Fallbasiertes Schließen


Seminararbeit, 2001

9 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Prinzipien fallbasierter Systeme
2.1 Typen Fallbasierten Systeme
2.2 Komponenten und Prozesse

3 Fallbasiertes Lernen

4 Der lokalistisch- konnektionistische Ansatz

5 Anwendung

6 Diskussion

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Pizzeria Bella Italia“. Die Karte empfiehlt heute Lasagne. Konstantin K. muss spontan an Garfield denken. Er hat ein Problem: der Hunger lässt ihm keine Ruhe, aber das Essen sollte nicht zu fettig sein und tomatigfruchtig schmecken. Lasagne ist da das eindeutig Falsche. „Was wählte ich denn beim letzten Mal?“ fragte sich Herr K. Pizza Napoli! Das ist die Lösung.

Was Konstantin K. hier gerade durchdenkt, stellt ein Beispiel dar für eine alltägliche kognitive Leistung: Man steht vor einem Problem und versucht es zu lösen, indem man auf die Lösung einer früheren ähnlichen Situation zurückgreift, die sich bewährt hat. Ein nicht seltenes Ereignis: In der Rechtssprechung geht der Vergleich zwischen einem aktuellen Strafdelikt und einem früheren Präzedenzfall die selben Wege. Ebenso ein Kindergartenerzieher, der den Streit zwischen zwei 4-Jährigen um einen Sandkastenbagger schlichtet und dabei die selbe Taktik anwendet wie einen Tag zuvor; der Chemie-Lehrer, der eine große Karte des Sonnensystems hinter sich aufgehangen hat, um zu verdeutlichen, dass die Natur das selbe Modell auf molekularer Ebene anwendet, um Elektronen um einen Atomkern anzuordnen. Das Bestechende an dieser Denkweise besteht in der Verbindung von Problemlöseprozessen, Verstehen und Lernen mit bereits gelöstem, verstandenem oder gelerntem. Die Grundlage dafür ist die intuitive Annahme, dass sich Geschichte wiederholt, dass frühere Fälle wiederkehrend auftreten.

All dies hat einen Namen: Es ist Fallbasiertes Schließen.

Es gilt in dieser Arbeit einen Überblick über die Umsetzung und Entwicklung des Fallbasierten Schließens zu geben. Neben zahlreichen Wissenschaftsgebieten treiben mit dem größten Interesse besonders die Experten der Künstlichen Intelligenz (KI) die Entwicklung hier enorm voran. Eng verbunden ist dieser Prozess mit der Forschung auf dem Gebiet der Allgemeinen Psychologie, die mit Analogem Schließen im selben Terrain agiert.

Bevor fallbasiertes Schließen (Cased Based Reasoning, CBR) im Folgenden einhelliger untersucht wird, sollte man eine Abgrenzung zum Analogen Schließen (Analogical Reasoning, AR) vornehmen. Grundsätzlich beschäftigen sie sich beide mit dem selben Themengebiet und stellen die gleichen Fragen: Wie sehen die Verarbeitungsschritte bei Analogieprozessen konkret aus, wie erfolgen Abruf, Abbildung, Transfer und Lernen von Wissen im einzelnen. Dies führt unweigerlich zu der Fundamentalfrage: Wie gestaltet man Codieren und Abspeichern für den späteren Abruf effektiv, wie macht es die Natur?

Die größten Unterschiede ergeben sich aus den Zielsetzungen, den Modellvorstellungen und den Gegenstandsbereichen. AR hat zum Ziel, menschliche Denkprozesse zu verstehen, während CBR darauf bedacht ist, möglichst effektive Computerprogramme zu generieren, maschinelles Lernen und Problemlösen zu ermöglichen. Der enge Bezug zur KI-Forschung wird an diesem Punkt offensichtlich. Weitere Unterschiede ergeben sich aus der Domänen bearbeiteter Fälle (AR ist interdomänial orientiert, CBR verbleibt gern innerhalb des stammenden Themengebietes), der Verwendung bzw. dem Ausschluss von Schemata (bei CBR ungebräuchlich, da zu abstrakt), der Fokussierung auf einzelne Teilschritte (CBR ist abruforientierter, AR mapping-interessiert) sowie dem Informationsgehalt der abgerufenen Lösungen (während bei CBR alles abgespeicherte Fallspezifische mit gegeben wird, funktioniert AR re-konstruktiv).

Festzuhalten bleibt, dass sich diese beiden Forschungszweige gegenseitig sehr befruchten: die CBRForschung liefert den Kognitionspsychologen die Beweise für die grundsätzliche Umsetzbarkeit ihrer Modelle, diese verschaffen den "KI'lern" einen wissenschaftlichen Vorsprung durch Bionik. Beide Herangehensweisen haben ihre Legitimation, denn die Modelle des rein pragmatischen Problemlösens letzt Genannter könnten ihre Verwendung in zahlreichen technischen Realisierungen finden, die dazu beitragen, das Leben des Menschen einfacher, komfortabler und sicherer zu machen.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden allgemein die Komponenten und Arbeitschritte der Systeme des Fallbasierten Schließens erörtert. Danach erfolgt eine Abgrenzung zum Analogen Schließen. Im Anschluss wird die Relevanz dieser Forschung anhand von neuen Pädagogischen Herangehensweisen in den USA verdeutlicht. Am Ende befindet sich eine abschließende Diskussion über die Aussichten des CBR.

2 Prinzipien Fallbasierter Systeme

Im Grunde steht hinter Fallbasierten Systemen eine einfache Idee: Um einen neuen Problemfall zu interpretieren bzw. zu lösen versucht man, im Gedächtnis bereits gespeicherte relevante frühere Fälle zu nutzen. Anstatt vollkommen neue Lösungen zu generieren, wird auf den Erfahrungsschatz zurückgegriffen. Dies verspricht Effektivität und Schnelligkeit. Die Vorstellung der allgemein wirksamen Prinzipien fallbasierter Systeme wird sich in seiner Gliederung im Wesentlichen an den aufeinanderfolgenden Teilschritten des Problemlöse-Prozesses orientieren.

2.1 Typen Fallbasierter Systeme

Man unterscheidet grundsätzlich zwei unterschiedliche Typen Fallbasierter Systeme:

Interpretatives, klassifikatorisches und Problemlösendes Fallbasiertes Schließen.

Ersteres begründet sich durch die Frage, ob eine neue Situation genauso oder eben gerade nicht wie eine bereits bekannte und eindeutig interpretierte bzw. klassifizierte Situation beurteilt werden sollte. Klassisches Beispiel hierfür ist die Art und Weise angelsächsischer Rechtssprechung, die im Wesentlichen Präzedenzfällen folgt. Auf der Grundlage von Abweichung und Ähnlichkeit wird beurteilt, ob ein Fall wie ein bereits bekannter behandelt werden kann. Letzteres erklärt sich durch die Suche nach neuen Lösungen eines aktuellen Problems. Dazu wird die Datenbank nach einem möglichst ähnlichen Fall durchsucht und anschließend der alte Lösungsweg bzw. die Lösung selber auf das bestehende Problem adaptiert. Diese Lösung kann bereits erschöpfend sein oder nur für Teilaspekte des Problems genutzt werden.

Meist lassen sich diese beiden Arten nicht wirklich scharf trennen. Noch umstritten ist eine neue, dritte Komponente: das Cased-Based Teaching, CBT, wo durch eine geeignete Aufgabenumgebung und einen Hinweisgeber i.F. eines Geschichtenerzählers Schüler durch Analogieschluss neues Wissen generieren sollen (siehe 5 Anwendung)

2.2 Komponenten und Prozesse

Der erste Schritt eines jeden CBR-Prozesses ist der Abruf, die Auswahl geeigneter Fälle aus dem Gedächtnis bzw. der Datenbank, mit Hilfe derer man in der Lage sein sollte, relevante Vorhersagen für den neuen Fall zu ermöglichen. Dafür hat sich ein einfaches und logisches System herauskristallisiert: das Indizieren. Da es in einer durchschnittlichen Datenbank tausende abgespeicherte Fälle geben kann und wahrscheinlich keiner dieser 100prozentig zum Vorliegenden passt, stießen reine Diskriminationsnetzwerke, welche jeden Fall in der Bibliothek mit dem neuen vergleichen, schnell an ihre Grenzen. Doch ergibt sich dadurch das s.g. "indexing problem": Welche Merkmale müssen mit welcher Gewichtung abgespeichert werden, damit die Wiederverwendung zu einem späteren Zeitpunkt möglichst reibungslos verläuft? Ein ganzer Forschungszweig nahm sich diesem Thema an, um geeignete Wörterbücher für Indizes zu schreiben. Im Allgemeinen kann man beim Indizieren auf zwei Wegen vorgehen, um die Parameter festzulegen: Zum einen kann man die Domäne des abzuspeichernden Falles analysieren und somit die Relevanz von bestimmten Merkmalen des Falles bestimmen. Oder man geht aus der umgekehrten Richtung aus vor und analysiert den Fall; abgespeichert wird dann nach Salienz und relevanten Charakteristiken. Das Problem besteht in der Feinheit des Index’: Sollten nur herausragende, charakteristische Merkmale indiziert werden oder die gesamte Palette, also erschöpfend? Ab wann fallen Aufwand und Nutzen des Indizierens in ein Ungleichgewicht? Es scheint auf eine Gradwanderung hinauszulaufen; erwähnte Wörterbücher sollen dieser etwas Systematik verleihen.

Ist ein aktuelles Problem hinreichend indiziert, können nun diesem Index möglichst entsprechende, abgespeicherte Fälle abgerufen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies real erlebte Situationen sind oder rein hypothetische, deren Lösung noch keiner Probe unterzogen wurde. Die dazu geeignete Methode hängt von der Struktur des Fallgedächtnisses, der Art der abgespeicherten Information und vom Zweck der Suche ab. Man unterscheidet drei unterschiedliche Suchmethoden:

Die Methode der Konzeptverfeinerung macht sich eine Spezialisierungshierarchie zu Nutze. Der Suchvorgang ähnelt im Wesentlichen einfachen Diskriminationsnetzwerken, in denen nun von der höchsten Abstraktionsstelle an auf immer spezifischere Ebenen herab gegangen wird.

Der Parallele Abruf gleicht ganz simpel alle Dateien mit der vorliegenden ab - aber parallel, d.h. der Aufwand ist bei hinreichend großer Rechenkapazität nur eine Frage der Komplexität. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass diese Methode ergänzt durch ein constraint-satisfaction-Element im Analogen Schließen seine Anwendung findet (siehe 4 Der lokalistisch- konnektionistische Ansatz).

Der direkte Abruf scheint hier die einfachste Variante zu sein. Er erfolgt durch die Berechnung einer Bewertungsfunktion auf Basis der Indizes.

Am Ende dieses Schrittes liegen nun mehrere geeignete Fälle vor. Der nun folgende Prozess dient der Selektion. Hier kann man statistisch, analytisch oder nach Präzedenzfällen vorgehen. Bei Ersterem werden passende Indizes einfach (nach Relevanz gewichtet) aufsummiert; in zweit genannten Präferenzheuristiken oder Evaluationsfunktionen verwendet; in letzterem dienen Präzedenzfälle als Hinweisgeber für die Gewichtung bestimmter Merkmale. Hier kann es durchaus vorkommen, dass man sich seine Lösung aus vielen Teilstücken zusammensetzen muss, sollte eine kompakte Gesamtlösung nicht zur Verfügung stehen.

Nachdem man sich einen geeigneten bekannten Fall herausgesucht hat, geht es nun darum, die damit verbundene Lösung bzw. Lösungsweg an das bestehende Problem anzupassen. Diesem Prozess dienen sowohl strukturelle als auch derivationale Anpassungstypen.

Im Sinne der strukturellen Adaption werden gesamte Lösungen einfach übernommen und nur soweit wie nötig angepasst.

Im Falle der Derivationalen Adaption, auch Ableitungsanpassung genannt, wird nicht die fertige Lösung übernommen, sondern der Lösungsweg neu beschritten, eine ganz eigene, speziell zugeschnittene Lösung generiert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden weniger ad-hoc-Regeln gebraucht, es kann auf Wissen anderer, weit entfernter Domänen zurückgegriffen werden, das Resultat ist optimal angepasst. Voraussetzung ist aber ein relativ umfangreiches Bereichswissen und die Tatsache, dass die alte Lösung auch wirklich selbst erschaffen und nicht einfach übernommen wurde.

Diese beiden Typen bedienen sich wiederum verschiedener Anpassungstechniken. Diese seien hier nur kurz aufgeführt:

Nullanpassung: Lösungen werden ohne Adaption einfach übernommen.

Parametrisierte Lösungen: Indizes alter Fälle bestimmen die relevanten Parameter der Anpassung Abstraktion und Respezialisierung: man abstrahiert solange, bis die Schwierigkeit für einen geeigneten Fall keine Rolle mehr spielt, dann wird wieder respezialisiert bis auf die Ausgangsebene

Kritikbasierte Anpassung: mögliche Probleme bei einer Planausführung dienen als Hinweisgeber für eine Gesamtlösung

Reinstatiierung: Hier wird klassisch auf alte Lösungsheuristiken (auch Teilheuristiken) zurückgegriffen

So weit so gut. Was nun noch fehlt ist die Nachbearbeitung i.F. der Speicherung des neuen Falls. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, das Gedächtnis wird dadurch immer auf dem neuesten Stand gehalten. Abgespeichert werden je nach Gedächtnisaufbau neben der Beschreibung des Falles der Planungsprozess sowie aufgetretene relevante Fakten und Fehler.

3 Fallbasiertes Lernen

Systeme, die auf Fallbasierendem Problemlösen beruhen, haben eine besondere faszinierende Eigenart: sie sind lernfähig. Dieser entscheidende Punkt erst ist es, der sie abhebt von anderen technisch realisierbaren Lösungsprozessen. Es ermöglicht diesen Systemen, neue Informationen in bereits bestehendes Wissen einzugliedern und sich so konsequent dynamisch zu verbessern. Die Eingliederung erfolgt wieder über das Indizieren (siehe 2.2 Komponenten und Prozesse), indem der neue Fall inklusive des Lösungsweges und dem Resultat samt "Kennziffer" im Gedächtnis abgespeichert werden. Dieser Prozess des Einbau's eines neuen Falles hängt im Wesentlichen von der Art der Speicherorganisation ab. Hier unterscheidet man grob 3 Arten: zum Einen die s.g. flache, kompakte Speicherung, bei der die neu gewonnene Information ohne Umschweife einfach im Gedächtnis abgespeichert wird; zum Zweiten hierarchische Speicherorganisationen, bei denen der neue Fall in Form von MOP's a soweit unten wie möglich innerhalb dieser Rangordnung eingebaut wird; zum Dritten konnektionistische Systeme, wo neue Fälle entsprechend deren systeminhärenten Eigenschaften in das bestehende Netzwerk integriert werden, z.B. durch den Aufbau völlig neuer Verbindungen zwischen einzelnen units.

Eine Alternative zum Einbau bietet die Generalisierung. Diese kann auf Basis von struktureller Ähnlichkeit geschehen, d.h. Gemeinsamkeiten und Unterschiede mehrerer Beispiele werden analysiert und für sich abgespeichert. Oder die Grundlage bieten Erklärungen, d.h. aus generierten Lösungen wird das Wesentliche deduktiv abstrahiert, der Grundgedanke herausgezogen Das Problem ist in jedem Fall, dass nur indizierte Fälle herangezogen werden würden, alle anderen, nicht explizit abgespeicherten aber durchaus interessanten Lösungen würden vernachlässigt.

4 Der lokalistisch- konnektionistische Ansatz

Aus dem Bereich der Psychologie entstammt ein alternativer Ansatz zum Aufbau von Wissensrepräsentationen und den Arbeitsprozessen beim analogem Schließen. Die grundlegende Idee besteht darin, eine Information in Form von Verbindungen zwischen Knoten abzuspeichern. Diese Knoten, "units" genannt, sind die kleinsten Bestandteile im Baukasten des Wissens. Verknüpfungen bilden sich entsprechender semantischer Zusammengehörigkeit. Desweiteren gibt es noch zwei Extra-units, die die Realisierung der zwei constraints Öberflächenähnlichkeit und Pragmatismus beim mapping-Prozess sicher stellen. Kommt es nun zum Abruf einer geeigneten Information zur Erstellung einer Analogie, wird nach einer Quelle gesucht, die der semantische Struktur der Ziel-Information entspricht und zugleich den restlichen beiden constraints genügt (constraint-satisfaction methode). Verschiedene units mit ihren zahlreichen Verbindungen erreichen hierdurch verschieden hohe Aktivierungszustände. Um so höher der Aktivierungsgrad, um so besser die Übereinstimmung. Dieser Prozess ist in dem ARCS-Modell von Holyoak & Thagard (1989) realisiert.

Dies sind mentale, situations- bzw. fallübergreifende Skripte . Eine Situation besteht meist aus mehreren Szenen, ein Fall aus mehreren Einzelbestandteilen. Diese werden separat entsprechend ihrer inhaltlichen deskriptiven Information gespeichert Dies können reine Heuristiken sein oder charakterisierende Merkmalsbeschreibungen für Personen, Gegenstände oder situative Begebenheiten.

Diese Repräsentationsart eignet sich besonders gut zur Iplementation semantischer Ähnlichkeit, da Eingaben, die ja hier ihrem Wesen nach nur aus einer Menge von Eigenschaften bestehen, als ein bestimmtes Aktivierungsmuster gespeichert werden, das dann wieder aktiviert wird, wenn eine Abfrage mit einer ähnlichen Menge an Eigenschaften erfolgt. Doch leidet auch dieser Ansatz unter zwei grundsätzlichen Problemen. Zum einen können hier strukturelle Randbedingungen nicht berücksichtigt werden, da dieses Modell sequentiell arbeitet und zu einem Zeitpunkt auch nur eine Regel beachtet werden kann. Die Integration struktureller Informationen erfordert einen signifikanten Mehraufwand an Rechenkapazität- und zeit. Zum anderen erklärt es nicht, wie viel Vorarbeit die Zerlegung in semantische Bestandteile dem Abruf abnimmt. Ein weiteres Spezifikum konnektionistisch arbeitender Analogiemodelle ergibt sich, wenn es zu semantischen Überlappungen einzelner Lösungsvorschläge kommt. Diese treten tendenziell bei Problemen innerhalb einer Domäne auf und erhöhen den Rechenaufwand enorm.

Und doch hat dieser Ansatz Potential. Holyoak und Thagard wiesen in Parallelstudien mit Studenten nach, dass ihr Programm ARCS zu den gleichen Lösungen kommt, wie die humane Vergleichsgruppe, zumindest bei einfachen Problemlöseaufgaben. Da dieses Modell auf der Wissensebene parallel arbeitet, kann auch das Problem parallel angegangen. Durch sich gegenseitig verstärkende (bei Konformität) bzw. hemmende (bei Nonkonformität)Verbindungen werden nur übereinstimmende Aktivierungen im Netzwerk berücksichtigt, was den Rechenaufwand deutlich mindert. Außerdem fallen die s.g. "back-tracking-Regeln" bei Veränderungen des Interpretationskontexts weg, was die Bearbeitungszeit entscheidend verkürzt. Dieser Ansatz stieß anfangs bei den Forschern aus dem Bereicht der CBR auf Ablehnung: Warum sich soviel Mühe machen mit der Berücksichtigung semantischer Ähnlichkeit? Da die hier verwendeten Analogien aus meist der selben Domäne stammen, ist auch die Wahrscheinlichkeit semantischer Ähnlichkeit sehr hoch. Doch die Effizienz auf Grund von Ausschlusskriterien und paralleler Vorgehensweise muss faszinierend gewirkt haben. Zunehmend wird versucht, verbindende Modelle zu entwerfen.

5 Anwendung

Großen Einfluss hat CBR auf die amerikanische Schulphilosophie und Lehrpraktiken genommen. Was in Europa üblich ist, erscheint den USA als neu: Das Lernen am Beispiel, das Selbsterschließen neuen Wissens aus bereits Vorhandenem. Das Vermitteln von Schemata, das Lernen am Objekt, die Verwendung von gezielter Reflexion sind relativ ungebräuchliche Lehrpraktiken. Der Lehrer degradiert in seiner Funktion zunehmend zum reinen Hinweisgeber, wo brauchbare Analogien mit verwendbaren Inferenzen aufzuspüren sind, basierend auf Feldbeobachtungen, Alltagsgeschehen und Literatur. Ziel ist es nicht mehr, stures Auswendiglernen zu fördern, sondern die Schlüsselqualifikation fallbasiertes Schließen zu vermitteln. Die Anwendung verschiedener Schemata gilt dabei als höchste Stufe geistiger Flexibilität. Die größten Lerneffekte wurden dabei im komplettieren lückenhaften Wissens erreicht. Als Schlüssel für eine hohe Erfolgsquote gilt die Anwendung des Gelernten. Ein brauchbares Problem im schulischen Sinne muss deshalb mehren Anforderungen genügen: Es muss angemessen komplex und verschachtelt, transparent, mehrfach interpretativ und mit offenem Ende versehen sein.

Als Problem stellt sich dabei fast ausschließlich der Abruf dar, das Finden geeigneter Analogien. Das anschließende mapping gestaltet sich angesichts des engen Realitätsbezuges als meist unproblematisch. Um so größer der Interpretationsgrad des Ziels war, um so leichter fiel es den Schülern, eine geeignete Quellanalogie zu finden. Der Wirkungsgrad hängt des weiteren davon ab, wie gut die Quellanalogie analysiert ist und wie effektiv die matching-Prozesse ablaufen, wie viele Inferenzen der Lernende zu ziehen fähig ist. Als Evaluationsquellen für die Effektivität ihrer Analogien dienen das feedback der Umwelt des Schülers sowie auftretende Fehler bei der Wiederverwendung erkannter Lösungen.

5 Diskussion

Die Forschung auf dem weiten Feld des Fallbasierten Schließens steht noch immer vor riesigen Problemen. Um die Effizienz von Computersystemen auf Basis des CBR zu erhöhen und somit erst brauchbar zu machen, müssen vor allem die Teilprozesse des Findens und Mappens von geeigneten Fällen beschleunigt werden, was einen unweigerlich zurück zum berühmten „indexing-problem“ führt. Nicht zuletzt die unzureichende Schnelligkeit behindert eine Verbreitung von CBR-gestützten Systemen in der Industrie. Die meisten universitär entwickelten Systeme erweisen sich in der Praxis als zu unrobust und fehleranfällig, Anwendungsausgerichtete (wie zum Beispiel Nutzerunterstützende Hilfsprogramme auf PC’s) gelten als sehr eingeschränkt in ihrer Funktionsweise. Ein weiteres Problem brachte Janet Kolodner in einem Satz auf den Punkt: „We need tools!“ - Werkzeuge, die das Anlegen von Fallbibliotheken erleichtern; Werkzeuge, um automatisch und interaktiv arbeitende Systeme zu kreieren; Werkzeuge, die sich auf Evaluation, Modelle oder Planung von fallbasierenden Lösungswegen spezialisieren. In dieser Forschung mangelt es oft nicht an Ideen als viel mehr an den geeigneten Mitteln, sie adäquat umzusetzen .

Und doch scheinen die Türen für das Fallbasierte Schließen weit offen zu stehen. Der Mensch strebt nach Ordnung im Chaos, in früheren Zeiten genauso wie im heutigen Computerzeitalter. Die Fülle an Informationen, die einem heute rechnergestützt zur Verfügung steht, scheint unüberschaubar und nur schwer zu bewältigen. CBR-gestützte Systeme könnten hier schnell eine Existenzberechtigung finden. Und nicht zuletzt hegt die Menschheit einen uralten Traum: ein Golem, erschaffen vom Menschen nach seinem Abbild, mit seinen mentalen Fähigkeiten, seiner Effizienz und Präzision. Ein Traum ferner Zukunft? Die Forschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz ist auf dem besten Weg.

6 Literaturangaben

Weber, G. (1994). Fallbasiertes Lernen und Analogien. Weinheim: Beltz

Kolodner, J.L. (1993). Case-based Reasoning. San Mateo: Morgan Kaufmann Publishers

Kolodner, J.L. (1997). Educational implications of analogy. A view from cased-based reasoning. American Psychologist, 52, Seiten 57-66

[...]


a MOP's: Memory Organisation Packets

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Fallbasiertes Schließen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Seminar "Denken"
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V105385
ISBN (eBook)
9783640036790
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit enstand im Rahmen eines Kongnitionsseminars zum Thema "Denken". Ziel der Arbeit war es, Fallbasiertes Schließen (CasedBasedReasoning)von Analogem Schließen (AnalogicalReasoning) abzugrenzen. Schwachpunkte der Arbeit sind gewisse Formfehler beim Zitieren und der Absatz 4 (da also etwas Vorsicht)
Schlagworte
Fallbasiertes, Schließen, Seminar, Denken
Arbeit zitieren
Sebastian Kunert (Autor:in), 2001, Fallbasiertes Schließen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105385

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Titel: Fallbasiertes Schließen



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