Homiletische Vorüberlegungen zur Predigt über 1. Petrus 3,8-17 am 16.07.2000


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Persönliche Betrachtung

2. Historische Auslegung

3. Kirchengeschichtliche Bezüge

4. Systematische Besinnung

5. Homiletische Erschließung

Literaturverzeichnis

1. Persönliche Betrachtung

Der Text 1. Petrus 3,8-17 ist ein Textabschnitt, dem ich bisher noch nicht sehr häufig begegnet bin. Was mir als erstes auffällt an dieser in der Lutherbibel mit „Mahnungen an die ganze Gemeinde“ überschriebenen Perikope, sind die vielen Imperative: Seid gleichgesinnt, mitleidig, (...) (Vers 8), vergeltet nicht (...) sondern segnet (Vers 9), fürchtet euch nicht (...) und erschreckt nicht (Vers 14), heiligt () den Herrn, seid allezeit bereit (Vers 15). Die Überschrift in der Lutherbibel ist also zurecht gewählt: Es liegt eine sehr ermahnende Perikope vor.

Zu Vers 9 kommt mir die Redewendung „wie du mir, so ich dir“ in den Sinn. Oft denkt und handelt man nach diesem Prinzip, weil man es für gerecht hält, gleiches mit Gleichem zu vergelten, vielleicht getreu dem alttestamentlichen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (vgl. Ex. 21,24). Der Text fordert jedoch das genaue Gegenteil, nämlich auszusteigen aus dem Hin und Her (auch verbaler) Gewalt und Gegengewalt. Statt dessen soll durch Segnen dieser Teufelskreis durchbrochen werden.

Doch steckt in dieser Aufforderung noch mehr: Nicht nur ein Überwinden dieses Hin und Her, das zu nichts führt, sondern auch eine Art Vorbildcharakter kommt zum Ausdruck: Anstatt in die gleichen Denk- und Handlungsmuster zu verfallen wie andere, soll der Christ dem einen anderen Weg entgegenhalten, denn er ist zum Segen berufen.

Vers 12 erinnert mich an die Gegenwart Gottes und an sein Wissen um alle Menschen: Er weiß Bescheid über Gerechte und Böse. Das bedeutet: Er ist da, nicht fern und uninteressiert an Welt und Menschen, sondern gegenwärtig und er setzt sich mit ihnen auseinander: Er beobachtet die Gerechten und erhört ihre Gebete; er tritt denen entgegen, die Böses tun. Zugleich wirft dieser letzte Punkt aber auch die Frage auf, weshalb Gott so oft scheinbar tatenlos zusieht, wenn Böses geschieht.

Vers 14 führt mir die Situation der angeschriebenen Gemeinden und die Situation der heutigen Gemeinde, in der ich diesen Text predigen werde in ihrer Unterschiedlichkeit vor Augen: Im Text ist die Rede vom Leiden um der Gerechtigkeit willen und von furchteinflößenden Drohungen. Vers 16 redet schließlich noch von Verleumdungen und Schmähungen. Dies alles trifft auf die Gemeinde, die im Gottesdienst versammelt sein wird, nicht zu. Überhaupt sind Verfolgungen, Bedrohungen und Leiden „um der Gerechtigkeit willen“ in unserer Zeit und unseren Breiten selten geworden – zumindest in der Form, wie sie die Christen der ersten Jahrhunderte über sich ergehen lassen mußten. Als zeitgenössische Parallelen fallen mir allenfalls die Christen in der ehemaligen DDR ein oder Christen, die als unterdrückte Minderheit in streng islamischen Ländern leben. Unsere heutige Situation in Deutschland ist aber mit keiner dieser Lebensbedingungen vergleichbar. Jedoch ist zu fragen, ob Bedrohungen und Schmähungen des Christseins heute nicht in anderer Form vorhanden sind: Wer bewußt seinen Glauben lebt, steht oft in der Gefahr sich deswegen lächerlich zu machen. Er wird nicht ernstgenommen und verspottet. So gerät man leicht in die Versuchung, dem durch Preisgabe seiner Lebenshaltung auszuweichen. Oft wird der Glaube auch zerredet und auf eine tugendhafte moralische und soziale Einstellung reduziert. Damit einher geht auch meistens der Verweis darauf, daß doch sowieso alle Religionen dasselbe seien. Dagegen gilt es, den Herrn Jesus Christus zu heiligen (Vers 15).

Deshalb ist auch der Trost und der Zuspruch wichtig, den die Verse 13 und 14 enthalten: Wer Gutes tut, dem kann niemand etwas anhaben und wer leidet um der Gerechtigkeit willen, wird selig gepriesen.

Zu Vers 15 fallen mir die Zeugen Jehovas ein, die in letzter Zeit häufiger an meiner Tür geklingelt haben und mir Fragen gestellt haben wie: „Was glauben Sie: Wird es mit der Welt ewig so weitergehen oder haben sie die Hoffnung, daß sich etwas ändern wird?“ Eine direkte und konkrete Frage, nach der Hoffnung, die in mir ist, und die zeigt, wie aktuell die Aufforderung des Textes sein kann, stets bereit zu sein zur Verantwortung und Rechenschaft seines Glaubens. Gleichzeitig fällt mir aber auch auf, daß es schon ein Besuch der Zeugen Jehovas sein muß, um nach dem Glauben gefragt zu werden. Im Alltag ist auch diese Situation selten geworden. Man wird nicht mehr so häufig nach der Hoffnung in sich gefragt, so daß es zur seltenen Ausnahme und zu etwas Besonderem geworden ist, wenn man plötzlich in einer solchen Situation steht – und das dann natürlich aufgrund ihres Seltenheitswertes recht unvorbereitet und hilflos. Woran könnte das liegen? An der Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber dem Christentum und seiner Botschaft des Evangeliums? Oder vielleicht auch daran, daß die Menschen es einfach auch nicht mehr spüren, daß Hoffnung in uns Christen ist, die wir an sie weitergeben können – und folge dessen auch nicht herausgefordert werden, nachzufragen?

Vers 16 und 17 schließlich betonen, daß es wichtig ist, den Gegnern keinen Anlaß zu geben für ihre Anfeindungen. Das stellt die Frage nach meinem Verhalten als Christ gegenüber anderen Menschen, besonders solchen, die nicht zur christlichen Gemeinde gehören und deutet außerdem an, daß man als Christ sehr wohl von der Gesellschaft wahrgenommen und beobachtet wird.

Der Apostel hat mit diesem Text seine angefochtenen Gemeinden ermahnt, wie sich ihr Glaube im für sie schwierigen Alltag bewähren kann. Diese Herausforderung stellt sich auch heute noch jedem Christen täglich neu. Deshalb betrifft der ganze Text auch mich mit meiner Existenz als Christ. Er will mir Mut machen, mit Gottes Gegenwart im Alltag zu rechnen und die täglichen Herausforderungen von der Gewißheit seiner Nähe und von meiner Existenz als Christ her anzugehen.

2. Historische Auslegung

2.1 Übersetzung

(8) Schließlich (seid) alle gleichgesinnt, teilnahmsvoll, bruderliebend, barmherzig, demütig, (9) vergeltet nicht Böses mit Bösem oder üble Nachrede mit übler Nachrede, im Gegenteil, segnet, weil ihr dazu berufen wurdet, daß ihr Segen erbt. (10) Denn der, der das Leben lieben und gute Tage sehen will, soll die Zunge vor Bösem hüten und die Lippen, daß sie keine Falschheit reden, (11) er soll sich aber abwenden vom Bösem und Gutes tun, er soll Frieden suchen und nach ihm streben, (12) weil die Augen des Herrn auf Gerechte und seine Ohren auf ihr Gebet (gerichtet sind), das Antlitz des Herrn aber gegen die, die Böses tun. (13) Und wer wird euch Übles tun, wenn ihr Eiferer nach dem Guten geworden seid? (14) Aber wenn ihr auch leiden solltet aufgrund von Gerechtigkeit, selig! Fürchtet euch nicht vor der Furcht vor ihnen und laßt euch nicht in Schrecken versetzen, (15) heiligt aber den Herrn, den Christus, in eueren Herzen, stets bereit zur Verteidigung vor jedem, der von euch ein Wort über die Hoffnung in euch fordert, (16) aber mit Sanftmut und Ehrfurcht, und habt dabei ein gutes Gewissen, damit die, die euere gute Lebensführung in Christus beschimpfen, darin zuschanden werden, worin ihr verleumdet werdet. (17) Denn es ist besser, Gutes zu tun und zu leiden, wenn der Wille Gottes es wünschen sollte, als Böses zu tun und zu leiden.

2.2 Textkritik

Alle textkritischen Anmerkungen verweisen auf nur geringfügig bezeugte Varianten und können hier deshalb vernachlässigt werden. Selbst in Vers 16 kann bei der Variante katalalou~sin u<mw~n w<j kakopoiw~n anstatt katalalei~sce dem Haupttext gefolgt werden. Beide Lesarten sind zwar recht ausgewogen bezeugt. Doch spiegelt die Variante des Apparates wohl eine Angleichung an 1. Petr. 2,12 wider. Zudem stellt katalalei~sce die lectio brevior dar.

2.3 Ort des Textes

Die vorliegende Perikope ist ein Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief. Dieser Brief gilt in der heutigen Forschung als pseudepigraphes Schreiben[1]. Unter dieser Voraussetzung schwanken die (ohnehin relativen) Datierungsangaben von „um 90“[2], über „zwischen 80 und 90“[3] bis „zwischen 65 und 80“[4]. Eine eindeutige Entscheidung ist wohl nicht möglich, doch bietet der so aufgerissene Zeitraum eine grobe Orientierung zur Einordnung etwa in die Mitte der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus.

Empfänger dieses Schreibens waren verschiedene Gemeinden in Kleinasien (vgl. 1. Petr. 1,1). Aus dem Brief geht hervor, daß diese Gemeinden unter Anfeindungen von außen zu leiden hatten, wie es auch die zu bearbeitende Perikope betont.[5] Jedoch scheint hier nicht eine konkret angelegte Verfolgung durch den Staat im Hintergrund zu stehen. Vielmehr befanden sich diese Gemeinden in einer ständigen Konfliktsituation zu einer sie umgebenden heidnischen Gesellschaft. Ihr Alltag war geprägt von Spannungen zwischen Christen und Nichtchristen, vor allem wegen des Lebensstils der Christen, der sich sehr von der gesellschaftlichen Norm abgehoben hat (vgl. 1. Petr. 3,16) – eine Situation, die in der frühen Kirche häufig anzutreffen ist. Dies führte zu Anfeindungen der Christen in allen möglichen Alltagssituationen. In diese Lage hinein will der 1. Petrusbrief Trost, Ermutigung und Zuversicht übermitteln.[6]

2.4 Abgrenzung und Aufbau

Die vorgegebene Perikope lautet 1. Petr. 3,8-15a(15b-17). Der Beginn mit Vers 8 folgt dem im Text mit to\ de\ te/loj pa/ntej markierten Neueinsatz; zuvor ergingen in 3,1-7 spezielle Weisungen an Frauen und Männer, nun sind die Gemeinden insgesamt im Blick.

Der Einschnitt bei Vers 15a scheint jedoch nicht sinnvoll zu sein. Rein sprachlich würde die Perikope so mitten im griechischen Satz abgeschnitten werden und auf diese Weise auseinanderreißen, was der Intention des Verfassers nach eigentlich zusammengehört. Zudem ist die Ermutigung in der Anfechtungssituation in den Versen 14 und 15 eingerahmt von Ermahnungen zum Guten in den Versen 13, 16 und 17 – Vers 13: tou~ a>gacou~ zälwtai\; Vers 16: sunei/däsin e]xontej a>gacä/n, tä\n a>gacä/n e>n Xristw|~ a>nastrofä/n; Vers 17: a>gacopoiou~ntaj. Deshalb halte ich es für angemessener, die Perikope von Vers 8 bis Vers 17 zu fassen.

Dieser Abschnitt ist folgendermaßen aufgebaut:

Vers 8-9 Lebens- und Verhaltensweisungen an alle Gemeindeglieder: Innere Festigung der Gemeinde, Segen statt Vergeltung

Vers 10-12 Begründung mit einem Zitat aus Ps. 34,13-17: Beistand Gottes für die Guten und Gerechten

Vers 13 Folgerung: „Unverwundbarkeit“

Vers 14-16 Trost und Ermutigung in Anfechtungssituationen; Anweisungen zum Umgang mit der Gesellschaft

Vers 17 Leiden nur um guter Taten willen

2.5 Einzelexegese

Vers 8: Mit einer Reihe von Adjektiven, die allesamt das Verhältnis der Gemeindeglieder untereinander im Blick haben[7], versucht der Verfasser die Gemeinschaft der Christen zu stärken. Grundhaltung ist dabei, den Anderen im Blick zu haben und nicht auf sich selbst zu sehen. Das NT kennt eine ähnliche Reihe von Ermahnungen in Röm. 12,10-16[8]. Dort werden die sehr dichten Begriffe des 1. Petr. in mehr atl.-jüd. Formulierungen näher erläutert.[9]

Vers 9: Hier wird inhaltlich Jesu Weisung aus der Bergpredigt aufgenommen, die zu segnen, durch welche man verfolgt wird (vgl. Mt. 5,44 par.). Sprachlich besteht daneben eine große Nähe zu Röm. 12,17[10]. Die Blickrichtung ist nun auf die Bedrängnisse gerichtet, welche die Gemeinde von außen erleidet[11]. Das Böse soll durch die Christen nicht auch noch fortgesetzt oder gar vervielfacht werden, sondern es soll überwunden werden, indem die Christen den Segen Gottes unter die Menschen bringen. Dabei steht das Vorbild Jesu selbst im Hintergrund (vgl. 1. Petr. 2,21-23): Auch er hat gelitten und dabei auf Vergeltung verzichtet.[12]

[...]


[1] Hauptgründe sind u.a.: Das gehobene Griechisch des Briefes (nicht vorstellbar für einen galiläischen Fischer wie Petrus), fehlende Hinweise über Primärkenntnisse eines Augenzeugen & fehlendes persönliches Profil, vorausgesetzte Verbreitung des Christentums in Kleinasien und ökumenische Perspektive in 1. Petr. 5,9.13 (Beides Hinweise auf spätere Phase urchristlicher Missionsgeschichte); vgl. Schnelle, Udo: Einleitung in das Neue Testament, 2. Auflage, Halle 1996, S. 456-458.

[2] Schnelle, Einleitung, S. 460.

[3] Roloff, Jürgen: Die Kirche im Neuen Testament (Grundrisse zum Neuen Testament Bd. 10), Göttingen 1993, S. 269.

[4] Goppelt, Leonhard: Der erste Petrusbrief (KEK 12/1), hg. v. Ferdinand Hahn, Göttingen 1978, S. 64.

[5] Vgl. 1. Petr. 3,14f.17.

[6] Vgl. Brox, Norbert: Der erste Petrusbrief (EKK XXI), Zürich u.a. 1979, S. 24-34.

[7] Goppelt, KEK 12/1, S. 226.

[8] Vgl. auch Röm. 15,5; Phil. 2,2.

[9] Goppelt, KEK 12/1, S. 224.

[10] Vgl. auch 1. Thess. 5,15; 1. Kor. 4,12; Röm. 12,14.

[11] Goppelt, KEK 12/1, S. 228.

[12] Vgl. Brox, EKK XXI, S. 153f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Homiletische Vorüberlegungen zur Predigt über 1. Petrus 3,8-17 am 16.07.2000
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Praktische Theologie)
Veranstaltung
Homiletisch-liturgisches Seminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V10536
ISBN (eBook)
9783638169301
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homileitk, Liturgik, NT, 1.Petr., Gottesdienst
Arbeit zitieren
Mario Ertel (Autor:in), 2002, Homiletische Vorüberlegungen zur Predigt über 1. Petrus 3,8-17 am 16.07.2000, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10536

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