Die Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen europäischen Imperialmächte in Übersee


Ausarbeitung, 2001

7 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


1 Einleitung

Der Wortlaut der Themenstellung indiziert meiner Ansicht nach, den 1. Weltkrieg als Bruch in der Geschichte der europäischen Expansion nach Übersee zu sehen. Jedoch war die Zeit nach dem 1. großen europäischen Bürgerkrieg (Ansprenger) kolonialgeschichtlich nur eine Fortführung des Imperialismus. Dazu möchte ich zunächst für die Behandlung des gewählten Themas ( Konsequenzen für die großen europäischen Imperialmächte) eine Arbeitsdefinition, bzw. Arbeitsdefinitionen, für Begriffe festlegen, welche ich in meiner Arbeit benützen werde. Imperialismus ist für mich als Summe aller Machtbeziehungen zwischen Gesellschaften mit höher entwickelter Technologie und weniger entwickelter zu sehen. Kontinuitäten, welche in unserem Zusammenhang (nach 1. Weltkrieg) aufzuzeigen sind, ergeben sich, wenn einzelne Faktoren dieses Machtgefälles stabil und erhalten bleiben. Diskontinuitäten (nach dem 1. Weltkrieg) wären dann, von meiner Imperialismusarbeitsdefinition her, eher sekundär und wären dann nur räumlich, zeitlich und sachlich-typologischer Natur. Ich werde also versuchen darzulegen, dass die thematisierten Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen Imperialmächte in Übersee, im gesamten historischen Ablauf der europäischen Expansion (oder Imperialismus) gesehen, als eine sekundäre Diskontinuität im Sinne meiner o. a. Definition anzusehen sind. Gliedern werde ich meine Arbeit, in dem ich bestimmte Periodisierungskriterien einzeln zur Beleuchtung dieser Zeit nach dem 1. Weltkrieg bearbeite.

Diese Kriterien sind:

1. Wer waren die Imperialisten zu dieser Zeit?
2. Wo waren die Imperialisten zu dieser Zeit?
3. Warum waren die Imperialisten dort?
4. Welcher Art war ihre Herrschaft?
5. Wie war die Peripherie global eingegliedert?
6. Wie reagierten die indigenen Bevölkerungen auf die Kolonial- bzw. Imperialmacht?

Außerdem werde ich mich hauptsächlich auf die beiden Imperialmächte Großbritannien und Frankreich konzentrieren. Im Thema sind ausdrücklich die Konsequenzen für die großen europäischen Imperialmächte erwähnt. Also wird meine Analyse eher eurozentrisch ausfallen, jedoch werde ich auch periphere Betrachtungsweisen anführen müssen. Dazu möchte ich die eurozentrische Sichtweise definiert wissen als Sicht der Imperialisten; und die periphere Sichtweise als Sicht der Objekte der Expansion und des Kolonialismus. Wobei jetzt besonders hervorzuheben ist, dass die letztere, die periphere Sichtweise, bei Bearbeitung der verschiedenen Periodisierungskriterien, schon beweisen könnte, dass die Kontinuitäten des o. a. Machtgefälles überwiegen. Den Objekten der Expansion war es "egal", wer sie eroberte und kolonisierte, warum und wie diese Vorgänge stattfanden. Wichtig und relevant für beide Seiten war, dass beispielsweise aus Mitarbeit und Kollaboration autochtoner Kräfte Widerstand und Instabilitätsbestreben wurde. Dies als Ausdruck aufkommender Nationalismen und Emanzipationsbegehren. Meiner Ansicht nach könnte man das als tatsächliche Diskontinuität in der Expansionsgeschichte ansehen und nicht etwa den 1. Weltkrieg. Wie gesagt: Es kommt auf den Blickwinkel an; peripher oder eurozentrisch. Abschließend werde ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammenfassen und wir werden sehen, ob sich meine Behauptung, dass die Konsequenzen des 1. Weltkriegs für die großen europäischen Imperialmächte eher als sekundäre Diskontinuität zu betrachten sind, richtig ist.

2 Betrachtung der Zeit nach dem 1. Weltkrieg

2.1 Wer waren die Imperialmächte?

Orientierend an den Mächten, welche 1884/85 bei der Kongokonferenz in Berlin am SCRAMBLE FOR AFRICA beteiligt waren - England, Frankreich, Deutschland, Spanien, Portugal, Italien, Belgien - stellt man fest, dass Deutschland als Weltkriegsverlierer auch seines Kolonialreiches verlustig ging. Es wurde in Afrika hauptsächlich an die Sieger Frankreich und England verteilt. Die Besitzung an Chinas Küste ging an Japan, die pazifischen Positionen an Australien und Neuseeland. Zugewinn machten die beiden großen Imperialmächte Frankreich und England ebenfalls im arabischen Raum, bedingt durch einen weiteren Verlierer, das osmanische Reich. Zugeteilt wurden diese Gebiete durch den gerade gegründeten Völkerbund (Wilson-Initiative) in Form von A-, B- und C- Mandaten. Artikel 22 der Völkerbundsatzung stellte den A-Mandatsgebieten die Unabhängigkeit in näherer Zukunft in Aussicht, da sie durch ihre Zugehörigkeit zum osmanischen Reich schon eine gewisse Zivilisationsreife erreicht hätten. Die Rede ist von den Gesellschaften im arabischen Raum. Um im Rahmen unserer Thematik zu bleiben, stellen wir fest, dass eine große europäische Imperialmacht, nämlich Deutschland, als Konsequenz des 1. Weltkrieges keine Kolonien mehr hat und Großbritannien, sowie Frankreich, erhebliche Gebietszuwächse verzeichnen können.

2.2 Wo waren die Imperialmächte?

Wie man sieht, sind Überschneidungen bei dieser Arbeitsweise nicht zu vermeiden. Unter Punkt 2.1 habe ich den arabischen Raum schon erwähnt, der für Frankreich und Großbritannien Gebietszuwachs darstellte. Togo und Kamerun in Westafrika gingen an Frankreich und diese Imperialmacht besaß jetzt ein riesiges, zusammenhängendes afrikanisches Kolonialreich vom Norden des Kontinents (Algerien) zur Westküste (Französisch-Westafrika) und ins Innere (Französisch-Äquatorialafrika) reichend. Deutsch- Ostafrika (heute: Tansania) fiel an Großbritannien und somit hatte diese imperiale Großmacht seine durchgehende Verbindung von Kairo zum Kap, wie es sich schon Cecil Rhodes, einer der großen Empire-builder, am Ende des 19. Jahrhunderts erträumt hatte. Die ehemals deutschen Kolonien waren zwar nur als Mandate an die beiden Mächte gegangen, faktisch blieben sie Kolonien - nur mit anderen Herren. Das ehemalige Deutsch-Südwestafrika kam unter die Herrschaft (als Mandat) Südafrikas - also ebenfalls unter die Kontrolle Großbritanniens. Im Rahmen unseres Themas stellen wir fest, dass Frankreich und England ihre kolonialen Besitztümer abrunden konnten.

2.3 Warum waren die Imperialisten dort?

Abgesehen von den schon erwähnten Gebietszuwächsen in Afrika durch die Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg, hatten die Expansionen schon vor 1914 ihre Vollendung gefunden. Die Kolonialgebiete waren aufgeteilt, die Extensivierung des Kolonialismus abgeschlossen. Nun erfolgte die Intensivierung des Kolonialismus. Großbritanniens Motive für die Expansion waren wahrscheinlich die wachsende Konkurrenz, die sich im letzten

Drittel des 19. Jahrhunderts in die Expansionsbestrebungen einklinkte (Frankreich, Deutschland) und das Bedürfnis in Ostafrika weitere Sicherungspunkte für den indischen Ozean einzurichten. Jedoch für unsere Thematik sind die Motive und Triebkräfte der Expansion marginal. Nach diesem 1. europäischen Bürgerkrieg wollten die imperialen Großmächte ihre Kolonien konsolidieren und tatsächlich Nutzen aus ihnen ziehen. Erste Warnsignale kamen jedoch, als indirekte Folge und Konsequenz (unser Thema!) vom amerikanischen Präsidenten Wilson, dessen Hinweis (unter mehreren) auf das Selbsbestimmungsrecht der Völker, ersten indigenen nationalistischen Bestrebungen die Argumentationsbasis für ihr Emanzipationsbegehren darstellte. Des weiteren wurden die Motive und Triebkräfte imperialistischen Denkens von der neugegründeten Sowjetunion (über die KOM-INTERN) in Frage gestellt. Wir stellen also fest, dass in Folge des 1. Weltkrieges in der Geschichte des Kolonialismus das Wort "Unabhängigkeit" an Statur gewinnt.

2.4. Wie gestaltete sich die koloniale, die imperiale Herrschaft?

Nach dem 1. Weltkrieg veröffentlichte LUGARD, ein englischer Kolonialadministrator, seine Thesen über "indirect rule", welche er schon vor 1914 praktisch in Nigeria angewandt hatte. Seine später veröffentlichte Theorie über "dual mandate" begründete die imperiale Eroberung und den Kolonialismus mit

1. der Fürsorgepflicht des überlegenen weißen Mannes über den Farbigen und
2. dem Recht und der Pflicht, unerschlossene Ressourcen der Menschheit zugänglich zu machen.

Ich weiß, dass dieser Punkt bezüglich Lugards "dual mandate" eigentlich in Kapitel 2.3 gehört, wo Motive und Triebkräfte, sowie ihre Begründungen behandelt werden. "Indirekt rule" wurde sowohl von den Briten, als auch von den Franzosen als Herrschaftsmethode angewandt. Jedoch bedienten sich die Engländer traditional etablierter Strukturen, um geografische Enklaven indirekt zu beherrschen. Im Gegensatz dazu setzten die Franzosen zwar auch Eingeborene als Herrschaftsinstrumente ein, rekrutierten diese aber nicht aus den traditionalen Chiefs, sondern ermittelten sie nach Kriterien, die in der Hauptsache aus erwiesenen langjährigen Diensten für die französische Kolonialmacht bestanden. Französische Kolonisation basierte auf den Zielen der Assimilation, bzw. einer abweichenden Form, der Assoziation. Die Grundlagen imperialer Autorität werden übrigens sehr schön von D. A. LOW beschrieben:

- man verleihe ihr Legitimität (berühmt: die Krönung der britischen Königin 1877 zur Kaiserin von Indien, als Nachfolge der Mogulen)
- man schaffe Recht und Ordnung
- man schaffe eine imperiale Autorität
- man behalte die Mittel der Gewalt und das Monopol auf ihre Anwendung

Formen des "informal empire"(oben: formal empire) blieben auch nach dem 1. Weltkrieg bestehen. Zwar wurde Ägypten 1922 unabhängig, jedoch hatte Großbritannien immer noch die "Quasi- Kontrolle". Irland als Sonderfall gelangte endlich 1922 wenigstens eine teilweise Unabhängigkeit (Freistaat), war jedoch noch quasi-kontrolliert. Zu diesem Kapitel stellen wir also fest, dass - insgesamt gesehen - bestehende Formen der imperialen Autorität und Strukturen von Abhängigkeitsbeziehungen sich nach dem 1. Weltkrieg fortsetzten. Abweichungen sind nach meiner Arbeitsdefinition -wie schon erwähnt - sekundäre Diskontinuitäten, da ja die Struktur der Summe aller Machtbeziehungen zwischen Gesellschaften höher entwickelter Technologie und niedriger Technologie bestehen bleibt.

2.5 Wie war die Peripherie global eingegliedert?

Nach der WALLERSTEIN-Theorie könnte man die Kolonien folgendermaßen einteilen:

- Außenarena (eigentlich schwierig zu beurteilen)
- Peripherie
- Halbperipherie
- Zentrum

Als Peripherie würde man vielleicht die Kolonien bezeichnen, die nach dem 1. Weltkrieg für die imperialen Großmächte die wichtigsten Handelspartner wurden. Als Halbperipherien die teilweise industrialisierten Kolonien. Zum Beispiel Südafrika mit Diamantenförderung, Ceylon mit Tee und der Kongo durch seine Kupfervorkommen. Als Zentren könnte man Europa, Ostküste Nordamerikas und Japan bezeichnen. Jedoch ist dies schwierig einzuschätzen. Zum Beispiel würde die Betrachtung einer Weltkarte von NOLTE mit dieser Einteilung schon Unstimmigkeiten ergeben. Zusammenfassend würde ich sagen, dass die Objekte der Expansion durch Handel, Migration und Geldtransfer massiv in den Weltmarkt involviert waren. Dies wird auch deutlich, wenn man die Folgen der Weltwirtschaftskrise für die Peripherie betrachtet, als durch Kreditkontraktion es zu massiven Problemen kam.

2.6 Wie reagierte die indigene Bevölkerung?

Wie reagierten die autochtonen Strukturen? Kollaborierten sie - oder leisteten sie Widerstand? In Indien gab es schon vor 1900 Gründungen Nationaler Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Fälle Irland und Ägypten erwähnte ich schon. Dass Präsident Wilsons 14 Punkte den nationalistischen Bestrebungen Auftrieb gaben und die Sowjetunion - als neuer Staat auf die Weltbühne getreten - die ideologischen Argumente für die Emanzipationsbestrebungen lieferte - dies habe ich schon unter Punkt 2.3 angeführt. Das "Schlachtfest" des 1. Weltkrieges wird den farbigen Bevölkerungen wohl die Unhaltbarkeit der These der Überlegenheit des weißen Mannes vor Augen geführt haben. Zusammenfassend läßt sich wohl sagen, dass als Konsequenz des 1. Weltkrieges den kolonisierten Völkern durch den Repräsentanten (Wilson) einer früheren Kolonie und aufstrebenden Großmacht (die USA) - und der Ideologie eines durch Revolution neu entstandenen Staates (die Sowjetunion) - also nicht farbiger Staaten, die Möglichkeit sich einmal befreien zu können von der imperialen Autorität einer westlichen Macht, näherrückte.

3 Zusammenfassung und Schluß

Ich hatte meiner Arbeit die Definition des Imperialismus als Summe aller Machtbeziehungen zwischen Gesellschaften mit höher entwickelten Technologie und weniger entwickelten vorangestellt. Ich behauptete, dass der 1. Weltkrieg kolonial- und imperialhistorisch keinen Bruch darstellte, sondern die Kontinuität bestehen blieb. Auftretende Diskontinuitäten bezeichnete ich als sekundär. Wenn wir jetzt die einzelnen Kapitel meiner Arbeit mit ihren Fragestellungen und meinen Antworten betrachten, kommen wir zu zwei Ergebnissen:

a. die eurozentrische Sicht

Deutschland verlor seine Kolonien und Großbritannien und Frankreich waren die Nutznießer (z.B. Kairo-Kap-Linie, Sicherung des Indischen Ozeans). Sie "rundeten" ihre Kolonialreiche ab (auch Vorteile durch arabisches Öl). Die Strukturen der imperialen Autorität blieben bestehen. In den Fällen Irland und Ägypten transformierte formal empire zu informal empire. Durch Wilson und die Sowjetunion erhielten nationalistische Unabhängigkeitsbestrebungen Argumente für ihre Anstrengungen. Die Kolonien waren zum wichtigsten Handelspartner der Metropolen geworden und die koloniale Herrschaft wurde intensiviert.

b die periphere Sicht

Für die Objekte der Expansion änderte sich nach meinen Kriterien nach dem 1. Weltkrieg nichts. Außer den schon mehrmals erwähnten Punkten Wilson und Sowjetunion, da alle anderen Kriterien, die ich in meiner Arbeit anführte, nur aus eurozentrischer Sicht im Sinne meiner Arbeitsdefinition relevant waren.

Ich sollte die Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen europäischen Imperialmächte in Übersee erläutern. Als Ergebnis meiner Analyse muß ich feststellen, dass es fast keine Brüche gab nach dem 1. Weltkrieg. Der Imperialismus befand sich auf der Zeitschiene in einer Phase der Intensivierung bestehender kolonialer Verhältnisse. An der Summe der Machtbeziehungen - an dem Machtgefälle - hatte sich nichts verändert; genauso wenig wie sich in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten geändert hatte.

Der Imperialismus (oder auch die Expansion) schritt voran, stagnierte manchmal, aber er ging nie zurück.

Köln/Universität den 5. September 2001

(Robert Zielke)

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Die Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen europäischen Imperialmächte in Übersee
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Europäische Expansion und überseeische Transformation
Note
bestanden
Autor
Jahr
2001
Seiten
7
Katalognummer
V105361
ISBN (eBook)
9783640036554
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Korrektors:"Eine sehr eigenständige und gut durchdachte Klausur." Diese Arbeit könnte deutlich machen, dass die Semesterabschlußklausuren in diesem Teilgebiet durch meine Periodisierungskriterien (beinahe) universal gegliedert - also struktuiert - werden können. FernStudenten, probiert es an anderen, alten Themen aus!
Schlagworte
Sommer-Semesterabschlußklausur am 5.9.2001
Arbeit zitieren
Robert Zielke (Autor:in), 2001, Die Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen europäischen Imperialmächte in Übersee, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105361

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Konsequenzen des 1. Weltkrieges für die großen europäischen Imperialmächte in Übersee



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden