Die Rolle der unabhängigen Frau in der englischen Restaurationskomödie am Beispiel von Harriet und Alithea


Seminararbeit, 2001

17 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Vergleich der unabhängigen Frauen Harriet und Alithea

3. Vergleich zwischen Harriet und Mrs. Loveit

4. Vergleich zwischen Alithea und Mrs. Pinchwife

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Beginn der englischen Restauration durch die Wiederbesteigung des Thrones durch König Charles II im Jahre 1660 läutete zugleich eine Wiederbelebung der während der Zeit des puritanischen Regimes verbotenen Theaterkultur ein. Die während der Restauration geschriebenen Komödien verfolgten die Absicht, der englischen Gesellschaft den puritanischen Geist mit ihrer geradezu provokanten Darstellung von betont losen Sitten und dekadentem Lebenswandel austreiben.

Mit der Aufführung neuer Komödien tauchten immer wieder junge weibliche Figuren aus, die auffallend scharfsinnig, klug, wohlhabend, attraktiv und als Resultat all dieser Eigenschaften von Männern unabhängig waren. Zwei dieser unabhängigen Frauen werden in dieser Arbeit einer tiefergehenden Betrachtung unterzogen. Es handelt sich dabei um Harriet aus George Ethereges The Man of Mode (1676) sowie Alithea aus William Wicherleys The Country Wife (1675). Die Bestimmung dieser weiblichen Figuren als die unabhängigen Frauen dieser Komödien folgt dabei Margaret Lamb MacDonalds Arbeit „The independent woman in the restoration comedy of manners“ (1976).

Die Restaurationskomödie war zwar nicht so sehr Gegenstand der literaturwissenschaftlichen Forschung wie die mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor verfassten Dramen Shakespeares, doch ist dieser Epoche des englischen Theaters durchaus einiges an Betrachtung zuteil geworden. Die unabhängigen Frauen der Restaurationskomödie werden in den meisten Abhandlungen lediglich am Rande erwähnt, sodass dieser Teilaspekt noch einiges an neuen Erkenntnissen in sich verbergen dürfte. Lediglich die bereits erwähnte Arbeit von Margaret Lamb MacDonald widmet sich ausschließlich der Figur der unabhängigen Frau.

Einige verwendete Grundbegriffe sowie benutzte Zitierweisen bedürfen der Definition:

Die Verkörperungen der Personen der Komödien werden gemäß Manfred Pfisters Standardwerk „Das Drama – Theorie und Analyse“ (1977) als „Figuren“ bezeichnet.

Die Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften einer Figur wird in dieser Arbeit „Charakter“ genannt.

Je nach Anzahl dieser Eigenschaften lässt sich der Charakter einer jeden Figur auf einer Skala von „flach“ bis „rund“ einordnen.

Als „Antagonistinnen“ oder auch „Gegenspielerinnen“ von Harriet beziehungsweise Alithea werden diejenigen weiblichen Figuren bezeichnet, zu denen sie aus den unten aufgeführten Gründen in einem Gegensatz stehen.

Bei den Quellenangaben zur Primärliteratur entsprechen die Seitenangaben den Ausgaben von The Man of Mode und The Country Wife, die im Literaturverzeichnis angegeben sind. Jede Quellenangabe beginnt mit der abgekürzten Nennung der Komödie, wobei „MM“The Man of Mode und „CW“The Country Wife bezeichnet. Die nachfolgenden Angaben nennen den Akt, die Szene, die Seitensowie die Zeilenangaben.

Bei den Quellenangaben zur Sekundärliteratur wird lediglich der Nachname des Verfassers sowie die Seite genannt. Die kompletten Angaben des Werkes befinden sich im Literaturverzeichnis.

Das Hauptaspekt dieser Arbeit wird die Charakterisierung der beiden weiblichen Figuren Harriet und Alithea sein. Dies wird mittels des Vergleiches erfolgen, wobei zunächst Harriet und Alithea anhand einiger Aspekte ihrer Persönlichkeiten miteinander verglichen werden. Hierdurch werden diejenigen Charaktereigenschaften beider Figuren deutlich, in denen sie sich in signifikantem Maße unterscheiden.

Sowohl Alithea als auch Harriet besitzen in der jeweiligen Komödie eine Antagonistin. Anschließend an den Vergleich der beiden Frauenfiguren untereinander werden sowohl Harriet als auch Alithea in ihren Handlungsund Denkweisen mit diesen gegensätzlichen Figuren verglichen. Hierdurch werden weitere Charakterzüge Harriets und Alitheas deutlich werden, die beim Vergleich der beiden unabhängigen Frauenfiguren untereinander nicht hervortraten.

Handlungsbedingt wird Harriets Gegenspielerin von Mrs. Loveit dargestellt, da zwischen diesen beiden Frauen ein Interessenskonflikt um die Liebe Dorimants besteht. Die gänzlich unterschiedlichen Persönlichkeiten dieser Nebenbuhlerinnen unterstreichen die Signifikanz dieses Gegensatzpaares.

Alitheas charakterlicher Gegenpol ist handlungsbedingt keine Gegnerin, sondern erhält A- litheas ständige Unterstützung. Es handelt sich um Alitheas Schwägerin Mrs. Margery Pinchwife, die als von ihrem Ehemann – Alitheas Bruder Mr. Pinchwife – unterdrückte Frau einen Gegensatz zur unabhängigen Alithea bildet.

Durch die Methode des Vergleiches wird als Nebenaspekt dieser Arbeit das breite Spektrum an verschiedenen Frauenfiguren deutlich, die alleine in diesen zwei der zahlreichen Restaurationskomödien auftreten.

2. Vergleich der unabhängigen Frauen Harriet und Alithea

Obwohl sowohl Harriet als auch Alithea die Rolle der unabhängigen Frau darstellen, wird diese von Etherege einerseits und Wycherley auf der anderen Seite sehr unterschiedlich interpretiert. Ihre voneinander verschiedenen Persönlichkeiten finden ihren Ursprung bereits in der unterschiedlichen Herkunft: Harriet stammt vom Lande, während Alithea in der Groß- stadt London geboren wurde und aufwuchs. Der Unterschied zwischen ländlichem und städtischem Leben erhält seine Bedeutung nicht zuletzt dadurch, dass er in beiden Komödien wiederholt betont wird. Zumeist geschieht diese Differenzierung mittels eines arroganten Herabblickens städtischer Figuren auf die Landbevölkerung; beispielhaft hierfür ist die Reaktion Dorimants auf den Erhalt der ersten Nachricht über Harriet, die kürzlich vom Lande in die Stadt gekommen ist:

„This fine woman, I´ll lay my life, is some awkward ill-fashioned country toad, who, not having above four dozen of black hairs on her head, has adorned her baldness with a large white fruz, that she may look sparkishly in the forefront of the king´s box at an old play.“ (MM, I, 1, S. 50, Z. 30-35).

Die Tatsache, dass Dorimant, ohne weitere Informationen über Harriet erhalten zu haben, auf die Weise reagiert, offenbart die tiefsitzenden Vorbehalte, die innerhalb der Stadtbevölkerung gegenüber den ihrer Meinung nach einfältigen Menschen vom Lande verbreitet waren.

Aus der unterschiedlichen Herkunft der beiden Figuren resultieren zwei ganz unterschiedliche Verflechtungen in das soziale System der Londoner Gesellschaft. Dies hat wiederum zur Folge, dass Harriet, die als junge Frau vom Lande noch außerhalb der Gesellschaft steht, weitgehend frei von Zwängen agieren kann, die sie aus einer Sorge um ihren Ruf heraus in ihrem Handeln einschränken würden.

Im Gegensatz zu Harriet ist Alithea, wie die meisten Mitglieder der noblen Gesellschaft Londons, im hohen Maße um ihren Ruf besorgt. Aus diesem Grunde wehrt sie sich anfangs, entgegen ihrer wahren Gefühle, gegen Mr. Harcourts Liebesbekundungen, da die Auflösung der Verlobung mit Mr. Sparkish eine für sie unakzeptable Schädigung ihres sozialen Ansehens zur Folge hätte. Dies formuliert Alithea gegenüber Mr. Harcourt ganz offen: „[...], I must marry him, my reputation would suffer in the world else.“ (CW, II, 1, S. 175, Z. 1-2).

Alithea tut aus Sorge um ihren Ruf das, was von der Gesellschaft als vernünftig angesehen und somit von ihr erwartet wird. Letztendlich aber erfährt Alithea eine Entwicklung, in deren Konsequenz die Verlobung mit Mr. Sparkish gelöst wird. Doch geschieht dies lediglich als Verkettung mehrerer Zufälle in Folge des Liebesbriefes an Horner, den Mrs. Pinchwife als von Alithea geschrieben ausgibt, um dem Zorn ihres eigenen Ehemannes zu entgehen. A- lithea hätte von sich aus nicht die Initiative ergriffen, sie wäre, um ihren Ruf zu bewahren, die Ehe mit Mr. Sparkish eingegangen und hätte sich noch lange nach Mr. Harcourt gesehnt.

Des weiteren ist Alithea anfangs gewillt, den von ihr nicht geliebten Mr. Sparkish zu heiraten, weil sie unter keinen Umständen das ihr so wichtige London mit all seinen Vorzügen für eine junge Frau verlassen möchte. Für Margaret Lamb MacDonald liegt ein Zeichen ihrer Unabhängigkeit und ihrer Privilegien als emanzipierte Frau darin, dass sie für sich diese Freiheiten beansprucht und ihren Vergnügungen sowie dem freizügigen Londoner Leben nachgeht.1 Hieraus resultiert Alitheas Hauptmotivation für die Ehe mit Mr. Sparkish. Sie ist bereit, diesen zu heiraten, weil sie überzeugt ist, dieser sei nicht zur Eifersucht zu bewegen, und wird sie aus diesem Grunde nicht daran hindern, beispielsweise Theater zu besuchen oder sich anderweitig zu amüsieren. Sie hat nicht vor, Mr. Sparkish nach der Hochzeit zu betrügen, doch ihr Bruder Mr. Pinchwife bietet ihr ein Paradebeispiel für unbegründete und paranoide Eifersucht. Solch einen Ehegatten fürchtet sie, denn eifersüchtige Ehemänner haben ihre vermeintlich untreuen Ehefrauen zu der damaligen Zeit als letztes Mittel, um sie zu einem sittsamen Leben zu zwingen, aufs Land umgesiedelt, wo sie keinerlei Verlockungen ausgesetzt waren. Die Gefahr, einen solchen Ehemann zu heiraten, hängt als Damoklesschwert über Alitheas weiterem Leben, sodass sie notgedrungen mit dem in dieser Hinsicht vermeintlich ungefährlichen Mr. Sparkish vorlieb nimmt.2

Auch Harriet ist zu Beginn der Komödien mit einem Mann – Young Bellair - verlobt, den sie nicht liebt, und sieht ihrer baldigen Hochzeit entgegen. Dieser naive und etwas langweilige junge Mann aus guten Hause steht geistig mit ihr ganz und gar nicht auf einer Stufe; diese Ehe wurde von den Eltern des Brautpaares aus rein ökonomischen Gründen geschlossen. Im Gegensatz zu Alithea fügt sich Harriet keineswegs in ihr Schicksal und denkt auch nicht ansatzweise daran, den ihr zugewiesenen Ehemann zu heiraten. Im Gegenzug empfindet Young Bellair ebenfalls keine Liebe für Harriet, was die Verhinderung der geplanten Hochzeit erheblich erleichtert. Sie sehen zwar noch keinen Ausweg aus diesem Eheversprechen, aber gehen dennoch sehr humorvoll damit um, was sie in dem parodierten Treuegelöbnis zum Ausdruck bringen (MM, III, 1, S. 80, Z. 9-19). Harriet würde nur einen Mann heiraten, den sie wirklich liebt, dies vertraut sie ihrer Dienerin Pert in der Vertrautheit ihrer Kammer an: „I need no land; no, I´ll lay myself out all in love.“ (MM, III, 1, S. 80, Z. 2). Harriets Meinung über Y- oung Bellair ist durchaus der von Alithea über Mr. Sparkish ähnlich; dies äußert sie Busy gegenüber: „I think I might be brought to endure him, [...]“ (MM, III, 1, S. 79, Z. 17). Doch die Konsequenzen, die sie aus der Verlobung mit einem lediglich akzeptablen und erträglichen Ehemann zieht, sind gänzlich andere als bei Alithea. Alithea findet sich zunächst damit ab, wie die meisten Frauen nicht den perfekten Mann zu bekommen. Auch Harriet ist dieses weitverbreitete Phänomen bekannt, denn sie setzt den Satz wie folgt fort: „[...] and that is all a reasonable [Hervorhebung] woman should expect in a husband [...]“ (MM, III, 1, S. 80, Z. 17-18). Harriet hingegen weiß zwar, dass sie vermeintlich unvernünftig handelt und den Unmut zumindest ihrer Eltern auf sich zieht, aber um ihren starken Willen durchzusetzen, bleibt sie renitent. Wie Alithea hat auch Harriet Gefallen an London gefunden und möchte vorerst nicht zurück aufs Land geschickt werden, worin allerdings die Konsequenz der nicht eingegangen Ehe mit Young Bellair bestünde. Das vermeintliche Brautpaar entscheidet sich, ihren Eltern ihre Verliebtheit vorzuspielen, um in London bleiben zu können: „YOUNG BELLAIR: What a dreadful thing ´twould be to be hurried back to Hampshire! HARRIET: Ah, name it not!“ (MM, III, 1, S. 81, Z. 3-5).

[...]


1 MacDonald, S. 81

2 Dieser Hintergrund der geplanten Ehe zwischen Alithea und Mr. Sparkish offenbart sich in einem Dialog zwischen Alithea und Dienerin Lucy (CW, IV, 1, S. 207, Z. 1 – S. 209, Z. 9).

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der unabhängigen Frau in der englischen Restaurationskomödie am Beispiel von Harriet und Alithea
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
17
Katalognummer
V105374
ISBN (eBook)
9783640036684
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frau, Restaurationskomödie, Beispiel, Harriet, Alithea
Arbeit zitieren
Michael Treichler (Autor:in), 2001, Die Rolle der unabhängigen Frau in der englischen Restaurationskomödie am Beispiel von Harriet und Alithea, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105374

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