Die Aborigines - Das Überleben eines Naturvolkes in früherer und heutiger Zeit


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

37 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort

2. Alter und Herkunft der Aborigines
2.1. Die Menschenrasse der Australiden
2.2. Einwanderungstheorien

3. Kulturreiche Vergangenheit
3.1. Die Mythologie der Traumzeit
3.1.1. Tanz, Gesang und Instrumente
3.1.2. Das Zusammenleben, die Gesellschaftsordnung sowie Sitten und Bräuche im Alltag der Aborigines
3.2. Die Kunst der Ureinwohner

4. Die Unterdrückung des Naturvolkes durch die Europäer
4.1. Die Invasion
4.2. Konsequenzen für das indigene Volk
4.3. Auflehnung gegen die europäische Fremdherrschaft
4.4. Das „Aborigines-Problem“
4.5. „The Stolen Generations“

5. Ein Volk kämpft um seine Anerkennung
5.1. Abschaffung des Kinderraubes
5.2. Forderung von Bürgerrechten
5.3. Wirtschaftliche Unterstützung
5.4. Die Olympischen Spiele 2000

6. Illustrationen

7. Begriffserklärungen

8. Anmerkungen

9. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Die Australischen Aborigines sind ein Naturvolk, das schon jahrtausendelang den australischen Kontinent bevölkert und mit seiner Kultur bereichert hat. Ausgehend von dem lateinischen Begriff „ab origine“ = „von Anfang an“ verwendeten an- fangs die Weißen, dann auch die Ureinwohner das Wort „Aborigine“ als einen Sammelbegriff für alle indigenen Australier. Häufig benennen sich die Ureinwoh- ner jedoch auch nach ihrer Heimatregion, wie zum Beispiel „Murri“ (Osten), „Koori“ (Südosten), „Nanga“ (Süden), „Nyungar“ (Südwesten), „Wonghi“ (Wes- ten) und „Yolngu“ (Norden). Alle Bezeichnungen lassen sich mit „Menschen“ beziehungsweise „Volk“ übersetzen.

Noch vor ca. 200 Jahren war den Europäern die Existenz dieses Naturvolkes un- bekannt und die „Terra Australis“, der vermutete Südkontinent, noch nicht ent- deckt. Bis zu dieser Zeit konnten die Aborigines ungestört mit der Natur in Ein- klang leben und eine komplexe Kultur einwickeln. Doch nach der Beanspruchung der „Terra nullius“ durch die Europäer bestand für die Aborigines die Gefahr der Ausrottung oder vollständigen Assimilierung, die der Weiße Mann vorantrieb. Mit dem Untergang von zahlreichen Stämmen ging auch ein Großteil der Kultur verloren und mit ihr die Identität und der Lebenswille der Aborigines. Obwohl sich heute die Verhältnisse für diese Menschen gebessert haben, ist das Volk der Aborigines eine immer noch benachteilige Minderheit in ihrem eigenen Land. (Mit 270.000 Einwohnern bilden sie nur etwa 1,5 % der Gesamtbevölkerung.)

Das Ziel dieser Ausarbeitung ist es, den Leser in einem geschichtlichen Rahmen über die heute nur noch teilweise bestehende Kultur der australischen Aborigines zu informieren. Außerdem sollen im Folgenden die Probleme der Aborigines, die durch den Konflikt zwischen Weißen und Ureinwohnern aufgetreten sind, ver- deutlicht werden. Die bis in die Gegenwart andauernden Lösungsversuche zur Verbesserung der Lebensumstände der Aborigines bilden den Abschluss.

„Verstehen können wir das Leben, wenn wir in die Vergangenheit blicken - aber leben müssen wir in der Zukunft.“2Paul Eipper

2. Alter und Herkunft der Aborigines

2.1. Die Menschenrasse der Australiden

Australien, „das Land der lebenden Fossilien“3ist eine der ältesten geologischen Landmassen. Es trennte sich - zusammen mit Tasmanien, Neuseeland und Neu- guinea - schon am Ende der Kreidezeit (vor ca. 60 Millionen Jahren) von Gond- wana, dem südlichen Teil des Urkontinentes Pangäa und bewahrte in seiner iso- lierten Lage zwischen Indischem und Pazifischen Ozean eine einzigartige Flora und Fauna. Stellvertretend hierfür sind die zahlreichen Beuteltierarten zu nennen, wie zum Beispiel das Känguruh, der Wombat und der Beutelwolf, die als „Proto- typen“ für die mindestens einhundertzwanzig Millionen Jahre später entstandenen Säugetiere gelten. Da in Australien die Vorfahren der Säugetiere unverändert exis- tieren prüften die Wissenschaftler, ob diese These auch auf die Menschen dieses Kontinents zutrifft.

Heute halten viele Archäologen und Anthropologen die Menschenrasse der Aust- raliden, der eindeutig die Aborigines zuzuordnen sind, für die älteste der Welt. Knochenfunde beweisen, dass sich das Aussehen der frühen Australiden kaum von dem der heutigen Aborigines unterscheidet - das Urvolk scheint sich, ähnlich der Beuteltiere, über Jahrtausende nicht weiterentwickelt zu haben. Eine hohe Statur und lange Gliedmaßen sowie die breite Nase, volle Lippen und lockiges, meist dunkles Kopfhaar waren und sind heute noch charakteristische Merkmale für die Menschenrasse Australide. Australien scheint somit ein „Museum der menschlichen Ursprünge“4zu sein und wird seinem oben erwähnten Beinamen gerecht. Doch wie alt sind die Aborigines wirklich?

Obwohl die Wissenschaft mit der Beantwortung dieser Frage noch ganz am An- fang steht, beweisen schon jetzt die neusten Forschungen des Anthropologen Alan Thorne der Universität von Canberra, dass der älteste bisher bekannte Mensch aus Australien stammt. Knochenreste einer Brandbestattung am Ufer des ost- australischen Mungo-Sees in New South Wales (gefunden 1974) ließen sich mit Hilfe einer neuartigen DNA-Analyse auf ca. 60.000 Jahre datieren. Daraus schlussfolgert der Forscher, „dass der ‚Mungo-Mann’ älter sei als alle bisher in Afrika gefundenen menschlichen Skelette.“5Der Archäologe Gurdip Singh ging sogar noch einen Schritt weiter: Er ließ in den 70er Jahren eine 72 Meter tiefe Bohrung am Lake George in den südaustralischen Tafelländern durchführen. Der gesamte Bohrkern spiegelt das Geschehen von 350.000 Jahren wider. Singh ent- deckte, dass die Menge an verbranntem Holz vor 120.000 Jahren plötzlich sprunghaft anstieg. Seine Erklärung hierfür sind die Aborigines selbst, die eine bewährte Jagdtaktik anwandten und Wald- bzw. Buschland anzündeten, um das Wild herauszutreiben.

Die Experimente und logischen Schlussfolgerungen der beiden Wissenschaftler verdeutlichen, dass sich das Alter der Australiden und damit der Aborigines- Kultur nur vage festlegen lässt. Zusammenfassend kann man lediglich sagen, dass die Aborigines noch vor 200 Jahren eines der ältesten noch intakten Naturvölker der Welt waren. Erst heute beginnt man diesen Wert schätzen zu lernen.

2.2. Einwanderungstheorien

Aufgrund ihres hohen Alters könnte man annehmen, dass sich das Volk der Abo- rigines in Australien vor langer Zeit entwickelt hätte. Die Anthropologen hinge- gen beharren auf einer Einwanderungstheorie: Ihrer Meinung nach können die Vorfahren der Aborigines nicht in Australien entstanden sein, weil anthropologi- sche Vergleiche von australischen Knochenresten mit Fundstücken auf dem asia- tischen Festland und der indonesischen Insel Java gemeinsame Merkmale in der Skelettform zeigen. Diese Übereinstimmungen stärken die These, die Aborigines seien von Nord-Westen nach Australien eingewandert. Während der letzten Kalt- zeiten bestand für die Menschen Südostasiens die Möglichkeit sich nach Süden auszubreiten und das australische Festland zu besiedeln, da durch die Eiszeit der Meeresspiegel stark zurückgegangen war und somit nur eine schmale Meerenge die asiatische Inselwelt vom australischen Kontinent trennte. Noch heute ist die Torres Straße (Abb. 1) eine nahe Verbindung zwischen dem nordaustralischen Kap York und Papua Neuguinea und es wird angenommen, dass die ersten austra liden Einwanderer unter anderem diese Meerenge mit seetüchtigen Bambusflößen überquerten (Abb. 2 ).

Computersimulationen zeigten, dass auch von der Insel Timor gestartete segel- lose! Flöße durch die vorteilhafte Strömung und die in der Regenzeit auftretenden Nordwest-Winde mühelos nach 8 - 10 Tagen das nordaustralische Festland errei- chen. Gründe für diese abenteuerliche Entdeckungsreise waren die Eiszeit und die damit verbundenen Völkerwanderungen in Richtung Süden. Der Lebensraum ver- kleinerte sich und mit ihm das Nahrungsangebot für die prähistorischen Volks- stämme. Und obwohl man das australische Festland nicht sah, so konnte man sich jedoch aufgrund von Rauchwolken, die durch spontan entstandene Buschfeuer teilweise bis zu 5 Kilometer in den Himmel aufstiegen, sicher sein, dass es exis- tierte.

Das reichhaltige Nahrungsangebot des tropischen Nordens und die Unbewohnt- heit Australiens veranlassten die Aborigines sich schnell auf dem gesamten Kon- tinent auszubreiten, bis nach Tasmanien, das zu dieser Zeit noch nicht durch die Bass - Straße vom Festland abgegrenzt war. Später, als der Meeresspiegel infolge der abklingenden Eiszeit wieder anstieg, wurde das Urvolk auf natürliche Art und Weise isoliert und konnte sich nicht mit anderen Rassen vermischen.

3. Kulturreiche Vergangenheit

3.1. Die Mythologie der Traumzeit

Das mythologische Denken der Aborigines folgt einer allumfassenden Kosmolo- gie, die jegliche Dinge auf Erden als voneinander abhängig und zusammengehörig begreift.

Der zentrale Begriff in ihrer Mythologie ist die „Traumzeit“ (Dreamtime), auch Altjeringa- , Tjurkurrpa- oder Palaneri-Zeit genannt. Sie markiert den Schöp- fungsmythos, der vor vielen Millionen Jahren den Anfang der Zeit bestimmte. Diese Schöpfungszeit symbolisiert, dass für die Ureinwohner jegliches Leben Teil eines Systems ist, in dem alle Einzelheiten miteinander in Verbindung stehen. Sie erweist sich als ein gewaltiges Geflecht von Beziehungen, die ins Leben gerufen wurden, als die großen, ewigen Ahnengeister, die in jener Zeit entstanden, sich erstmals regten. Am Anfang, als die Erde noch eine unscheinbare Ebene oder, wie einige Mythen besagen, mit Wasser bedeckt war, regten sich diese Schöpferahnen in zahllosen Gestalten und Formen und fanden sich in einer leeren, eintönigen Landschaft, sowie in dem wellenlosen Ozean wieder. Manche, z.B. die Riesen- schlangen drängten aus der Erde nach oben, schlängelten durch die Einöde und schufen jene Landschaft, wie sie heute existiert. Andere Ahnen stiegen vom Himmel oder aus dem Meer und begannen ihr Werk der Schöpfung, indem sie nicht nur die Dinge schufen, sondern diesen auch Namen gaben. Somit sind die Schöpferahnen für alles verantwortlich, was existiert, ebenso für Gesetze, Bräuche und Sprachen, welche die verschiedenen Stämme und Gemeinschaften der Abori- gines unterscheiden.

Die Traumzeit bildet zwar einen weit zurückliegenden Zeitabschnitt, dauerte aber gleichzeitig als spiritueller Quell der immer neuen Schöpfung an. Die Energie der Schöpferahnen (= Djang) beschworen die Aborigines deswegen an besonderen Djang-Stätten, an denen die Traumzeit gleichsam als steingewordener energeti- scher und lebensspendender Ort fortexistierte. Als wichtigste Traumzeit- Gottheit galt die Regenbogenschlange Wanambi. Sie wohnt noch heute auf dem Ayers Rock, den die Aborigines „Uluru“ („schattiger Platz“) nennen und als höchste Djang-Stätte verehren (Abb. 6).

An Djang-Stätten, wie dem Uluru, nahmen die Aborigines in Ritualen Kontakt zu ihren Ahnen auf, um den Durchbruch in die Traumzeit zu vollziehen. Der Felsen stand mythologisch im Mittelpunkt des Aborigine-Denkens: Seine gesamte materielle Beschaffenheit wurde auf Mythen aus der Traumzeit zurück- geführt. Sagenhafte Gestalten wie der kannibalische Echsenmann Linga oder das wilde Wesen Kulpunya trieben bei Uluru ihr Unwesen und zahlreiche blutige Kriege tobten an seinem Felsen. In Musik, Tanz, Zauberei und Totenkult wurden solche Geschehnisse über Jahrtausende von den Aborigines immer wieder nach- gespielt und nachgefühlt.

3.1.1. Tanz, Gesang und Instrumente

Die Tänze der Aborigines sind berühmt geworden. Sie dienten der Weitergabe mythologischen und spirituellen Wissens, erzählten auf pantomimische Art und Weise von den Abenteuern der Traumzeit-Wesen, von der Jagd oder der Frucht- barkeit und Erotik.

Zu bestimmten Anlässen konnten diese Tänze mehrere Tage und Nächte dauern. Durch ihren erzählerischen Charakter entwickelten sich diese Zyklen zu theatralischen Darbietungen mit ausgefeilter Dramaturgie.

Anlässlich der „corroborees“, solcher Tanzversammlungen, bemalten die Männer ihren Körper (Abb. 4 und 5) und ahmten in ihren Tänzen bestimmte Tiere oder das Spiel der Naturgewalten nach. Begleitet wurden die Tänze stets mit rituellen Gesängen und rhythmischer Musik, die vor allem mittels Holzstöcken und aneinandergeschlagenen Bumerangs, zum Teil auch mit Trommelinstrumenten, wie der bis zu zwei Meter langen Urbar-Baumtrommel, erzeugt wurde.

Bei diesen Tanzveranstaltungen und in Ritualen zur Heilung von Kranken kam außerdem das wohl bekannteste Instrument der Aborigines zum Einsatz: das Did- jeridoo (Abb. 8 und 9), eine lange, hölzerne, aus einem hohlen Ast hergestellte Basspfeife. Sie symbolisiert die männliche Energie, weshalb es Frauen verboten ist, darauf zu spielen. Für die Aborigines ist das Didjeridoo aber in Wirklichkeit eine Gottheit in und durch sich selbst, das erigierte Glied eines Ahnen, und es bestehen strenge, in Gesangsstrophen verschlüsselte Anweisungen, die gesungen werden sollen, wenn es angefertigt oder gespielt wird.

3.1.2. Das Zusammenleben, die Gesellschaftsordnung sowie Sitten und Bräuche im Alltag der Aborigines

Die Sozialstruktur der Aborigines war sehr komplex. Ein Stamm unterteilte sich in Sippen und Clans, in denen die Aufgaben der einzelnen Mitglieder klar defi- niert waren. Ein Clan bildete sich aber nicht nur nach seinen Verwandtschaftsbe- ziehungen, sondern auch durch das Bekenntnis zu ein- und demselben Urvorfah- ren, dem Totem.

Persönlicher Besitz war den Aborigines bis zum Siedlungsbeginn der Weißen unbekannt; ebenso kannten die Stämme keine offiziellen Häuptlinge oder Führer, die Kontrolle und Führung lag fast ausschließlich in den Händen der älteren Män- ner. Die in festgelegten Stammesterritorien umherstreifenden Gruppen trafen nur selten auf Fremde oder gar Feinde, so dass nicht Kraft und kämpferischer Mut den sozialen Rang bestimmten, sondern vielmehr Erfahrung, Klugheit und Scharfsinn bei der Lösung der Alltagsprobleme, die meistens im Aufspüren von Wasserlö- chern und guten Jagdgründen bestanden.

Die gesellschaftlichen Unterschiede waren jedoch durch Besitzlosigkeit und Feh- len des Herrschertums keineswegs aufgehoben, denn die männlichen und die weiblichen Welten waren streng getrennt und eine Rangordnung existierte sehr wohl: so herrschten Männer über Frauen und Alte über Junge. So erklärt es sich, dass die Frauen innerhalb der Aborigine-Clans die meisten Pflichten besaßen. Sie trugen auf Märschen den Großteil der Habe, gebaren und erzogen die Kinder, sammelten Essbares, sprich Früchte, Knollen, Kräuter und Samen, und bereiteten die Mahlzeiten. Trotzdem war die Arbeit der Frauen im Allgemeinen leichter und angenehmer als die der Männer, die unter erheblichen Leistungsdruck standen und nach einem langem Tag in brütender Hitze oft mit leeren Händen zurückkehrten. Gejagt wurde zumeist mit Speeren und Bumerangs.

Kam es zu Versammlungen innerhalb der Clans, dann besaßen die Frauen weder Rede- noch Stimmrecht. Einzig bei den Totemzeremonien spielten sie eine wich- tige Rolle.

Unter den Männern aber waren es die Älteren, denen die Privilegien zukamen: Ein älterer Mann durfte - als eine Art Altersvorsorge - mehrere junge Frauen besit- zen, während ein junger Mann sich bis zum dreißigsten Lebensjahr gedulden musste, ehe er überhaupt auf weibliche Gesellschaft hoffen durfte. Die jungen Mädchen wurden schon mit acht bis zwölf Jahren verheiratet. Die E- heschließung erfolgte formlos und ohne Zeremonie. Dafür waren die Kriterien, nach denen die Auswahl der passenden Braut getroffen wurde derart komplex, dass schon im Voraus ausgeschlossen werden konnte, dass zu nahe Verwandte heirateten.

Die herausgehobene Stellung/Ansehen der Alten ergab sich aus ihrer Weisheit und Erfahrung: Die Ältesten überlieferten die Mythologie und die Stammesgeset- ze, außerdem hatten sie die Autorität, in Notfällen und schwierigen Problemen die ausschlaggebende Entscheidung zu fällen. Des weiteren übten sie auch die Ge- richtsbarkeit aus, indem sie bei Streitigkeiten die Betroffenen anhörten und eine Strafe verhängten, wobei das Strafmaß bei besonders schweren Verbrechen oder Verrat, auch die Todesstrafe vorsah.

Im Gegensatz zu vielen anderen prähistorischen Kulturen kannten die Aborigines keinen Sonnen- oder Mondkalender. Auch über ein Zahlensystem verfügten sie nicht bzw. nur teilweise. Daher richtete sich das Ritualsystem nicht nach einer kalendarischen Zeiteinteilung, sondern nach einer anderen astronomischen Größe- den Sternen. So war die Stellung und Bewegung von Sternbildern genau bekannt und die Aborigines konnten aus dem Auftreten bestimmter Konstellationen die Zeiten für ihre Rituale herleiten. Zu den wichtigsten Riten gehört das Initiationsri- tual der Jungen. Sobald sich am Himmel ein bestimmtes Sternbild zeigte, hielten die Ureinwohner die Zeit für gekommen, ihre Jünglinge in die Stammesgesetze einzuweihen und sie durch eine heilige Zeremonie in die Welt der Männer aufzu nehmen. Dies äußerte sich, indem man den Knaben einer Art Hungerprobe durch Essensverweigerung unterzog und ihm, begleitet von einfacher Musik, die Legenden, Mythen und Stammesgeheimnisse vortrug. Den Höhepunkt der Zeremonie bildete ein schmerzhaftes Ritual, ein Blutopfer, das die Standfestigkeit der jungen Männer prüfte. Es bestand meistens in einer Beschneidung, dem Zufügen einer Wunde oder dem Ausschlagen eines Zahnes.

In allen Angelegenheiten, die weibliche Fruchtbarkeit betreffen, wie Menstruation, Schwangerschaft und Geburt, halfen und unterstützten sich die Frauen gegenseitig. Es gab geheime Gesänge und Rituale, von denen Männer grundsätzlich ausgeschlossen blieben. So erfolgten auch die Initiationen der Mädchen sowie Geburten nur im Beisein von Frauen.

Ein weiterer zentraler Bestandteil des Brauchtums dieser Ureinwohner war das Begehen von Totemzeremonien. Dazu versammelte sich ein Clan bei der Stelle, wo das Totem sich in irdisches Material verwandelt hatte- z.B. in einen markanten Fels, einen Baum, eine Wasserstelle oder ähnliches. Dort führten die jungen Män- ner, die sich geheimnisvoll bemalt und mit Narben, Nasenringen und Tierfedern geschmückt hatten, ein Mysterienspiel auf, das von den Ahnen und ihren Taten erzählte. Hatte der Tote großes Ansehen genossen, so wiederholten sich die To- temfeiern periodisch.

3.2. Die Kunst der Ureinwohner

Kulturzeugnisse der Aborigines finden sich noch heute in ganz Australien. Aus den unzähligen Steinritzungen, Felsbildern, Totempfählen, Schnitzwerken und Sandbildern erfährt man vieles über die spirituelle Welt der australischen Urein- wohner. Die Kunstwerke wurden vor allem an den heiligen Stätten der Ureinwoh- ner, also Naturerscheinungen wie Riesenfelsen, Quellen oder Höhlen, angebracht (Abb. 7). Aborigine-Kunstwerke sind nicht als individuelle Leistungen zu sehen, sondern erklären sich erst vor dem Hintergrund der Traumzeit- Mythologie, zu deren Versinnbildlichung sie zumeist gewidmet waren. Nicht die Fertigstellung eines Kunstwerks war Ziel des künstlerischen Schaffens, sondern vielmehr der rituelle Akt des Malens selbst. Folglich wurden die Malereien und Kultobjekte ständig zeremoniell nachgearbeitet und erneuert. Die Entstehung der Bilder stellte sich somit als fortlaufender und unendlicher Prozess dar.

In Zentralaustralien konzentrierte sich das künstlerische Schaffen der Aborigines auf die Herstellung von „Tjuringas“ (Churingas bzw. Tjurungas). Unter diesen verstehen die Ureinwohner eine Art Zauberwaffe und Sakralgegenstand. Diese bzw. dieser wird aus Stein oder Holz gefertigt, wo mit Tierzähnen Ornamente und Motive- eine Geheimsprache- eingeritzt werden. Ein Tjuringa darf nur solchen Männern gezeigt werden, die in jene Mythen eingeweiht sind, die es verschlüsselt. Sie sind die einzigen, welche die darauf eingravierte Geheimsprache zu entschlüs- seln vermögen.

Auch dienten die in Arnhem-Land verbreiteten „Rangga“- Pfähle und die „Inma“Bretter als Zauberwaffen und Sakralobjekte.

Die geometrischen Muster, die in nahezu unendlichen Variationen Bumerangs, Speere, Tjuringas und Felsenwände schmücken, sind als Abbild der Gesangszyk- len und magischen Verse zu verstehen, mit denen die Botschaften der Traumzeit verschlüsselt wurden. Solche Verse und Gesänge begleiteten auch die Herstellung der Kunstwerke.

Wie schon erwähnt, erzählen die Bilder Geschichten. Diese sind Bestandteil der Bilder und wurden durch die verwendete Symbolik verdeutlicht. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass gleiche Symbole nicht Gleiches bedeuten müssen. So bezeichnen, je nach gemalter Geschichte, konzentrische Kreise- ein sehr altes Symboleinen Versammlungsplatz, eine Wasserstelle, eine heilige Stätte oder anderes. U- Formen stehen in der Regel für Menschen.

Im Northern-Territory findet man die weitaus meisten Fels- und Höhlenbilder, deren charakteristischer „Röntgenstil“ Personen und Tiere als transparente Körper mitsamt Organen und Skelett zeigt. Hier bilden mythologische Figuren und Szenen den Hauptteil der Motive, außerdem Jagdszenen, Tierdarstellungen und schablonenhafte Umrisszeichnungen von Händen.

Es ist bemerkenswert, dass die Aborigines auch das Eintreffen der Weißen künstlerisch verarbeitet haben: In den jüngeren Felsbildern finden sich ab zu Zeichnungen von Schiffen, Waffen und Weißen in Kolonistenpose.

Als Farben wurden von den Künstlern meist Kohle, Kalk und Ockerlehm verwendet; diese Materialien kamen auch bei der Ornamentierung des Körpers anlässlich besonderer Festlichkeiten zum Einsatz.

Heute ist der mythologische Bestandteil weitgehend aus der Aborigine-Kunst ver- schwunden. Ebenso wie die Tanzdarbietung erschöpft sich die Malerei zumeist in der Nachahmung traditioneller Techniken zur Belustigung der Touristen (Abb. 10 und 11).

4. Die Unterdrückung des Naturvolkes durch die Europäer

4.1. Die Invasion

Die legendäre „Terra Australis incognita“ war offiziell von dem englischen Kapi- tän James Cook (Abb. 3) im April 1770 entdeckt worden. Er ging in der Botany Bay (dem heutigen Sydney) vor Anker und erklärte das Land zum Eigentum der britischen Krone. Vor den Engländern landeten aber schon Chinesen und Araber im 13. und 14. Jahrhundert auf dem nordwestlichen Teil des Kontinents, gefolgt von Portugiesen und Holländern im 16. und 17. Jahrhundert. Sie konnten diesem Gebiet jedoch keinen wirtschaftlichen Nutzen zuschreiben und so verzögerte sich die europäische Besiedlung Australiens um ein weiteres Säkulum. Erst als Eng- land das - nun zum Commonwealth of Nations gehörende - Territorium zur Aus- siedlung von Strafgefangenen nutzte und eine Flotte von 11 Schiffen unter dem Kommando von Kapitän Arthur Phillip am 18. Januar 1788 in der Botany Bay eintraf, begann die eigentliche Invasion der Europäer.

Australien galt damals für die westliche Welt als „terra nullius“, d. h. man nahm an, dass es von keinem Volk bewohnt wurde. Deshalb sah niemand die Aborigines, die dieses Land schon lange Zeit vor den Europäern bevölkerten, als die rechtmäßigen Eigentümer Australiens an. Man fühlte sich daher - laut dem europäischen Kolonialrecht - legitimiert, das Land zu besiedeln. Auf das Verhältnis der Ureinwohner zu ihrem Land nahm man keine Rücksicht.

Die Australischen Aborigines lebten mit ihrem Land, das ihnen laut ihrer Mytho- logie von ihren Urahnen gegeben wurde, in Harmonie und Einklang. Als umher- wandernde Nomadenstämme waren sie in allen Bereichen ihres Gebietes zu Hau- se und lagerten bewusst nicht zu lange an einem Ort, um die oft spärliche Pflan- zen- und Tierwelt nicht durch ungezügeltes Jagen und Sammeln zu überlasten. Ein Teil ihres Lebensinhaltes bestand nämlich in der Erhaltung der Natur mit ihrer lebenden und nichtlebenden Reichtümern. (s. Anfangszitat) Für den weißen Mann war auch die Art und Weise suspekt, mit der die Aborigines ihre Stammesgebiete abgrenzten. Grenzzäune und Wachposten, wie sie in Europa existierten, gab es hier nicht, da jeder Aborigine glaubte, dass der überlebensnotwendige Boden sei- nem Stamm wie auch den Nachbarstämmen von den Schöpferahnen zur Aufsicht und Bewahrung bereitgestellt wurde. Diese besondere Verbindung zu ihrem eige- nen Land und die Anerkennung der angrenzenden Nachbargebiete sicherte einen jahrtausendelangen Frieden untereinander, einen Frieden, der seit rund 200 Jah- ren nur noch ein Traum ist.

4.2. Konsequenzen für das indigene Volk

Die europäische Besiedlung des Kontinents hatte für die Aborigines verheerende Auswirkungen. Charles Darwin, der mit seiner Selektionsthese eine neuartige E- volutionstheorie aufstellte, bestimmte damit auch unwillentlich das Schicksal der Aborigines. Darin behauptet er u. a., dass sich alle existierenden Arten der Lebe- wesen durch das Überleben des Stärkeren und den Untergang des Schwächeren entwickelt haben. Diese Erkenntnis traf seiner Meinung nach auch auf den Men- schen zu, wonach der europäische zivilisierte Mensch als höchste Entwicklungs- stufe gesehen wurde was die Unterjochung von „niedrig entwickelten“ Naturvöl- kern aus seiner Sicht rechtfertigte. Folglich behandelten die Europäer das Natur- volk der Aborigines wie eine wilde menschenähnliche Affenart.

In den Anfangsjahren begannen die Weißen mit der systematischen Ausrottung der Urbevölkerung, die sich im Gegensatz zu den afrikanischen Naturvölkern nicht versklaven ließ, da die Trennung von ihrem Land existenzielle Folgen für sie hatte. Viele Aborigines starben bei dem Versuch, sie zu „zähmen“. Es wurden Prämien auf die Tötung dieser „Tiere“ ausgesetzt und höhere Gesellschaftsschich- ten veranstalteten sogar Treibjagden. Aber auch die von den Europäern einge- schleppten Krankheiten, wie Typhus, Pocken und Syphilis, gegen welche die A- borigines keine Abwehrkräfte besaßen, löschten ganze Stämme aus. Die rund 500.000 bis 1.000.000 Ureinwohner, die vor der Ankunft Cooks und Phillips durch Australien zogen, wurden laut einer Zählung in den 40er Jahren auf etwa 20.000 dezimiert.

Die Überlebenden der Kämpfe und Epidemien traf das Schicksal hart. Der weiße Mann, der das Land bebaute und dabei oftmals heilige Kultstätten entweihte, raubte dem Naturvolk auch seine Identität. Er versuchte es zu missionieren und in sein kapitalistisches System zu integrieren - ohne Erfolg.

Nachdem England die Steuern auf australische Wolle gesenkt hatte und Millionen von Schafen auf dem Land der Aborigines weideten, wurden diese nur noch wei- ter in Richtung Outback, der unfruchtbaren Wüsten- und Steppenregion Zentral- australiens, zurückgedrängt, sodass ihnen ihr wertvollster und einzigster Besitz genommen wurde: ihr Land. Dem Naturvolk fehlte somit die Verbundenheit zu seinem Grund und Boden, der sie ernährte und den sie als Gegenleistung in seiner Ursprünglichkeit bewahrten. Dies war ihr Lebenssinn und mit der Landenteignung wurden sie nicht nur ihres Stolzes, sondern auch ihrer Aufgabe beraubt. Man sperrte das Nomadenvolk in Reservate, in denen es in sozialem Elend weiterlebte. Im gefangenen Zustand akzeptierte es in den letzten zwei Jahrhunderten die Oppression und Demütigung der Weißen.

4.3. Die Auflehnung gegen die europäische Fremdherrschaft

Natürlich leisteten die Ureinwohner auch Widerstand gegen den weißen Einwanderer, obwohl dieses Kapitel australischer Geschichte nur sehr kurz und unausreichend beschrieben ist. Denn die Europäer sahen in Australien ein „Terra nullius“, ein Niemandsland. Gemäß dieser Doktrin machte es folglich wenig Sinn, wenn das Land, das scheinbar niemandem gehörte, nun plötzlich von jemandem verteidigt wurde, der, wie er selbst sagt, schon ewig hier lebt.

Natürlich kam es zu Überfällen auf weiße Siedlungen, bei denen die Aborigines mit Hilfe der Guerilla-Taktik durchaus bescheidene Erfolge erzielten. Denn be- sonders in den abgelegenen Steppen- und Wüstenregionen waren die Aborigines den Weißen anfangs noch überlegen. Sie versuchten, die Europäer zurückzudrän- gen oder wenigstens die schnell fortschreitende Besiedlung Australiens zum Ste- hen zu bringen und so töteten sie vermutlich in den ersten Jahrzehnten 500 1.500 weiße Siedler. Die Revenge der Feinde war umso blutiger, denn, obwohl sie sich in einem ihnen unbekannten Land befanden, waren sie logistisch und waffen- technisch den Aborigines überlegen, denen lediglich Bumerangs und Speere zur Verfügung standen. Die Weißen hingegen verfügten über Gewehre und Pferde, sodass man in diesen Jahren ungefähr 20.000 Opfer auf Seiten der Aborigines annimmt.

4.4. Das „Aborigines-Problem“

Die britische Kolonie Australien hatte keinen Platz für ein Naturvolk, benötigte sie doch riesige Schaf-Weideflächen für ihre lukrative Wollproduktion. Trotz Treibjagden und Tötungsaktionen blieben immer noch die resignierten und orien- tierungslosen Aborigines, die ihr Elend einfach ertrugen. Die Weißen sahen darin ein Problem, hofften aber gleichzeitig, dass es sich von selbst lösen würde, denn laut Darwin’s Evolutionstheorie sei es nur natürlich, wenn die höherentwickelte Spezies die „an die Steinzeit erinnernde“ Aborigines-Kultur zerstört.

Um den Untergang der ‚Traumzeit’ zu beschleunigen zwang man ihnen Gesetze auf, welche die Freiheiten der Einheimischen gänzlich einschränkten. So mussten die Aborigines vor einer Heirat erst die Besatzer um Erlaubnis bitten und durften ebenso nur mit Zustimmung ihrer weißen Herren ein kleines Einkommen erzielen. Der Besitz von Alkohol und Dingos, den gezähmten Hunden der Aborigines, wurde ihnen strikt verboten. Grundlegende Rechte, wie das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das den Aborigines zumindest eine menschenwür- dige Existenz zugesichert hätte, wurden ihnen verweigert. Das Apartheidsystem der Weißen zielte auf die eine komplette Ausrottung der Aborigines ab.

In folgendem Zitat fasst ein Aborigine noch einmal die Schrecken dieser Zeit zu- sammen, wobei er den Entdecker James Cook als Symbol für alle weißen Invaso- ren verwendet:

„Cook fragte uns nie; überall nahm er uns unser Land weg, unser wunder- schönes Land, und mit all seinen Büchern voller Gesetze machte er uns zu Sklaven.

Wir haben uns nicht ohne Gegenwehr ergeben. Überall kämpften wir bis zum bitteren Ende, aber wo wir die ersten Weißen vertreiben konnten, kehrten sie später wieder zurück. Es wurden immer mehr . . . Wie können wir ohne Land weiterleben, ohne heilige Orte, an denen die Seelen unserer Ahnen wohnen und von denen die künftigen Kinder herkommen? . . .“6

4.5. „The Stolen Generations“

Bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts besaß die australische Regierung noch uneingeschränkte Macht über die Aborigines-Familien, indem sie den Vätern und Müttern die Kinder entriss und sie zur Adoption für weiße Familien feil bot oder in Heime und christliche Missionsstätten abschob. Mit Hilfe dieses Kindesraubes versuchte man systematisch den letzten Zusammenhalt der Aborigines zu zerstö- ren, denn die jungen Menschen, vorwiegend hellhäutige Mischlingskinder, verlo- ren nicht nur ihre Kultur und ihr familiäres Umfeld, sondern auch ihr Land und ihre Identität. Geschwister wurden getrennt und Familiennamen geändert, sodass es fast unmöglich gewesen war, Kontakt zu den leiblichen Eltern aufrecht zu er- halten. Eine Aborigine erinnert sich:

„Es war, als würden wir auf dem Markt feilgeboten. Wir waren alle in weißen Kleidern in einer Reihe aufgestellt, und sie gingen umher und suchten dich aus, als wenn du zu verkaufen wärst . . “7

Es wird ein Rätsel bleiben, wie viele Kinder ihren Familien gewaltsam entrissen und damit der Aborigine-Gemeinschaft „gestohlen“ wurden; Schätzungen gehen von ca. 100.000 Kindern von 1910 bis 1970 aus, die diesem Assimilierungspro- zess zum Opfer fielen. Neben psychischen und physischen Schäden wurden die „Waisen“ oft misshandelt, sexuell missbraucht oder als billige Arbeitskräfte aus- genutzt. Selbst die Aborigine-Leichtathletin Cathy Freeman (Abb.16), Olympia- Siegerin im 400 Meter Lauf, wurde durch den Staat zur Zwangsadoption freige- geben und leidet nach eigenen Angaben noch heute unter diesem traumatischen Erlebnis. Nur vergleichsweise „hellhäutige Aborigines“ sollten in die Gesellschaft integriert werden; ihre vollblütigen Verwandten wurden noch stärker ausgegrenzt. Das Resultat ist eine Aborigine-Generation, die weder vollständig in der Welt des weißen Mannes zu Hause ist, noch zu ihren ursprünglichen Wurzeln zurückfindet (Abb. 12).

5. Ein Volk kämpft um seine Anerkennung

5.1. Abschaffung des Kinderraubes

Rund 200 Jahren lang wurden die Aborigines um ihr Land betrogen, wie Vogel- freie behandelt und diskriminiert. Die Weißen versuchten dieses Volk mit allen Mitteln auszurotten. Doch mit der Gründung des Australischen Staatenbundes im Jahre 1901 geriet die Regierung auch zunehmend unter politischen Druck, der sie zwang vor allem den Kinderraub zu stoppen. Die Konvention von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die auch Australien unterzeichnete, verurteilt die „gewaltsame Überführung von Kindern aus einer bestimmten Be- völkerungsgruppe in eine andere“8als Völkermord. Da in Australien vermutlich bis in die 70er Jahre Kinder ihren Familien entrissen wurden, hat der Staat gegen das von ihm selbst anerkannte Recht verstoßen. Diese Handlungsweise verletzte außerdem das Internationale Verbot der Rassendiskriminierung. Erst 1972 richtete die Regierung den Aboriginal Legal Service, eine Stiftung zur Sicherung der Rechte der Aborigines, ein, die gegen den Kindesentzug vorging.

Aborigines zogen vor Gericht und klagten auf Wiedergutmachung (wenn das in diesem Fall überhaupt möglich ist). Außerdem entstanden Organisationen, wie die 1980 gegründete „Family Tracing“ (Familienforschung) und die Agentur „Link up“, die versuchen, Aborigines-Familien - die zum Teil in ganz Australien ver- streut leben - wieder zusammenzuführen. Trotzdem verheilen die Wunden dieser Zeit nur sehr langsam und werden noch von Generation zu Generation weiterge- geben.

5.2. Forderung von Bürgerrechten

Die Aborigines wurden in den 60er und 70er Jahren zunehmend politisch aktiver und veranstalteten Demonstrationen, in denen sie vor allem Land- und Grundrech- te („native titles“), sowie die Abschaffung diskriminierender Gesetze und eine Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten forder- ten (Abb. 14). Heftige Zusammenstöße mit der Polizei sensibilisierten die austra- lische Bevölkerung, die sich nun auch in stärkerem Maße für die Aborigines ein- setzte. Im Rahmen der „freedom rides“ fuhren Aktivisten durch das australische Outback um ihr Anliegen überall kund zu tun. Die Regierung handelte mit der Errichtung einer „Botschaft der Aborigines“ und griff in die Gesetzgebung ein, wonach sie nun soziale Chancengleichheit für Weiße und Aborigines nieder- schrieb.

Auch wurde der Forderung auf Landrechte nachgegeben und die Aborigines er- hielten Teile ihres ursprünglichen Territoriums zurück; heilige Stätten wurden geschützt und können jetzt wieder von den Ureinwohnern genutzt werden. Des weiteren gab man ihnen eine gewisse Kontrolle über den Bergbau, dessen Betrei- bergesellschaften nun Förderabgaben an die Landbesitzer - die Aborigines - zah- len mussten. Trotzdem gelten viele Gesetze noch nicht in allen Bundesstaaten und es bleibt abzuwarten, wie viel Land tatsächlich an seine ursprünglichen Eigentü- mer zurückgegeben wird.

1994 zahlte die Regierung an die Aborigines 13,5 Mio. Dollar Entschädigung für die in den 60er Jahren in der südaustralischen Wüste durchgeführten Atomversu- che. Wenn auch die Verseuchung dieser Gegend und damit die dadurch verur- sachten Leiden der Aborigines nicht in Geld aufzuwiegen sind, so setzt man zu- mindest ein Zeichen für ein moralisches Umdenken und einen Beginn des gegen- seitigen Verstehens.

Signalwirkung hatte auch der am 26. Mai 1998 erstmals gefeierte nationale„Sorry Day“, an dem die australischen Bürger sich für die Verbrechen an den Aborigines zu entschuldigten. Die Eingeborenen warten jedoch bis heute noch vergeblich, dass die Regierung dieser Geste folgt, ebenfalls offiziell um Verzeihung bittet und damit ihr Unrecht einsieht.

5.3. Wirtschaftliche Unterstützung

Die Aboriginal Torres Strait Islander Commission (ASTIC), die aus der 1980 ge- gründeten Aboriginal Development Commission (ADC) hervorging, fördert die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Aborigines. Gemäß dem Motte „Hilfe zur Selbsthilfe“ stellt diese Organisation finanzielle Mittel und günstige Kredite zur Verfügung, die den Aborigines zur Gründung von Existenzen verhelfen sol- len. Besonders im Kunstgewerbe gelang es vielen, sich selbständig zu machen und durch den die Herstellung und den Verkauf von Didgeridoos und den von Touristen beliebten traditionellen Dot-Paintings (Abb. 15) den Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch einige Einkaufszentren und Rinderfarmen stehen unter der Lei- tung von Aborigines.

Dennoch bleibt die Lage für die Eingeborenen kritisch: 59 Prozent verfügen über ein Jahreseinkommen von weniger als 12.000 Dollar und 55 Prozent leben größten Teils von staatlichen Geldern. Hohe Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und der Widerwille im Wirtschaftssystem des weißen Mannes zu arbeiten, stellen die heute zu überwindenden Probleme dar. Auch über die Ausbildung der Aborigines wird noch debattiert - sie soll Aspekte beider Kulturen enthalten.

5.4. Die Olympischen Spiele 2000

Die Welt blickte im letzten Spätsommer gespannt nach Australien, dem Austragungsort der 27. Olympischen Sommerspiele. Tilman Zülch, Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker, beschreibt das Ziel der Spiele wie folgt:

„Im Zeichen der Völkerverständigung werden in Sydney die 27. Olympi- schen Sommerspiele eröffnet. Im Zeichen der Völkerverständigung wer- den Sportler aus aller Welt das Miteinander der Kulturen vorleben, denn der Olympische Gedanke will die Entstehung einer friedlichen, um die Wahrung der Menschenwürde bemühten Gesellschaft fördern.“9

Die Probleme der Aborigines blieben während und nach den olympischen Spielen noch aktuell, jedoch wurde besonders in der Eröffnungsfeier eine zunehmende gegenseitige Akzeptanz beider Kulturen deutlich. Des weiteren rückten die Le- bensumstände dieser Menschen stärker in den Blickwinkel der Menschenrechts- organisationen und Medien und übten somit einen großen Druck auf die Regie- rung Australiens aus. In Zukunft soll das friedliche Miteinander die Ausgangsba- sis für Aborigines und Weiße sein. Der Wille zum gegenseitigen Verstehen und die Bereitschaft, seine Mitmenschen und deren Kultur besser kennenzulernen, ist die hier notwendige Voraussetzung.

„Nichts, nicht einmal die modernste Waffe, nicht einmal die auf brutalste Weise schlafkräftige Polizei, nein, überhaupt gar nichts wird die Menschen aufhalten können, wenn sie erst einmal entschlossen sind, ihr Menschenrecht zu erringen.“10 (Desmond Tutu)

Die Aborigines haben nun diese Entschlossenheit, dieses Selbstbewusstsein er- langt. Ihre Flagge (Abb. 15) symbolisiert die Einheit aller Aborigine-Stämme Australiens und deren Farben stehen für Identität dieses Volkes: gelb für die Son- ne,, rot für die Erde und schwarz für die Hautfarbe der Ureinwohner. Für den rund zweihundert Jahre andauernden Kampf gegen die europäische Unterdrückung verdienen diese Menschen unseren gebührenden Respekt und eine aktive Unter- stützung.

6. Illustrationen

Abbildung 1: Australien - Physische Übersicht

Abbildung 2: Einwanderungsrouten der Aborigines

Abbildung 3: Der „Entdecker“ Australiens: James Cook

Abbildung 4

Abbildungen 4 und 5:

Zeremonielle Bemalung der Aborigines

Abbildung 6: Zwei alte Aborigines-Männer vor dem Uluru

Abbildung 7: Die Röntgenmalerei

Abbildung 8: Das Didgeridoo

Abbildung 9: Bemalung eines Didgeridoos

Abbildung 10

Abbilidungen 1ß und 11: Moderne Aborigines-Kunst

Abbildung 12: Zwischen westlicher und heimischer Kultur gefangen: Das Elendsleben der Aborigines im Outback

Abbildung 13: Die Aborigines Flagge

Abbildung 14: Das politische Engagement des Naturvolkes nimmt zu

Abbildung 15: Aboriginal Kunst für den westlichen Touristen

Abbildung 16: Kathy Freeman

7. Begriffserklärungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

8. Anmerkungen

Zitatnachweise

(1): in: Robert Lawlor, Am Anfang war der Traum (Schutzumschlag)

(2): in: Hoffnungen, S. 48

(3): in: Völkerkunde für jedermann, S. 317

(4): in: Lawlor, Robert: Am Anfang war der Traum, S. 32

(5): in: Freie Presse (Tageszeitung) vom 10. 01. 2001

(6): in: Borsboom, Ad: Mythen und Spiritualität der Aborigines, S. 62 - 63

(7): in: Homann, Sybille: Die gestohlene Generation kehrt heim

(8): in: ebenda

(9): in: Zülch, Tilman: Olympiade 2000 in Australien (Flugschrift)

(10): in: Duden Bd. 12, Zitate und Aussprüche, S. 716 - 717

Bildnachweise

Abb. 1: http://www.lib.utexas.edu/maps

Abb. 2: http://www.australien-info.de

Abb. 3: http://www.weltchronik.de

Abb. 4: http://www.gfbv.de

Abb. 5: http://www.uni-saarland.de

Abb. 6: aus: Polyglot APA Guide Australien, S. 21

Abb. 7: aus: ebenda, S. 25

Abb. 8: http://art-gallery-international.com

Abb. 9: ebenda

Abb. 10: ebenda

Abb. 11: ebenda

Abb. 12: aus: Fenner, Patricia: Down under - Images of Australia, S. 23

Abb. 13: http://www.outback-guide.de

Abb. 14: aus: Polyglot APA Guide Australien, S. 83

Abb. 15: ebenda, S. 85

Abb. 16: http://www.indigenousaustralia.com.au

9. Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Internetseiten:

http://www.wsws.org/de http://www.mypage.bluewin.chhttp://www.ref.ch

http://www.aboriginalart.com.au

http://www.uni-saarland.de http://www.outback-guide.de

http://www.indigenousaustralia.com.au http://www.gfbv.de

http://www.australien-info.de

http://www.art-gallery-international.com http://austlii.edu.au

http://www.aboriginalaustralia.com http://www.apology.west.net.au http://www.weltchronik.de http://www.lib.utexas.edu/maps

Hiermit erklären wir an Eides statt, diese Seminarfacharbeit selbständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt zu haben.

Jacqueline Gruhn

Marcus Nestle

Zeulenroda, den 31. 08. 2001

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Die Aborigines - Das Überleben eines Naturvolkes in früherer und heutiger Zeit
Autor
Jahr
2001
Seiten
37
Katalognummer
V105461
ISBN (eBook)
9783640037551
Dateigröße
1424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aborigines, Naturvolkes, Zeit
Arbeit zitieren
Marcus Nestle (Autor:in), 2001, Die Aborigines - Das Überleben eines Naturvolkes in früherer und heutiger Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105461

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