Die Deutschen im Nationalitätenstreit in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918


Referat (Ausarbeitung), 2001

10 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1., Die Bevölkerungsentwicklung
- Österreich

Die natürliche Bevölkerungsvermehrung
Die Wanderbewegung
- Ungarn
Die natürliche Bevölkerungsvermehrung
Die Wanderbewegung

2., Wirtschaft und Gesellschaft
- Österreich
Land- und Forstwirtschaft
Gewerbe, Industrie und Handel
Der Mittelstand
Das Großbürgertum
- Ungarn
a) Das Bürgertum
b) Das Bauerntum
c) Handwerker, Industrielle und Industriearbeiterschaft

3., Die Wünsche der Nationalitäten

4., Der Sprachenstreit mit den Tschechen

5., Das Ende

Unter allen Nationalitäten bildeten die Deutschen stets die größte Gruppe, wobei sie aber weder in Österreich noch in Ungarn je die absolute Mehrheit innehatten. Prozentuell ausgedrückt belief sich der Anteil der deutschen Bevölkerungsgruppe auf ca. 24 Prozent.

1. Die Bevölkerungsentwicklung

- Österreich:

- Die natürliche Bevölkerungsvermehrung:

Die Wachstumsrate der Deutschen war geringer als die der übrigen Nationalitäten in der Monarchie.1 Sie war bis in die 60er Jahre des 19. Jhdt relativ groß, erreichte in den Jahrzehnten 1870 bis 1890 die niedrigsten Werte und nahm dann bis 1910 wieder zu. Von 1870 bis zum Jahrhundertwechsel kam es in der Gegend um Böhmen auch durchaus vor, daß ein negativer Geburtenüberschuß vorlag, das heißt, das die Sterbeziffer über der Geburtenziffer lag. Gründe dafür waren: niedrige Heiratszahlen, geringere eheliche Fruchtbarkeit, große Säuglings- und Kindersterblichkeit und eine geringere Lebenserwartung der erwachsenen Bevölkerung. Diese Erscheinungen hängen unweigerlich sowohl mit Niedergang der handwerklich bestimmten Haustextilindustrie und den unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der neu entstehenden Fabriksindustrie zusammen, als auch mit der Frauen und Kinderarbeit und den unzumutbaren Ernährungs-, Wohnungs- und Sanitätsverhältnissen. Erst um die Jahrhundertwende wird der sozialen Frage mehr Aufmerksamkeit geschenkt, welche natürlich auch großen Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung hatte.

- Die Wanderbewegung

war bei der deutschen Bevölkerungsgruppe eher eine Binnenwanderung als eine Auswanderung, welche wirtschaftliche Vorteile gewisser Landesteile als Gründe hatte. Der Teil mit der größten Anzahl an auswandernden Personen war Tirol mit einer Gesamtzahl von 19 000 Personen in den Jahren 1846 bis 1869. Die beliebtesten Ziele bei der Auswanderung waren Deutschland und Nordböhmen va Sachsen und Preußisch-Schlesien aufgrund der höheren Löhne. Ein beliebtes Ziel war - und diese Tendenz nahm stetig zu - die USA wohin ab 1903 ca. 6000 bis 8000 österreichische Deutsche abwanderten. Eine der Folgen dieser durch wirtschaftliche Umstände veranlaßten Wanderbewegung war die räumliche Konzentration der Bevölkerung, die sogenannte Verstädterung mit all ihren sozialen Nachteilen der Arbeiterbevölkerung, welche ohnehin zum Großteil bekannt ist.

Ungarn:

Die Deutschen nahmen im transleithanischen Teil des Reiches nach den Magyaren und den Rumänen den drittgrößten Teil der Bevölkerung ein. In den Jahren 1880 bis 1910 sank der Anteil der deutschen Bevölkerungsgruppe ständig, obwohl die absolute Zahl stetig anstieg. Aber ab der Jahrhundertwende wurden auch die abs. Zahlen rückläufig.

- Die natürliche Bevölkerungsvermehrung:

Die Geburtenüberschußziffer ist annähernd zur restlichen Bevölkerung Ungarns gleich, wobei dies aber stetig abnimmt, da viele deutsche Familien mit der Zeit - egal ob im bürgerlichen oder bäuerlichen Stand - den Trend hin zu Ein- bzw. Zweikindersystem verfolgen.

- Die Wanderbewegung:

Die Krise der ungarischen Landwirtschaft, ungünstige

Besitzverteilung bzw. Bodenknappheit und soziale Diskriminierung, verbunden mit dem Bewußtsein von der Unabänderlichkeit dieser Zustände bestimmen schon ziemlich früh eine nicht geringe Zahl von Deutschen, ihre Heimat zu verlassen. Kann man in Ungarn zuerst eine Binnenwanderung erkennen, so ändert sich dies ab ca. 1880 zu einer regelrechten Auswanderung Richtung Slawonien. Dies wird dann zu einer regelrechten Massenauswanderung mit einer Gesamtzahl von 232 000 Deutschen, die zwischen 1899 und 1913 Ungarn verlassen. Der größte Teil davon sind aber nicht Industriebeschäftigte wie in der restlichen Bevölkerung Transleithaniens üblich, sondern hauptsächlich agrarische Arbeitskräfte. In Prozent ausgedrückt: Rund 17 Prozent Deutschen unter den Auswanderern steht ein Anteil von ca. 10 Prozent an der Gesamtbevölkerung gegenüber. Besonders dramatisch erscheint die zahlenmäßige Abnahme des Deutschtums in Budapest. Um die Mitte des 19. Jhdt besteht die einheimische Bevölkerung aus ca. 50 Prozent, wobei es aber 1880 nur noch 34 Prozent Deutscher in Budapest gibt. Ein weiterer Grund zur Abnahme der deutschen Bevölkerung im transleithanischen Teil neben der Abwanderung ist die Assimilierung. Ein Beispiel an der Sprache zeigt, daß im Jahre 1890 24,5 Prozent der Deutschen auch ungarisch sprechen so beläuft sich dies im Jahre 1910 trotz der Abnahme der Bevölkerung auf 38,3 Prozent.2

2. Wirtschaft und Gesellschaft

- Österreich:

- Land- und Forstwirtschaft:

Wie schon vorhin erwähnt, dominierte in weiten Bereichen des cisleithanischen Staatsgebietes noch immer die Land- und Forstwirtschaft, wenn auch nirgends mehr die vom agrarischen Bereich Lebenden mehr als die Hälfte aller Bewohner ausmachten. In einigen Bezirken aber, hier va in Nordböhmen betrug die Anzahl der Land- und Forstwirte nur noch um die 7 Prozent. Dies machten aber der Raum Wien und Niederösterreich wett, da dort noch mehr als 50 Prozent im Agrarbereich tätig waren, in Kärnten und der Steiermark sogar mehr als 80 Prozent. In den typischen Industriedörfern Böhmens besaßen die Fabriksarbeiter neben der starken Arbeit in der Industrie noch ein kleines Stück Land um ihr karges Haushaltsbudget zu entlasten.

Das landwirtschaftliche Hilfspersonal war hauptsächlich in den Alpenländern das sogenannte Gesinde, das in den Hofverband fest integriert war. Dieses Gesinde lebte in patriarchalischen Verhältnissen, ihre Lage war sicher nicht beneidenswert. Obwohl dieses System sicher im Rückgang war, muß gesagt werden, daß sich für die Knechte und Mägde die 1848 erfolgte Aufhebung des Untertanenverbands nicht bemerkbar machte. Sie blieben weiterhin in der hausväterlichen Gewalt des Hof- bzw. Gutsbesitzers unterstellt. Für sie gab es keine gesetzlich geregelte Arbeitszeit, keine Kranken- und Altenversicherung und nur einen beschränkten Unfallversicherungsschutz; die Belohnung war gering, selbst wenn man berücksichtigt, daß neben den Bargeldlohn Verköstigung und verschiedene Naturalien traten. In den böhmischen Ländern sowie in Kärnten dominierte die „freie“ Lohnarbeit, daß heißt, daß vorwiegend Taglöhner die Tätigkeiten auf den Höfen verrichteten. Eine weitere Beschränkung im Leben eines Knechts bzw. einer Magd war das Verehelichungsverbot. In Zahlen ausgedrückt: Noch 1900 waren in Kärnten von 47 609 sogenannten „landwirtschaftlichen Arbeitern“ bloß 2 189 verheiratet, von 20 622 Tagelöhnern hingegen 4563. Von gewissen Einschränkungen abgesehen ging es vielen Hilfskräften, die in ertragreicheren Gebieten ihren Dienst versahen, wie zum Beispiel in Oberösterreich, auf dem Ernährungssektor wesentlich besser als den Industriearbeitern, Tagelöhnern und Kleinhäuslern. Deshalb stellt sich nun die Frage - wenn man als Vergleich dazu die sozialen Mißstände im Industriesektor aufgreift - weshalb dann das Gesindewesen trotzdem ausstarb. Die Antwort darauf ist klar, denn die Menschen wollten frei sein und deshalb war das patriarchalische System nicht mehr zeitgemäß.

- Gewerbe, Industrie und Handel:

Unter den Rohstoffen spielten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kohle und Eisen eine wichtige Rolle. Vor allem die Braunkohleförderung Cisleithaniens nahm seit der Jahrhundertmitte einen beachtlichen Aufschwung, woran die Erschließung der im deutschen Sprachgebiet liegenden nordwestböhmischen Braunkohlenvorkommen großen Anteil hatte. Um 1850 entfielen immerhin rund 55 Prozent der Braunkohlenförderung auf die Alpen- und Donauländer, wo bis dahin die Wirtschaft im Übrigen sehr stark auf Holz als Energieträger gerichtet war. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs hat sich die Förderung in den Alpenländern verdreißigfacht, in den Ländern der böhmischen Krone aber verdreihundertfacht. Allerdings kam es gerade dort, also in Böhmen, zu einer massenhaften Zuwanderung tschechischer Arbeiter und ab der Jahrhundertwende als Folge sozialer Mißstände zu einer Abwanderung der Deutschen, was zu Folge hatte, daß der Bergbaubereich in Böhmen allmählich von den Tschechen dominiert wurde. Ähnlich stand es auch mit der Eisenindustrie in den böhmischen Ländern, nur die Steiermark und auch Kärnten blieben Beim Eisenabbau Vorreiter. Wenn auch in Böhmen die Zahl der Deutschen, die in der Eisen- und Stahlindustrie beschäftigt waren, auch um fast2/3 sank, so konnten sie ihre dominierende Position in der Eisenverarbeitung und in der Maschinenindustrie jedoch behaupten.

Das zahlenmäßige Schwergewicht lag bei der deutschen Industriebevölkerung bei den handwerklichen und kleingewerblichen Schichten, die während der zweiten Hälfte des 19. Jhdt weiter zunahmen. Wie bereits erwähnt war die schlechte soziale Situation der Arbeiter in der Industrie in Böhmen ein wichtiger Grund warum es dort zu einer Abwanderung kam. 1853 noch wurde die Zahl der Industriearbeiter Cisleithaniens auf 568 000 geschätzt, wobei sicher aber mehr als - davon Deutsche waren. Wie gesagt, besserte sich die soziale Lage der Arbeiterschaft nur langsam. Langzeitarbeitslosigkeit war ein ebenso verbreitetes Phänomen die Wanderungen zahlreicher Familien auf der Suche nach Arbeit. Es wanderten aber nicht nur ungelernte Arbeiter, die den Konjunkturschwankungen am ehesten ausgesetzt waren; gerade aus dem nordböhmischen Bereich sind auch viele Facharbeiter ins benachbarte Deutschland oder nach Wien gezogen, um dort besser zu verdienen. Der verstärkte Zustrom großer Bevölkerungsmassen (großteils aber nicht nur Tschechen) in die industriellen Ballungszentren schuf auf dem Wohnungssektor Probleme, die insgesamt gesehen nur unzureichend gelöst wurden. Der Wohnungsalltag bestand aus überfüllten und sanitätswidrigen Kleinstwohnungen, aus Untermieter- und Bettgehertum, aus Notquartieren auf Dachböden, in Kellern und anderen feuchten Räumen. Lange Arbeitszeiten, schlechte Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse führten nicht nur zur geistigen und seelischen Verelendung, sondern auch zu schweren gesundheitlichen Schäden bzw. zum vorzeitigen Tod. Als Beispiel: Von je 100 nordböhmischen Porzellanarbeitern litten 40 bis 42 an akuten oder chronischen Brustkrankheiten. In den Jahren 1869 bis 1873 hatten die Maler in der Porzellanindustrie eine durchschnittliche Lebenserwartung von 36 Jahren. In einigen Zweigen der Glasindustrie hielten die dort Beschäftigten die Arbeit gesundheitlich nicht länger als 15 Jahre aus, die überwiegende Mehrzahl starb also zwischen dem 30. Und 40. Lebensjahr. Zusammenfassend läßt sich das Ende unserer Periode Ausbruch so definieren: Die soziale Situation der Beschäftigten im Kleingewerbe , wo die Deutschen eher stark vertreten waren verschlechterte sich, während die Arbeiter in der Großindustrie von der Sozialgesetzgebung und den Ergebnissen ihrer eigenen gewerkschaftlichen Organisierung profitierten.

- Der Mittelstand:

Als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung hatte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jhdt eine neue soziale Schicht herausgebildet: die Angestellten. Diese unterschieden sich nicht so sehr in ihren materiellen Grundlagen als in ihrem subjektiven Empfinden, in ihrem Selbstbewußtsein und ihrem verstärkten Sozialprestige von der großen zahl der übrigen Lohnabhängigen. Sie waren unter den deutschen verhältnismäßig stark vertreten. Typische Angestelltenberufe waren: Wirtschaftsbeamte, Handelsangestellte, Büropersonal, leitende Angestellte in großen industriellen Unternehmen, Militärs in Offiziersränge, Lehrer, Journalisten und Redakteuren usw. usf.. Gemeinsam ist ihnen allen eine primär leitende und beaufsichtigende Funktion mit stärker geistiger als manueller Tätigkeit. Wenn also die Deutschen in diesem „Stand“ mit 54,1 Prozent gegenüber den Tschechen mit 19,8 Prozent überproportional stark vertreten waren, liegt damit ein Merkmal der Deutschen für die Dominanz im wirtschaftlichen und sozialen Bereich nahe.

- Das Großbürgertum:

Innerhalb der Industriebevölkerung bildeten natürlich auch bei den Deutschen die großbürgerlichen Unternehmer, Fabrikanten und Großhändler zahlenmäßig eine sehr dünne Schicht. In der weitaus überwiegenden Mehrzahl können diese Wirtschaftsführer den Deutschen zugerechnet werden. Stieg die zahl der deutschen Spitzenleute aus dem Wirtschaftsbürgertum später auch an, ändert das nichts daran, daß diese Schicht sehr schmal blieb und daß die ihr Angehörenden hauptsächlich in Wien, daneben in Teilen der böhmischen Länder und nur ganz sporadisch in den Alpenländern zu finden war. Ein großer Teil dieser Spitzenleute war aus Deutschland oder aus dem Westen Europas eingewandert; unter diesen spielte auch die Juden eine große Rolle. Von den bereits ansässigen Wirtschsaftstreibenden gab es nur wenige die bereits hier hinein geboren worden sind. Die meisten arbeiteten sich hoch und nahmen durchaus die Lebensform des Adels an. Da der Adel aus seiner Position als Politik- und Wirtschaftsführer konkurriert wurde, kam es zu einer regelrechten „Abhängigkeit“ der beiden Gesellschaftsschichten da sie in Ballungszentren wie z.B. in Wien doch ziemlich nahe beieinander lebten.

- Ungarn:

- Die Sozioökonomische Lage des Deutschtums:

a) Das Bürgertum:

Die Hauptursachen für den wirtschaftlich-gesellschaftlichen Zusammenbruch des Bürgertums der alten deutschen Städte in Nordwestungarn und in der Zips liegen in der Aufhebung der Zünfte, der Stagnation des Bergbaues und im Verfall der Kleinindustrie. Ein geringeres Ausmaß hat der wirtschaftliche Niedergang in westungarischen deutschen Städten wie Ödenburg und Preßburg. Die letzte Einnahmequelle des transleithanischen Bürgertums, der Weinbau, versiegt durch die in den siebziger Jahren auftretende Reblaus, die die Ernte zunichte macht. Um gesellschaftlich nicht abzusinken, beschreiten viele Söhne deutscher Bürgerfamilien die Beamtenlaufbahn oder wählen intellektuelle Berufe. Vom allgemeinen Niedergang bleiben nur die Bürger der jungen deutschen Städte in Südungarn verschont. Der Grund dafür ist, daß sich die Deutschen nicht in die ungarische ständische Gesellschaft eingegliedert haben, wie es in der nördlichen bzw. nordwestlichen Regionen der Fall war. Das wirtschaftliche Leben der Deutschen in Südungarn ist geprägt durch den Aufschwung des Weinhandels, sowie durch Gründung von Kreditanstalten, Industriegesellschaften und Zeitungen. Im Jahre 1910 ergab die Volkszählung für die im Handel und Kreditwesen 47 800 deutsche Beschäftigte, wobei davon 27 000 Juden waren, die sich allerdings zur deutschen Sprache bekannten. Eigentlich sehr viel, wenn man bedenkt, daß zur dieser Zeit die Personen israelitischer Konfession weniger als 10 Prozent der ganzen Bevölkerung ausmachte.

b) Das Bauerntum:

Im nordwestlichen Teil Oberungarns und in der Zips geht der wirtschaftliche Verfall des Bauerntums auf die zwischen 1879 und 1897 häufigen Mißernten und auf den Niedergang der Tierzucht zurück. Bedeutend günstiger ist die Lage deutscher Bauern in Westungarn. Denn hier gibt es deutschen Großgrundbesitz sowie wohlhabende deutsche Bauern. Entscheidend für die guten Lebensbedingungen eines Teiles der Bauern sind u.a. die gute Fruchtbarkeit des Bodens, die relative Intensität der Bewirtschaftung, der Weinbau, die Waldwirtschaft und schließlich die Nähe Wiens. Beim deutschen Bauerntum in Südungarn sind im Zeitraum von 1879 und 1897 zeitbedingte Veränderungen zu beobachten. So schafft die Aufhebung der Leibeigenschaft für die Bauern günstige Bedingungen. Hier besitzen sie - im Gegensatz zu den magyarischen, serbischen und rumänischen Bauern - größere Flächen und Boden von guter Qualität, ihre Landwirtschaft ist einträglich, ihre Viehzucht gut entwickelt, ihr Handel mit dem Süden bedeutend. Auf die günstigen Jahren nach dem Ausgleich folgen Agrarkrise und Naturkatastrophen. Eine Wandlung der bisherigen wirtschaftlichen Lage setzt ein. In der neuen Situation kommt es zur Intensivierung der Landwirtschaft, zum Ausbau landwirtschaftlicher Industriezweige, zur Entstehung von Milchgenossenschaften und zum Aufblühen der Geflügelzucht.

Vergleicht man die Zahlenangaben für die Besitzverhältnisse der deutschen Bauernschaft mit denen der anderen Nationalitäten, so ergibt sich ein sehr günstiges Bild: Das Deutschtum, das 7,9 Prozent der landwirtschaftlichen Bevölkerung Ungarns ausmacht, erreicht bei den Wirtschaften mit 11 bis 29 Hektar 14,6 Prozent, bei den Grundbesitzen mit 5 bis 11 Hektar 10,8 Prozent. Mit diesen Prozentzahlen der deutsche Anteil an den mittleren Besitzkategorien erheblich höher als der deutsche Anteil an der Agrarbevölkerung Ungarns.

c) Handwerker, Industrielle und Industriearbeiterschaft: Eine weitere bedeutende soziale Gruppe des Ungarndeutschtums stellen die Handwerker, Industriearbeiter und Bergleute dar. Diese Gruppe entspricht im Jahre 1910 einer Zahl von 244 000 Personen. Die relativ bedeutende deutsche Industriearbeiterschaft spielt dann in den ersten Jahrzehnten der ungarischen Arbeiterbewegung eine große Rolle und prägt deren Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert. Zwar reiht sich die Arbeiterbewegung vor allem beim Kampf um das allgemeine Wahlrecht in die gemeinsame Front der Nationalitäten ein, aber zum Aufschwung des deutschen Bewußtseins trägt sie nicht bei.

3., Die Wünsche der Nationalitäten

Der Wiener Hof hatte durch sein Nachgeben den Ungarn gegenüber vor allem die Einheit der Monarchie erhalten wollen. Die übrigen Volksgruppen waren jedoch leer ausgegangen und deshalb schwer enttäuscht.3 Sie wünschten sich eine ähnliche Regelung, wie sie Ungarn zugestanden worden war. Diesbezügliche Versuche wurden meist schon in ihren Ansätzen von deutschnationalen und magyarischen Kräften vereitelt, die den Verlust ihrer Vorrangstellung befürchteten. So entwickelten sich die Emanzipationsbestrebungen der Nationalitäten sehr schnell zu einem Kampf um die Macht im Staat, der schließlich in einen Kampf der Nationalitäten untereinander und gegen den Staat mündete. Die zentrifugalen Kräfte im Vielvölkerstaat - verstärkt durch die allgemeine tendenz zum Nationalismus - traten in den letzten jahrzehnten des Habsburgereiches immer stärker hervor: - Die Deutschen mussten nach dem Ausgleich erkennen, daß sie im eigenen Staat gegenüber den Slawen eine Minderheit darstellten. Nationalistische Kräfte, die zum Teil sogar für einen Anschluß an das Deutsche Reich eintraten waren beim Mittelstand un besonders in den gemischtsprachigen Gebieten sehr populär.

- Die Ungarn betrieben gegenüber den anderen Völkern in den Ländern der Stephanskrone einen Politik der Magyarisierung. Ein System von Zwangsmaßnahmen und Begünstigungen beraubte die Minderheiten ihrer Intelligenzschichte. Viele ungarische Intellektuelle forderten außerdem immer lauter die völlige Unabhängigkeit von Österreich. - Die Serben, Kroaten und Slowenen lehnten die magyarische Vormachtspolitik ab. Ihr Ziel war zunächst ein eigener Ausgleich bzw. die Gleichstellung mit Österreich und Ungarn im Zuge einer „trialistischen Lösung“ an Stelle des Dualismus. Vereinzelt wurde auch hier schon ein eigener Staat gefordert.

- Die Polen hofften auf die Wiedererstehung eines eigenen Staates. Die Ruthenen wollten sich mit den übrigen Ukrainern, welche in Südrußland lebten vereinigen. Die Rumänen strebten nach an einem Anschluß an das Fürstentum Rumänien und die Italiener wollten den Anschluß an das Königreich Italien.4

4., Der Sprachenstreit mit den Tschechen

Die Tschechen waren die Vorreiter im Nationalitätenstreit. Sofort nach dem Ausgleich meldeten sie ihre nationalen Forderungen an. 1871 sollten die sog. „Länder der Wenzelskrone“ eine ähnliche Stellung wie die Ungarn erhalten. Alles war schon vorbereitet (auch die Krönung Franz Josephs mit der Wenzelskrone), da legten sich die Ungarn und die Deutschliberalen quer. Franz Joseph gab nach. Nun forderten die Tschechen immer vehementer die Durchsetzung der eigenen Sprache im Unterricht und als Amtssprache bei den Behörden. Einen Höhepunkt erlebte der Sprachenstreit im Jahre 1897 durch die „Sprachverordnung für Böhmen und Mähren“ des Ministerpräsidenten Badeni. Diese Bestimmte die Doppelsprachigkeit für alle behörden und verlangte von den Beamten die kenntnis beider Sprachen, was die deutschen benachteiligt hätte, da sie im Gegensatz zu den tschechischen Beamten meist nicht zweisprachig waren. Stürmische Proteste der Deutschen folgten, Badeni mußte zurücktreten und die verordnung wurde wieder aufgehoben. Nun verstärkte sich abermals der Widerstand der Tschechen; man wollte nicht mehr Autonomie sondern gänzlich Unabhängigkeit.4

5. Das Ende

Einsichtige politische Kreise bemühten sich um die Lösung des Nationalitätenproblems. Der Brünner Parteitag der Sozialdemokraten machte 1899 den Vorschlag, Österreich in einen demokratischen Nationalitätenbundesstaat umzuwandeln. Der Rumäne Aurel Popovici schlug in seinem Buch „Die Vereinigten Staaten von Großösterreich“ die Umgestaltung Österreichs in sechzehn nationale Bundesstaaten vor. Die Vertreter einer föderalistischen Umbildung Österreichs setzten ihre Hoffnungen auf den Thronfolger Franz Ferdinand.

Dieser wollte den Dualismus zu einem Trialismus umgestalten: Die südslawischen Länder sollten ihre Selbstständigkeit nach dem Vorbild Ungarns erhalten. Seine Pläne mußten den Vertretern eines Großserbischen Reiches besonders gefährlich erscheinen - sie fielen 1914 mit dem Thronfolger unter den Schüssen serbischer Nationalisten in Sarajewo.

Quellenverzeichnis:

- Wandruszka/Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 - 1918 (1980)

- Scheucher/Wald/Lein/Staudinger, Zeitbilder 7² (1988)

[...]


1Wandruszka/Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 - 1918 (1980)

- Ungarn:

Die Deutschen nahmen im transleithanischen Teil des Reiches nach den Magyaren

2Wandruszka/Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 - 1918 (1980)

3Scheucher/Wald/Lein/Staudinger, Zeitbilder 7² (1988) 57

3Scheucher/Wald/Lein/Staudinger, Zeitbilder 7² (1988) 58

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Die Deutschen im Nationalitätenstreit in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz
Veranstaltung
Arbeitsgemeinschaft Rechtsgeschichte
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
10
Katalognummer
V105503
ISBN (eBook)
9783640037957
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Harte Arbeit
Schlagworte
Deutschen, Nationalitätenstreit, Habsburgermonarchie, Arbeitsgemeinschaft, Rechtsgeschichte
Arbeit zitieren
Christoph Marhann (Autor:in), 2001, Die Deutschen im Nationalitätenstreit in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105503

Kommentare

  • Gast am 15.5.2008

    Klasse.

    Klasse unglaublicher text!!!einfach super!das is so mega informativ.Ganz klar 1 mit sternchen!!ich verehre euch. macht unbedingt weiter so!

Blick ins Buch
Titel: Die Deutschen im Nationalitätenstreit in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden