Bonded Labour in Indien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung:
1.1 Begriffsklärung

2. Bonded Labour
2.1 Die verschiedenen Ausprägungen von Bonded Labour

3. Maßnahmen gegen Bonded Labour
3.1 Die gesetzliche Ebene
3.1.1 Die Gesetzgebung vor der Unabhängigkeit
3.1.2 Die Gesetzgebung nach der Unabhängigkeit
3.1.3 Der Bonded Labour System (Abolition) Act
3.2 Die soziale Ebene
3.2.1 Public Interest Litigation
3.2.2 Identifzieren, Befreien, Rehabilitieren

4. Schlussbemerkung

1. Einleitung

Wenn man heutzutage von Bonded Labour spricht, so bezieht man sich auf eine ganz bestimmte Art der unfreien Arbeit. Im Bonded Labour System verpfändet ein Mann sich selbst oder einen Teil seiner Familie und im Gegenzug erhält er einen Kredit. Dieser Mann ist nun verpflichtet solange für den Kreditgeber zu arbeiten, bis letzterer den Kredit für abgezahlt erklärt. Reiche Landbesitzer, die auch gleichzeitig Geldverleiher sind, bringen die armen, landlosen Arbeiter dazu, bei ihnen einen Kredit aufzunehmen und dann abzuarbeiten. Der Arbeiter geht eine institutionalisierte Schuldnerbeziehung ein, die auf Grund sozialer Normen nicht mehr gebrochen werden kann. Er gibt dem Grundbesitzer das einzige, was er noch hat: seine Arbeitskraft und damit sich selbst. Auf der internationalen Convention of Slavery 1956 wurde diese Form der Schuldknechtschaft wie folgt definiert:

The status or condition arising from a pledge by a debtor of his personal services or those of a third person under his control, as a security for a debt, when the value reasonably assessed of those services rendered is not applied towards the liquidation of debt and the length and nature of those services are not respectively limited and defined.”1

Der Arbeiter wird aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, sich beim Grundbesitzer Geld zu leihen, der Grundbesitzer wiederum verlangt dafür von ihm, für sehr wenig oder gar keinen Lohn auf seinen Feldern zu arbeiten. Es gibt natürlich auch Zinsen auf den Kredit zu zahlen und der Zinssatz ist meist so hoch, dass der verdiente Lohn niemals dazu ausreicht, den Kredit abzuzahlen. Der Lohn reicht ja meist nicht einmal, um die Familie zu ernähren. So muss oft noch ein weiterer Kredit aufgenommen werden. Ein Teufelskreis hat begonnen, denn es ist dem Schuldner nicht erlaubt, das Land seines Herren zu verlassen und seine Arbeitskraft an anderer Stelle für mehr Lohn zu verkaufen. Er hat sein Recht sich frei zu bewegen verloren. Wenn die Arbeitsbedingungen zu schlimm werden, kann der Arbeiter jedoch bei einem anderen Kreditgeber einen weiteren Kredit aufnehmen und sich bei seinem ersten Herrn frei kaufen, ist dann aber dem neuen Herrn verpflichtet. Der Schuldknecht selbst wird wie eine Ware behandelt, er kann verkauft oder verpfändet werden.

Kann der Arbeiter aus gesundheitlichen oder anderen Gründen seinen Verpflichtungen auf den Feldern nicht mehr nachkommen, ist er verpflichtet für Ersatz zu sorgen. Er schickt meist ein Familienmitglied. So kommt es, dass viele Arbeiter in einer Schuldknechtschaft stecken, ohne je einen Kredit aufgenommen zu haben.

1.1 Begriffsklärung

In der relevanten Literatur ist bis zu einem gewissen Zeitpunkt meist die Rede von Sklaverei, erst danach kommt der Begriff bonded labour system auf. Nach dem Slavery Abolition Act von 1843 versuchten die Schuldigen nämlich, einfach die Begriffe zu verändern, um den Vorkehrungen im Gesetz zu entgehen. So tauchten nun Begriffe wie Leibeigenschaft (serfdom), Schuldknechtschaft (debt bondage) und bonded labour system auf. Die Sklaverei beinhaltet alle Formen der unfreien Arbeit, es gilt sowohl für den, der verschleppt wird, um auf den Plantagen zu arbeiten, als auch für den Landlosen, der gezwungen wird, das Land seines Landlords zu bestellen (agrarian slave) und auch für alle, die gezwungen werden, im Haus der Herren zu arbeiten (domestic slave). Anstatt Sklaverei verwendet man in diesem Kontext auch den Begriff „unfreie Arbeit“, da er im deutschen Sprachgebrauch nicht die Assoziationen hervorruft, wie es der Begriff der „Sklaverei“ tut, nämlich der Gedanke an den typischen römischen Sklaven. Das vergleichbare europäische System ist die Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft, aus Mangel an besseren Übersetzungsmöglichkeiten werden diese beiden Begriffe auch im vorliegenden Fall Verwendung finden.

In dieser Arbeit soll es hauptsächlich um die unfreien Arbeiter (bonded labourers) auf dem Land gehen, die aus verschiedenen Gründen, meistens Schulden, gezwungen werden, das Land des Landlords, der auch gleichzeitig ihr Geldverleiher ist, zu bestellen. Das System der unfreien Arbeit wird als Bonded Labour bezeichnet.

Bonded Labour gibt es in allen Landesteilen Indiens und trägt daher die verschiedensten Namen, gemeint ist aber immer das gleiche.

In Himachal Pradesh nennt man es Jeeta, in Uttar Pradesh ist es bekannt unter Harwaha, Hariya und Sevak. In Gujarat Hali, in Orissa Halias, Muliyas oder Naga Muliya, in Tamil Nadu Padiyal, Paniyal Charmuars und Pannyals, in Kerala Adiamar, Cherumar, Anchilla, Kurichious, Mapilla, Paniyans, Adyas, Wynand, Pulayans. In Andhra Pradesh nennt man es auch Jassigula, Paleras, Zothi, Vethi, Baramasiya und Harwaha, in Madhya Pradesh sagt man Salkari, in Karnataka Jeetha, in Westbengalen Chakar, Hali und Nit-Mazdoor und in Rajasthan sagt man Sagari und im Punjab Sepi, in Maharastra Veta und Bagar Salkari.2

2. Bonded Labour

Das grundlegende Element der Schuldknechtschaft ist natürlich die Schuld selbst, die Höhe des geliehenen Betrags, der zuzahlende Zinssatz und die Bedingungen, unter welchen die Schuld abzuarbeiten ist. Es gibt verschiedene Gründe warum die kleinen Bauern und Landarbeiter in Abhängigkeit geraten. Aber grundlegend ist die Tatsache, dass sie auf Grund ihrer Armut keine Sicherheiten vorzuweisen haben und sich damit nicht für das offizielle Bankensystem qualifizieren. Der reiche Bauer, der gleichzeitig auch als Kreditgeber fungiert, ist immer auf der Suche nach billigen Arbeitern für seine Felder oder seinen Hof und bietet sich somit selbst als alternatives Kreditsystem an. Er verlangt keinerlei Sicherheiten und gewährt Kredite in jeder Höhe zu jeder Tageszeit. Es gibt selten Formalitäten zu erledigen. Die Situation des Kreditsuchenden ist von seinem dringenden Bedürfnis nach Geld charakterisiert. All dies gewährt dem Kreditgeber eine sehr starke Position, er allein setzt die Modalitäten fest. Sein Hauptinteresse besteht darin, genug billige Arbeitskräfte zu haben und wenn möglich auch langfristig planen zu können. Da der verarmte Landarbeiter nichts zu bieten hat, verpfändet er sich und seine Arbeitskraft in diesem ungleichen Handel.3

Ziel des Landlords ist also nicht die Rückzahlung des gewährten Kredits sicherzustellen, sonder eher das Gegenteil. Daher ermutigt er die Arbeiter noch mehr Kredite aufzunehmen, um sie noch fester an sich zu binden

2.1 Die verschiedenen Ausprägungen von Bonded Labour

Bonded Labour trägt nicht nur diverse Namen, es gibt auch verschiedene Formen in diese Art der Abhängigkeit zu geraten.4

Bei der sogenannten Generationen-Leibeigenschaft (inter-generational bondage) nimmt der Vater einen Kredit auf und arbeitet so lange er kann, um ihn abzuzahlen. Wenn seine Arbeitskraft nachlässt, schickt er einen Sohn oder einen jüngeren Bruder, um ihn zu ersetzen. Letztere wissen oft erst recht nicht, wie viel noch abzuzahlen ist. Oftmals ist der Sohn schon mit dem System vertaut. Er wurde vielleicht schon geschickt, die Rinder zu hüten oder wenn er schon älter ist auf dem Land mitzuarbeiten. Die inter-generational bondage ist eng verwand mit der child bondage.

Bei dieser Form der unfreien Arbeit, der Kinder-Leibeigenschaft (child bondage) wird das Kind der verarmten Familie dem Landlord anvertraut, um seine Rinder zu hüten. Dafür wird kein Kredit aufgenommen, aber der Landlord verpflichtet sich, das Kind zu versorgen, die Familie hat einen weniger zu füttern.

Es gibt immer eine Tendenz zur Sichvervielfältigenden-Leibeigenschaft (Multiplicative bondage): ohne jeglichen Eigenbesitz, wie zum Beispiel Land oder Vieh, und ohne die Möglichkeit der anderen Familienmitglieder an anderer Stelle Arbeit zu finden, passiert es, dass nach und nach immer mehr Familienmitglieder sich selbst verpfänden müssen, solang bis die komplette Familie unter der Kontrolle des Landlords steht.5

Bei der Loyalitäts-Leibeigenschaft (Loyality bondage) verhält es sich so, dass der Arbeiter ständig zur Verfügung steht. Er bekommt regelmäßig Essen, aber er darf das Dorf nicht ohne die Erlaubnis seines Herrn verlassen, geschweige denn eine andere Arbeit suchen. Sobald er etwas wie Geld oder Essen benötigt, fragt er seinen Herrn. Die gewährte Summe wird gegen seine Arbeit aufgerechnet. Er erhält sehr niedrigen Lohn, unter dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn, aber der Arbeiter besteht darauf, dass er nie wirklich einen Kredit aufgenommen hat.

Es gibt auch die klassische Schuldknechtschaft (Bondage through land allotment oder Share Cropping cum bo ndage), wie man sie in Europa fand. Der Arbeiter erhält vom Landlord ein kleines Stück Land zum Bestellen. Das Land entspricht dem Kredit. Der Arbeiter arbeitet auf den Feldern des Landlords und wenn es ihm seine Zeit erlaubt, bestellt er sein eigenes Land. Er muss jedoch einen Teil des Ertrags abgeben. Es gibt in diesem Fall zwei unterschiedliche Entstehungsweisen.6

Im ersten Fall ist der Landlord relativ reich und braucht regelmäßig Arbeiter für seine Felder, aber seine Produktion ist nicht komplett marktorientiert und manche seiner Felder liegen brach. Für ihn ist es ein gutes Geschäft einen Teil seiner Felder zu verpachten. Er zahlt seinen Arbeitern keinen Lohn, sondern überlässt ihnen 50% des Ertrags der vermieteten Felder, so erspart er sich jegliche finanzielle Beziehung zu den Arbeitern.

Im zweiten Fall ist der landlose Arbeiter dringend auf der Suche nach Land, aber es ist generell knapp. Der Landlord bietet jetzt Land an, aber unter der Bedingung, dass der Pächter für ihn arbeitet. Er kann auch einen Kredit für Samen etc. aufnehmen. Der Arbeiter verdient seinen Lebensunterhalt durch das Bestellen des gepachteten Landes, muss aber 50% abgeben. Die restlichen 50% sieht der Landlord als Lohn für die Arbeit auf seinen Feldern.

Die letzte Unterscheidung der unfreien Arbeit wird Witwen-Leibeigenschaft (Widow bondage) genannt. Falls in ärmlichen Verhältnissen eine Frau ihren Mann überlebt, bleibt ihr nicht viel anderes übrig, als sich dem Landlord anzuvertrauen, wenn sie nicht verhungern will. Sie gibt ihre unabhängige Existenz auf, aber sie bekommt täglich zu essen und darf im Kuhstall schlafen.

3. Maßnahmen gegen Bonded Labour

Die Regierungen vor und nach der Unabhängigkeit haben schon eine Vielzahl von Gesetzen gegen Bonded Labour erlassen, mal mehr mal weniger ernsthaft, aber es existiert immer noch. Man kann die diversen Bemühungen zur Abschaffung auf zwei verschiedene Ebenen aufteilen:

1. auf der gesetzlichen Ebene; diese Ebene entspricht sozusagen der Theorie

2.durch soziale Programme, die auf der Dorfebene wirken, das heißt Aktionen in der Realität Normalerweise würde man davon ausgehen, dass diese beiden Bereiche nur auf dem Papier voneinander getrennt behandelt werden können und in der Realität untrennbar miteinander verwoben sind. Aber hier liegt oft der Kern dieser Problematik, dass nämlich auch in der Realität das gesetzlich Beschlossene nicht umgesetzt wird. Warum braucht es verschiedene gesetzliche Ansätze um dem Problem beizukommen, wie man gleich sehen wird, doch nur, weil die jeweils Vorangegangenen keine Wirkung zeigten. Und so kann man vorausgreifend sagen, dass das beste Gesetz keine Wirkung zeigt, wenn es nicht von Menschen vor Ort umgesetzt wird.

3.1 Die gesetzliche Ebene

3.1.1 Die Gesetzgebung vor der Unabhängigkeit

Die Tradition des Bonded Labour reicht bis in Harappazeit zurück und zieht sich durch bis zu den Moghulen. Es gibt Hinweise darauf, dass Akbar unfreie Arbeit abschaffen wollte, aber großer Erfolg war ihm nicht beschieden. Die Sklaverei im Allgemeinen bestand das ganze indische Mittelalter hindurch und bestand auch noch, als die East India Company im 18. Jhr. Fuß fasste.7

Der Ankauf und Verkauf von Sklaven war in ganz Britisch Indien erlaubt. So war das Handeln mit Arbeitskräften für die Plantagen genauso erlaubt, wie das Halten von unfreien Arbeitern für die Landwirtschaft.

Die Company versuchte anfangs möglichst wenig in die lokalen Bräuche und Rechte einzugreifen, um keine Unruhen zu provozieren. Schon hier wird die Politik des "Teile und Herrsche" deutlich. Auch als die Krone offiziell die Regierung von Teilen Indiens übernahm, änderte sich nichts an dieser Praxis.

1722 machte Warren Hastings, der damalige Governor von Bengalen, die Versklavung zu einer strafbaren Handlung, was jedoch nicht zur Abschaffung führte.8

1789 schrieb Governor General Lord Cornwallis an die Direktoren, dass auch er eine gesetzliche Regelung für notwendig halte, um dem Handel mit Sklaven beizukommen.9 Aber trotz der Bemühungen von Hastings und Cornwallis konnte das System der unfreien Arbeit noch nicht unterbunden werden, zu tief war es in der Gesellschaft verwurzelt, zu stark waren die sozialen und wirtschaftlichen Implikationen. Es gab aber einen psychologischen Effekt auf die bengalische Gesellschaft und es verschwanden zum Beispiel die einschlägigen Anzeigen aus den Zeitungen.

1806 wurde in der Bengal Regulation die Sklaverei und der Handel mit Sklaven an sich zwar verboten, im gleichen Gesetz wurde jedoch den Landbesitzern erlaubt, ihre Schuldner zur Arbeit zu zwingen.10

Als Warren Hastings 1813 zum zweiten Mal Governor General wurde, führte er unter anderem eine Reform in bezug auf Gesetze der Sklaverei durch.11

All diese Bemühungen gipfelten im Slavery Abolition Act von 1843.12 Dieser Act verbietet Sklaverei in Britisch Indien und seine Anwendung wurde nach und nach auch auf die Fürstenstaaten ausgedehnt. Auch der Indian Penal Code von 1860 enthält einige Sektionen (370, 371, 374), die sich mit unfreier Arbeit, Zwangsarbeit und Sklaverei beschäftigen und sie vor allem auch strafbar machen.13

Es blieb jedoch bei einer Abschaffung auf dem Papier, wirklich geändert hat sich nichts. Eine Wahrnehmung des Problems auf der intellektuellen Ebene, ist ein modernes Phänomen. Zu Beginn des 20 Jahrhunderts befassten sich zuerst die Staatenregierungen mit der Problematik und der Bihar and Orissa Kamiauti Agreement Act von 1920 ist einer der ersten ernsthaften Versuche die Schuldknechtschaft einzudämmen. Viele weitere folgten.14 Nach dem 1. Weltkrieg traten Bauern erstmals als Gruppe auf der politischen Bühne in Erscheinung, was dazu führte, dass die britische Regierung in Indien 1926 eine Royal Commission on Agriculture einsetzte. Aber diese Kommission kratzte in bezug auf Bonded Labour nur an der Oberfläche des Problems und schaffte es nicht, die Aufmerksamkeit der britischen Regierung ernsthaft darauf zu lenken.15 Die Staatenregierungen machten diverse Gesetze in bezug auf die Schuldknechtschaft, versuchten die Geldverleihergeschäfte zu regulieren und setzten gesetzliche Minimumlöhne fest. Die Gemeinsamkeit aller dieser Gesetze war, dass sie allesamt nicht den gewünschten Effekt erbrachten. Ein einheitliches, landesweit gültiges Gesetz wurde gebraucht.

3.1.2 Die Gesetzgebung nach der Unabhängigkeit

Wie oben schon erwähnt, gab es Versuche dem Missbrauch von unfreien Arbeitern beizukommen. Auch der neuen Regierung war dieses Problem bekannt. Man wollte die Unabhängigkeit vielleicht auch als eine Art Zäsur ansehen, und sich nun ernsthaft und eigenständig dem Problem widmen. Bonded Labour wurde als ein soziales Übel anerkannt und der Staat sah sich verpflichtet seine Untertanen vor diesem Übel zu beschützen. Dem Staat war aber auch bewusst, dass er auf Grund seiner finanziellen Lage nicht allen Bürgern Unterstützung bieten kann. Es kann keinen indischen Wohlfahrtsstaat geben. Der Staat kann lediglich hoffen, dass sich das Problem im Laufe der Zeit durch seine Bemühungen auflöst und dass die Gesellschaft sich selbst hilft, dieses und andere soziale Übel auszurotten.

Kritiker behaupten auch, dass der neue indische Staat diese Art von Gesetzen nur erließ, um dem Westen zu zeigen, dass man nun auch ein zivilisiertes Land ist, welches die Menschenrechte genauso achtet und unterstellten, dass keine wirkliche Ernsthaftigkeit dahinter steckt. Unterstützt werden diese Meinungen von der Tatsache, dass die neuen Gesetze keinesfalls zu einer Änderung der Lage führten, geschweige denn unfreie Arbeit abschafften.

Was auch immer die Motivation gewesen war, man erkannte die Problematik und befand sie als gravierend genug, ihr durch einen Artikel in der Verfassung beizukommen:

Traffic in human beings and begar and other similar forms of forced labour are prohibited and any contravention of this provision shall be an offence punishable in accordance with law.16 Aber auch das trug nicht zur Abschaffung der Schuldknechtschaft in Indien bei. Während der Regierungszeit Indira Gandhis wurde das 20 Punkte Programm zur Verbesserung der sozio-ökonomischen Lage der schwächeren Gruppen der Bevölkerung verabschiedet. Es heißt dort: “Bonded Labour, wherever it exists, will be declared illegal.”17 Und an anderer Stelle: “The practice of bonded labour is barbarous and will be abolished. All contracts and other arrangements under which services of such bonded labour are now secured will be declared illegal ."18

3.1.3 Der Bonded Labour System (Abolition) Act

Auf dieser Basis wurde wiederum der Bonded Labour System (Abolition) Act (BLSA) von 1975 verabschiedet, was als ernsthafter Versuch, die Vorgaben aus der Verfassung umzusetzen, angesehen werden kann. Dieses Gesetz wurde 1985 erweitert, um auch Kontraktarbeit und „ interim state immigrant workers “ darunter zu vereinen.19 Ziel dieses Gesetzes ist es natürlich vorrangig Bonded Labour abzuschaffen, wie der Titel ja auch sagt. Aber es geht auch im allgemeineren Sinn darum, die Ausbeutung der unteren und schwächeren Klassen der Gesellschaft zu verhindern, wie es in den Directive Principles vorgesehen ist. Das Gesetz sieht Identifikation, Befreiung und Rehabilitation als die drei notwendigen Schritte an. Es ist aber auch Teil der Arbeiterwohlfahrtsgesetzgebung (labour welfare legislation), die das Ziel hat, die Arbeiter zu schützen und sie auf ihrem Weg zu wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit zu begleiten.20

Zusätzlich gab die Regierung den einzelnen Bundesstaaten noch eine Reihe von Empfehlungen für die Durchsetzung des Gesetzes. Vorgesehen sind zum Beispiel in diesem Bereich Prozesse im Schnellverfahren und die Verteilung von überschüssigem Land an die landlosen Arbeiter. Des weiteren sollen Kreditmöglichkeiten geschaffen werden, die es den Arbeitern erlauben, die notwendigen Dinge zu kaufen, um das Land zu bestellen. Bei der Einstellung für Jobs aus den verschiedenen Bereichen der öffentlichen Unternehmungen sollen die befreiten Arbeiter vorrangig behandelt werden. Für die sofortige Verbesserung der finanziellen Lage der befreiten Arbeiter wird den District Magistrates Rs 1000,- pro Familie zur Verfügung gestellt. Und es wird der sofortige Beginn der Programme für die Rehabilitierung der befreiten Arbeiter verlangt.21

Vorrangiges Ziel des BLSA ist natürlich die Abschaffung von Bonded Labour. Dazu erklärt das Gesetz im Artikel 6 jeden Brauch oder jeden Vertrag aus diesem Bereich für ungültig. Es löscht also alle Verpflichtungen der unfreien Arbeiter den Kredit zurückzuzahlen.

On the commencement of this Act, every obligation of a bonded labourer to repay any bonded debt, or such part of any bonded debt as remains unsatisfied immediately before such commencement, shall be deemed to have been extinguished.”22

Des weitern muss nach Artikel 7 das eventuell konfiszierte Eigentum des unfreien Arbeiters innerhalb von 30 Tagen an ihn zurückgegeben werden, wenn nicht kann der Arbeiter sich an die zuständigen Behörden wenden.

Der befreite Arbeiter darf nicht von seinem Land verwiesen werden (Artikel 8).

Dem State Government wird dazu im Artikel 10 spezielle Macht angetragen, die es wiederum an die District Magistrates weitergeben soll, welche wiederum die betreffenden Beamten ausstatten sollen, damit diese für die Durchführung des Gesetzes sorgen können. Die State Governments werden auch verpflichtet, sogenannte Vigilance Committees einzusetzen (Artikel 13). Die Komitees sollen die Funktionen, die unter Sektion 14 erwähnt werden, ausführen, so sollen sie für die Rehabilitation der befreiten Arbeiter sorgen und den befreiten Arbeitern zum Beispiel in Prozessen beistehen.

Das Gesetz sieht auch hohe Strafen für Vergehen vor. Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu Rs 2000,- (Artikel 16).

3.2 Die soziale Ebene

Wenn auch die Theorie für eine Verbesserung der Verhältnisse der unfreien Arbeiter gesorgt hat, so sieht die Realität ganz anders aus. Das fängt damit an, dass der betroffene Arbeiter gar nichts von dieser gesetzlichen Neuerung mitbekommt; er weiß gar nicht, dass er zu unrecht festgehalten wird. Für ihn ist sein Zustand die gerechte Folge seines Handelns und Teil seines Schicksals. Und falls er doch zu der Einsicht kommt, dass er zu Unrecht festgehalten wird, ihn sein Landlord aber nicht gehen lässt, wie soll er sich beschweren? Wie kommt er zu einem Beamten, der unabhängig ist und nicht aus der selben Schicht stammt wie der Landlord selbst? Wo findet man einen solchen Beamten? Höchsten ganz weit entfernt. Denn die herrschenden Schichten stehen sich untereinander bei und oft sind diejenigen, die dafür Sorge tragen sollen, dass die neuen Gesetze zum Schutz der Arbeiter umgesetzt werden, die selben Personen, denen eine Änderung des Zustandes sehr ungelegen käme und für sie Verlust bedeuten würde.

Der Arbeiter hält somit auch vom Gesetz im Allgemeinen nicht viel, denn die Vertreter des Gesetzes sind oft die Feinde des Arbeiters. Das Gesetz ist mysteriös, es schadet mehr, als dass es ihnen hilft, helfen tut es nur den Reichen.

3.2.1 Public Interest Litigation

In dieser Situation hat nun der Oberste Gerichtshof Indiens etwas entscheidendes unternommen, um die soziale Gerechtigkeit wenigstens zum Teil wieder herzustellen. Erstens hat er die Regel des locus standi aufgeweicht, das bedeutet, dass nun nicht mehr nur derjenige vor Gericht klagen kann, dessen Rechte auch verletzt wurden.23 Der Oberste Gerichtshof war der Auffassung, dass wenn jemand in seinen Grundrechten verletzt wird und auf Grund seiner sozialen Lagen nicht die Möglichkeit hat, sich an das Gericht um Hilfe zu wenden, dann sollte jeder andere sich vertretungsweise an das Gericht unter Berufung auf Artikel 32 und 226 der indischen Verfassung wenden können. Dies geschah zum Beispiel als sich die soziale Organisation Bandhua Mukti Morcha an das Gericht wandte und für die Rechte von unfreien Arbeitern klagte.24

Auch ist es nicht unbedingt notwendig, eine korrekt ausgeführte Klageschrift zu verfassen, schon ein Brief, eine Postkarte oder ein Artikel in einer Zeitung können ausreichen, um das Gericht aktiv werden zu lassen.

Zweitens hat sich das oberste Gericht von alten und stereotypen Vorstellungen den unfreien Arbeitern zu helfen verabschiedet. Die Definition im BLSA was nun bonded labour sei, ist sehr eng. Sie ist limitiert auf eine Situation, in der ein Schuldner gezwungen wird zu arbeiten auf Grund von einem Vorschuss und die Existenz dieses Vorschusses muss nachweisbar sein. Das oberste Gericht jedoch erweiterte die Definition von Bonded Labour auf alle Situationen, wo nicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn gezahlt wird.25

Und drittens hat das oberste Gericht die verschiedenen Artikel der Verfassung in einer Weise ausgelegt, die den Arbeitern hilft:

So wurde Artikel 23 in der Weise ausgelegt, dass jegliche Form der unfreien Arbeit darunter fällt und es wurde kein Unterschied gemacht, ob die unfreie Arbeit nun entschädigt b.z.w. entlohnt wurde oder nicht. Jede Person, die arbeitet, ohne die gesetzlich festgelegten Minimumlöhne zu erhalten, wird als unfrei definiert und kann zu Gericht kommen, um seine Grundrechte einzuklagen.

Der Oberste Gerichtshof hat dadurch einen großen Anteil an der Befreiung vieler unfreier Arbeiter geleistet Wenn die untergeordneten Gerichte, die sozial engagierten Gruppen und die wohltätigen Organisationen, diesem Aufruf des obersten Gerichts, es durch public interest litigation anzugehen, folge leisten, kann noch viel für die unfreien Arbeiter getan werden.26

3.2.2 Identifizieren, Befreien, Rehabilitieren

Trotz der aufgeführten Bemühungen im vorangegangenen Teil ist es klar geworden, dass Gesetze allein nicht reichen, um an der Situation der unfreien Arbeiter etwas zu ändern. Schon der Artikel 23 der Verfassung hätte eigentlich genügen müssen, denn dort steht ganz deutlich, dass unfreie Arbeit nicht erlaubt ist. Aber es dauerte sehr lange, bis man endlich ein Gesetz verabschiedete, um diesen Artikel zu implementieren und das Problem wenigstens zum Teil der Öffentlichkeit bewusst zu machen. Aber was hat es geholfen? Immer noch gab es Leibeigenschaft in fast allen Teilen Indiens. Dann schalteten die Gerichte sich ein und machten es den Betroffenen ganz unbürokratisch möglich, ihr Recht einzuklagen. Und dennoch gibt es immer noch eine große Lücke zwischen der Theorie im Gesetz und Realität. Um die Gesetze zu implementieren und die unfreien Arbeiter zu befreien, müssen letztere erst einmal identifiziert werden. Nach der Verabschiedung des BLSA wurde die Gandhi Peace Foundation beauftragt, das Problem landesweit zu untersuchen und die Situation zu analysieren.27 Dabei wurden 261.700.000 Arbeiter als unfrei identifiziert. Die ersten Probleme entstehen schon bei der Identifizierung von unfreien Arbeitern. Die Definition im BLSA wird oft fälschlich interpretiert. So wird immer nach einer Kreditgeber- Schuldner Beziehung zwischen Landlord und Arbeiter gesucht, aber das ist nur ein Merkmal von unfreier Arbeit.28 Auch werden oft die Gerichtsurteile aus den entsprechenden Fällen nicht beachtet. So wurde im Neeraja Chaudhari Fall beschlossen, dass „ […] if the payment is less than the minimum wages, a labourer will be known as forced labour.“29 Dadurch, dass diese Definitionen nicht allen zuständigen Beamten bekannt werden, ist die Anzahl der identifizierten unfreien Arbeiter viel geringer, als sie sein könnte. Um möglichst viele Arbeiter zu befreien wurde ja der BLSA sogar formell erweitert. Seit dem fallen auch Inter - State migrant -Arbeiter und Kontraktarbeiter unter dieses Gesetz.

Der nächste Schritt ist die faktische Befreiung. Befreiung bedeutet in diesem konkreten Fall, das Niederlegen der Arbeit und das Verstehen und Akzeptieren des Arbeiters, dass er diese Arbeit nicht mehr verrichten muss, um einen Kredit abzuzahlen, da die Schuld für nichtig erklärt worden ist. Der Arbeiter muss verstehen, was diese Passage faktisch für ihn bedeutet.

„ On the commencement of this Act, the bonded labour system shall stand abolished and every bonded labourer shall, on such commencement, stand freed and discharged from any obligation to render any bonded labour.30 Alle Vereinbarungen, die unfreie Arbeit beinhalten sind mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ungültig geworden. Das Problem ist aber, wie soll der betroffene Arbeiter davon erfahren, wenn es oft der Landlord nicht einmal selbst weiß. Und wenn letzterer es erfährt, er hat ja doch eher Kontakt zur Außenwelt, wird er sich hüten es seinen Arbeitern zu erzählen.

Außerdem ist es so, dass sobald zehn Arbeiter freigelassen werden, zwanzig neue ihren Platz einnehmen. Man geht einen Schritt voran und zwei zurück.31

Eines der größten Probleme in bezug auf Bonded Labour ist, dass man zwar die Arbeiter per Gesetz und auch physisch befreien kann, aber durch eine psychische Abhängigkeit kehren viele wieder zu ihrem Landlord zurück. Meisten sind es aber immer noch existentielle Gründe, nämlich dass die Familie jetzt gar nichts mehr zu Essen hat und daher lieber wieder in die Abhängigkeit zurückkehrt, als den Hungertod zu sterben.

Daher ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, auch für die Rehabilitierung zu sorgen und vernünftige Alternativen aufzuzeigen. Studien zeigen jedoch, dass oftmals zwischen der Befreiung und der Rehabilitierung bis zu zwei Jahren liegen können.32

Nach ihrer Befreiung sollten die Arbeiter also direkt eine gewisse Hilfestellung finanzieller Art bekommen, um nicht sofort wieder in eine neue Abhängigkeit zu gelangen. Der letzte Schritt ist dann die Rehabilitation an sich, das heißt der Arbeiter und seine Familie sollten sich selbst ausreichend versorgen können. Dies ist die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass sie sich nach einiger Zeit wieder in die Abhängigkeit begeben müssen. Nach dem Gesetz hat der Arbeiter aber keinen Anspruch auf Rehabilitation, es gibt nur einige Vorkehrungen.

„ The District Magistrate authorised by the State Government under section 10 and the officer specified by the District Magistrate under that section shall, as far as practicable, try to promote the welfare of the freed bonded labourer by securing and protecting the economic interests of such bonded labourer so that he may not have any occasion or reason to contract any further bonded debt ” . 33

Das Problem liegt bei “as far as practicable”, was den zuständigen Beamten oft die Möglichkeit lässt, als Entschuldigung für eine nicht durchgeführte Rehabilitation zu sagen, dass es eben unmöglich war.

Außerdem ist die Rolle des District Magistrates problematisch. Diese Beamten werden in allen möglichen Gesetzen erwähnt und zur Durchführung von Neuerungen und Implementierung von Gesetzen herangezogen. Das gibt ihnen eine Fülle von Aufgaben, die sie überhaupt nicht alle gewissenhaft erledigen können. Seltenst können sie sich persönlich ein Bild von der Lage machen. So delegieren sie einiges an ihnen untergeordnete Beamten, die vor Ort stationiert sind, wie die Tehsildars und die Patwaries. Diese sympathisieren oft mit den ausbeuterischen Schichten im Dorf oder ihnen fehlt jedes Mitgefühl mit Leuten der unteren Schichten.34

Manche Staaten weigerten sich auch, dass Problem überhaupt zu erkennen und folgten nicht den Anweisungen der Zentralregierung und unterließen das Einsetzen der „ Vigilance Committees “. So musste der Richter in Bandhua Mukti Morcha v. Union of India feststellen:

„ It is not uncommon to find that the administration in some States are not willing to admit the existence of bonded labour even though it exists in their territory and there is in controvertible evidence that it does so exist.“35

Aber auch dort, wo die Komitees gebildet wurden, kann man fast überall von einem völligen Versagen sprechen.36

Wie aus dem letzten Absatz klar wurde, langt es nicht, die Arbeiter aus den Händen der skrupellosen Landlords zu befreien. Was nützen Freiheit und Unabhängigkeit, wenn sie einhergehen mit Hunger und Tod. Wer tauscht schon gerne Unsicherheit und die Aussicht auf baldiges Verhungern gegen Sicherheit, auch wenn sie nur eine Illusion ist, und eine regelmäßige, wenn auch karge, Mahlzeit.

Die zuständigen Beamten kümmern sich nicht mehr um die befreiten Arbeiter, denn sie denken sie hätten ihre Arbeit getan. Aber es muss viel mehr für die Rehabilitation getan werden.

So stellte sogar der Oberste Gerichtshof fest: „ Psychological rehabilitation must go side by side with physical and economic rehabilitation .37

Die Vigilance Committees müssen neu strukturiert werden und auch das Gericht ist der Meinung, dass Beamte, die sich mit der Identifikation, Befreiung und Rehabilitation befassen, intensiv dafür ausgebildet sein sollten. Sie sollten sensibel gegenüber den Problemen der Betroffenen sein und eine psychologische Ausbildung genossen haben, um zu motivieren und Verständnis zu zeigen. Außerdem stellte das Gericht fest:

It is also essential that there should be constant check and supervision over the activities of the officers charged with the task of securing identification, release and rehabilitation of bonded labourers.“38

4. Schlussbemerkung

Vor allem im letzten Kapitel wurde klar, dass es noch viel zu tun gibt, bevor man von einer Abschaffung der unfreien Arbeit in Indien sprechen kann. Es wurden alle Arten von Gesetzen erlassen, auf allen Ebenen, dazu noch ein Artikel in der Verfassung und auch das oberste Gericht Indiens trug seinen Teil dazu bei, dieses soziale Übel abzuschaffen. Und doch kann von Erfolg keine Rede sein. Vielleicht liegt es am falschen Ansatz. Welches soziale Übel kann schon komplett abgeschafft werden, es liegt in der Natur des Systems, dass manche Menschen besser gestellt sind als andere. Man kann dies nicht abschaffen, man kann lediglich versuchen, die Unterschiede zu verkleinern. So kann man also nur darauf setzten, den unfreien Arbeitern ihre Situation zu erleichtern und möglichst vielen neue Hoffnung zu geben.

Dazu waren fast alle Gesetze geeignet, aber es scheiterte an der Umsetzung. Daran sind viele Faktoren Schuld, aber meiner Meinung nach, ist es vor allem die enge Beziehung zwischen Landlord und den zuständigen Beamten, die eine Implementierung oft verhinderten. Der BLSA versuchte die Umsetzung zu garantieren, indem er Maßnahmen vor Ort festschrieb. Dieser Ansatz zeigte bisher die größten Erfolge. Nicht zuletzt deshalb, da er vor allen den Gerichten die Möglichkeit bot, an ganz konkreten Beispielen eine Nicht-Umsetzung anzuprangern. Es war nun den Schuldigen viel seltener möglich, sich durch Auslegung ungenauer Definitionen aus der Affäre zu ziehen. Ein weiterer wichtiger neuer Punkt, den der BLSA anspricht, ist die Rehabilitierung. Hier muss noch viel getan werden, um wenigstens dem Teil der befreiten Arbeiter eine reelle Chance zu geben, ein neues Leben ohne Abhängigkeit zu beginnen. Aber ein Anfang ist auf jeden Fall gemacht und das solle man nicht außer Acht lassen.

Auch die Aktivitäten des obersten Gerichts im Rahmen von public interest litigation sind nicht zu verachten. Sie mögen zwar im konkreten Fall nur einzelnen Gruppen helfen, die Auswirkung der Urteile sollte aber nicht unterschätzt werden. Die betroffenen Arbeiter bekommen das Gesetz vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben als etwas positives vermittelt. Sie glauben wieder an eine Gerechtigkeit des Staates dem kleinen Mann gegenüber und vielleicht können sie dieser Erfahrung auch anderen vermitteln. Auch haben die Urteile bestimmt eine Auswirkung auf die zuständigen Beamten, vielleicht werden diese sensibler gegenüber den ihnen angetragenen Aufgaben und kümmern sich beim nächsten mal besser um die von ihnen befreiten Arbeiter. Man kann also sagen, dass der psychologische Wert der public interest litigation Urteile viel höher sein mag, als die direkten, messbaren Auswirkungen.

Trotz all dem kann man sich fragen, ob das Gesetz überhaupt das geeignete Mittel ist, diesem Übel beizukommen. Eigentlich sollte das Gesetz nur unterstützende Wirkung haben und die Gesellschaft sollte sich selbst regulieren. Hier vertritt das Gesetz den Staat, der sich in Indien eben nicht um alle seine Bürger kümmern kann, er setzt geradezu auf die Gesellschaft, dass sie sich selbst hilft und stellt ihr das Gesetz zur Seite. Auch wenn nicht alle in der Gesellschaft etwas gegen unfreie Arbeit tun, so gibt es doch einige soziale Organisationen, die sich dem Problem angenommen haben und erfolgreich dagegen kämpfen.

5. Literaturverzeichnis

Breman, J.: Of Peasants, Migrants and Paupers. Rural Labour Circulation and Capitalist Production in West India, New Delhi 1985.

Indian School of Social Science (Hg.): Bonded Labour in India, Calcutta 1976. Kamble, N.D.: Bonded Labour in India, New Delhi 1982.

Marla, S.: Bonded Labour in India. National Survey on the Incidence of Bonded Labour, New Delhi 1981.

Mehta, P.: “Constitutional Philosophy of Bonded Labour in India. Myth and Reality” in Indian Socio-Legal Journal, Vol. 15, 1989.

Mundle, S.: “The Bonded of Palamau” in Economic and Political Weekly, Vol. XI, No. 17, 1976.

Prakash, S.S.: Bonded Labour and Social Justice, New Delhi 1990.

Singh, S.K.: Bonded Labour and the Law, New Delhi 1994.

Bonded Labour System (Abolition) Act

Constitution of India 1950

Gerichtsfälle:

Bandhua Mukti Morcha v. Union of India, AIR 1984 SC 802.

Bandhua Mukti Morcha v. Union of India, AIR 1992 SC 38.

Neeraja Chaudhary v. State of Madhya Pradesh, AIR 1984 S.C. 1099.

[...]


1 Singh, S.K.: Bonded Labour and the Law, New Delhi 1994, Seite 94.

2 Singh, a.a.O., Seite. 12.

3 Marla, S.: Bonded Labour in India. National Survey on the Incidence of Bonded Labour, New Delhi 1981, Seite 16.

4 nach Marla, a.a.O., Seite 19,20.

5 Marla, a.a.O., Seite. 136.

6 Marla, a.a.O., Seite. 137,138.

7 Singh, a.a.O., Seite 1-6.

8 Singh, a.a.O., Seite 9.

9 Singh, a.a.O., Seite 10.

10 Singh, a.a.O., Seite 83.

11 Singh, a.a.O., Seite 11.

12 Zum genauen Wortlaut siehe Singh, a.a.O., Seite 84.

13 Singh, a.a.O., Seite 12.

14 Singh, a.a.O., Seite 85.

15 Mehta, P.: “Constitutional Philosophy of Bonded Labour in India. Myth and Reality” in Indian Socio-Legal Journal Vol. 15, 1989, Seite 130.

16 Constitution of India, Article 23 (1).

17 zitiert bei Mehta, a.a.O., Seite 130.

18 zitiert bei Prakash, S.S.: Bonded Labour and Social Justice, New Delhi 1990, Seite 69.

19 Mehta, a.a.O., Seite 130.

20 Prakash, a.a.O., Seite 70.

21 Prakash, a.a.O., Seite 71.

22 Bonded Labour System (Abolition) Act, Artikel 6 (1), abgedruckt bei Marla, a.a.O., Seite 197-214.

23 Nach Singh, a.a.O., Seite 220-228.

24 Bandhua Mukti Morcha v. Union of India, AIR 1984 SC 802.

25 Singh, a.a.O., Seite 228.

26 Singh, a.a.O., Seite 236.

27 Marla, a.a. O., Seite 144.

28 Singh, a.a.O., Seite 115f.

29 Neeraja Chaudhary v. State of M.P., AIR 1984 SC 1099.

30 Bonded Labour System (Abolition) Act 1976, Article 4 (1).

31 Singh, a.a.O., Seite 120.

32 Mehta, a.a.O., Seite 134.

33 Bonded Labour System (Abolition) Act, Article 11.

34 Singh, a.a.O., Seite 123-125.

35 Bandhua Mukti Morcha v. Union of India, AIR 1984 S.C. 802.

36 Mehta, a.a.O., Seite 139.

37 Bandhua Mukti Morcha v. Union of India, AIR 1984 S.C. 802.

38 Neeraja Chaudhary v. State of Madhya Pradesh, AIR 1984 S.C. 1099.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Bonded Labour in Indien
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
Law and Politics in India
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V105331
ISBN (eBook)
9783640036271
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit ist auf deutsch und handelt von unfreien Arbeitern in Indien und der Geschichte der entsprechenden Gesetze
Schlagworte
Bonded, Labour, Indien, Politics, India
Arbeit zitieren
Ruth Ziegler (Autor:in), 2001, Bonded Labour in Indien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105331

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