden. Auch Pedersen (1977: 114) sieht ein Problem für die berufliche Zukunft, wenn Schüler kaum mit dem Gebrauch der dänischen Hochsprache vertraut sind und vertritt die Meinung, dass Dialektsprechende auf nationaler Ebene nicht akzeptiert werden.

Dies sind meines Erachtens nach die wichtigsten problematischen Aspekte der Mehrsprachigkeit in Nord- und Südschleswig.

Betrachtet man allerdings die Zweisprachigkeit, wie sie im Idealfall aussieht und auch tatsächlich vorzufinden ist (Deutsch und Dänisch, jeweils in der normierten Form), so sehe ich darin einen großen Vorteil unter anderem für das Berufsleben. Im Laufe der Schulausbildung (oder auch schon vorher) erlangen trotz der obengenannten Probleme viele Schüler eine ausgewogene oder zumindest ausreichende zweisprachige Kompetenz. Diese und die Abschlusszeugnisse an Schulen der Minderheiten, die in beiden Ländern Gültigkeit haben, ermöglichen ihnen eine berufliche Zukunft sowohl in Deutschland als auch in Dänemark.

Vor allem im Zuge der Globalisierung und Entwicklungen innerhalb Europas ist die Fähigkeit, in mindestens zwei Sprachen kommunizieren zu können von großem Vorteil. Meiner Meinung nach sollte Sämtliches getan werden, den Kindern der Minderheiten weiterhin die Möglichkeit zur Entfaltung dieser Kompetenz zu bieten.

5 Literatur

Apeltauer, Ernst (1997): Grundlagen des Erst- und Fremdsprachenerwerbs. Kassel: Langenscheidt.

Byram, Michael S. (1979): Das Phänomen der Zweisprachigkeit. Theoretische Betrachtungen unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-dänischen Grenzraumes. Birkerød: Rostras Forlag.

Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen vom 29. März 1955. In: Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein (Hrsg.): Gegenwartsfragen 96. Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich. Kiel: Schmidt & Klaunig 1993. S. 232 - 237.

Engsnap, Knud (1996): Dansk sprog i Sydslesvig. In: Dansk Lærerforening i Sydslesvig (Hrsg.): Pæd Nyt. Temanummer om tosprogethed. Flensburg: Flensborg Avis.

Epstein, A.G. (1988): Spogundervisning - Sprogindlæring - Sprogtilegnelse. København: Akademisk Forlag.

Fredsted, Elin (1997): Danskundervisning i grænselandet. Danskerne forærer deres dronning mere end tyskerne sin Bundespräsident. http://www.tino.org/fredsted.html (21.02.2001).

Hattesen, Anni Bøgh (1990): Zweisprachigkeitspädagogik - Didaktik der 1. und 2. Sprache in Minderheitenschulen? In: Karen Margrete Pedersen (Hrsg.): Sprache und Unterricht in der deutschen, dänischen und friesischen Minderheit. Åbenrå: Institut for grænseregionsforskning.

McLaughlin, Barry (1978): Second-language acquisition in childhood. New York, London: John Wiley & Sons.

Microsoft (1998): Encarta 98 Enzyklopädie, CD-Rom.

Oksaar, Els (1984): „Spracherwerb, Sprachkontakt, Sprachkonflikt“ im Lichte individuumzentrierter Forschung. In: Dies.: Spracherwerb, Sprachkontakt, Sprachkonflikt. Berlin, New York: de Gruyter.

Pedersen, Karen Margrethe (1977): Dialekt, regionalsprog, rigssprog - en analyse af børns skolesprog. Åbenrå: Institut for grænseregionsforskning.

Pedersen, Karen Margrethe (1986): Mødet mellem sprogene i den dansk-tyske grænseregion. En-, to- og fleresprogede børn i Sønderjylland. Åbenrå: Institut for grænseregionsforskning.

Pedersen, Karen Margrethe (1996): Die deutsche Minderheit in Dänemark und die dänische Minderheit in Deutschland. In: Robert Hinderling (Hrsg.): Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten. Tübingen: Gunter Narr Verlag.

Pedersen, Karen Margrethe (2000-1): Dansk sprog i Sydslesvig. Bd. 1. Åbenrå: Institut for grænseregionsforskning.

Pedersen, Karen Margrethe (2000-2): Dansk sprog i Sydslesvig. Bd. 2. Åbenrå: Institut for grænseregionsforskning.

[...]


1 Im Folgenden werde ich aus praktischen Gründen das Gebiet nördlich der Grenze als Nordschleswig und das Gebiet südlich der Grenze als Südschleswig bezeichnen.

2 Mit diesem Begriff sind Dänen gemeint, die aus Dänemark stammen und nicht den Minderheiten angehören.

3 Der Begriff „Schüler“ wird an dieser Stelle und im Folgenden geschlechtsneutral verwendet.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Zweitspracherwerb in Nord- und Südschleswig
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
16
Katalognummer
V105624
ISBN (eBook)
9783640039128
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zweitspracherwerb, Nord-, Südschleswig
Arbeit zitieren
Martina Domke (Autor:in), 2000, Zweitspracherwerb in Nord- und Südschleswig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105624

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