Anouilh, Jean - Medea


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

14 Seiten, Note: 8 Punkte


Leseprobe


Hintergrundwissen

Die Legende vom Goldenen Vlies

An Bord des Schiffs Argo fährt Jason zu Aietes, König von Kolchis, und berichtet ihm von dem Auftrag, den er von Pelias bekommen hatte: das Goldene Vlies zurückzuholen. Der König Aietes möchte es ihm gern zurückgeben, unter der Bedingung, dass er zwei monströse Stiere mit ehernen Hufen, die durch ihre Nüstern Feuer speien, unters Joch zwingt. Er lässt sie ein Feld bestellen und Drachenzähne säen. Plötzlich tauchen Männer in Rüstung auf, die Jason bezwingen muss.

Hier greift Medea, die Tochter Aietes, ein: sie gibt Jason einen Zauberbalsam. Er reibt sich damit ein und wird unbezwingbar...

Die Argonauten

Die Argonauten sind Jasons Begleiter auf seiner Suche nach dem Goldenen Vlies. Die Bezeichnung Argonauten kommt vom Namen des Schiffes, das die Helden beförderte, ,,Argo", was so viel bedeutet wie ,,schnell".

Die Neuigkeit, dass Jason eine Expedition nach Kolchis unternimmt, verbreitet sich in ganz Griechenland. Etwa fünfzig Helden (Abkömmlinge aus Verbindungen von Göttern mit Sterblichen) kommen dem Aufruf nach. Darunter befinden sich: Argos, Sohn des Phrixos, dem Erbauer des Schiffes, Thiphys, der das Schiff steuert, Orpheus, der Musiker, der den Ruderern den Rhythmus vorgeben soll, Castor und Pollux, die beiden Söhne von Zeus und Leda, Aethalides, Sohn des Hermes und Herold der Expedition...

Die Helden schiffen auf dem Strand von Pagasae auf der Argo für eine viermonatige Fahrt ein und bringen das Goldene Vlies zurück.

Jean Anouilh 1910 - 1987

Schriftsteller und Dramatiker

1910

23. Juni: Jean Marie Lucien Pierre Anouilh wird in Bordeaux/Frankreich als Sohn eines Schneiders geboren. Durch die Mutter, eine Geigerin, erhält er frühen Kontakt zur Theaterwelt. Nach dem Umzug nach Paris studiert er einige Jahre Rechtswissenschaften und arbeitet in einem Verlagshaus.

1929-1932

Texter in einer Werbeagentur.

1931

Sekretär des Schauspielers und Regisseurs Louis Jouvet in Paris.

1932

Anouilh arbeitet als freier Schriftsteller und schreibt das Drama "Das Weib Jesebel".

Theater-Debüt mit der Aufführung von "Der Hermelin" im Théatre de l'Oeuvre in Paris.

Hochzeit mit der Schauspielerin Monelle Valentin.

1936

Veröffentlichung des Theaterstückes "Der Reisende ohne Gepäck", das 1943 unter seiner Regie verfilmt wird. In dem Stück äußert Anouilh seine Kritik an einer Gesellschaft, die den guten Menschen verderbe.

1942-1946

Aufführung der vor allem an der griechischen Mythologie orientierten Stücke "Euridike" (1942), "Antigone" (1943), "Orest" (1945) und "Medea" (1946). Charaktere und Probleme werden von Anouilh im existentialistischen Sinn modernisiert und aktualisiert. So wird die "Antigone" für viele zum Inbegriff des Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht.

1947-1953

Veröffentlichung von "Einladung ins Schloß (1947), "Ardèle oder das Gänseblümchen" (1948), "Die Probe oder die bestrafte Liebe" (1950), "Colombe, die weiße Taube" (1951), "Der Walzer des Toreros" (1952), und "Die Lerche, Jeanne d'Arc" (1953).

1956

Die Uraufführung der Komödie "Armer Bitos oder das Diner der Köpfe", die eine satirische Attacke auf die französische Revolution und ihr zeitgenössisches Nachspiel in den Monaten nach der Befreiung 1944 darstellt, löst in weiten Kreisen der französischen Bevölkerung Entrüstung aus.

1959

Anouilhs letzte großen Theatererfolge werden "Mademoiselle Molière" und "Beckett oder die Ehre Gottes".

1960/61

Die Zahl der Aufführungen im deutschsprachigen Theater erreichen ihren Höhepunkt, dabei wird die "Antigone" sein meistgespieltestes Stück.

1970

Auszeichnung mit dem "Grand Prix mondial Cino del Duca" und mit dem Preis der französischen Theaterkritik.

1977

Das ZDF sendet Anouilhs Fernsehfilm "Könige sterben langsam".

1980

Verleihung des "Großen Theaterpreises" durch die Académie Francaise.

1987

Letzte Veröffentlichung ist ein Band Jugenderinnerungen unter dem Titel "Das Leben ist unerhört".

3. Oktober: Jean Anouilh stirbt in Lausanne.

Handlungsverlauf

Das Drama beginnt, als Medea, von Jason verlassen, allein mit ihrer Amme vor den Toren Korinths kampiert. Medea ist verzweifelt über ihre Lage. Nicht nur die Trennung von Jason macht ihr zu schaffen. Auch ihr verlorener Ruf macht ihr zu schaffen: „Verachtet, verjagt, geschlagen, heimatlos, obdachlos.“(Seite 322) In der Stadt wird gerade ein großes Fest gefeiert. Der Anlass dafür ist die bevorstehende Hochzeit zwischen Jason und der Königstochter Kreosa. Medea hat allerdings noch nicht alle Hoffnungen auf Jason aufgegeben. Dies wird besonders deutlich, als ihr ein Junge von dem bevorstehenden Ereignis erzählt: Medea ist sehr fassungslos und kann es nicht glauben, dass ihr Ex - Mann sich neu vermählt. Ihre Trauer wandelt sich nun in Hass und Zorn um: „Oh mein Hass! Wie bist du frisch!“(Seite 324)

Sie schwelgt nun in alten Zeiten und läßt ihre Vergangenheit mit Jason noch mal Revue passieren. Sie stahl für ihn das Goldene Vlies ihres Vaters und beging zehn Morde, selbst ihren Bruder brachte sie in ihrem Liebeswahn um (Anm.: zweifelsohne wäre das damalige Liebespaar ohne diese Taten in Gefangenschaft geraten bzw. exekutiert worden).

Nun ist sie maßlos von Jason enttäuscht und schwört ihm Rache: „... das was ich zehnmal für ihn tat, das will ich endlich nun für ihn tun.“(Seite 325)

In ihren jähzornigen Wutanfall platzt nun König Kreon hinein. Er verkündet ihr, dass sie sofort die Stadt verlassen soll, da die Bewohner Korinths Angst vor ihr haben: „Überall auf der Insel erzählen sie (Anm.: die Geschichtenüber Medeas Verbrechen) die Frauen ihren Kindern, um ihnen Angst zu machen. Jetzt musst du fort!“(Seite 327) Auf Geheiß Jasons soll sie allerdings nicht umgebracht werden, „nur“ verjagt.

Medea nutzt in der Konversation mit König Kreon seine Gutmütigkeit aus. Unter dem Vorwand, sich von ihren Kindern zu verabschieden, erhält sie noch eine Nacht Aufschub. Kreon zeigt für Medea Verständnis, obwohl er sich bewusst ist, dass Medea diese eine Nacht nutzen könnte, um weitere Morde zu begehen: „Eine Nacht ist fast zu lang für dich. In dieser Zeit begehst du zehn deiner Verbrechen. Ich sollte dir deine Bitte abschlagen . . . Aber auch ich hab viel getötet, Medea.“(Seite 331) Kurz darauf tritt Jason auf. Er hat extra gewartet, bis Kreon verschwunden ist, um alleine mit ihr zu sprechen. Es folgt ein langer Dialog, in dem rückblickend über ihr gemeinsames Schicksal berichtet wird. Nachdem beide zunächst ihren Abneigung gegeneinander äußern(Medea: „Wie leicht ... alles wäre. Eine Welt ohne Jason“ Jason: „Eine Welt ohne Medea. Ich habe davon auch davon Geträumt!“(Seite 332) ), erzählen sie ihre Sicht, zu der Beziehung, den Gründen für die Trennung und ihren gemeinsamen Abenteuern. Dazu jedoch mehr auf Seite .

Medea kündigt ihm auch ganz offen ihr Vorhaben an, ihren Zorn durch Verbrechen zu befriedigen: „ Das endet immer schlecht für den Jäger (Anm.: Jason verglich sie vorher mit einem blutendem Tier, das trotz der Verletzung den Kopf zum Angriff senkt), der sich durch diesen Anblick rühren läßt und seine Waffe nicht bereithält. Weißt du nicht, wozu ich fähig bin?“(Seite 336)

Als Jason sie dann zurückläßt setzt Medea ihren mörderischen Plan in die Tat um. Ihre ersten beiden Opfer sind Kreon und Kreosa. Medea tötet sie, in dem sie ihre beiden Kinder in den Königspalast schickt, die der Königstochter ein schwarzen Schrein bringen, in dem sich ein Schleier und ein kostbares Diadem befindet. Der Schleier und das Diadem haben jedoch beim Berühren eine tödliche Wirkung. „Wecke die Kinder, kleide sie wie zu einem Fest. Sie sollen der Tochter Kreons mein Hochzeitsgeschenk bringen

Die Kinder dürfen den Schrein nicht öffnen.“(Seite 342).

Kreosa stirbt, nachdem sie die vermeintlichen Hochzeitsgeschenke angelegt hat. Kreon stirbt beim Versuch Kreosa zu retten, als er seiner Tochter das Diadem und den Schleier entreißen wollte. Doch auch er stirbt sofort nachdem Berühren der „Geschenke“.(Seite 343)

Medea ist sehr erfreut, als ihr ein Junge den Tod der beiden erzählt und beschreibt. (Seite 343 - Seite 344).

Nun ist sie in ihrem Wahn nicht mehr zu halten. Nachdem sie Jasons Umfeld ausgelöscht hat, will sie nun alles eliminieren, was mit ihr zu tun hat. Sie holt ihre Kinder, verschwindet in den Karren und zündet diesen an.

Nachdem sie ihre beiden erdolcht hat wartet sie nun nur noch auf Jason, der kurze Zeit später vor dem Karren erscheint. Nach einer letzten Rede an Jason, in der Medea ihn auffordert sie zu vergessen, ersticht auch sie sich und stürzt sich in die emporschlagenden Flamme.

Jason erreicht diese Rache allerdings nicht mehr. Von der Brandstätte auf der Medea mit ihren Kindern zugrunde geht, kehrt er zurück in die Stadt Korinth, um ohne Illusionen eine neue, erträgliche Welt aufzubauen, in der die Einwohner Korinths ihr alltägliches, genügsames Leben führen können: „Es gilt nun zu leben, eine Ordnung zu bewahren, Korinth Gesetze zu geben und eine Welt zu errichten nach unseren Maßen, um dort den Tod zu bewahren.“(Seite 346)

Charakterisierung

Medea

Bei Anouilh ist Medea, die Tochter des kolchischen Königs, eine Frau Mitte dreißig, die sich zusammen mit ihrer Amme vor den Toren Korinths aufhält, wo sie sich fremd und als Ausländerin fühlt. Sie war zehn Jahre lang die Frau Jasons. Zu der Beziehung zwischen Jason und Medea jedoch mehr auf Seite .

Nach Korinth kam sie mit und durch Jason. Durch Medeas zahlreiche Verbrechen (z.B. der Diebstahl des Goldenen Vlieses; Mord am Bruder; Mord an Pelias) befanden sich die beiden eigentlich ständig auf der Flucht. So kamen sie nach Korinth.

Medea ist ein von Gefühlen getriebener Mensch. Jede Emotion, sei es nun Hass, Wut oder Liebe, lebt sie extrem aus. Man könnte fast schon sagen, ihre Gefühle bestimmen ihr Handeln. Sie unterwirft sich beispielsweise in ihrer Beziehung vollkommen Jason, (siehe Verbrechen, die sie nur für ihren Partner begeht). Nach dem ihrer Liebe verschmäht wurde, entwickelte sie nun einen unbeschreiblichen Hass gegenüber Jason, sowie dessen zukünftige Frau Kreosa und ihren Vater Kreon, dem König Korinths, die sie später umbringt.

Ihre Amme bezeichnet sie treffend als wahnsinnig (Seite 325). Medea ist sich dessen bewusst. Sie gibt zu, dass sie Angst vor sich selber hat (Seite 325).

Man kann dieses Verhalten schon fast als animalisch bezeichnen. Genau wie ein wildes Tier ist sie in ihrer Wut von Trieben gesteuert. Auch dies gibt sie offen zu: „Medea ist ein Tier (...), das leben will und töten.“ „Tiere, ich bin ihr! Alles was jagt und tötet, das ist Medea.“

Medea ist kaltblütig und skrupellos. Sie nimmt in ihrem Wahn den eigenen Tod und den anderer, sogar den ihrer eigenen Kinder, in ihrer Rachsucht billigend in Kauf. Selbst ihre Amme versucht sie zum Selbstmord zu überreden:

„Der Tod - der Tod ist leicht. Folge mir Alte, du wirst es sehen. Dann brauchst du nicht mehr zu jammern und deine alten schmerzenden Knochen herumschleppen. Dann kannst du dich endlich ausruhen - einen langen Sonntag -“(Seite 344)

Sie sieht sich selbst als Mittelpunkt ihrer Umgebung. Sie hat anscheinend die Vorstellung dass ihre gesamte Umgebung, die sich eigentlich nur auf ihre Kinder, Jason und die Amme beschränkt, von ihr abhängig ist und mit ihr Untergehen soll. „Nimm dein Messer, Amme, und töte das Pferd. Nichts darf von Medea bleiben.“(Seite 344)

Sie sieht es nicht ein, dass es der restlichen Welt gut geht, während sie leidet. „Leute von Korinth, was schreit ihr und tanzt? Warum seid ihr so fröhlich, dass es mir den Atem schnürt, dass ich ersticke?“(Seite 322)

Ihre Heimatlosigkeit, die sie des öfteren beklagt(Seite 330), hat sie sich zum größten Teil selbst zuzuschreiben. Die Söhne des Pelias fordern beispielsweise von jedem König an der Küste Korinths den Kopf Medeas. Hätte sie also Pelias nicht umgebracht, hätte sie nun nicht solche Schwierigkeiten bzw. ihre Flucht würde nicht von Anfang an unmöglich erscheinen. Man kann ihr Verhalten (nicht nur diesbezüglich) als naiv bezeichnen. Morden ist für sie ein legitimes Mittel um ihren Willen durchzusetzen und um sich eine bessere Lage zu verschaffen. Bsp.: „ Hör auf, Jason, hör auf! Oder ich bring dich um, damit du mich nicht mehr so anblickst.“(Seite 337). Dabei denkt sie jedoch nie an die langfristigen Folgen. Selbstkritik kennt Medea so gut wie gar nicht. Die Verbrechen habe sie für Jason gemacht und der sei deshalb zu einem mindestens genauso großen Teil dafür verantwortlich: „Nur für Jason tötete ich Pelias, nur für ihn verriet ich meinen Vater und ermordete meinen unschuldigen Bruder auf unserer Flucht jedes meiner Verbrechen gehören ihm.“(Seite 330) Nur einmal übt sie Selbstkritik und gesteht ihre Schuld ein (Seite 337). Doch dazu mehr auf Seite .

Medea ist immer nur auf ihren eigenen Vorteil aus. Die Amme behandelt sie zum Beispiel häufig sehr herablassend: „Sei still, Gute, du bist dumm.“(Seite 322); „Lumpenweib“(Seite 326); „Geh zu deinen Töpfen, Weib, zu deinen Besen, zu deinen Krautköpfen mit allen anderen deiner Rasse.“

Allerdings ist diese „Behandlung“ der Amme kein Dauerzustand. Medea kann auch freundlich zu ihr sein, vor allen Dingen wenn sie ihr Hilfe benötigt: „..., als du mir halfst, mein Kind zu gebären. Hilf mir, Amme! Sie klammert sich zitternd an die Amme Alte, presse mir deine Faust auf den Mund, wenn ich schreie, halte mich fest, wenn ich um mich schlage. Laß mich nicht alleine leiden.“(Seite 322/323).

Hieraus lässt sich Medea Widersprüchlichkeit erkennen. Diese Widersprüchlichkeit ist eine weitere Charaktereigenschaft. Sie widerlegt häufig ihre Aussagen, indem sie wenig später genau das Gegenteil behauptet:

„ Ich weiß nicht ob ich stark genug bin.“(Seite 323) => „Stärker als heute abend? Niemals“(Seite 326);

„Was hat er (Anm.: Jason) aus mir gemacht, Amme, mit seinen großen, warmen Händen?“(Seite 324) => „Ah, dann hätte er kommen solle, Jason, mit seinen großen, schrecklichen Händen “(Seite 325);

„Warum hast du mich als Weib geboren werden lassen?“(Seite 324) und „Weib! Hündin! Du Fleisch aus Schmutz und einer Männerrippe, du Stück vom Mann! Hure!“(Seite 325) => „Dein Gehirn, dein gemeines Männerhirn “(Seite 333);

Fazit: Medea verkörpert das Böse. Sie lebt in ihrer „schwarzen Welt“(Seite 339) und kann (nach eigener Aussage)„nur das Böse tun“(Seite 336). Sie ist unfähig außer sich und Jason andere Personen zu akzeptieren und zu respektieren.

JASON

Jason, der Sohn des Aison aus Iolkos in Thessalien, ist die andere Hauptperson in Anouilhs Drama „Medea“. Er lebte zehn Jahre lang mit Medea zusammen und durch ihre Hilfe gelang er an das Goldene Vlies ihres Vaters, des Königs von Korinth.

Im Gegensatz zu Medea ist Jason ein sehr besonnener und gerechter Mensch. So redet er auch vor seiner Hochzeit mit Kreosa noch einmal mit Medea über ihre vergangene Liebe (Seite 332 - Seite 342). Zu der Beziehung zwischen Jason und Medea jedoch mehr auf Seite .

Er ist ein Mann, der mit dem Alter reifer geworden ist. An die vergangenen Abenteuer mit seinem Schiff, der „Argo“, und seinen Mitstreitern, den „Argonauten“, erinnert er sich zwar gerne zurück( Seite 338 - Seite 339), allerdings macht er nicht mehr den Eindruck des jungen wilden Heroen.

Er gibt offen zu, dass er ohne Medeas Hilfe vermutlich niemals an das Goldene Vlies gelangt wäre:

„Medea: Allein hättest du mit den Riesen und mit den Drachen kämpfen müssen, der das Vlies bewachte.

Jason: Vielleicht.“(Seite 332)

Eigene Schwächen zuzugeben gehört also zu seinen Charaktereigenschaften und lässt ihn deshalb im Vergleich zu Medea wesentlich sympathischer erscheinen.

Konflikte scheut er jedoch. Für ihn sind Frieden und Harmonie sehr wichtig. Die „Aussprache“ mit Medea ist ein Beleg dafür, auch wenn das Ergebnis dieses Gespräches sehr tragisch ist. Weitere Hinweise für seine Konfliktscheu: Er beging nicht den Mord auf der Flucht mit Medea, die diesen „Job“ für ihn erledigte.

Außerdem ließ er sie, wie bereits erwähnt, das Goldene Vlies für sich stehlen, um seine eigene Haut nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Dies heißt jedoch nicht, dass er Angst vor dem Tod hat. Auf Medeas Androhung, ihn umzubringen, reagiert er gelassen: „Das wäre vielleicht das Beste.“ und „ Und wenn ich heute abend bei den Toten dieser Geschichte liege, dann will ich sterben,.. .“(beide Zitate Seite337).

Ein Folge seiner Konfliktscheu ist vielleicht seine Ordnungsliebe. Er beschuldigt Medea seine Welt in Unordnung gebracht zu haben. „Ich will, daß diese Welt, dieses Chaos, in das du mich führtest, endlich ein feste Form annimmt.“(Seite 340)

Diese geordnete Welt kann er erst mit Medeas Tod versuchen zu vollenden: „Es gilt zu leben, eine Ordnung zu bewahren, Korinth Gesetze zu geben und eine Welt zu errichten nach unseren Maßen, um dort den Tod zu erwarten.

Beschreibung des Verhältnisses zwischen

MedeaundJason

Jason und Medea haben sich vor zehn Jahren in Kolchis kennengelernt. Jason kam damals mit seinem Schiff, der „Argo“, in Medeas Heimatstadt, um an das Goldene Vlies ihres Vaters zu gelangen. Medea war ihm von Anfang an verfallen. Man kann hier von „Liebe auf den ersten Blick“ sprechen: „Ich sehe dich wieder, wie du vor mir standest in deiner ersten Nacht in Kolchis. Diesen Sonnenverbrannten Helden, der aus dem Boot stieg, diesen verwöhnten Jüngling, der das Gold des Vlieses wünschte, den durfte man nicht sterben lassen.“(Seite 332)

Dies gilt allerdings nicht für Jason. Für ihn war Medea in Kolchis nur Mittel zum Zweck, um ans Goldene Vlies zu gelangen. Er nutzte sein gutes Aussehen schamlos aus: „Als ich dich auf Kolchis nahm, warst du nur ein Mädchen, das schöner als die anderen war, das ich neben dem Goldenen Vlies eroberte und mit mir fortführte.“(Seite 337)

Es entsteht also der Eindruck, dass Jason sie in die „schwarze Welt“ führte, die sie nun auslebt. Er hätte ihre bedingungslose Liebe für seine Zwecke gebraucht. Für Jason änderten sich auf dem Weg nach Argo seine Gefühle für Medea. Ihm wurde bewußt, dass diese Beziehung etwas besonderes war, die sein Leben einschneidend veränderte. Als er sie eines Nachts beim Schlafen beobachtete erkannte er, dass er durch sie erwachsen geworden war: „ Einen Augenblick vorher war ich noch Jason, der nichts als sein Vergnügen mitzunehmen hatte auf dieser Welt. Plötzlich war alles zu Ende.“(Seite 338)

Sie gehörte auf einmal zu seinem „Team“ bzw. war sein Team. Seine Befehle führte sie ohne nachzudenken aus: „Jason befehligte nur noch einen einzigen kleinen Argonauten. (..). Das warst du. (Anm.: gemeint ist natürlich Medea)“(Seite 338) Jason fing an, sie und das Leben mit ihr zu lieben. „ Ich habe dich geliebt, Medea. Mit dir habe ich unser ungezügeltes, wildes Leben, Verbrechen und Abenteuer geliebt.“(Seite 339) Bei dieser Äußerung ist allerdings zu beachten, dass Jason kein Kapitalverbrechen selber beging. Medea erledigte diesen „Job“. Am Beginn ihrer Liebe nahm Jason also vermutlich den Part des Bösen ein. Sie war sein Werkzeug. Sie fühlt sich nun rückblickend von ihm benutzt und findet es ungerecht, dass nur sie für die Vergehen geächtet wurde: „Ich und jedes meiner Verbrechen gehören ihm.“(Seite 330)

In ihrer Liebe zu Jason war sie ihrem Ideal von Liebe nahegekommen, dem absoluten Einssein.

Deshalb ist sie nun absolut am Boden zerstört, jetzt wo das Schicksal ihrer Liebe besiegelt zu sein scheint: Jason heiratet Kreosa

Ein Ereignis lässt die Vermutungen in Bezug auf Jasons Schuld in den Schatten stellen. Das Fremdgehen Medeas`. In Naxos schlief Medea mit einem jungen Schafhirten! Hier tritt ihre Widersprüchlichkeit in den Vordergrund. Warum „duldete sie fremde Hände auf ihrer Haut“(Seite 334), wenn es nur einen Mann in ihrem Leben gab, wie sie es oft genug in dieser Konversation betont? Hier ist ein Wendepunkt des Dramas zu finden. Medea ist nun nicht mehr die „Betrogene“, die in ihrer aufopferungsvollen Liebe von dem Angebeteten benutzt wurde. Jason war ihr zu dem Zeitpunkt verfallen und betrachte Medea rückblickend als die „Liebe seines Lebens“: „ (...) niemals werde ich so lieben, wie ich die liebte.“(Seite 341).

Das Gefühl, das sie ihm immer fremder wird, beeinträchtigt sein Verhalten in Bezug auf die Liebesbeziehung immer. Sie betrügt und belügt Jason: „Erstaunt vernahm ich eines Tages, wie dein Lachen zusammenklang mit dem von fremden Männern, und dann begannen deine Lügen.“(Seite 339) Er leidet sehr darunter. So sehr, das er nun die Liebe haßt (Seite 333).

Medea bleibt nichts anderes übrig als ihre „Schuld“ einzugestehen: „ Ich bin Medea, die dir nichts als Schande gebracht hat. Ich habe gelogen, betrogen und gestohlen. Ich bin schmutzig . . . Es ist meine Schuld, daß dein Leben nur Flucht war und dass alles um dich herum mit Blut besudelt ist.“(Seite 337)

Diese erste Selbstkritik kann in Bezug auf ihr Verhältnis zu Jason folgendermaßen gedeutet werden: Da sie Jason immer noch verfallen ist dies der letzte Versuch auf ehrliche Art und Weise an sich zu binden. Das sie ihm immer noch verfallen ist, sieht man an ihrem Verhalten (Seite 339): Sie kauert sich auf dem Boden und umschlingt seine Knie. Doch Jason ist von seinem Entschluß, Medea endgültig den Rücken zu kehren und Kreosa zu heiraten, nicht mehr abzubringen.

Er hat im Gegensatz zu ihr aus der Beziehung gelernt. Er hat gelernt zu vergeben und Verständnis zu zeigen, Mitleid zu empfinden. Er empfindet auch Mitleid für Medea, die sein Mitleid jedoch nicht annehmen mag.

Medea hat aus ihrer Vergangenheit mit Jason nicht dazu gelernt. Sie ist immer noch sehr naiv und trotzig. So reagiert sie auf den „neuen“ Jason polemisch: „Du bist von der Rasse Abels, der Rasse der Gerechten, der Rasse der Reichen. Wie ruhig ihr alle sprechen könnt!(...)Es ist gut, eines Tages wie sein Vater und der Vater seines Vaters zu denken - wie alle, die seit jeher immer recht hatten.“(Seite 340) Allein die Tatsache, dass er die Aussprache mit Medea sucht, ist Zeichen für seinen Willen, in Frieden auseinanderzugehen. Ihm ist es jedoch wichtig, dass sie auseinandergehen. Er ist ein Mensch geworden, der sich nach Frieden und Ordnung sehnt. Medea passt da nicht in sein neues Weltbild hinein: Auf Medeas Frage, ob er überhaupt in der Lage sei diese neuen Ansichten und Wünsche umzusetzen: „Ohne dich und ohne dein tägliches Gift werde ich es können, ja.“(Seite 340)

Jason fühlt sich durch die Beziehung seiner Freiheit beraubt. Nie zuvor befindet er sich in einem solch engen und innigen Verhältnis zu einer Frau. Er empfindet dies als Last: „(...), ich fühlte plötzlich deine Last auf mir.“(Seite 338) Befreit fühlt er sich erst nach der Trennung von Medea bzw. nach ihrem Tod.

Medeas Äußerung („Niemals wirst du frei sein, Jason. Immer wird Medea deine Frau sein.“(Seite 333)) widerlegt er in seiner Reaktion auf ihren Tod: „Ja, ich werde dich vergessen.“(Seite 346)

Nicht Jason, sondern Medea kann sich nicht damit abfinden, dass die Beziehung zu Ende ist. Er lebt weiter und nimmt sich als Ziel die Welt zu verbessern, sie hingegen zerbricht und stirbt an der gescheiterten Liebe.

Rollenverteilung innerhalb des Stückes

Jean Anouilhs Bearbeitung des Mythos Medea ist ein klar aufgebautes Werk. Die Rollenverteilung von Gut und Böse sind von Anfang an erkennbar.

Medea nimmt eindeutig den Part des Bösen ein. Sie wird als abgrundtief schlechter Mensch dargestellt. Ihr Verhalten zu den anderen Charakteren, ihre zehn Morde und ihre fehlendes Schuldbewußtsein vermitteln dem Leser diesen Eindruck. Keiner, auch nicht ihre Amme, mag sie wirklich. Mitleid kommt dennoch nicht beim Leser auf. Sie tut alles um gehasst zu werden. Dies und ihre fehlende Kompromissbereitschaft verstärken diesen Eindruck.

Ihre ständige Begleiterin, die Amme, ist das absolute Pendant zu Medea. Sie ist immer freundlich, egal wie sie sie behandelt.. Sie berät Medea in allen Lebenslagen, obwohl Medea ihre Vorschläge nicht annimmt und sie sich des öfteren abfällig über sie äußert. Die Rolle, die ihr von Anouilh zugedacht ist, ist mit der Rolle des Chores bei Euripides zu vergleichen. Sie wirkt am sympathischsten von allen Charakteren.

Die zweite Nebenperson ist der korinthische König Kreon. Er kommt, ähnlich wie die Amme, in dem Stück gut weg. Großherzigkeit und Verständnis, das er für Medea aufbringt, sind Charaktereigenschaften, die ihm von Jean Anouilh gegeben wurden.

Jason wird als eine besonnene (früher recht exzentrische) Person dargestellt. Er ist (nun) fair zu Medea und gibt sich auch sonst als ehrenhafter Mensch. Den Part des „Guten“ ist ihm, nach einem Wandel, zuzuschreiben.

Sinn und Zweck des Stückes?

Stellt man sich diese Frage, nachdem man „Medea“ gelesen hat, fällt es einem schwer, eine klare Antwort darauf zu geben. Deutlich wird, das Anouilh sich sehr stark an dem klassischen Bild von Medea orientiert hat. Die Rollenverteilung der Charaktere ist sehr ähnlich, zu der des Euripides.

Anouilh hat jedoch den Vorteil, das er über die historische Bedeutung der Darstellung Bescheid weiß. „Dein Fall steht fest für alle Zeiten. (...). Denn niemals wird es eine zweite Medea geben.“(Seite 336) Dieser Satz macht deutlich, wie Anouilh über die Figur der Medea denkt. Er knüpft also nahtlos an die meisten vorherigen Medea - Darstellungen an.

Das Werk erschien im Jahr 1946 und wurde 1948 in Brüssel uraufgeführt. Der zweite Weltkrieg war noch nicht einmal ein Jahr zu Ende und Europa lag in Trümmern. Es war also eines der ersten Stücke nach dem verheerenden Krieg, das in den Benelux - Staaten aufgeführt wurde. Das Ende des Stückes kann man deshalb auch folgendermaßen deuten: Anouilh beschreibt anhand der Person des Jason den Willen des Wiederaufbaus und die Sehnsucht nach einem wieder funktionierendem französischen Staat.

Ob Anouilh diesen Aspekt in seiner Bearbeitung berücksichtigt hat, ist natürlich fraglich, doch die unmittelbare Nähe des Erscheinungsdatums zum zweiten Weltkrieg liegt diese Vermutung nahe.

Scheitern als Chance, aus Ruinen auferstehen, dies sind Sätze, die mir persönlich in den Kopf geschossen sind, als ich das Buch zuschlug und mir über den Sinn dieses Schlusses und dieses Buches Gedanken gemacht habe.

Jason hat das Scheitern seiner Beziehung als Chance genutzt, Korinth und sein Leben zu verändern.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Anouilh, Jean - Medea
Note
8 Punkte
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V105425
ISBN (eBook)
9783640037193
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anouilh, Jean, Medea
Arbeit zitieren
Bertil Starke (Autor:in), 2001, Anouilh, Jean - Medea, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105425

Kommentare

  • Gast am 27.11.2005

    Geil!!.

    Gute Arbeit, ganz davon zu schweigen, dass sie mich vor dem sicheren Untergang bewahrt hat! Danke

  • Gast am 24.1.2002

    Danke, Du hast mir das Leben gerettet!.

    Danke, Du hast mir das Leben gerettet!

Blick ins Buch
Titel: Anouilh, Jean - Medea



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