Gryphius, Andreas - Threnen des Vatterlandes - Vergleich mit Georg Heym "Der Krieg" im Spiegel der Zeit


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

9 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. „Threnen des Vatterlandes“ von Andreas Gryphius
1. Der zeitgeschichtliche und politische Hintergrund (Barock)
2. Die Interpretation des Inhaltes, der Form und der Sprache

II. „Der Krieg“ von Georg Heym
1. Der zeitgeschichtliche und politische Hintergrund (wilhelminische Zeit und Expressionismus)
2. Die Interpretation des Inhaltes, der Form und der Sprache

III. Die vergleichende Textanalyse im zeitgeschichtlichen und epochalen Kontext

I. Andreas Gryphius „Threnen des Vatterlandes“

B.I.1. Der zeitgeschichtliche und politische Hintergrund (Barock)

Das Zeitalter des Barock war besonders politisch durch den Dreißigjährigen Krieg bestimmt, welcher die Folge von Konfessionskonflikten im Deutschen Reich zwischen 1618 und 1648 war. Sowohl der Protestantismus als auch der Katholizismus wurde von den damaligen Fürsten vertreten, woraufhin mit den lutherischen Reichsständen 1555 der „Augsburger Religions- frieden“ abgeschlossen wurde, dessen Grundsatz „cuius regio, eius religio“ („Wessen Region, dessen Religion“) das Prinzip der Glaubenseinheit in ganz Deutschland aufhob. Die „Kleinstaaterei“, die zu dieser Zeit in Deutschland herrschte, führte dazu, daß viele Regionen nun gegen ihren Willen einen Glauben annehmen mußten, da ihr Fürst die gegensätzliche christliche Konfession vertrat. Natürlich konnte man aufgrund dieses „Augsburger Religionsfriedens“ einen mehrmaligen Tausch der Konfession innerhalb weniger Jahre nicht ausschließen, da die Fürsten oft wechselten und damit vielleicht auch die Konfession. Diese Uneinigkeit innerhalb Deutschlands führte schließlich zum Dreißigjährigen Krieg. Pessimismus, Todesangst und Lebenshunger haben in dieser Zeit ihre Wurzeln. Die Menschen kennzeichnete während dieser Zeit das besondere Verhältnis zum Tod, welches unter dem Begriff “Memento mori“(„Gedenke des Todes!“ steht. Aus den Grauen des Krieges geht der Gedanke der Vergänglichkeit des Irdischen hervor. Dieses Zentralthema, der Vanitasgedanke, wurde in der Literatur als Ausdruck der Spannung zwischen dem zeitlichen und ewigen Aspekt verwandt. Die Jahre des Dreißigjährigen Krieges mit Mord, Brand, Hunger und Seuchen zeigten die Brüchigkeit des Lebens deutlich genug. Es gab kaum eine Gegend im Reich, die zu dieser Zeit nicht verheert worden war. Der Krieg ließ die Bevölkerung in vielen Landstrichen auf weniger als die Hälfte absinken. In einem Dorf auf der Schwäbischen Alb fand sich eine Bibel mit dem Eintrag: „Überall ist Neid, Haß und schlimmer Ding - der Krieg hat uns so gelehrt (...) Viele Leute sagen, es sei jetzt gewiß, daß kein Gott ist.“ (Dr. Birk, Giselher, Geschichte und Geschehen A2, Geschichtliches Unterrichtswerk für die Sek. I, Stuttgart 1995, 262 Hier wird besonders deutlich, daß während dieses sonst so stark religiösen Zeitalters innige Zweifel gegenüber Gott wach wurden.

Jedoch auch bezeichnend für die Menschen und ihre Einstellung zu dieser Zeit war die Freude am Leben, die sich im Alltag, im Schmuck der Häuser und selbst einfacher Dorfkirchen ebenso ausdrückte, wie in der Mode oder in aufwendigen, prunkvollen Festen. Diese kurze Zeit des Lebens sollte möglichst intensiv genutzt werden. Dieses äußerte sich im Grundsatz „Carpe diem“(„Genieße den Tag!“).

Diese Dichotomie zwischen „Carpe diem“ einerseits und „Memento mori“ andererseits wurde zur entscheidenden Erfahrung des christlichen Glaubens, die sich in allen Bereichen des Lebens manifestierte. So war der christliche Glaube durch die politischen Zeitumstände des Dreißigjährigen Krieges einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Reformation und Gegenreformation haben das Individuum zu einer inneren Verunsicherung geführt, wobei es den Fürsten nicht nur um Glaubensfragen ging, sondern in erster Linie Macht und Landgewinnung anstrebten.

B.I.2 Die Interpretation der Form, des Inhalts und der Sprache

In dem Sonett „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“ wendet sich Gryphius unmittelbar dem historischen Zeitgeschehen zu, d.h. die Kriegswirren und Schlachtgreuel des Dreißigjährigen Krieges bestimmen die Bildlichkeit dieses Gedichts. Und doch, so grausam die Kriegswirklichkeit für das einzelne Individuum auch gewesen sein mag - und der junge Gryphius kannte sie aus eigener Anschauung -,dient sie dem Dichter doch nur als bildliches Gestaltungsmaterial für einen untergeordneten Zweck, nämlich nicht nur den Krieg an sich, sondern das Gedicht repräsentiert auch den Glaubensverlust.

Die vierzehn Verse des Gedichtes gliedern sich in vier Strophen, wobei die ersten beiden Strophen aus Quartetten bestehen, das heißt, sie beinhalten einen umschließenden Reim (abba abba). Dann folgt in den letzten beiden Strophen der Schweifreim (ccd eed), welcher diese Strophen zu Terzetten macht, d.h. zu Strophen mit jeweils drei Versen. Nicht minder vorschriftsmäßig hat Gryphius die Wahl des Versmaßes getroffen. Er bedient sich eines Alexandriners, der aus sechs Jamben mit Zäsur nach dem dritten Versfuß besteht. Gryphius wählte dieses Instrument des Sonetts, um persönliche Betrachtungen thematisch zu fassen, geistig zu verarbeiten und religiös zu vertiefen.

Das Gedicht wird durch die erste und letzte Zeile, nämlich „Wir sindt doch nuhmehr gantz / ja mehr den gantz verheret!“ (Andreas Gryphius, Threnen des Vatterlandes, V.1) und „Das nun der Selen schatz / so vielen abgezwungen.“ (a.a.O., V.14), in seinen eigentlichen, oben auch schon genannten, Bedeutungszusammenhang gerückt. Diese Eingangsfeststellung, daß totale physische Zerstörung herrsche, durch den Ausspruch „mehr den gantz verheret!“ (a.a.O., V.1) hergeleitet, wird erst durch den in der Schlußzeile gewaltsamen Glaubensverlust verständlich. Das bedeutet, der Mensch war hauptsächlich der psychischen Schädigung des Dreißigjährigen Krieges ausgeliefert. Dieses wird durch das Bild „Das nun der Selen schatz / so vielen abgezwungen.“ (a.a.O., V.14) deutlich gemacht, da der „Selen schatz“ den Glauben an Gott charakterisiert.

Der einleitende Ausruf ist somit als eine Art Motto des Sonetts zu verstehen: Er verweist neben der Zeitangabe „nuhmer“ (a.a.O., V.1) auf den Kreis der Betroffenen, nämlich „wir“ (a.a.O., V.1), sowie das Ausmaß der Zerstörung. Im 18. Jahr des Krieges vermag der Dichter dieses Ausmaß nur durch eine paradox anmutende Steigerung von „gantz“ (a.a.O., V.1) zu „mehr den gantz“ (a.a.O., V.1) auszudrücken. Die Verbform „sindt (...) verheret“ (a.a.O., V.1) deutet auf das bereits Vollendete der Zerstörung hin, so daß eine Fortführung kaum noch denkbar erscheint. Dieses spiegelt somit deutlich die Situation in den späten Jahren des Dreißigjährigen Krieges wieder: Die Menschen waren nach 18 Jahren des Elends völlig ausgelaugt und erschöpft von den Kriegswirren. Dieses Verb „verheren“ deutet ebenfalls auf die Urheber des Elends hin: das Heer.

Die Bilder in den Zeilen 3 und 4: „Das vom blutt fette schwerdt / die donnenrnde Carthaun Hatt aller schweis und fleis und vorraht auff gezehret“ (a.a.O., V. 3-4) (Hervorhebung durch Sonja R.), verstärken die Eindringlichkeit des Sprechens und das Tempo, da im Vers 3 Halbverse verwandt werden und in der vierten Zeile ein Langvers das Tempo wieder zurücknimmt. Indem einzelne Elemente wie „Das vom blutt fette schwerdt“ (a.a.O., V.3) und „die donnernde Carthaun“ (a.a.O., V.3) wie auch „die rasende posaun“ (a.a.O., V.2) isoliert gesehen, ja zumindest ansatzweise personifiziert werden, wird deutlich, wie sich der Krieg verselbständigt hat: das Schwert, die Posaune und die Karthaun sind hier Subjekte, nicht der sie nutzende Mensch. Dieser wird zum Objekt und der Krieg erweist seine Macht auch darin, daß er alle menschlichen Bemühungen zunichte macht, dies zeigt mir nämlich vor allem der vierte Vers, denn das Genitivattribut „aller“ (a.a.O., V.4) signalisiert das Ausgeliefertsein der Menschen gegenüber dem Krieg.

In der zweiten Strophe liegt der Hauptakzent nicht mehr auf der Darstellung des Krieges, sondern auf den Auswirkungen wie „Die türme stehn in glutt / die Kirch ist umgekehret“. Dies weist ebenfalls auf den Aspekt des Glaubensverlustes hin. Auffällig ist hier vor allem eine resümeeartige Bündelung: „und wo wir hin nur schawn“ (a.a.O., V.7), die einer Aufzählung der Auswirkungen folgt. Das Resümee geht jedoch im nachfolgendem Vers in eine weitere Aussageverstärkung über. Wieder zielt die Häufigkeit der Bilder und ihre Bedeutung auf eine Totalität der Aussage: „ist fewer / pest / und todt der hertz undt geist durchfehret“ (a.a.O., V.8). In dieser Strophe werden auch die verschiedenen Bereiche angesprochen, die vom Krieg betroffen sind: Die „türme“ (a.a.O., V.5) repräsentieren den militärischen, die „Kirch“ (a.a.O., V.5) den religiösen und das „Rathaus“ (a.a.O., V.6) den politischen Bereich. Diese Totalität wird im folgenden durch die Gegenüberstellung der Bezeichnung „starcken“ (a.a.O., V.6) und „Jungfrawn“ (a.a.O., V.7) noch auf einer anderen Ebene angestrebt. Denn indem die Extrema, die Jungfrauen stehen für die schutzbedürftige Schwäche, die Starken für die Lebenstüchtigkeit und sonst unbändige Autonomie, so gegenüberstellt werden, wird ersichtlich, daß nicht nur jeder Lebensbereich, sondern auch jeder Mensch durch „fewer / pest / und todt“ (a.a.O., V.8) betroffen ist. Und jeder Mensch ist in „hertz und geist“ (a.a.O., V.8) getroffen; somit wird wieder das unfaßbare der Vernichtung hervorgehoben. Sie gilt dem Körper ebenso wie dem Gefühl, dem Verstand, dem Glauben an Gott.

Das Zeitadverb „allzeit“(a.a.O., V.9) sowie die ungewöhnliche Zeitangabe „dreimal (...) sechs Jahr“ (a.a.O., V.10), welche die Zeitangabe des Untertitels „Anno1636“ (a.a.O., Untertitel) aufgreift, veranschaulichen das Unaufhörliche, das Nicht-enden-Wollende des Kriegselends. Auch der Ausdruck „alzeit frisches blutt“ (a.a.O., V.9) bewirken die Ausdruckssteigerung und Eindringlichkeit ebenso wie die Pluralbildung „unser ströme flutt“ (a.a.O., V.10). Auch die temporale Konjunktion „als“ (a.a.O., V.10), im Sinne von "seit, seitdem“, akzentuiert diesen Aspekt der Dauer.

Nach diesen gehäuften Bildern des Grauens, die eine Steigerung nicht mehr zuzulassen scheinen, wechselt die Blickrichtung im zweiten Terzett. Der Sprecher wendet sich von den Bildern des sichtbaren Elends ab. Dieser Perspektivwechsel wird hervorgehoben durch „doch“ (a.a.O., V.12) zum Versbeginn sowie die komparative „ärger“ (a.a.O., V.12) und „grimmer“ (a.a.O., V.13). Der Dichter stellt den nachdrücklich noch einmal genannten Bildern wie „todt“(a.a.O., V.12), „pest“ (a.a.O., V.13) und „glut und hungers noth“ (a.a.O., V.13), die wiederholend und zusammenfassend noch einmal das Grauen des Krieges beschwören, das wichtigere Verhängnis gegenüber, nämlich das der Seele. Dieses offensichtlich in Vergessenheit geratene Verhängnisobjekt ist das höchste Gut der Menschen und wird mit der Metapher „Selen schatz“ (a.a.O., V.14) beschrieben. Dieser Schatz ist der Glaube an Gott und zwar, so unterscheidet Gryphius, nicht allen Betroffenen, aber doch „so vielen abgezwungen“ (a.a.O., V.14).Das Gedicht thematisiert zwar den äußeren Zwang, der den Menschen kaum eine Wahl zu lassen scheint, aber indirekt ist das letzte Terzett als eine Warnung zu verstehen, denn der Mensch ist auch angesichts einer solch bösen Wirklichkeit für sein Seelenheil verantwortlich. Das Gedicht appelliert zwar nicht direkt, wohl aber durch das Gewicht der rhetorischen Mittel an den Leser, seine Situation zu erkennen.

Auffällig ist bei diesem Gedicht auch der Bezug zur Bibel. In der Offenbarung des Johannes öffnet ein Lamm die sieben Siegel der Buchrolle Gottes, woraufhin aus jedem Siegel ein charakteristisch gekennzeichnetes Pferd mit Reiter steigt. Das zweite Pferd symbolisiert die Zwietracht der Menschen: „Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten.“ (Offenbarung des Johannes, Kapitel 6, V.4). Hier wird besonders die Intention deutlich, Gryphius bedient sich der Bibel, um die Situation als etwas von Gott gegebenes zu bewerten. Auch das vierte Pferd steht für ein von Gryphius aufgegriffenes Element: Der Tod, „Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein viertel der Erde, der Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod (...)“ (a.a.O., V.8). Die Objekte, mit denen diese Kreatur richten soll, werden von Gryphius übernommen. Somit geht der Barocklyriker auf Bibeltexte ein und verarbeitet sie in seinem Werk, um die Menschen auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Hier sieht man ebenfalls, wie stark Gryphius von seinem Glauben abhing, wobei es ihm weder um eine Bestimmte Konfession ging, noch um die notwendige Zerstörung des Glaubens, sondern um das Öffnen der Augen der Menschen, die weiterhin an Gott festhalten sollen.

II. Georg Heym „Der Krieg“

B.II.1. Der zeitgeschichtliche und politische Hintergrund (wilhelminische Zeit und Expressionismus)

Georg Heym verfaßte sein Gedicht über den Krieg in Zeiten politischer Unruhen zwischen Deutschland und den benachbarten europäischen Staaten. Deutschland wurde damals vertreten durch seinen Kaiser Wilhelm II., einem Mann, von dem man nicht selten sagte, er sei ein Nachfolger Napoleons. Diese Zeit, besonders zwischen 1904 bis 1914, war gezeichnet vom Wettrüsten und kolonial geprägter Streitpolitik. Sowohl Rußland und Frankreich, als auch England und Deutschland wollten eine Vormachtstellung in der Welt erreichen. So kam es auch, daß Deutschland von Großmachtgelüsten geprägt war. Die Industrialisierung schritt fortwährend voran und der Nationalstolz des Deutschen Volkes nahm von Jahr zu Jahr zu. Maximilian Harder, ein deutscher Schriftsteller, fordert in einem Zeitungsartikel während dieser Wilhelminischen Zeit: „Wir sind nicht statuiert. Wir brauchen fruchtbares Land, brauchen, seit die Großindustrie sich in Treibhaushitze entwickelt, der <Standard of life> der Nation weit über alle Gewohnheiten erhöht worden ist, offene Riesengebiete, die unsere Waren zu anständigen Preisen kaufen. Sonst verzwergen wir uns nach und nach zu einem zweiten Belgien.“ (Hinz, Dr. F.-L., Chronik des 20.Jahrhunderts). Harden formulierte hier treffend, um was es in dieser Zeit ging: Industrialisierung, Nationalstolz und die Erweiterung der Kolonialgebiete.

Kaiser Wilhelm II. war auch der eigentliche Grund einer Vereinsamung Deutschlands. Durch seine zwiespältigen Äußerungen über die Nachbarstaaten England, Frankreich und Rußland und durch seinen Rüstwettlauf im Bau überschwerer Schlachtschiffe mit weitreichender Artillerie gegen England, schaffte er sogar einen Ausgleich der Interessengegensätze zwischen den drei anderen Großmächten und förderte somit ein gemeinsames Vorgehen dieser Staaten gegen Deutschland. Schon 1908 äußerte der deutsche Kronprinz Wilhelm II. In einem Gespräch mit dem Chef des Generalstabes, daß nur ein Krieg dem Deutschen Reich aus der verworrenen politischen Lage heraushelfen könne. An diesem Ausspruch läßt sich die Situation Deutschlands besonders verdeutlichen, da schon zu dieser Zeit, sechs Jahre vor dem eigentlichen Ausbruch des 1. Weltkrieges, an eine gewaltsame Auseinandersetzung gedacht wurde. Jedoch riet ihm der General damals von einer Lösung des Problems auf diese Weise ab, woraufhin der Kaiser zwar sein Kriegsvorhaben verwarf, jedoch seine Pläne bezüglich der Kolonialpolitik und somit der Erweiterung Deutschlands nicht aufgab.

Der Versuch des Reiches, Frankreich, seinen größten Konkurrenten in der Kolonialpolitik, aus seinen Bündnissen heraus zu boxen und die fortgesetzten Flottenrüstungen der Deutschen gegen England ließen den Kurs, den sie steuerten, genau erkennen. Immer wieder versuchte man, die Bündnisse der Gegnermächte zu sprengen, um somit eine größere, furchteinflößendere Macht in der Weltpolitik darzustellen. So kam es auch, daß das Deutsche Reich durch ein leichtsinniges Handeln in die Kolonialpolitik Frankreichs eingriff. Am 20. April entsandte die französische Regierung Truppen nach Marokko, da dort innere Unruhen aufgetreten waren. So wollte man offiziell das Leben der dort angesiedelten französischen Staatsbürgern schützen. Jedoch kann man ein Interesse Frankreichs an Marokko als Protektorat (Kolonie) nicht leugnen. Frankreich war Jahre zuvor gemeinsam mit Spanien die Aufgabe zugesprochen worden, die marokkanische Polizei und Armee zu organisieren. Deutschland nahm nun an, Frankreich wolle Marokko in eine Kolonie wie Tunis verwandeln und schickte am 1. Juli 1911 das deutsche Kanonenboot „Panther“ nach Agadir in Marokko. Offiziell begründete das deutsche Außenministerium diese Entsendung mit den Unruhen in Marokko, durch die die dort seßhaften deutschen Firmen gefährdet seien. Deutschland wollte sich so endlich ein Stück des an Rohstoff reichen Marokkos sichern. England hielt am Bündnis mit Frankreich fest und lehnte diesen Eingriff Deutschlands in die marokkanische Politik ab. Die deutsche Regierung versuchte es mit einer Politik drohender Einschüchterung und erklärte, daß sie bis zum bitteren Ende gehen werde. England jedoch ging in der Stille zum Zustand der Kriegsbereitschaft über. Die Krise verlief sich schließlich. Das Reich bekam einige kleinere Gebietsteile des Kongos. Man hatte die Welt in Furcht versetzt - zum Äußersten ließ man es noch nicht kommen, jedoch lief die Welt dem Krieg entgegen. Sie machte zwar einige Bemühungen des Friedens, aber die Völker trieben mit eintöniger Gleichmäßigkeit dem Abgrund zu.

Parallel zu dieser Zeit entstand eine literarische Bewegung, welche sich Expressionismus nannte und vor allem das Jahrzehnt 1910 bis 1920 umfaßt. Der Expressionismus läßt sich als ein Protest gegen die Autoritätsstrukturen des wilhelminischen Zeitalters, das Spießbürgertum, die zwiespältige Außenpolitik Deutschlands sowie das kapitalistische Wirtschaftssystem verstehen. An die Stelle minutiöser Einzeleindrücke tritt der Versuch, die Wirkung der Eindrücke auf das empfindende Subjekt (den Autor bzw. Dichter) darzustellen, somit gilt für alle Werke dieser Epoche, daß das Subjekt mit seinen Empfindungen im Mittelpunkt steht, daß dieses Subjekt um eine Sprache ringt, mit der es das auszudrücken vermag, was in ihm vorgeht. Insofern ist also die expressionistische Literatur Ausdruckskunst. Viele Gedichte dieser Epoche beschäftigen sich mit dem Weltende und tragen sogar diese Überschrift. Eine solche Thematik ist angesichts des Ersten Weltkrieges, der in diese Epoche fällt, nicht verwunderlich. Doch wird der Krieg meist nicht nur als Katastrophe gesehen, sondern auch als Möglichkeit für einen Neuanfang.

Die Sprache dieser Literatur ist nicht einheitlich; mit einer großen Anzahl von kühnen Metaphern versucht sie, die traditionelle Bildersprache zu zerstören. Wichtig hierbei ist auch die Ich-Dissoziation. Das lyrische Ich ist nicht länger der Dreh- und Angelpunkt. Statt dessen projiziert der Sprecher seine eigene Befindlichkeit, seine Verwirrung in die Sprache hinein. Das lyrische Ich wird sogar ganz aus den Gedichten verbannt, kann nur im Kontext als ein Beobachter bzw. Beschreiber der Situation, welcher nicht direkt genannt wird, erkannt werden.

B.II.2. Die Interpretation der Form, des Inhaltes und der Sprache

Georg Heyms Gedicht, welches 1912 erschien, nimmt das reale Grauen der zwei Weltkriege vorweg. Mit erschütternden Bildern beschreibt Heym die Brutalität des Krieges. Für den jungen Expressionisten ist der Krieg jedoch ein Topos für die Zerstörung einer Öden und überholten Ordnung bzw. Gesellschaft, die an Machtgewinnung, Kolonialerweiterung und Industrialisierung orientiert ist.. Krieg ist somit eine Metapher für die Zerstörung des Alten, hier als „Gomorrh“ (Georg Heym, Der Krieg, V.40) abgewertet. Hierbei bedient sich der Autor ebenfalls der Bildersprache der Apokalyptik: „So wird das Thier / das aus dem Abgrund aufsteigt / mit jnen einen Streit halten / und wird sie überwinden / und sie tödten.“ (Offenbarung Johannes, Kap.11, V.7). Heym baut bestimmte Elemente dieses Bibelzitats zu Beginn seines Gedichts ein: „Aufgestanden ist er (...) Aufgestanden unten aus Gewölben tief.“(a.a.O., V.1-2). Sie soll die Aussagekraft des Gedichtes nachdrücklich verstärken; auch indem Heym sich hier einer Anapher, die den Überraschungseffekt zusätzlich verdeutlichen soll. Hierbei ist ebenfalls zu beachten, daß der Krieg aus dem Untergrund aufsteigt, d.h. der Untergrund wird hier als Bild für das Böse (vergl. Bibel: Teufel) verwandt. Dieser Kriegsdämon wird personifiziert und zu einem handelnden Subjekt überdimensionaler Größe, wie es auch die Attribute „groß und unbekannt“ (a.a.O., V.3) und „riesig“ (a.a.O., V.35) nahelegen.

Die erste Strophe bezieht sich vor allem auf die Herkunft des Krieges und mit seiner Erscheinungsform, anschließend zeigen die zweite und dritte Strophe die Bedrohung der Stadt durch den Dämon Krieg: „In den Abendlärm der Städte fällt es weit.“ (a.a.O., V.59).Die Strophen vier bis acht dagegen verdeutlichen sein Wirken besonders als Feuersturm, der über das Land jagt und totale Zerstörung hinterläßt: „In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein.“ (a.a.O., V.21). Die Schlußstrophen neun und zehn zeigen die bereits vernichtete Stadt: „Eine große Stadt versank in gelbem Rauch.“ (a.a.O., V.33). Durch diesen Aufbau wird eine Rahmenstruktur erkennbar: zunächst (Strophe 1-3) die Vorahnung und die Angst der Städte mit ihren Bewohnern, welchen dann in den mittleren Strophen die Darstellung der Zerstörung des gesamten Landes folgt und schließlich die Rückkehr zum räumlichen Ausgangspunkt, der inzwischen zerstörten Stadt.

Das Gedicht gliedert sich hierzu in vierzeilige Strophen, welche kreuzweise gereimt, einen erschütternden Eindruck von der Zerstörungswut des Krieges geben. Auffällig ist hierbei der sechshebige Trochäus: „Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, Aufgestanden unten aus Gewölben tief.“ (a.a.O., V.1-2), welcher das Gefühl des Ausgeliefertseins verstärken und vertiefen soll. Ebenfalls erreicht Heym mit dem Zusammenlegen von Vers- und Satzenden, daß die einzelnen Zeilen so durch eine Pause am Versende hervorgehoben werden. Dadurch ergibt sich, insbesondere durch den sechhebigen Trochäus, ein stampfender, drängender Rhythmus, der das grauenhafte Geschehen zusätzlich unterstreicht. Dem Krieg wird hierbei eine göttliche, furchtbar erscheinende Allgewalt zugesprochen. Diese Gewalt äußert sich in satanischen Zügen - z.B. stößt der Dämon die aus Todesangst fliehende in die Feuerwälder: „Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht, Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht.“ (a.a.O., V.27-28). Zu den Hauptmerkmalen des Dämons gehören insbesondere das Feuer, das in verschiedenen ausdrucksvollen Bildern dargestellt wird: „Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.“ (a.a.O., V.22) oder „ mit tausend hohen Zipfelmützen weit“ (a.a.O., V.25). Die Zipfelmützen werden hier als Bild für die verheerenden Flammen, die der Krieg mit sich bringt, eingesetzt.

Dieser Übermacht sind die Menschen hilflos und rettungslos ausgeliefert, welches der Vers „Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt“ (a.a.O., V.19) schockierend zum Ausdruck bringt. Zuerst werden die Vorahnung, das Nicht-Begreifen und das Entsetzten genannt: „der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis“ (a.a.O.,V.7). Die Kurzsätze „Es wird still. Sie sehn sich um. Und Keiner weiß“ (a.a.O., V.8) unterstreichen die Fassungslosigkeit der Menschen, welch die Opfer des Dämons darstellen. Die Menschen begreifen nichts, finden „keine Antwort“ (a.a.O., V.10) auf die „Frage“ (a.a.O. V.10) Warum (?). Das vollständige Zerstörungswerk kann mit dem Schlüsselwort „Gomorrh“ (8a.a.O., V.40) erklärt werde: in der Bibel (Gen 19) sind Sodom und Gomorrha Städte des Bösen, von gott aus diesem Grunde durch ein Feuer- und Schwefelregen vernichtet, gleichsam wie die letzte Strophe des Heym Gedicht zeigt: „Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh“ (a.aO., V.40). Erkennbar wird der Standort der Zivilisationskritik: offensichtlich erwachsen die zerstörerischen Gewalten aus dem verhängnisvollen Tun des Menschen, der seine moderne Welt zu beherrschen glaubt, aber die Abgründe nicht bemerkt, die ihn zu verschlingen drohen. Der Krieg ist, wie einleitend gesagt, eine Metapher für die totale Vernichtung, ohne die Konturen eines Neuen Lebens erkennen zu geben; es bleibt nur „Wüstenei“ (a.a.O., V.40) zurück.

Ein Sprecher ist in diesem Gedicht nicht direkt nachweisbar, aber die Darstellung des Unterganges durch den personifizieten Krieg zeigt ein beobachtendes Ich, das aus großer Entfernung und unbeteiligt die Ratlosigkeit der Menschen und deren Vernichtung in bedrückenden Bildern der Gewalt darstellt: „wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut“ (a.a.O., V.18). Diese Bilder beschwören ein Grauen, in dem auch deutlich Elemente der Faszination angesichts der Kraft der Vernichtung erkennbar sind: „Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.“ (a.a.O., V.13-14). Diese Dynamik des Dämons, die Lust, vielleicht sogar die Gier zu vernichten und mit den Spielobjekten, den Kriegern, sein Werk blutig zu vollenden, wird hier sehr ausdrucksvoll beschrieben. Wie Rumpelstielzchen tanzt er und bringt ein unheilbares Unglück mit sich. Diese Brutalität, mit der Heym versucht, an der Gesellschaft Kritik zu üben und sie zumindest visionär zu vernichten, zieht sich durch jede einzelne Srophe des Gedichtes. Der Text ist ein Dokument seiner Zeit. Er veranschaulicht durch seine Aussagekraft die Mißstände seiner Zeit, indem er die Zerstörung der Welt und somit auch der Menschen detailliert beschreibt.

III. Die vergleichende Textanalyse im zeitgeschichtlichen und epochalen Kontext

Die vorliegenden Gedichte beschäftigen sich beide mit dem Grauen des Krieges, gehen aber auf unterschiedliche Art und Weise an die Thematik heran. Sowohl in der Intention wie auch in der Behandlung dieses Themas werden Unterschiede deutlich, die darauf schließen lassen, daß die Gedichte aus verschiedenen literarischen Strömungen stammen, was sich sowohl im Inhalt als auch in der Form der Texte widerspiegelt.

Wie man aus den vorangegangenen Analysen klar erkennen kann, handelt es sich vordergründig um Kriegsgedichte. Während Gryphius, der erstrangig den Dreißigjährigen Krieg behandelt, auf das Lebensgefühl des Barock, welches durch die Spannung zwischen Diesseitsfreude und Bewußtsein der Vergänglichkeit geprägt ist, eingeht, verfolgt Heym die Intention, das Bestehende als verrottet und untergangsreif zu bezeichnen und durch einen Krieg zu zerstören.

Heym kritisiert die Gesellschaft der wilhelminischen Zeit. Die historischen Ereignisse, wie z.B. die zweite Marokko Krise, ließen einen Krieg erahnen. Der Expressionist nahm die politische Situation dieser Zeit zum Anlaß, seine Intention mit einem Ausbruch des Krieges zu verbinden. Fälschlicherweise beschrieb man Heym deswegen häufig als Seher, der den 1. Weltkrieg voraussagte; jedoch ließen die politischen Ereignisse diese Annahme eines Kriegsausbruches zu, legten sie sogar nahe. Heym bediente sich schließlich dieses Mittels (der Kriegsvision), um eine Möglichkeit zum Neuanfang, nach der Vernichtung der verschmähten Gesellschaft und Politik, aufzuführen. Dies waren die Ziele der Expressionisten. Gryphius dagegen beschreibt die Kriegswirklichkeit und sieht diese als Gefahr. Er möchte einerseits auf die Vergänglichkeit hinweisen, andererseits den Glauben an Gott wahren, indem er an den Leser appelliert, der seine Situation erkennen soll. Gemäß der Barocklyrik ist das Grundthema eindeutig religiös bestimmt und die intellektuelle Abhandlung stellt die Vergänglichkeit alles Irdischen in den Mittelpukt.

Ein weiterer Unterscheidungspunkt zwischen Gryphius und Heym liegt in dem Erfahrungswert. Gryphius läßt seine persönlichen Erfahrungen und Empfindungen völlig in den Hintergrund treten, läßt sie nur als beispielhafte Resonanz auf den barocken Ausspruch „Memento mori“ verstehen, wogegen Heym, nach den Normen des Expressionismus, soweit es sie gab, als Subjekt seine Empfindungen in den Mittelpunkt stellt, um Normen zu zerbrechen, um seinen individuelle Weg zu finden, mit dem er seiner Intention folgen kann. Jedoch muß man dabei die für den Expressionismus typische Ich-Dissonanz erkennen. Das lyrische Ich ist nicht mehr vorhanden. Heym überträgt seine eigene Befindlichkeit in die Sprache hinein. Bei Gryphius werde ich aber fündig. Das lyrische Ich wird als Erzähler erkennbar, wie es von der Barocklyrik gefordert wurde.

Mit den inhaltlichen und intentionalen Unterscheidungen der beiden Gedichte gehen auch formale Unterschiede einher. Das Gedicht „Threnen des Vatterlandes“ entspricht der Sonettform. Im Barock spielten die Regeln der überlieferten Rhetorik und Poetik eine herausragende Rolle, sind verbindlich für Gryphius. Mit der Vorbildrolle dieser poetischen Muster und Regeln erklärt sich der hohe rhetorische Charakter, zumal auf diese Weise die Absicht am wirkungsvollsten zu erreichen ist. Bei Heym kommt vor allem der Expressionismus zum Ausdruck. Seit dieser Epoche gibt es keine Norm mehr in der Lyrik, die man verletzen könnte, um auf neue Erfahrungen aufmerksam zu machen. Heym zerbricht alle vorangegangenen Normen und schafft damit eine neue Situation, Gryphius dagegen ist an das Sonett gebunden. Mit kühnen Metaphern versucht Heym ebenfalls die traditionelle Bilder- sprache zu zerstören. Zwar ist das Gedicht in zehn Strophen aufgeteilt und verfügt darüber hinaus auch über das Paarreimschema, jedoch ist diese Form lediglich ein Ausdruck seiner selbst. Der junge Expressionist bedient sich dieser Form, nicht der Regeln der Epochen we- gen, sondern um für sich selbst eine geeignete Darstellungsform zu finden. Gryphius nutzte das Sonett lediglich der Norm wegen, und diese verpflichtete ihn zu einer Gedichtform als Sonett mit dem traditionellen Alexandriner, dem sechshebigen Jambus mit Mittelzäsur. Auffällig ist an beiden Gedichten ebenfalls der Bezug zur Bibel. Sowohl Gryphius als auch Heym bedienten sich der Inhalte der Offenbarung des Johannes, in der die Zerstörung von Sodom und Gomorrah thematisiert wird. Dieses war vor allem in Barocklyrik ein übliches Verfahren. Die Themen wie die Stilfiguren entstammen oft den Vorlagen antiker Schriftsteller oder der Bibel. Diese Epoche war sehr religiös geprägt, so ist es nicht verwunderlich, daß Gryphius sich seines Wissens um die Thematiken der Bibel bediente, um auch die Menschen, die er mit seinem Gedicht erreichen wollte, zu fesseln und den Krieg als etwas von Gott gegebenes zu bewerten, damit die Leser nicht ihren Glauben an Gott verlieren, welches seine Intention ist. Heyms Bibelzitat ist auf persönliche Ängste zurückzuführen. Die gegenwärtige Bedrohung durch die Gesellschaft vermag er nur mit Hilfe dieses Mittels zu bewältigen, indem er sein Gedicht aus der poetisch verdichteten und ausgeformten Dynamisierung der Apokalypse darstellt. Diese Idee einer befreienden Vernichtung, eines in Bild gesetzten Sieges elementarer Lebensgewalt über alle lebensfeindlichen Kräfte der Gegenwart ist jedoch keine Katastrophenvision, welche religiös als Ausdruck menschlicher Schuld diente, sondern als Strafe für zivilisatorische Verhaltensmuster anzusehen ist. In der faszinierenden Projektion vom Untergang gestaltet das Gedicht sein Bild einer lebensbefreienden Überwindung, deren Sieg die rauschhaften Schlußstrophen ausgestalten. Heym hat also kein religiösen Hinter- grund zum Gebrauch der Offenbarung des Johannes; diese Lyrik der Apokalypse hilft ihm lediglich seine Vorstellungskraft einer Vernichtung zu unterstützen und das Gedicht somit für den Leser tiefsinniger und intensiver zu gestalten.

Beide Dichter beschreiben ebenfalls mit brutalen Worten den Krieg. Sie stellen ihn in seiner grauenhaften Realität dar. Nicht das Heldentum wird charakterisiert, sondern in Gryphius Gedicht die Sinnlosigkeit und in Heyms Gedicht die Notwendigkeit, jedoch nicht im Sinne des Wunsches eines Kriegsbeginns, eher im Sinne der Bildlichkeit, welche einen Neubeginn zulassen würde, um die Gesellschaft zu reformieren.

Durch Zeitadverbien im Gedicht „Threnen des Vatterlandes“ versucht der Barocklyriker ebenfalls das Unaufhörliche des Krieges zu veranschaulichen. Heym übersieht bewußt diesen Aspekt, da es für ihn in seiner Intention keine Rolle spielt, wie lange das Kriegselend andauert. Für ihn zählt allein die Tatsache, daß ein Krieg herrscht. Gryphius war selbst betroffen. Für ihn war es wie eine Qual, die immerwährend andauerte und nicht zu enden schien. Vor allem die Gewalt des Krieges und die Folgen, die er mit sich brachte, lassen die Ohnmacht des Dichters deutlich erkennen. Es ist für uns schwer nachzuvollziehen, wie die Lebensbedingungen zu dieser Zeit gewesen müssen, jedoch spiegeln die „Threnen des Vatterlandes“ die damalige Situation in totaler Zerstörung wieder. Heym konnte lediglich erahnen, welche Ausmaße ein solcher Krieg haben kann. Er greift nicht auf eigene Erfahrungen zurück.

Dem Expressionisten gelingt es trotz alledem, den Leser mit Bildern des Grauens zu fesseln. Hier stelle ich eine Kongruenz zu Gryphius fest, der mit seinen erzählenden Bildern ebenfalls diese unheimliche Zerstörungswut des Krieges beschreibt. Diese Brutalität führe ich auf die in beiden Gedichten beschriebene Abschlachtung der Menschen zurück. Diese Abschlachtung äußert sich in die Darstellung von strömendem Blut oder umher liegenden Leichen. Hierdurch wird besonders das barocke Lebensgefühl „Memento mori“ akzentuirt. Gryphius führt dem Leser bewußt diese Bilder vor Augen, um ihn an die Vergänglichkeit des Irdischen zu erinnern. Heym sieht es eher als Darstellung eines Wunsches, der jedoch so nicht real umgesetzt werden soll, sondern einen gesellschaftlichen Umschwung darstellt, bei dem , wie schon gesagt, die alte tradierte Form der Gesellschaft aufgelöst und eine neue erschaffen werden soll.

Der Barocklyriker strebt ebenfalls einen Umbruch an, den Umbruch des Glaubens. Er spricht in seinem Gedicht von dem Glaubensverlust, der durch den Krieg hervorgerufen wurde.

Gryphius appelliert nun an den Leser, daß er, obwohl es sehr schlimm für die Menschen ist Morde zu sehen, zu leiden, Zerstörungen zu ertragen und Greueltaten auszuhalten, an seinem Glauben festhält, weil dieser ihn stärkt.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Gryphius, Andreas - Threnen des Vatterlandes - Vergleich mit Georg Heym "Der Krieg" im Spiegel der Zeit
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V105608
ISBN (eBook)
9783640038961
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gryphius, Andreas, Threnen, Vatterlandes, Vergleich, Georg, Heym, Krieg, Spiegel, Zeit
Arbeit zitieren
Sonja Rustemeier (Autor:in), 2001, Gryphius, Andreas - Threnen des Vatterlandes - Vergleich mit Georg Heym "Der Krieg" im Spiegel der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105608

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