Die Mainzer Altstadt nach 1945: zwischen Verfall und Wiederaufbau


Hausarbeit, 2001

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Allgemeine Wohnraumsituation in Westdeutschland von 1945 bis in die Gegenwart

3 Die Mainzer Altstadtsanierung
3.1 Situation nach dem 2. Weltkrieg in Mainz
3.2 Mainz wird Landeshauptstadt: Der Wiederaufbau hat Priorität
3.3 Die Sanierung der südlichen Altstadt
3.3.1 Die südliche Altstadt als Wohn- und Lebensraum
3.3.2 Die südliche Altstadt als Aktionsraum nicht Ortsansässiger

4 Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Nach Ende des zweiten Weltkrieges 1945 herrschte in Deutschland akute Wohnungsnot, da 17% der Wohnungen des Vorkriegsbestandes zerstört waren. Der Zustrom von Flüchtlingen und Ausgewiesenen verstärkte dieses Problem. In einigen Großstädten der Bundesrepublik Deutschland betrug die Destruktion mehr als 50% (Schwarz 1981, S.44). Die Lösung dieses akuten Defizits stellte für Politiker, Städtebauer und Architekten demnach eine vordringliche Aufgabe dar. Erschwerend kam hinzu, dass viele Kommunen die fast unlösbare Aufgabe des Wiederaufbaus nahezu ausnahmslos aus eigener Kraft bewältigen mussten.

Dies betraf auch Mainz. In der gesamten Stadt waren 60% aller Bauten vernichtet worden (Dumont 1998, S.514). Der Wiederaufbau ging nur schleppend voran und zog sich über mehrere Jahrzehnte hin. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich nach kurzer Darstellung der gesamtwestdeutschen Lage mit den komplexen baulichen Problemen und deren Lösungen in Mainz. Der Schwerpunkt wird dabei auf den südlichen Teil des historischen Stadtkörpers gelegt. Anhand einer Projektstudie der Universität Mainz, die im Jahre 1990 erhoben wurde, wird zusätzlich die Veränderung der Sozialstruktur nach den Auf- und Neubaumaßnahmen unter Berücksichtigung einzelner Aspekte dargelegt.

Was im folgenden über Mainz gesagt wird, ist charakteristisch für viele deutsche Städte und deren Entwicklung von Kriegsende bis in die Gegenwart.

2 Allgemeine Wohnraumsituation in Westdeutschland von 1945 bis in die Gegenwart

1 1945 waren von den 1939 10,6 Mio. vorhandenen Wohnungen 2,25 Mio. zerstört worden. Die Situation nach Kriegsende lässt sich demnach mit dem Wort „Wohnelend“ auf den Punkt bringen.

Die Nachkriegsjahre zwischen 1945 und 1949 waren gekennzeichnet durch provisorische Maßnahmen. Mit Hilfe von Zwangsbelegungen und Einquartierungen wurde die Verteilung noch verfügbaren Wohnraums vorgenommen. Weiterhin galt es, Schutt und Trümmer zu beseitigen, um dann mit dem Wiederaufbau der vernichteten Wohnungen beginnen zu können (Schwarz 1981, S .44).

Die Kommunen beschränkten sich ab 1949 wegen der enormen Wohnungsnot, die ein Defizit von 5 Mio. Wohneinheiten ausmachte, weitestgehend auf die Schaffung von Neubauwohnungen. Wichtigste Aufgabe war es, Wohnraum mit möglichst einfachen Mitteln zu errichten. Aus diesem Grund baute man überwiegend Wohnparks außerhalb der Städte. Bis ins Jahr 1953 dominierte der Massen- mietwohnungsbau der gemeinnützigen Unternehmen, ab 1953 stand die vom Staat geförderte Eigentumsbildung im Vordergrund. Ausführungen

Ab der 60er Jahre unterlagen Altbau- und freifinanzierte Neubauwohnungen keinen staatlichen Bindungen mehr, was Mieterhöhungen seitens der Hausbesitzer ermöglichte. Dies sollte zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit von Privateigentum führen. Damit war eine der Vorraussetzungen für die Sanierung der Altbauten durch mehr Privatkapital geschaffen worden. Ab 1961 stellte die Sanierung des Altbaubestandes den neuen Schwerpunkt des Bundes in der Wohnungspolitik dar; sozialer Wohnungsbau, Eigentumsförderung und Altbausanierung waren nahezu gleichberechtigt.

In den kommenden Jahren bekam Privateigentum und privatwirtschaftlicher Wohnungsbau einen immer höheren Rang. Man ging zu einer stärkeren marktwirtschaftlichen Organisation von Wohnungsproduktion und -verteilung über, während der öffentlich geförderte Wohnungsbau immer mehr an Bedeutung verlor (Häußermann/ Siebel 2000, S. 145).

3 Die Mainzer Altstadtsanierung

Der Zweite Weltkrieg hinterließ Stadtplanern, Städtebauern, zuständigen Behörden und kommunalpolitischen Institutionen im Mainzer Zentrum zwei strukturell recht verschiedene Teilbereiche. Das nördliche Stadtzentrum war durch Bombenangriffe fast völlig zerstört worden, während der südliche Teil der Altstadt nahezu unversehrt blieb. Aufgrund dessen ergab sich die Notwendigkeit, zwei völlig unterschiedliche planerische und bauliche Maßnahmen zu ergreifen. So musste im nördlichen Teil der Stadt dringend mit dem Wiederaufbau begonnen werden. In der anderen Hälfte hingegenwar man gezwungen, die erhaltene Altbausubstanz den Ansprüchen moderner Urbanität anzupassen. Durch das Zuziehen vieler alleinerziehender Mütter und Flüchtlinge erfolgte ein Wandel in der Familienstruktur, was eine Anpassung des Wohnraums an die neuen Verhältnisse bedingte (Hildebrandt 1977, S. 37).

Bei der Altstadtsanierung nahm die Stadt Mainz bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Noch vor Inkrafttreten des Städtebau- förderungsgesetztes 1969 wurden ihr Bundesmittel für die Sanierung des zum Teil mittelalterlichen Altstadtkerns genehmigt (Hildebrandt 1977, S. 37f).

Das folgende Kapitel untersucht die allgemeine Wohnraumsituation in Mainz nach dem Zweiten Weltkrieg und während ihrer Ernennung zur rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Anschließend wird speziell auf die Sanierung der südlichen Altstadt eingegangen.

3.1 Die Situation nach dem 2. Weltkrieg in Mainz

Nach dem Bombardement in den Nächten zum 12. und 13. August 1942 und dem Nachmittagsangriff am 27. Februar 1945 waren 60% der Bausubstanz im gesamten Mainz und 80% im Zentrum der Stadt zerstört worden (Dumont 1998, S. 514). Während den Bombardierungen und dem anschließenden Flächenbrand wurde nahezu der gesamte Altstadtkern zwischen Ludwigsstraße, Schillerstraße, Großer Bleiche und dem Rhein vernichtet. Schwer beschädigt waren fast alle Kirchen der Innenstadt sowie sämtliche mittelalterliche und barocke Profanbauten in der nördlichen Hälfte der Altstadt. Das Gebiet um die Augustinergasse wies vergleichsweise nur geringe Schäden auf (Kreth/ Waldt 1977, S. 17).

Um ein vollständiges Bild vom Ausmaß der Zerstörungen in der linksrheinischen Stadt Mainz zu erhalten, werden im folgenden Zahlen aus einem 1966 erschienen Aufsatz, verfasst von dem damaligen Mainzer Oberbürgermeister Jockel Fuchs, genannt: Von 40181 Wohnungen waren im Mai 1945 nur noch 2708, das sind 6,7% des Vorkriegsstandes, unversehrt. 46% der Wohnungen waren total, 47,3 Prozent teilweise zerstört.2

Als Ende Juli 1945 die französische Besatzungsmacht die Amerikaner im linksrheinischen Teil von Mainz ablöste, änderte sich städtebaulich zunächst wenig. Die Beseitigung von 1,8 Mio. Tonnen Schutt- und Trümmermassen hatte weiterhin höchste Priorität. Begonnen an den Rändern der Neu- und Altstadt schritt sie langsam ins Stadtinnere vor. In gleicher Richtung erfolgte der Wiederaufbau der Stadt Mainz, allerdings nur zögerlich, da nach Einbeziehung der rechtsrheinischen ehemaligen Vororte in die amerikanische Besatzungszone ihre Gewerbeflächen und damit wichtige Steuereinnahmen genommen worden waren (Falck 1984, S. 25).

Ein weiteres Problem stellte das zerstörte Straßenverkehrsnetz in Mainz dar. Um den Verkehr wieder in Bewegung zu setzen, waren die großen Rahmenstraßen rund um den Stadtkern als erstes von Schutt und Trümmern befreit worden. Hier konnte der Wiederaufbau demnach sehr früh beginnen. Schon in den ersten Jahren nach dem Krieg waren im Rahmen des französischen Aufbauprogramms einige der barocken Profanbauten instandgesetzt worden (Kreth/ Waldt 1977, S. 20).

3.2 Mainz wird Landeshauptstadt: der Wiederaufbau hat Priorität

Die Übersiedlung der neuen Landesregierung Rheinland-Pfalz im Jahre 1950 von Koblenz nach Mainz beeinflusste den Wiederaufbau der Stadt positiv. Regierung und Landtag zogen in die barocken Gebäude der einst kurfürstlichen Residenz am Rheinufer und am Schillerplatz ein, die zu diesem Zweck restauriert wurden. Als diese den wachsenden Verwaltungen flächenmäßig nicht mehr ausreichten, bestimmte man den Bereich zwischen der Großen Bleiche und der Kaiserstraße zum Sitz der Staatskanzlei und der Ministerien. Dort bildete sich nun ein Kreis von modernen Gebäuden. In den 50er Jahren konzentrierten sich die städtebaulichen Maßnahmen überwiegend in diesem nordöstlichen Gebiet der Innenstadt (Kreth/ Waldt 1977, S. 22). Das erste Wohnungsbaugesetz von 1950 schuf den Rahmen für einen zügigen Neubau durch hohen Einsatz öffentlicher Mittel und unter Einschaltung privaten Kapitals.

In den ersten 20 Jahren nach Kriegsende konzentrierten sich die Stadtplaner demnach vorrangig auf den Wiederaufbau der Innenstadt, auf die Ausdehnung der Industrie im linksrheinischen Teil von Mainz und die Erschließung von neuen Wohnbereichen am Stadtrand (Hildebrandt 1977, S. 37).

3.3 Die Sanierung der südlichen Altstadt

1968 wurde die Mainzer Altstadtsanierung „von der Bundesregierung als förderungswürdiges Studien- und Modellvorhaben anerkannt“ (Hildebrandt 1977, S. 37). Im Jahre 1971 konnte mit der Sanierung der südlichen Altstadt, die in ihrer Bausubstanz wegen des vorrangigen Wiederaufbau vernachlässigt und enorm herabgekommen war, begonnen werden. „ Der Sanierungsbereich [...] erstreckt sich im SO der Mainzer Innenstadt vom Dombezirk bis zum Südbahnhof.“ (Hildebrandt 1977, S. 38). Teilweise folgte man dem Leitbild der Flächensanierung und brach nicht nur enge Hinterhofbebauung, sondern auch historische Bausubstanz ab. Mit dem Städtebau- förderungsgesetz von 1971 setzte sich jedoch die Einsicht durch, „dass nur eine Objektsanierung und eine deutliche Verringerung des Autoverkehrs dem Viertel angemessen seien.“ (Dumont 1994, S. 552). Zahlreiche Bauten wurden im Inneren modernisiert und ihre Fassaden instandgesetzt. Insbesondere den Bereich am Kirschgarten wertet man städtebaulich erheblich auf. Von Mitte der 70er Jahre an war eine spürbare Hinwendung zur Erhaltung und Restaurierung denkmalwerter Substanz zu beobachten.

Im folgenden werden anhand einer im Jahre 1990 erarbeiteten Projektstudie des Geographischen Instituts der Johannes-Gutenberg- Universität Mainz die Veränderungen der Sozialstruktur der südlichen Altstadt nach den Sanierungsmaßnahmen dargelegt. Diese Studie zum Thema „Zwischenbilanz der Mainzer Altstadtsanierung“ stützt sich im besonderen auf selbstentwickelte Befragungen der Bewohner seitens der Arbeitsgruppe und auf die Volkszählungen in den Jahren 1970 und 1987. Sie ist in drei Teilbereiche untergliedert:

1. Die Altstadt als Wohn- und Lebensraum
2. Die Altstadt als Geschäftsstandort
3. Die Altstadt als Aktionsraum für nicht Ortsansässige

Die Gliederungspunkte 1. und 3. werden hier weitestgehend übernommen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem sogenannten Teil A des Sanierungsgebietes, da dieses Gebiet bis 1990 schon saniert worden ist. Es handelt sich um ein Feld, das vom Stadtrat 1971 festgelegt wurde und 17,7 ha von insgesamt 23 ha Sanierungsbereich der südlichen Altstadt umfasst.

3.3.1 Die südliche Altstadt als Wohn- und Lebensraum

3 Nach den Volkszählungen im Jahr 1987 zeigte sich, dass die Bevölkerungszahlen in der südlichen Altstadt aufgrund der Sanierungsmaßnahmen einen Verlust von -41% aufwiesen. Dies ist eine recht hohe Zahl im Vergleich zu den durchschnittlichen innerstädtischen Abnahmen von -33%. Allerdings wuchs auch hier, wie im gesamten Innenstadtbereich, die Zahl der Haushalte, denn vergleichbar mit der ganzen Stadt zeichnete sich die Abkehr von den traditionellen Familienstrukturen ab. Tendenziell entwickelten sich nun mehr Einzelhaushalte. So nahm die durchschnittliche Haushaltsgröße im Teil A von 2,1 auf 1,9 Personen ab.

Zusätzlich dazu war eine Alterssteigerung zu erkennen. 1970 betrug das durchschnittliche Alter der Wohnbevölkerung im südlichen Gebiet der Altstadt 41,3, 1987 43,2 Jahre. Erklären lässt sich diese Tatsache anhand von vier Phänomenen: Es existieren einige Altenwohnstätten im sanierten Gebiet, die Gesamtbevölkerung wird immer älter, es besand ein hoher Anteil an Verwitweten im Altbaugebiet, und aufgrund der Sanierungsmaßnahmen wurde das Wohnen für z.B. Studenten oder Familien mit Kindern in diesem Bereich zu teuer. Daraus ergibt sich wiederum, dass sich die Anzahl der Studenten, Ledigen und Berufsanfänger seit 1977 in diesem Gebiet kaum erhöht hat.

Im gesamten Mainz ist der Ausländeranteil von 4,8% (1970) auf 10% (1987) angestiegen. Diese Erhöhung ist noch stärker im sanierten Altstadtbereich zu beobachten. Hier hatte sich die Zahl der Ausländer mehr als verdoppelt. Die Erklärung für dieses Phänomen beruht darauf, dass die viele Ausländer in den noch nicht sanierten Gebäuden wohnten. Sie bildeten überdies eine Gruppe, die immer noch auf einfache Wohnungsstandards angewiesen war. Die gleiche Erscheinung lässt sich beim Lebensunterhalt beobachten. In diesem Gebiet ist die Zahl der Arbeitslosen, Rentner und Sozialhilfeempfänger im Vergleich zum Durchschnitt der gesamten Stadt angestiegen. Damit wurde hier ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Stadtteilen eingenommen. Bezieht man diese Gruppe allerdings auf das Alter, so wird deutlich, dass es fast ausschließlich die Rentner waren, die den größten Anteil in diesem Bereich stellen.

Aus dem bereits erwähnten relativ hohen Durchschnittsalter begründet sich auch der leichte Rückgang der Erwerbstätigkeit der Bewohner. Eine verbesserte Sozialstruktur zeigte das Gebiet A allerdings dadurch, dass die Zahl der Angestellten und derer mit höheren Schulabschlüssen angestiegen ist, und sich damit den Durchschnittswerten der gesamten Stadt Mainz näherte.

Die Wohnungsstandards der Altstadtwohnungen vor und nach der Sanierung werden anhand der vorliegenden Tabelle dargestellt, welche sich aus einer Befragung der Altstadtbewohner im Juni 1990 und den Auswertungen der Volkszählungsergebnisse von 1970 und 1987 ergab. Neben den objektiven Veränderungen der Altstadt als Wohn- und Lebensraum stellte man auch Umschwünge im bewerteten Urteil der Bewohner fest. Die Befragten unterteilte man in zwei Gruppen. Als Gruppe 1 wurden die langjährigen und als Gruppe 2 die nach der Sanierung zugezogenen Altstadtbewohner benannt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(1): ohne Küche und Bad; (2): als eigener Raum

Die Sanierung konnte hinsichtlich des Ausstattungsstandards der Altbauwohnungen diverse Verbesserungen, vor allem bei der Zentralheizung, den Isolierfenster und den sanitären Einrichtungen erreichen. Dementsprechend besaßen 84% der befragten Haushalte eine modernisierte Wohnung. Einzige Kritik, die wenige Bewohner der Altstadt übten, lag im Mietniveau, das Gruppe 1 als besonders hoch einschätzte und das als Folge der Sanierungsarbeiten auftrat. Ansonsten waren die Bewohner weitestgehend zufrieden und bewerteten ihre Wohnsituation insgesamt als positiv.

Ebenso wurde das Wohnumfeld meist als sehr zufriedenstellend bewertet. Dazu wird im folgenden eine Tabelle vorgelegt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

( +, - , = jeweils im Vergleich zu früheren Wohnung bzw. zur Wohnung vor der Sanierung)

Das Wohnumfeld beurteilten 83% der befragten Altstadtbewohner mit der Note 1 (sehr gut) oder 2 (gut) . Bequeme und gute Einkaufmöglichkeiten, das kulturelle und gastronomische Angebot, die optischen Veränderungen sowie das Nachtfahrverbot waren Gründe für diese positive Bewertung. Beanstandet wurde jedoch von den meisten Bewohnern jedoch die Lärmbelästigung, welche angesichts der Gastronomie und des Verkehrs in der Altstadt bestand. Letzteres führte zu belastender Schadstoffemission und Luftverschmutzung. Als unbefriedigend wurden zudem die wenige Begrünung und unzureichende Parkmöglichkeiten empfunden.

Auffällig ist, dass Gruppe 2 die Erreichbarkeit von Schule bzw. Kindergarten, die Verkehrsanbindung via Pkw sowie die Spielplätze wesentlich schlechter beurteilte als Gruppe 1. Die Attraktivität des Wohnumfeldes wurde von ihr jedoch besser bewertet. Dies lässt annehmen, dass das frühere Wohnumfeld von Gruppe 2 außerhalb der Altstadt in diesen Punkten Vorzüge aufwies. Die beiden Gruppen zeigen ansonsten sehr ähnliche Bewertungen.

(Gormsen 1990, S. 7-24).

3.3.2 Die südliche Altstadt als Aktionsraum nicht Ortsansässiger

4 Die Mainzer Altstadt ist ein beachtlicher Aktionsraum für Besucher innerhalb der gesamten Stadt. Zur Verdeutlichung dient die folgende Tabelle, die das Passantenaufkommen in der Schusterstraße und im Kreuzungsbereich Augustinergasse/ Grebenstraße/ Kirschgarten aufzeigt. Im ersten Fall wurden die Fußgänger, die sich in Richtung Dom bewegten, gezählt. Im zweiten Fall erfasste man alle Passanten, die sich entweder in Richtung Dom oder in Richtung Südbahnhof bewegten getrennt voneinander.

Anhand der obigen Tabelle lässt sich erkennen, dass der neuere Innenstadtbereich besonders in den Haupteinkaufszeiten genutzt wurde, während das Altstadtgebiet keine Extremwerte an Besuchern aufwies. Hier ergaben jedoch die Zählungen, dass die insgesamt 10309 Passanten in der Innenstadt um durchschnittlich 1000 in der Altstadt übertroffen wurden. Als Gründe für die geringfügigen Passantenzahlen in den Haupteinkaufszentren der Stadt außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten lassen sich „die Monofunktionalität, die geschäftezeitorientierten Öffnungszeiten der hier ansässigen Gaststätten sowie die weitgehende Verdrängung der Wohnfunktion“ (Gormsen 1990, S.61) anführen.

Die Hauptbesuchszwecke der Altstadt lassen sich weitestgehend auf zwei Funktionen reduzieren. Zum einen diente die Altstadt als Einkaufs- ort, egal für welchen Sektor und zum zweiten die Altstadt als Vergnügungsviertel. Dabei wurde die jeweilige Funktion meistens mit einem Bummel durch die alten Passagen verknüpft. Die ca. 30% der Besucher, welche die Altstadt für Einkäufe nutzten, gaben ihr Geld der Reihenfolge nach für Bekleidung, Geschenke bzw. Kunstgewerbliches, Bücher und Schallplatten, Nahrungsmittel, spezialisierter Bedarf, Drogerieartikel, Kopien und Papierwaren und sonstigem aus.

42,7% besuchten die Altstadt wegen ihrer Funktion als Vergnügungsort. Dabei waren die Gaststätten, egal ob Bierlokale, Cafés, Weinstuben, Stehpizzerien oder Kebabstuben vorrangiges Ziel.

Bei einer Befragung bewerteten drei Viertel der Passanten die sanierungsbedingten Umgestaltungen der südlichen Altstadt als Verbesserung. Die allgemeine Attraktivität wurde im Durchschnitt mit der Note gut versehen. (Gormsen 1990, S. 37-61).

4 Schluss

Insgesamt zeichnet sich ein positives Bild des sanierten Altbaugebietes ab. Die Bewohner im südlichen Altstadtbereich sind meist zufrieden mit den durch die Sanierungsarbeiten geschaffenen Veränderungen, was vor allem auf die Modernisierung der Wohnungen zurückzuführen ist. Gründe sind des weiteren die Attraktivität des Wohnumfeldes. Dazu gehören die gute Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen jeglicher Art, das breitgefächerte gastronomische Angebot, sowie die Altstadtatmosphäre an sich. Trotzdem muss an dieser Stelle betont werden, dass eine Kommunikation der Bewohner untereinander, so wie sie früher in vielen Altstadtgebieten herrschte, in der heutigen mobilen Gesellschaft nicht entstanden ist. Durch die Sanierung konnte kein intensives soziales Beziehungssystem im Wohnumfeld erreicht werden. Es handelt sich hier also um einen immer noch konfliktträchtigen Bereich, der in diesem Fall durch den Strukturwandel hervorgerufen wurde. Die damit verbundenen Unterschiede zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Haushalten, die Differenzen zwischen Alt und Jung, welche mit verschiedenen und manchmal nicht miteinander zu vereinbarenden Interessenlagen einhergehen, sind Beispiele für diese Schwierigkeiten. Als besonders problematisch müssen daneben die Auseinandersetzungen zwischen der Wohnbevölkerung, dem Gaststättenwesen und dem Verkehr aufgeführt werden, welche immer wieder zu selektiven Zu- und Abwanderungen bestimmter Bevölkerungsgruppen führen. Somit ändert sich die Sozialstruktur in diesem Bereich häufiger als in anderen Stadtgebieten.

Daneben gibt es noch eine andere unerfreuliche Seite der Mainzer Altstadtsanierung. Die teuren Renovierungsarbeiten ließen die Mieten in die Höhe schnellen, weshalb viele ehemalige Bewohner nicht mehr in ihrer Häuser zurückgekehrt sind. Jedoch lässt sich die Behauptung aufstellen, dass sich neben den oben aufgeführten Attraktivitätsgründen, die Sanierung auch aufgrund der einsetzenden sozialen Durchmischung gelohnt hat. Die immer noch relativ hohe Anzahl an Rentnern, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen hat nicht verhindert, dass sich die Erwerbsstruktur, das Bildungsniveau, die Haushaltsgröße und die Bevölkerung nach Familienstand dem allgemeinen städtischen Durchschnitt angepasst hat.

Literaturverzeichnis:

Conradi, Peter/ Zöpel, Christoph 1994: Wohnen in Deutschland. Not im Luxus, Hamburg: Hoffmann und Campe, S.81-130

Dumont, Franz 1994: Landeshaupt- und Universitätsstadt (1945/46 - 1997), in: Dumont, Franz/ Scherf, Ferdinant/ Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Geschichte der Stadt, Mainz: Verlag Philipp von Zabern, S. 513-524

Falck, Ludwig 1984: Mainz ehemals, gestern, heute. Eine Stadt im Wandel der letzten 60 Jahre, Stuttgart: J.F. Steinkopf Verlag, S. 23-27

Gormsen, E. (Hg.) 1990: Zwischenbilanz der Altstadtsanierung in Mainz. Projektstudie einer Studentengruppe des geographischen Instituts, Mainz: Geographisches Institut der Universität Mainz, S. 7-65

Häußermann, Hartmut/ Siebel, Walter 2000: Soziologie des Wohnens. Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens, 2. überarb. Aufl., Weinheim und München: Juventa Verlag, S. 145-178

Hildebrandt, Helmut 1977: Die Mainzer Altstadtsanierung. Strukturdaten - Ziele - Probleme, in: Domrös, M. u.a. (Hg.): Mainzer geographische Studien. Mainz und der Rhein-Main-Nahe- Raum, Heft 11, S.37-50

Fuchs, Jockel eff/ Wiedenroth, Wolf (Hg,): Echo aus Deutschland. Zeitschrift für ausländische Fach- und Führungskräfte, Nr. 8, Mainz , Stuttgart, S. 12-15

Kreth, Rüdiger/ Waldt, Hans-Otto 1977: Die Entwicklung der funktionalen Struktur des Mainzer Stadtzentrums im Zuge des Wiederaufbaus nach 1945, in: Domrös, M. u.a. (Hg.): Mainzer geographische Studien. Mainz und der Rhein-Main-Nahe-Raum, Heft 11, S. 17-23

Schwarz, Winfried 1981: Der Mietwohnungsbau seit 1945, in: Brech, Joachim (Hg.): Wohnen zur Miete. Wohnungsversorgung und Wohnungspolitik in der Bundesrepublik, Weinheim: Beltz, S. 44-66

[...]


1 Die Ausführungen dieses Kapitels beziehen sich weitestgehend auf ein Werk von Conradi und Zöpel mit dem Titel „ Wohnen in Deutschland. Not im Luxus“. Der ausführliche Quellenhinweis findet sich im Literaturverzeichnis.

2 Die genannten Zahlen sind aus einem Aufsatz mit dem Titel „Mainz als Beispiel eines Wiederaufbaus“ von Jockel Fuchs aus der Zeitschrift „Echo aus Deutschland“ entnommen. Der ausführliche Quellenhinweis findet sich im Literaturverzeichnis.

3 Die Ausführungen dieses Kapitels befinden sich in der oben genannten Projektstudie der Universität Mainz unter der Leitung von Prof. Dr. Gormsen. Sie beziehen sich auf die Seiten 7-24 dieser Arbeit. Der ausführliche Quellenhinweis findet sich im Literaturverzeichnis.

4 Die Ausführungen dieses Kapitels befinden sich in der oben genannten Projektstudie der Universität Mainz unter der Leitung von Prof. Dr. Gormsen. Sie beziehen sich auf die Seiten 37-61. Der ausführliche Quellenhinweis findet sich im Literaturverzeichnis.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Mainzer Altstadt nach 1945: zwischen Verfall und Wiederaufbau
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Wohnen: Gesellschaftliche Unterschiede und sozialer Wandel
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V105592
ISBN (eBook)
9783640038817
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mainzer, Altstadt, Verfall, Wiederaufbau, Wohnen, Gesellschaftliche, Unterschiede, Wandel
Arbeit zitieren
Nina Nick (Autor:in), 2001, Die Mainzer Altstadt nach 1945: zwischen Verfall und Wiederaufbau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105592

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