Entwicklung der 'senatus consulta' zur Rechtsquelle


Seminararbeit, 2000

24 Seiten, Note: 15 Punkte - gut


Leseprobe


Gliederung

Thema 8: "Die Entwicklung der 'senatus consulta' zur Rechtsquelle"

I) Der Begriff

II) Quellen
1) urkundlich überlieferte Schriften
2) Akten des römischen Senats ("acta senatus")
3) weitere aufschlußreiche Quellen
a) die römische Staatszeitung
b) andere Ratsprotokolle
4) inhaltliche Regelungen

III) Wichtige Senatsbeschlüsse
1) SC de Bacchanalibus (186 v. Chr.)
2) SC Velleianum (auch Vellaeanum 46 n. Chr.)
3) SC Macedonianum (70 n. Chr.)

IV) Ausführung der Senatsbeschlüsse
1) Einfluß auf die Magistrate
2) rechtliche Bindungswirkung
a) Wortlautargument
b) "senatus auctoritas"
c) Zwangsmittel
3) Zwischenergebnis

V) chronologische Entwicklung
1) zur Königszeit
2) klassische Republik
3) Prinzipat und Dominat

VI) Zusammenfassung / Konklusion

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Thema 8: "Die Entwicklung der 'senatus consulta' zur Rechtsquelle"

I) Der Begriff

In der folgenden Abhandlung wird versucht, die Entwicklung der Senatsbeschlüsse zur Rechtsquelle der römischen Republik darzustellen. Dazu scheint es zunächst geboten, auf die Stellung des Senats und die begriffliche Herleitung des Wortes "senatus consultum" zurückzublicken.[1] Die Versammlung und Leitung des Senats erfolgte durch kompetente Magistrate, d.h. von denen, die das Versammlungsrecht inne hatten (ius senatus habendi), z.B. Diktatoren, Konsuln, Prätoren, Volkstribune usw. Das Versammlungsrecht schloß die Leitung und auch das Recht, den Verhandlungsgegenstand / Antrag (relatio) vorzutragen (referre ad senatum), mit ein. Demnach bedeutet "senatum consulere" = den Senat (bzgl. der Vorlage) konsultieren bzw. um Rat fragen.[2] Somit bedeutet der eigentliche Senatsbeschluß [ senatus consultum (SC, auch SCC) ] wortwörtlich auch nur ein Ratschlag des Senats.

Weiterhin ist zur Bezeichnung der einzelnen SC zu sagen, daß sie zunächst nach dem Inhalt, später nach dem Namen des Antragstellers erfolgte. Dies gilt jedoch nicht als offizielle Benennung sondern lediglich als durch den Brauch römischer Juristen bzw. der heutigen Literatur entstanden.[3]

Eine rechts- historische Betrachtungsweise der Senatsbeschlüsse und deren rechtliche Bindungswirkung kann nicht ohne Berücksichtigung der historischen Umstände erfolgen. Die Behandlung des Senatsbeschlusses ist sehr umstritten.

Nach der h. M., die sich auf die positive Rechtslehre (Th. Mommsen) des 19.Jahrhunderts stützt, bedeutet der Senatsbeschluß an sich nichts. Er ist nur Beratungsergebnis der Senatsverhandlung. Man versucht dieses Ergebnis anhand des Wortlautargumentes zu beweisen, SC hieße nichts anderes als Ratschlag des Senats. Weiterhin sollen der Wortlaut und die Formulierung einzelner Beschlüsse- "die Magistrate sollten so und so verfahren, wenn es ihnen so gut scheine" (si iis videatur) - darauf hinweisen, daß den Beschlüssen an sich keine verfassungsrechtlich verankerte Verbindlichkeit zu entnehmen ist.[4]

Dieses Ergebnis erscheint jedoch als zu eng betrachtet. Die Senatsbeschlüsse begleiten das römische Privatrecht und Staatsrecht wesentlich.[5] Eine a. A. (z.B. Kunkel bzw. Heuss)[6] meint, die reine Textanalyse sei zu eng ausgelegt. Der Wortlaut sei zunächst nicht in jedem Beschluß gleich. Dies ließe somit nicht auf eine allgemeingültige Wortlautregelung schließen. Der Wortlaut an sich sei eher nur als gebräuchliche Höflichkeitsfloskel im Magistratenverkehr zu betrachten.[7] Ferner sprechen einige Rechtshistoriker den Senatsbeschlüssen eine direkt bindende Wirkung zu.[8]

Um das Problem im Hinblick auf die Entwicklung der Beschlüsse und deren Eigenschaft als Rechtsquellen zu behandeln, ist im Folgenden nicht nur der normative Gehalt einzelner Beschlüsse, sondern ferner auch die Bindung der Magistrate und des Volkes an die Beschlüsse (Verhältnis: Senat - Magistrat - Volk) Gegenstand der Untersuchung.

II) Quellen

Für eine Quellenanalyse ist zunächst zwischen Primärquellen (die Originale, Beschlüsse an sich) und Sekundärliteratur (Literatur über Literatur / Quellen) zu unterscheiden. Leider sind uns keine primären Quellen erhalten geblieben. Um so aufschlußreicher sind hingegen zeitgenössische Sekundärschriften. Um sich die Bedeutung der Senatsbeschlüsse und deren Rechtsquellencharakter zu vergegenwärtigen, sollen hier zwei klassische Rechtswissenschaftler erwähnt sein. Der Hochklassiker Gaius schreibt in seinen Institutionen[9]

Institutionen des Gaius 1, 2:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch der Spätklassiker Papinian nimmt die Senatsbeschlüsse in den Digesten als Teil des geltenden Rechts auf ..[10]

Papinian in D 1, 1, 7 pr:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Quellen sollen als Beweis dienen. Wer sonst kann die klassische römische Republik und deren Rechtssystem besser verstehen als zeitgenössische Rechtsgelehrte. Zu beachten ist jedoch, daß entgegen Mommsen nicht vom rein positiven Rechtsbegriff ausgegangen wird.

1) urkundlich überlieferte Schriften

Weitere aufschlußreiche Quellen sind die urkundlich überlieferten Schriften, namentlich Erz- und Steininschriften, Inschriften in Bronzetafeln / auch Papyrus. Diese sind jedoch nicht das Original selbst, sondern die nach der dem Arbeiter gegebenen und aus dem Archivexemplar abgeschriebene Vorlage.[11] Diese Quellen sind oft nur bruchstückhaft erhalten geblieben. Dadurch daß die Bruchstücke teilweise zweisprachig (griechisch und lateinisch) erhalten sind, läßt sich der Inhalt / das Wesen der Schriften gut ergänzen und zusammenfassen. Man weiß, daß sämtliche SC archiviert und dann unter Zeugen (den Senatoren) in ein quästorisches Urkundenbuch eingetragen wurden. Die Beschlüsse wurden in Jahresbänden zusammengefaßt und in Staatsarchiven (z.B. im Saturntempel) hinterlegt. Von dort konnten dann bei Bedarf Abschriften entnommen werden.[12]

2) Akten des römischen Senats ("acta senatus")

Auch die Vorgänge in den Senatsverhandlungen selbst wurden protokolliert.[13] Die Protokolle der Senatsverhandlungen an sich wurden in ein Protokollbuch (acta senatus) verzeichnet. Dieses Protokollbuch ist vom Beschlußbuch, in dem lediglich die Beratungsergebnisse enthalten sind, zu unterscheiden. Aber auch keine dieser Sammlungen aus der klassischen Republik ist bis heute erhalten geblieben.[14] Lediglich ein Dokument der Kaiserzeit - ein Protokoll über die Sitzung des römischen Senats unter Kaiser Valentinian III von 438 n. Chr., dessen Verhandlungsgegenstand der "Codex Theodosianus" darstellte - bringt uns durch die genaue Schilderung des Ablaufs der Senatsverhandlung das Bild des Hergangs einer Senatsverhandlung etwas näher.[15] Dieses Protokoll kann jedoch nur der rein formellen Erkenntnisgewinnung dienen, da es zum Ausgang der stolzen Senatstradition datiert wird.[16]

3) weitere aufschlußreiche Quellen

Aufgrund der lückenhaft bzw. gar nicht erhalten gebliebenen Schriftstücke über die Senatsverhandlungen scheint es geboten, auch andere Quellen für die formelle Erkenntnisgewinnung in die Betrachtung mit einzubeziehen.

a) die römische Staatszeitung

Es wurden beispielsweise unter Cäsar im ersten Konsulat Senatsprotokolle (acta senatus) in der römischen Staatszeitung veröffentlicht. Dadurch wurden private Abschriften und eine gewerbliche Verbreitung ermöglicht. Unter Augustus wurde dies jedoch wieder abgeschafft, da es sich nicht bewährt hatte.

Als "journalistische Einrichtungen" der römischen Staatszeitung sind die populi diurna acta zu nennen. Seit Cäsar bis ins 3. Jh. wurden hier Berichte über wichtige Staatsangelegenheiten, Senatsbeschlüsse, Amtshandlungen, Prozesse, Vorgänge in der kaiserlichen Familie und Tagesneuigkeiten verschiedener Art veröffentlicht.[17] Auch hier zeigt sich wiederum der gewichtige Einfluß der senatorischen Stellungnahme und der Aktivitäten des Senats.

b) andere Ratsprotokolle

Um sich eine annähernd genaue Vorstellung von der Form der Senatsprotokolle machen zu können, werden hier noch einige andere erhalten gebliebene Quellen genannt. Man kann davon ausgehen, daß diese einen ähnlichen / vergleichbaren Aufbau hatten. Wenger[18] nennt z.B. Gemeindeakten und Protokolle der Gemeinderäte (acta ordinis); Protokolle von Priesterkollegien (commentarii und libri pontificium), kirchliche Akten der Konzilien und Synoden usw. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend und hat somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es können jedoch gerade aus solchen Quellen Erkenntnisse über die üblichen formellen Prinzipien der von Formalismus geprägten klassischen Republik gewonnen werden.

4) inhaltliche Regelungen

Will man die inhaltlichen Regelungen der Senatsbeschlüsse zusammenfassen oder kategorisieren, so ist zunächst zu sagen, daß die Zuständigkeiten des Senats schwer faßbar sind. Daher erscheint eine abschließende Aufzählung wohl nicht möglich. Man kann sagen, daß sich der Senat grundsätzlich mit alledem beschäftigte, was die allgemeine Staatsleitung anbetraf.[19] Zunächst stellten die Senatsbeschlüsse Fallrecht und konkrete Maßnahmenbeschlüsse dar. Die Beschlüsse wurden erst im Verlaufe der Zeit abstrakter, genereller. Als Beispiel[20] konkreten Fallrechts sei der nachfolgende Beschluß über die Philosophen und Redekünstler von 161 v. Chr.[21] genannt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

... Es handelt sich hier also um ein konkretes Aufenthaltsverbot für einen eingeschränkten Personenkreis, das auf eine bestimmte Stadt bezogen ist. Auch richtet sich die Ausführung des Beschlusses an einen bestimmten Prätor. Gerade solche konkreten Maßnahme machen das Fallrecht aus. Für den Ausspruch eines Aufenthaltsverbots steht dem Prätor ein gewisser Ermessensspielraum zu.

Der Senat gibt sich im Beschluß sehr zurückhaltend, aber teilweise auch unverständlich. Zur Bestätigung der Argumentation von Mommsen tauchen im Beschluß keinerlei Befehlsworte auf. Der Beschluß ist dem Wortlaut nach vielmehr als Empfehlung ausgesprochen. Der Prätor sollte in verfassungsmäßiger Weise handeln.

Mit dem eben genannten Beispielsfall ist auch schon die erste Fallgruppe der Kompetenzfragen des Senats eröffnet. Der Senat faßte sowohl Verbotsbeschlüsse, als auch Beschlüsse über Bestrafungs- und Verwaltungsanordnungen.

Weitere mit dem o. g. Beschluß vergleichbare exemplarische Einzelfälle sind das SC gegen kostspielige Gladiatorenspiele von 176/178 n. Chr. (SC de sumptibus ludorum gladiatorum minuendis) oder auch Beschlüsse gegen Spekulationsgeschäfte beim Ankauf von Häusern auf Abbruch (SC Hosidianum von 44/46 n. Chr. & SC Volusianum von 56 n. Chr.). Diese Beschlüsse seien als Einzelfall- typische Beschlüsse nur namentlich genannt.[22]

Weiterhin gab es Beschlüsse zur Ordnung griechischer Angelegenheiten, d.h. zur Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen Gemeinden und einzelnen Personen. Der Senat beurteilte die Stellung griechischer Städte zum römischen Staatswesen. Er entschied auch weiter über Streitfälle zwischen einzelnen Gemeinden.[23]

Auch die Bestätigung von Bündnisverträgen (z.B. mit Kleinasien) wurden Inhalt von Senatsbeschlüssen. Darin bekundete der Senat außenpolitische Beziehungen.[24]

Der Senat wurde oft als Vermittler, Streitschlichter oder Schiedsrichter tätig. Hierin ist die entscheidende Bedeutung der senatorischen Stellungnahme erkennbar.[25] Gegenstand der Senatsverhandlung konnten oft Besitz-, Verwaltungs- und Grenzstreitigkeiten sein.

Es sind jedoch auch Enthaltungen bzw. Eingriffsverweigerungen des Senats bekannt geworden, z.B. wenn ein Streit schon entschieden wurde. Hier verwies der Senat auf die früher ergangene Entscheidungen und enthielt sich einer weiteren Stellungnahme, so z.B. im SC de Narthaciensibus et Melitacensibus von 150-147 v. Chr. oder auch im SC de Prienensibus von 136 v. Chr.[26]

Die Senatsentscheidungen betrafen auch oft das Vereinswesen. Nach h. M. existierte unter Cäsar und Augustus eine freie Vereinsbildung nicht mehr. Der Senat konnte jedoch von Fall zu Fall einzelne Vereine bewilligen, so z.B. bei einer Streitschlichtung zwischen Künstlervereinigungen. So wie das daraufhin erfolgte SC de arteficibus Graecis von 112 / 111 v. Chr. galten die Senatsbeschlüsse oftmals als autoritäre Leitlinien bzw. als Bestätigungen von magistratischen Entscheidungen.[27]

[...]


[1] s.a. Themen 1, 2 .

[2] Bleicken, Verf. d. RR, Seite 88 .

[3] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 381 .

[4] Bleicken, Verf. d. RR, Seite 95 f .

[5] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 381 .

[6] Kunkel in Aufstieg und Niedergang I Bd.2 , Seite 13 ff .

[7] Kunkel in Aufstieg und Niedergang I Bd.2 , Seite 15 .

[8] Kunkel in Aufstieg und Niedergang I Bd.2 , Seite 21 .

[9] s.a. Folie 1, Hausmaninger, Röm. PrivatR, Seite 68.

[10] s.a. Folie 1, Hausmaninger, Röm. PrivatR, Seite 68.

[11] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 382 .

[12] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 388 .

[13] Bleicken, Verf. d. RR, Seite 90 .

[14] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 388 .

[15] ausführlich Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 389 .

[16] zum Verlust der Funktion und Machtposition siehe unter V - chronologische Entwicklung.

[17] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 389 .

[18] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 390 ff .

[19] Bleicken, Verf. d. RR, Seite 93 f .

[20] s.a. Folie 1.

[21] Liebs, Röm. R, Seite 42 .

[22] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 387 .

[23] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 382 .

[24] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 382 .

[25] Wenger, Quellen d. röm. R, Seiten 383 f.

[26] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 383 .

[27] Wenger, Quellen d. röm. R, Seite 384 .

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Entwicklung der 'senatus consulta' zur Rechtsquelle
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Rechtsgeschichte)
Veranstaltung
Grundlagenseminar zur Rechtsgeschichte
Note
15 Punkte - gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
24
Katalognummer
V10507
ISBN (eBook)
9783638169097
ISBN (Buch)
9783638841931
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Römische Rechtsgeschichte, Rechtsquellen
Arbeit zitieren
Dr. Veit Busse-Muskala (Autor:in), 2000, Entwicklung der 'senatus consulta' zur Rechtsquelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10507

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