Urheberrecht im Internet


Ausarbeitung, 2001

32 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Grobe Struktur und Organisation des Internet
2.1 Funktionsweise des Internet
2.2 Anwendungsoberflächen im Internet
2.3 die am Internet Beteiligten

3. Kurze Einführung ins deutsche Urheberrecht

4. Berührungspunkte und gemeinsame Problemfelder von Urheberrecht und Strafrecht
4.1 die Grenzenlosigkeit des Internet
4.2 Recht und Technik

5. Urheberrecht im Internet
5.1 Problemeingrenzung
5.2 weitere Vorgehensweise bez. Urheberrecht
5.3 Der urheberrechtliche Werksbegriff
5.3.1 Der Werksbegriff des § 2 Urhg
5.3.2 Das Datenbankgesetz
5.3.3 Zusammenfassung §2 UrhG und §4 UrhG
5.4 Trennung in körperliche und nicht-körperliche Verwertung
5.5 verschiedene Sichtweisen der Einordnung von Online-Übertragungen auf Abruf im Sinne von §15 UrhG
5.5.1 Online Übertragung auf Abruf als verbreitungsähnliches Recht
5.5.2 Online-Übertragungen auf Abruf als Sendung
5.5.3 Online-Übertragung auf Abruf als „Recht der öffentlichen Wiedergabe“
5.5.4 Zusammenfassung 9.5.1-
5.6 Linking
5.7 Speichern, Zwischenspeichern, Caching... : Vervielfältigungen
5.7.1 Vervielfältigung durch Download
5.7.1.1 Abspeichern der heruntergeladenen Datei auf der Festplatte
5.7.1.2 Speicherung im RAM
5.7.1.3 Caching
5.7.1.4 Zusammenfassung 9.7.1.1-
5.7.2 eMail mit Anhang
5.8 privater und sonstiger Gebrauch gem. § 53ff UrhG
5.9 mp3, Napster, Gnutella Co
5.9.1 das mp3-Format
5.9.2 Rechtmäßigkeit der Erstellung von mp3-Dateien
5.9.3 mp3-Sammlungen auf Servern im www
5.9.4 Napster
5.9.4.1 Was ist „Napster“?
5.9.4.2 Napster aus der Sicht des UrhG
5.9.5 Gnutella Co
5.9.6 weitere Albträume für die Musikindustrie
5.9.7 Fazit - Napster etc

6 Fazit Urheberrecht im www

1) Einleitung

Das Internet stellt die Rechtsprechung in mehrfacher Hinsicht vor neue Probleme.

Populär überzeichnende Schlagworte wie „rechtsfreier Raum“ auf der einen und z.B. „Musikpiraterie“ auf der anderen Seite veranschaulichen deutlich, daß in Bezug auf Rechtssicherheit im Internet noch einiges an Unklarheiten zu bestehen scheint. Wenn das Internet tatsächlich ein „rechtsfreier Raum“ wäre, dann wäre so etwas wie „Musikpiraterie“ nicht möglich, - alles wäre erlaubt. Wenn umgekehrt das, was insbesondere von der Musikindustrie so sehr als „Piraterie“ angeklagt wird, tatsächlich in juristischer Hinsicht ein klarer Rechtsverstoß wäre, dann bleibt unklar, warum die entsprechenden Fälle vor Gericht so langwierig diskutiert werden. Über diese zur Zeit populären Fragen hinaus wird aber in dieser Arbeit hier auch gezeigt werden, daß alleine durch die Art und Weise der Funktion des Internet gerade das deutsche Urheberrecht vor einige fundamentale Probleme gestellt wird.

2) Grobe Struktur und Organisation des Internet

Das Internet geht geschichtlich auf den Versuch des amerikanischen Pentagon zurück, ein Kommunikationsnetz zu schaffen, daß auch bei Beschädigung oder Zerstörung einzelner Komponenten funktionstüchtig bleibt.

Das Grundkonzept besteht darin, statt einer hierarchischen Konzeption ein dezentrales Netz von Computern zu schaffen. Das führt dazu, daß bei der Datenübertragung immer viele Wege zum Ziel führen und die Kommunikation der einzelnen Teilnehmer auch noch bei Totalausfall einzelner Mitglieder (in der damaligen Annahme wegen atomaren Treffern) gewährleistet ist. Nachdem dieses Netzwerk anfänglich eine militärische Einrichtung war, wurde es später zuerst für Universitäten und noch auch für wirtschaftliche Unternehmen und zuletzt auch für Privatpersonen zugänglich gemacht. Seit ca. Anfang der 1990er Jahre ist das Internet zumindest theoretisch jedem Bürger der Industriestaaten zugänglich und seine Präsens im Alltag wuchs seitdem enorm.

2.1 Wie funktioniert das ?

Ohne hier auf raffinierte technische Einzelheiten einzugehen kann zusammenfassend gesagt werden: eine zu verschickende Datei wird in viele kleine „Pakete“ aufgeteilt, jedes dieser Pakete wird numeriert, mit Absender und Empfänger versehen und losgeschickt. Die Route durch das Netz steht dabei niemals fest. Router-Rechner an den Netz-Knotenpunkten schicken die Pakete jeweils weiter in Richtung des Empfängers. Sollte sich irgendwo ein Problem ergeben (z.B. durch den Ausfall eines angepeilten Netzknoten-Rechners wegen eines Atomschlages oder auch, - weniger dramatisch, dafür realistischer -, Systemabsturz ), dann wird dasselbe Paket eben nochmal in einer anderen Richtung ins Netz losgeschickt. Die Reihenfolge der Ankunft der einzelnen Pakete beim Empfänger ist unwichtig, weil sie erst hier nach Ankunft aller Pakete dank der Durchnumerierung wieder zur ganzen Datei zusammengefügt werden.

2.2 Anwendungsoberflächen:

Die häufigsten und - für die hier behandelten Fragestellungen - relevantesten Anwendungen sind das www, eMails und Newsgroups.

a) das www:

Der jüngste, aber populärste Dienst des Internet ist das sogenannte WorldWideWeb, kurz www. Das www integriert die verschiedenen Internetdienste unter einer einfach zu bedienenden grafischen Oberfläche. Dank der intuitiv zu bedienenden Benutzeroberfläche ist es auch technisch weniger begabten Menschen so möglich, sich innerhalb des Internet zu bewegen.

Es ensteht so die Möglichkeit des Zugriffes auf Millionen einzelner Dokumente im Internet. Auf diesen Dokumenten, den „Seiten“, befinden sich i.d.R. Verweise auf wieder andere Seiten, die irgendwo ganz anders auf der Welt liegen können. Durch diese leichte Navigationsmöglichkeit mit Hilfe von interaktiven Verweisen ist die Bewegung durch das Netz ausgesprochen leicht.

Spezielle Suchmaschinen ermöglichen zusätzlich, bestimmte Inhalte aufzufinden. Diese Inhalte können jede Art von Information in binärer Form sein. So können Texte oder Ton- oder Bilddokumente abgerufen werden. Aufgrund der oben angesprochenen Dezentralität des Internet ist eine Kontrolle der Inhalte sowie der Navigation der Nutzer im Netz nahezu aussichtslos.

b) eMails:

„eMails“ sind, wie der Name schon sagt, die Post des Internet. Hier können Texte, aber auch jede andere Form von Daten per Internet an andere Netzteilnehmer versendet werden. Sogenannte Mailserver übernehmen die Aufgabe, versendete eMails solange aufzubewahren, bis der Empfänger sich ins Netz einloggt und seine Post abruft.

c) Newsgroups:

Newsgroups sind Diskussionsforen im Netz: Hier können die Nutzer ihre Meinung öffentlich kundtun, auch Daten können dort hinterlegt werden, all das wird auf einer allgemein zugänglichen Seite sozusagen „veröffentlicht“. Newsgroups werden häufig mit „schwarzen Brettern“ verglichen. Newsgroups werden stark genutzt, es gibt z.Zt. über 20.000 Newsgroups zu den verschiedensten Themen.

Innerhalb der Newsgroups muß noch einmal differenziert werden zwischen moderierten und unmoderierten Newsgroups:

Bei moderierten Newsgroups entscheidet ein Moderator, ob ein eingesendeter Beitrag auf dem Server verbleibt oder nicht. Das dient einerseits der Qualität der Diskussion, weil unqualifizierte Beiträge herausgehalten werden, und es schützt vor Mißbrauch durch Verbreitung strafbarer Inhalte. Bei unmoderierten Newsgroups entfallen diese Aspekte, was natürlich für Nutzer, die eine Verbreitung strafbarer Inhalte anstreben, sehr nützlich ist.

2.3 Die am Internet Beteiligten:

Für die hier behandelte Problematik müssen mindesten fünf verschiedene Gruppen von „am Internet Beteiligten“ klassifiziert werden:

a) Network Provider:

Network Provider stellen die Übertragungswege im Internet zur Verfügung. Network Provider sind somit z.B. Telefongesellschaften, oder auch die Betreiber der Netzwerke und Rechenzentren, die durch die Backbones verbunden sind.

b) die Access-Provider:

Access-Provider stellen für die Teilnehmer den technischen Zugang zum Internet her.

Ein Access-Provider in Reinform hat keine Kontrollmöglichkeit über die Inhalte, die über seine Einrichtungen vermittelt werden.

c) Content Provider (Inhaltsanbieter):

Inhaltsanbieter im Internet sind entweder Autoren von Webseiten

(Homepages), oder auch Autoren von Newsgroup-Beiträgen. Bei moderierten Newsgroups ist es möglich, daß der Moderator in rechtlicher Hinsicht für den Inhalt verantwortlich gemacht werden kann.

Betroffen vom Gesetz sind die Inhaltsanbieter in mehrfacher Hinsicht: zum einen kann ihr ins Netz gestellter Inhalt durch das UrhG (Urhebergesetz) geschützt sein, dabei können sie sich aber auch strafbar machen, falls dieser Inhalt eben schon das Werk eines anderen ist, und schließlich können sie wegen Veröffentlichung von rechtlich bedenklichen Inhalten (z.B. Pornografie, Beleidigung o.ä.) rechtlich belangt werden.

d) Service Provider:

Ein Service Provider ermöglicht anderen, Inhalte auf seinem Rechner für das Internet bereitzustellen. Oft treten Mischformen zwischen Access Providern und Content Providern auf, indem ein Zugang ins Internet zur Verfügung gestellt und gleichzeitig auch eigene Inhalte angeboten werden (z.B. T- Online, AOL, Compuserve usw.). In diesen Fällen kann jedoch aus Gründen der Klarheit auch jeweils entweder vom Access Provider oder dem Content Provider gesprochen werden. Der Begriff „Service Provider“ bezeichnet hier also exakt einen Anbieter fremder Inhalte auf eigenem Rechner.

e) die Nutzer (Teilnehmer, oft auch „User“ oder „Surfer“):

Die Teilnehmer des Internet sind sozusagen die Endverbraucher im Internet, sie rezipieren die Inhalte des www. Aufgrund der hohen Interaktivität des Internet (speziell des www) können allerdings Nutzer auch sehr schnell zu Inhaltsanbietern (Content Providern) werden (etwa durch Beiträge in Newsgroups). Außerdem stellt sich aufgrund der Tatsache, daß rezipierte Inhalte praktisch automatisch auf dem heimischen Rechner gespeichert werden die Frage, inwiefern sich ein Nutzer durch Rezeption strafbarer Inhalte selbst strafbar macht.

3) Kurze Einführung ins deutsche Urheberrecht

Das Urheberrecht ist das persönliche Verfügungsrecht des Schöpfers eines Werkes i.d.R. der Literatur, Musik, Kunst, aber auch jeder anderen denkbaren schöpferischgestalterischen Tätigkeit.

Das deutsche Urheberrecht gewährt dem Schöpfer eines solchen Werkes das alleinige Recht, über alle Formen der Nutzung und Verwertung des Werkes zu verfügen.

Einzelne Ausnahmen, in denen dieses alleinige Recht (aus Abwägungsgründen) in irgend einer Weise eingeschränkt wird, finden hier auch ausführliche Regelungen. Der Leitgedanke des Urheberrechts ist zum einen kultureller Natur, - das Urheberrecht ist das wohl umfassendste Kulturrecht -, zum anderen soll das Urheberrecht aber auch der wirtschaftlichen Absicherung des Schöpfers dienen.

4) Berührungspunkte und gemeinsame Problemfelder von Urheberrecht und

Strafrecht im Internet:

Grundsätzliche Probleme von Recht im Internet:

Es können prinzipiell mindestens zwei grundlegende Problemfelder bezeichnet werden, die sich für Juristen im Umgang mit dem Internet ergeben: erstens die Grenzenlosigkeit des Internet und zweitens die (allerdings immer wieder neu auftretende) Frage, wie auf eine technische Neuerung zu reagieren ist, die im bisherigen Gesetz noch keine Berücksichtigung finden konnte.

4.1 die Grenzenlosigkeit des Internet:

Das Internet macht nicht an der Staatsgrenze halt:

- In Deutschland verbotene Inhalte erreichen von ausländischen Servern aus auch deutsche Internet-Nutzer

- in Deutschland verbotene (bzw. in Deutschland urheberrechtlich geschützte) Inhalte können von Deutschland aus auf einen Server im Ausland transferiert und dann von da aus (weltweit, somit auch wieder inklusive in Deutschland) publiziert (vervielfältigt) werden

- schließlich können von Deutschland aus Inhalte weltweit publiziert werden, die irgendwo im Ausland evtl. verboten (oder urheberrechtlich geschützt) sind Der Strafgewalt des Staates unterworfen sind all jene Taten, die innerhalb dessen Grenzen begangen wurden. Dieses sogenannte „Territorialitätsprinzip“ knüpft dabei an den Tatort an und bestimmt auch, daß das deutsche Strafrecht für inländische Taten ungeachtet der Nationalität des Täters/Opfers gilt1.

Auch wenn eine Auslandstat vorliegt, kann sie, unabhängig vom Tatortrecht, nach dem deutschen Strafrecht abgeurteilt werden, sofern die Tat inländische Rechtsgüter gefährdet oder verletzt2(sog. Schutzprinzip: §§5 Nr. 1-8 und Nr. 10-14 sowie §7StGB).

Tatort iSd StGB ist jeder Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (s. §9 Abs.1 StGB).

Bleibt die Frage, wo bei einer Internetpublikation der Tatort ist. Internetinhalte sind weltweit abrufbar, somit kann man sie auch als Veröffentlichung in Deutschland betrachten. Diese Feststellung kann die Sichtweise rechtfertigen, daß jede Internetpublikation, die gegen deutsches Recht verstößt, von einem deutschen Gericht geahndet werden können müsste3. Diese Sichtweise scheitert in der Praxis natürlich an mehren Hürden. Zum einen handelt es sich dann um eine unübersehbare Anzahl an Rechtsverletzungen, außerdem teilen viele andere Staaten nicht alle Ansichten des deutschen Rechtes (siehe z.B. den in den USA weiter als in Deutschland gefaßten Begriff des Rechts auf freie Meinungsäußerungen à rechtsradikale Seiten) und daher wird man hier der Täter nicht habhaft werden können. Internationale Harmonisierungen haben hier zwar bereits ihren Anfang gefunden, sind jedoch noch weit von wirklich brauchbaren Ergebnissen entfernt4.

4.2 Recht und Technik:

Das Internet ist ein Beispiel dafür, wie technische Entwicklungen das Recht (bzw. eigentlich (hoffentlich) natürlich nur das „Gesetz“) „zu überholen“ drohen. Das zeigt sich einmal am schon dargestellten Territorialitätsproblem, mit dessen Schärfe, wie sie sich im Internet darstellt, die Gerichte wohl aller Staaten noch nicht konfrontiert waren. Die Gesetze wurden geschaffen unter Bedingungen, unter denen Tatort und Wirkungsort im allgemeinen enger verknüpft waren. Die völlige Loslösung dieser beiden Punkte im Internet ist schlicht neu.

Zum anderen ist z.B. das Urheberrecht ein Bereich, der durch die Möglichkeiten von Multimedia und insbesondere vom Internet vor völlig neue Probleme gestellt wird. Z.B. die automatisierte Einfachheit, mit der praktisch unendlich viele Kopien eines Werkes in Sekundenschnelle hergestellt und weltweit verteilt werden können, ist in den Regelungen des UrhG jedenfalls nicht explizit vorgesehen. Es stellt sich hier die Frage, ob es gerechtfertigt erscheint, diese Art der Vervielfältigungen mit den im UrhG vorgesehenen ohne Einschränkung gleichzusetzen.

Es ist (ganz besonders für das Urheberrecht) kein neues Phänomen, auf neue Techniken reagieren zu müssen, allerdings läßt sich feststellen, daß diese notwendige Reaktion auf das Internet z.Z. noch nicht abgeschlossen scheint.

5 Urheberrecht im www

5.1 Problemeingrenzung: www, eMails, Newsgroups, DFÜ...

Wie in der Einleitung bereits erörtert, setzt sich das Internet aus verschiedenen Einzelkomponenten wie www, eMail, Newsgroups, u.a. zusammen. Diese verschiedenen „Einzelteile“ haben unterschiedlichen Charakter in ihrer Benutzungs- und Funktionsstruktur und bedürfen deshalb hier erst einmal jeweils einer eigenständigen Betrachtung bezüglich des Urhebergesetzes.

a) eMails (und genauso auch einfache DFÜ) stellen in ihrer Funktionsweise in Bezug auf das Urhebergesetz keine besondere, neue Herausforderung dar, sie dienen der gezielten Übermittlung eines Inhaltes von einer Partei zu einer anderen. Die Benutzung einer eMail geht rechtlich gesehen nicht über die Benutzung z.B. der deutschen Bundespost hinaus und von Veröffentlichung im Sinne des Gesetzgebers (§15 III UrhG) kann nicht gesprochen werden. Lediglich ist zu berücksichtigen, daß beim Versenden einer eMail mit Anhang üblicherweise eine Vervielfältigung vorliegt, weil anschließend die versendete Datei sowohl noch beim Absender, als auch neuerdings beim Empfänger vorliegt. (Die damit verbundenen urheberrechtlichen Fragen werden vor allem unter Kap. 9.7 und 9.8 behandelt).

b) Etwas anders gelagert ist der Fall bei sog. Newsgroups, auf denen viele Beiträge verschiedenster (privater) Absender von jedem Webbenutzer einsehbar sind. Die rechtliche Problematik von Newsgroups ist denn allerdings der des www im allgemeinen gleichgestellt, weshalb die im folgenden für das www festgestellten Sachverhalte im allgemeinen auch für Newsgroups gelten. In der weiteren Abhandlung werden Newsgroups entsprechend gemeinsam mit dem www besprochen. Wenn sich für Newsgroups Besonderheiten ergeben, die sich von der Problematik des www abheben, wird darauf hingewiesen werden.

c) Das weltweite Datennetz, englisch das world-wide-web, kurz „www“ ist die populärste Ausprägungsform des Internet, hier sind mittlerweile unüberschaubare Mengen an Daten abrufbar, mittlerweile teils gegen Entgelt, teils nur für einen beschränkten Nutzerkreis, zum allergrößten Teil aber für jedermann und -frau frei zugänglich und kostenlos. Viele dieser abrufbaren Daten sind natürlich eigentlich Gegenstand des Urhebergesetzes (nämlich alle Daten, die unter den Werksbegriff des UrhG fallen, eine genaue Auseinandersetzung mit der Frage, welche Daten im www das sind, findet sich unter Kap. 9.3), und teilweise auch von strafrechtlichem Belang (am häufigsten sind wohl Beleidigung, Pornografie, Gewaltverherrlichungen, sowie volksverhetzende Inhalte wie z.B. rechtsradikale Seiten). In der Praxis zeigt sich sehr häufig, daß die gesetzlichen Bestimmungen im www übergangen werden. Für das Übergehen von urheberrechtlichen Bestimmungen im www durch die Verwendung von eigentlich urheberrechtlich geschützten Werken auf Webseiten existieren offensichtlich verschiedene Gründe, die von Ahnungslosigkeit über rechtliche Fehleinschätzung bis zur völligen Skrupellosigkeit reichen. Eine große Rolle spielt (gerade in Bezug auf die Skrupellosigkeit) wohl auch der Umstand, daß von einer geringen Wahrscheinlichkeit des „Erwischt-Werdens“ ausgegangen wird. Bei vielen Nutzern des www, insbesondere bei denen, die schon die „Gründungszeiten“ als aktiv Teilnehmende miterlebt haben, zeigt sich darüber hinaus auch teilweise eine ablehnende Grundhaltung gegenüber jeglichen Restriktionen im www. Es gibt hier (noch immer) eine Tendenz, die „Netzgemeinde“ als große Gemeinschaft zu betrachten, in der alles wohlwollend geteilt wird. Diese Vorstellung geht allerdings an der heutigen Realität (insbesondere auch in wirtschaftlicher Hinsicht) schlicht vorbei. Zweitens stellt sich auch das Problem, daß die grundsätzliche Funktionsweise des www verschiedene urheberrechtliche Fragen aufwirft, da sie eigentlich immer auf dem Kopieren (und nicht etwa nur dem Übertragen!) von Inhalten von einem Rechner zu anderen beruht. Die in ihrer Benutzung bahnbrechend einfache Erfindung des „linking“, also die Möglichkeit, durch einen einfachen Mausklick einen neuen Inhalt von irgendeinem anderen Rechner abzurufen und sich von dort aus evtl. weiter durch das Netz zu navigieren (zu „surfen“), ließ eine Benutzungsstruktur entstehen, die jedenfalls nicht explizit im deutschen UrhG vorgesehen ist. Speziell der Umstand, daß eine Online- Übertragung im allgemeinen direkt durch den Benutzer ausgelöst wird, - im folgenden wird hier dieser Vorgang als „Online-Übertragung auf Abruf“ bezeichnet werden - , stellt das dt. UrhG unter anderem vor das Problem, daß nicht ganz klar ist, wie dieser Vorgang in urheberrechtlichem Sinne zu klassifizieren ist. - Handelt es sich hier um etwas wie eine „Sendung“ ? - Ist es eine „Verbreitung“ ? - Könnte es sich um eine „öffentliche Wiedergabe“ handeln ? Diese Fragen wirken auf den ersten Blick wie Haarspalterei, haben ihre Ursache aber einfach darin, daß es sich beim www um eine neue Kommunikationsform handelt, die im UrhG keine vollständige Entsprechung findet. Unterschiedliche Einordnungen des www in diese „Klassen“ bringen aber jeweils unterschiedliche urheberrechtliche Folgen mit sich. Klärung ist also notwendig.

Im folgenden werden die Probleme der Anwendung des deutschen Urheberrechts in Bezug auf das www untersucht.

5.2 Weitere Vorgehensweise

Im weiteren Verlauf dieses Referatteils „Urheberrecht im www“ wird zuerst der „Werksbegriff“ des deutschen UrhG erläutert werden. Damit wird eingegrenzt, welche Inhalte im Internet vom UrhG als schützenswert eingestuft werden. Danach werden die im UrhG vorgesehenen möglichen Verwertungsformen („Verwertungsrechte“) erklärt und eine Einordnung der Werkverwertung im Internet in diese Systematik versucht. Anschließend wird ein kurzer Blick auf die urheberrechtliche Relevanz des „Links“ als dem fundamentalsten Funktionswerkzeug des www geworfen. Auf die Benutzung eines Links folgt, wie gezeigt werden wird, immer die Herstellung mindestens einer Vervielfältigung. Das ist natürlich urheberrechtlich relevant, es wird deshalb im weiteren untersucht werden, wie diese Vervielfältungen beurteilt werden müssen. Hieran schließt sich thematisch die Darstellung einer der weitreichendsten Einschränkungen des Vervielfältigungsrechtes an: die Erlaubnis zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch. Schließlich wird ein kritischer Blick auf die Problematik der sogenannen Musikpiraterie als einer der populärsten und auch wirtschaftlich weitreichenden Erscheinung im Internet geworfen.

5.3 Der urheberrechtliche Werksbegriff

Wie oben bereits erläutert, besteht das www im Grunde aus einem Netzwerk vieler Rechner, auf denen Daten gespeichert sind. Diese Daten sind zwischen den Rechnern übertragbar, jede irgendwo gespeicherte Information kann von jedem angeschlossenen Rechner abgerufen und „heruntergeladen“ werden. Daten abzurufen, bedingt also zu allererst einmal, daß irgendwo auch Daten gespeichert sind. In Bezug auf das Thema „Urheberrecht“ stellt sich nun die Frage, welche dieser Inhalte im www denn überhaupt urheberrechtlich geschützt sind und welche nicht.

5.3.1 Der Werksbegriff des § 2 UrhG

Gleich am Anfang des Urhebergesetzes definiert der Gesetzgeber einen Werksbegriff. Hier wird eingegrenzt, auf welche Werke sich das Urheberrecht bezieht, also im Kern, welche Werke urheberrechtlichen Schutz genießen:

-2 geschützte Werke

1. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;

2. Werke der Musik;

3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;

4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;

5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Licht- bildwerke geschaffen werden;

6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;

7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.

2. Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

Im ersten Teil des §2 UrhG wird also sehr ausführlich geklärt, welche Werksformen unter das Urheberrecht fallen können. Es wird deutlich, daß, zusammengefasst betrachtet, versucht wurde, jede nur denkbare gestalterisch-schöpferische Ausdrucksmöglichkeit zu erfassen.

Der zweite Punkt ist von ganz entscheidender Bedeutung, weil hier die wichtige Einschränkung gemacht wird, daß eine Grundvoraussetzung für den schützenswerten Charakter eines Werkes darin besteht, eine persönliche geistige Schöpfung zu sein. Über die Frage, ab wann ein Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt, mußten sich Juristen wiederholt die Köpfe „zerbrechen“, - im Einzel(streit-)fall ist diese Frage auch in aktuellen Prozessen immer wieder einmal Gegenstand von Diskussionen. Im Kern der Sache ist jedoch eigentlich klar, was der Gesetzgeber ausdrücken wollte: persönlich heißt, es muß von einem Menschen geschaffen sein (oder auch von einer Gruppe von Menschen, - das ist durchaus möglich, aber es darf z.B. nicht durch einen Computer generiert worden sein) und geistig heißt, es muß eine gewisse „Schöpfungs- oder Gestaltungshöhe“ haben. Der Schöpfungs- oder auch Gestaltungsvorgang muß in seiner Wertigkeit über ein gewisses (nicht besonders hohes) Maß an Alltäglichkeit oder auch Banalität hinaus1.

Auf das www bezogen heißt das, daß alle Daten, die diesen Werksbegriff des §2 UrhG erfüllen, als urheberrechtlich geschützte Werke einzustufen sind. Dieses sind zweifelsfrei fast alle Bilder, also Fotos, Zeichnungen, Graphiken, sogar Icons oder auch Schrifttypen. Das sind weiterhin sicherlich fast alle Musikstücke, also insbesondere faktisch fast alle zur Zeit zum Downloaden so beliebten mp3-Dateien. Es sind natürlich alle filmähnlichen Werke, also z.B. auch jede Animation, und selbstverständlich alle tatsächlichen Filme, die irgendwie in ihrem Datenumfang reduziert und ins Netz gestellt wurden. Es sind schließlich auch alle Textwerke, die irgendwie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen, die Grenzen sind hier gewiß fließend, aber selbst viele Homepages können zumindest unter diese Einordnung fallen. Zu guter Letzt fallen unter §2 UrhG auch ganz explizit Computerprogramme, - auch dieser Umstand ist im Umfeld des www natürlich von immenser Bedeutung. (Eine Homepage wird aus einem sog. HTML-Text generiert, welchen man evt. auch als Computersprache und somit die Seitenbeschreibung als Programm auffassen kann2. Mit dieser Auffassung ergäbe sich automatisch ein Urheberrechtsschutz für alle Homepages. Diese Sichtweise wird aber auch kritisiert2, sie ist umstritten).

5.3.2 Das Datenbankgesetz

Ein relativ neues Element des deutschen Urhebergesetzes ist das sogenannte „Datenbankgesetz“. Es hatte sich zuvor gezeigt, daß die bisherige Fassung des UrhG Datenbanken nicht erfasste, da diese nicht unter den dort verwendeten Werksbegriff (§ 2 UrhG) fielen; - Datenbanken fehlte meist eine ausreichende „Gestaltungshöhe“, um als geistige Schöpfung iSd UrhG klassifiziert werden zu können. In anderen Staaten stand es um den Schutz von Datenbanken zur selben Zeit sehr unterschiedlich. Auf EU-Ebene wurde ca. Mitte der 1990er Jahre festgestellt, daß der Schutz von Datenbanken erstens eine wirtschaftliche Notwendigkeit sei, und daß zweitens in den verschiedenen Mitgliedstaaten der gesetzliche Schutz für Datenbanken sehr unterschiedlich stark ausgeprägt war, was zu Wettbewerbsverzerrung führen konnte. Das wurde als Mißstand bewertet. Es wurde eine entsprechende angleichende Richtlinie erlassen, deren nationale Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten bis zum Jahr `98 zu geschehen hatte. In Deutschland wurde diese Umsetzung durch Ergänzungen des Urheberrechts geleistet.

Seitdem lautet § 4 UrhG folgendermaßen:

- 4 Sammelwerke und Datenbankwerke

1. Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt.

2. Datenbankwerk im Sinne dieses Gesetzes ist ein Sammelwerk, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Ein zur Schaffung des Datenbankwerkes oder zur Ermöglichung des Zugangs zu dessen Elementen verwendetes Computerprogramm (§ 69a) ist nicht Bestandteil des Datenbankwerkes.

Sammelwerke einzelner, unter Umständen auch für sich selbst urheberrechtlich geschützter Werke (!) genießen also denselben Urheberrechtsschutz wie ein Werk iSd §2 UrhG. Bei den Leistungsschutzgesetzen wurde entsprechend ebenfalls ein neuer Abschnitt aufgenommen, der sechste Abschnitt des UrhG regelt nun den „Schutz des Datenbankherstellers“.

Hierfür wird zunächst der Begriff „Datenbank“ noch näher definiert:

-87a Begriffsbestimmungen

1. Datenbank im Sinne dieses Gesetzes ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln oder mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Eine in ihrem Inhalt nach Art oder Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.

2. (...)

Diese Definition ist insofern sehr interessant, als sie „wesentliche Investitionen“ für ein entscheidendes Merkmal von Datenbanken erklärt, welches den Einsatz von Urheberrechtsschutz rechtfertigt. In gewisser Hinsicht geht diese Auffassung deutlich über den bisherigen Gedanken des deutschen Urheberrechts hinaus, weil hier nicht mehr geistige, schöpferische Originalität oder doch zumindest eine schöpferische Leistung Gegenstand des Schutzes ist, sondern vielmehr Aufwand geschützt wird3. Wesentliche Investitionen können natürlich finanzieller Art sein, genauso kommen aber z.B. auch Zeitaufwand oder große Sorgfalt als Kriterium in Betracht. Wie nun „wesentliche Investitionen“ genau aussehen, bleibt offen und bietet ein weites Feld an Interpretationsspielraum.

Unter Bezug auf das hier behandelte Thema „Urheberrecht im www“ ist diese Definition von Datenbanken (und der daraus folgende urheberrechtliche Schutz) unter bestimmten Gesichtspunkten sehr von Belang: Unter diese Definition können nämlich auch größere Sammlungen von Hyperlinks im www fallen4, somit also sehr viele Homepages, denen nach der früheren urheberrechtlichen Auffassung die nötige „Schöpfungshöhe“ sicherlich gefehlt hätte. Auch stellt sich die Frage, ob unter diesen Umständen nicht auch Newsgroups eventuell urheberrechtlich geschützt sein können. Eine einfache Newsgroup, die nur aus einer technisch-automatisch erstellten Aneinanderreihung von eMails verschiedener Teilnehmer besteht, wird wohl nicht genügend „Investition“ erfordert haben. Wenn aber eine Newsgroup z.B. irgendwie redaktionell bearbeitet wurde (z.B. durch einen Moderator), hat bereits eine systematische Bearbeitung des Sammelwerkes stattgefunden und zumindest potentiell muß hier einkalkuliert werden, daß ein solches Werk nun als Datenbank urheberrechtlich geschützt sein könnte5. Darüber hinaus kann sogar spekuliert werden, ob nicht der Aufwand, mit dem ein Betreiber einer Newsgroups auf die Existenz derselben hinweist und potentielle Teilnehmer zur Übertragung von Beiträgen animiert (Werbemaßnahmen etc.) auch als Investition iSd § 87a UrhG aufgefasst werden könnte5. (Eine solche Entscheidung mußte allerdings bisher noch nicht gefällt werden).

5.3.3 Zusammenfassung §2 UrhG und §4 UrhG in Bezug auf das www

Als Folge des Werkbegriffes des §2 UrhG und der Auffassung von Datenbanken iSd §§ 4, 87a UrhG als urheberrechtlich geschützten Werken ergibt sich, daß somit weite Teile des Internet dem Urheberrecht unterliegen.

Nun wäre also festgestellt, daß viele der im www abrufbaren Inhalte vom deutschen Urheberrecht geschützt sind. Zu klären ist nun, welche urheberrechtlichen Konsequenzen sich aus dieser Sichtweise für die Praxis im www ergeben.

5.4 §15 UrhG: Trennung in körperliche und nicht-körperliche Verwertung:

Der urheberrechtliche Schutz eines Werkes äußert sich im deutschen UrhG in dem ausschließlichen Recht des Urhebers, über alle Verwertungsformen des Werkes allein zu bestimmen. In verschiedenen Fällen kollidiert dieses Recht des Urhebers mit verschiedenen anderen Rechten. Z.B. wenn eine CD verkauft wird, dann erlangt der Käufer natürlich ein Eigentumsrecht an der CD (aber nicht an den Musikstücken darauf!), und dieses Eigentumsrecht hat zur Folge, daß dieser Eigentümer die CD natürlich auch weiterverkaufen darf. Das UrhG würde in diesem Falle eigentlich vorschreiben, daß dieser Weiterverkauf auch als Verwertungshandlung zu betrachten ist und somit auch der Zustimmung des Urhebers bedarf. Das würde allerdings erstens den freien Warenverkehr (den freien Handel) unzumutbar behindern, zweitens kollidieren hier auch die zwei Rechte „Recht auf Werkverwertung“ des Urhebers und „Eigentumsrecht“ des CD-Käufers. Der Gesetzgeber hat einen Ausgleich zwischen diesen beiden absoluten Rechten zu schaffen versucht: Der Urheber hat das Recht auf Bestimmung über den Erstverkauf, danach darf die CD einfach so weiter veräußert (verbreitet) werden (§17.2 UrhG). Dieser Fall ist ein Beispiel für die Grenzen des Urheberrechts.

Unter §15 UrhG werden nun die Verwertungsrechte des Urhebers geregelt. Verschiedene Verwertungsrechte werden aufgezählt, die Aufzählung ist aber eindeutig nicht abschließend. D.h. die Verwertungsrechte liegen immer beim Urheber, die Aufzählung dient nur der Ausdifferenzierung verschiedener Folgerechte.

Es wird hierfür eine Unterscheidung vorgenommen zwischen „körperlicher“ und „unkörperlicher“ Verwertung:

Eine körperliche Verwertung bedingt das Vorhandensein eines körperlichen „Werkexemplares“ (z.B. einer CD, einer Schallplatte, eines Buches, eines Gemäldes oder auch einer Fotokopie desselben...). Eine unkörperliche Verwertung liegt entsprechend vor, wenn für die entsprechende Verwertung ein solches Werkexemplar eben nicht sozusagen „in Verkehr gebracht werden muß“ (z.B. bei einer Funksendung via Radiowellen).

-15 UrhG sagt nun:

-15 1. Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1. das Vervielfältigungsrecht (§16)

2. das Verbreitungsrecht (§17)

3. das Ausstellungsrecht (§18).

2. Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in un-körperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe); das Recht umfaßt insbesondere

1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§19)

2. das Senderecht (§20)

3. das Recht der Wiedergabe durch Bild und Tonträger (§21)

4. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen (§22).

Es bestehen nun unterschiedliche Meinungen und Tendenzen, wie Online Übertragungen auf Abruf im rechtlichen Sinne aufzufassen seien (also, unter welches Verwertungsrecht im Sinne des UrhG sie einzuordnen sind)6. Diese verschiedenen Auffassungen bedingen u.a. unterschiedliche Meinungen darüber, ob eine OnlineÜbertragung körperlicher oder unkörperlicher Natur sei.

Im Kern läßt sich sagen, daß die Technik und Funktionsweise des Internet eine solche dogmatische Einordnung schwierig macht. Der Übertragungsvorgang selbst ist eher unkörperlicher Natur, sobald die Daten aber z.B. auf einer Festplatte gespeichert sind, handelt es sich schon wieder um ein körperliches Werksexemplar, welches aber sozusagen in „Echtzeit“ noch während der unkörperlichen Übertragung entstanden ist (ein Phänomen, das bei den klassischen unkörperlichen Verwertungen wie z.B. einer Rundfunksendung so nicht per se auftritt). Die Frage, ob die Speicherung der übertragenen Daten im RAM-Speicher eines Rechners eine Vervielfältigung, und somit (!) körperlicher Natur ist, ähnelt denn endgültig mehr einer Glaubensfrage (und sie wird unter Punkt 6 noch ausführlich behandelt werden). Die Grenzen zwischen körperlich und unkörperlich sind im Internet fließend7. Dennoch besteht nun mal diese Trennung in körperlich - unkörperlich im (deutschen!) UrhG, und aus einer unterschiedlichen Einordnung ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen (z.B. unterschiedliche Weiterverwertungsrechte!), daher hat diese sehr theoretisch und praxisfern scheinende Diskussion letztlich äußerst praxisnahe Konsequenzen.

5.5 Verschiedene Sichtweisen der Einordnung von Online-Übertragungen auf Abruf im Sinne von §15 UrhG

Diese unter Kapitel 4 angesprochene, sehr theoretische Diskussion wird mit einiger Leidenschaft geführt und es finden sich unterschiedliche Einschätzungen. Im folgenden werden die typischsten (verbreitetsten) Einschätzungen wiedergegeben und kritisch beleuchtet:

5.5.1 Online-Übertragung auf Abruf als verbreitungsähnliches Recht:

Eine Ansicht sieht Online-Übertragungen auf Abruf als verbreitungsähnliches Recht gem. §17 UrhG9. Eine direkte Anwendung von §17 UrhG muß zwar scheitern, weil hierfür die Übermittlung eines körperlichen Werkexemplares vorausgesetzt ist8. Allerdings, so wird argumentiert, werde die traditionelle Verbreitung von Werkexemplaren durch Online-Übertragungen wirtschaftlich substituiert. -Statt z.B. eine CD zu kaufen, lädt sich ein Internetnutzer die entsprechenden Musikstücke gegen Entgelt aus dem Internet herunter. Der Download der Musikdatei stelle somit nichts anderes als der Tonträgerkauf dar, die Übertragung sei also nur eine andere Vertriebsform9. In wirtschaftlicher Hinsicht sei hier somit die unkörperliche Übertragung mit der körperlichen vergleichbar10.

Diese Ansicht birgt Probleme: es widerspricht der strikten Systematik des §15 UrhG, eine Übertragung über Funk, Kabel und Satellitennetze als körperliche Verwertung aufzufassen11.

Es entsteht auch die Frage, weshalb z.B. die Übertragung eines digitalisierten Musikstückes über einen digitalen Rundfunkkabelsender eine Sendung im Sinne von §20 UrhG, also eine unkörperliche Verwertung, darstellt, während die Übertragung derselben Datei im Internet über dasselbe physikalische Medium eine körperliche Verwertung sein soll. Es kann hierbei etwas bemüht dahingehend argumentiert werden, daß die Übertragung per Internet deswegen als körperlich zu betrachten sei, weil am Ende des Ladevorganges eine körperliche Form entstanden sei (z.B. auf der Festplatte). Ein anderer Gesichtspunkt der Verbreitung körperlicher Werksexemplare besteht allerdings traditionell darin, daß bei der Verbreitung das Werkexemplar nicht beim Verbreiter bleibt. (Eine CD „wandert“ vom Hersteller über den Händler zum Käufer, es gibt hierbei immer nur die eine CD; - wenn der Käufer die CD gekauft hat, haben der Hersteller und der Händler dieselbe nicht mehr)11. Genau das ist bei einer Online-Übertragung aber gerade nicht gegeben, im Gegenteil besteht ja gerade das bestechende an der Online-Übertragung darin, daß das Werk nach der Übertragung sich eben auf beiden Rechnern befindet, de facto fand also nicht nur eine Übertragung, sondern eher (oder aber zumindest auch!) so etwas wie eine Vervielfältigung statt. Diese Kritik, daß das Entstehen einer Vervielfältigung dem Verbreiten fremd sei, ist allerdings auch nicht unbestritten: So wird dagegen gehalten, daß auch bei der Verbreitung das Original üblicherweise beim Verbreiter verbleibe und nur Vervielfältigungsstücke verbreitet würden (im Beispiel des CD- Handels verbleibt die Master-CD beim Produzenten/Verleger)12. Allerdings ist diese Argumentation in einem Punkt etwas kurzsichtig: Die so aufgezeigte eben doch bestehende Analogie zwischen der Online Übertragung und einer Verbreitung trifft nur bei einem (unrealistisch) kurzen Vertriebsweg zu. Tatsächlich ist es ja so, daß, um im Beispiel zu bleiben, eine CD nicht nur einmal vom Händler an einen Endkunden verkauft wird, und dieser behält diese dann bis an sein Lebensende. Vielmehr ist ja eher anzunehmen, daß Weiterverkäufe auftreten. Auch die Ebenen von Groß- und Zwischenhändlern sind in dieser Argumentation nicht berücksichtigt. Schließlich gibt es die Master-CD tatsächlich nur einmal, nicht jeder Beteiligte der Vertriebskette erhält eine eigene. Bei Online-Übertragungen ist aber genau das doch der Fall, jedes Einzelglied der Vertriebskette behält hier eine Fassung und gibt jeweils nur eine oder gar viele Kopien weiter.

Ein anderer Aspekt des Verbreitungsrechts befasst sich denn auch genau mit Folgen dieser Problemematik des Verbreitens und wirft bei Anwendung auf Online- Übertragungen Probleme auf:

In § 17 II UrhG findet sich eine wichtige Einschränkung des Verbreitungsrechtes, welche genau in diesem Punkt (dem Aspekt der automatischen Vervielfältigung bei Online-Übertragungen) eine prekäre Situation entstehen läßt:

-17 Verbreitungsrecht

1) (...)

2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung berechtigten im Gebiet der EU oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.

3) (...)

Wurden also das Original oder auch Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten (des Urhebers) in den Rechtsverkehr eingebracht, so ist die anschließende Weiterverbreitung dieses körperlichen Gegenstandes auch ohne Zustimmung des Urhebers gestattet. Diese Einschränkung beruht auf dem Grundsatz der sogenannten „europäischen Erschöpfung“13: Um die Freiheit des Warenverkehrs gem. Art. 30ff EGV zu gewährleisten, gilt das Verbreitungsrecht nach dem rechtmäßigen Erstverkauf innerhalb der EG bzw. dem europäischen Wirtschaftsraum als erschöpft. Für diesen Erschöpfungsgrundsatz finden sich zwei unterschiedliche Begründungen14: Zum ersten gibt es die sogenannte „Verkehrssicherungstheorie“. Dieser liegt der Gedanke zugrunde, daß nach dem Erstverkauf eines körperlichen Werkexemplares es nicht im Sinne des freien Warenverkehres und des Allgemeininteresses an übersichtlichen Verhältnissen im Rechtsverkehr wäre, wenn der Weiterverkauf ebenfalls an die Zustimmung des Urhebers gebunden wäre. Durch den Erstverkauf eines Werkexemplares entsteht Eigentum am Werkstück, an der Werkverkörperung (z.B. einer CD) . Die Verkehrsfähigkeit dieses Rechtsgutes (Eigentum) wäre unzumutbar eingeschränkt, wenn das Verbreitungsrecht weiterhin beim Urheber verbliebe (wenn man also z.B. den Urheber um Erlaubnis bitten müßte, wenn man eine gekaufte CD weiterverkaufen will). Nun liegt aber auf der Hand, daß diese Bestimmung eindeutig auf der Annahme eines „echten“ körperlichen Werkexemplares beruht. Diese Voraussetzung ist aber gerade bei Online-Übertragungen eben so doch nicht gegeben. Selbst wenn man hierfür eine körperliche Verwertung dadurch konstruiert, daß man argumentiert, das Werk werde schließlich am Empfangsort wieder „verkörperlicht“ (z.B. durch Speicherung auf der Festplatte), dann bleibt diese Tatsache für den Erschöpfungsgrundsatz aufgrund seiner eigentlichen Motivation irrelevant, weil bei diesem (bzw. eher sogar: durch diesen) Vorgang kein Eigentum am Träger (in diesem Beispiel die Festplatte) erworben wird (die Festplatte war schon vorher im Besitz des Datenempfängers und auch bei einer weiteren „Verbreitung“ per Online-Übertragung ergibt sich wieder kein Konflikt mit dem Eigentumsrecht, weil auch dann die Festplatte weiter im Besitz des Verbreiters bleibt). Hier zeigen sich die Tücken einer künstlich konstruierten Annahme von Körperlichkeit der Übertragung.

Die zweite Ansicht, mit der der Erschöpfungsgrundsatz gerechtfertigt wird, ist die „Belohnungstheorie“: Hier tritt Erschöpfung ein (d.h. an diesem Punkt des Rechtsverkehrs wird das Verwertungsrecht des Urhebers „beendet“, es ist ausgeschöpft), weil der Urheber ja beim ersten Verkauf des Werkstückes die Möglichkeit habe, sich für seine schöpferische Leistung „belohnen“ zu lasssen, damit sei der Zweck des Verbreitungsrechtes aber auch erfüllt. Diese Ansicht setzt allerdings voraus, daß der Urheber bei diesem ersten Verkauf wenigstens einigermaßen abschätzen kann, welchen Umfang die dann nachfolgende Werknutzung haben wird. Bei der klassischen Form der Verbreitung ist das auch der Fall, da sich ja jeweils nur ein Werkstück im Umlauf befindet. Sonderfälle, in denen ein Abschätzen der weiteren Werknutzung nicht möglich ist, finden auch ihren Niederschlag im Gesetzestext (so wird z.B. in §17 II UrhG die Vermietung von der Erschöpfung ausdrücklich ausgenommen). Auf Online-Übertragungen ist aber auch diese Begründung für die Anwendung der Erschöpfungstheorie nicht anwendbar, denn das Werkexemplar (sofern man seine körperliche Natur, wie gesagt, überhaupt erst annimmt), kann im www völlig problemlos praktisch unbegrenzt oft vervielfältigt und weltweit übertragen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es dem Urheber aber unmöglich, bei der ersten Veräußerung des Werkes dessen weitere Nutzung auch nur grob abzuschätzen und er kann so gar keine angemessene Vergütung verlangen.

Die Annahme von Online-Übertragungen als Verbreitungsrecht ist also heikel.

Wenn denn Online-Übertragungen als Verbreitungsrecht gesehen werden sollten, wäre es notwendig, für diesen Fall das UrhG bezüglich des Erschöpfungsgrundsatzes zu ergänzen. In dieser Richtung gibt es den einfachen Vorschlag, Online- Übertragungen schlicht von der Erschöpfung auszunehmen15, und den weiterführenden Gedanken, Erschöpfung dann eintreten zu lassen, wenn der Veräußerer seinen Datenbestand nach der Übertragung löscht16. Schließlich drängt sich auch der Verdacht auf, daß diese Einordnung zielorientiert ist: Indem nämlich der wirtschaftlichen Substitution in der Weise Rechnung getragen wird, daß deren Folgen sozusagen mehr Gewicht eingeräumt wird als der grundsätzlichen Systematik des UrhG, zeigt sich, wessen Geistes Kind dieser Kategorisierungsansatz ist.

5.5.2 Online-Übertragungen auf Abruf als Sendung:

Eine andere Sichtweise sieht in Online-Übertragungen eine Sendung im Sinne von §20 UrhG17.

Auch diese Ansicht ist heikel: Online-Medien unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht stark von den traditionellen Sendemedien wie Rundfunk und Fernsehen. Einer „Sendung“ ist der individualkommunikative Charakter der Online-Nutzung fremd2, im Internet bestimmt der Nutzer nämlich Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Datenempfangs völlig selbstständig, was bei einer traditionellen (Fernseh- oder Rundfunk-) Sendung nicht geht.

Z.B. auch aus §55 UrhG geht hervor, daß der Gesetzgeber mit Sendung etwas bezeichnet, was nur schwerlich einer Online-Übertragung „übergestülpt“ werden kann:

§55 UrhG regelt den Umgang von Sendeunternehmen mit Vervielfältigungen des gesendeten bzw. zu sendendem Werkes. Es wird hier dem Sendeunternehmen gestattet, das Werk auf Bild- oder Tonträger zu übertragen, um sie für die Funksendung einmal zu benutzen. Diese Kopie ist spätestens einen Monat nach der ersten Funksendung zu löschen. Wie oben bereits erwähnt, gehört es zu den Charakteristika des Internet, daß die Daten bei einer Online-Übertragung auch beim „Sender“ verbleiben, ein Löschen der Kopie auf Seiten des „Senders“ nach der ersten Übertragung würde gar das gesamte Funktionieren des Internets verhindern. Ein Online-Unternehmen müßte eine Datei dann nach dem ersten Download durch irgendeinen ersten Nutzer sofort gegen weitere Downloads sperren, um mehr als eine einmalige Sendung zu verhindern, es müßte weiterhin die entsprechende Datei anschließend spätestens nach einem Monat vollständig löschen... Solche rechtlichen Konsequenzen führen eine Einordnung von Online-Übertragungen auf Abruf als Sendung ad absurdum2.

Schließlich stehen technische Gesichtspunkte einer Einordnung von Online Übertragungen auf Abruf als Sendungen möglicherweise entgegen: Eine Sendung stellt eine gleichzeitige Übertragung von einem Sender an viele Empfänger dar, dies ist im Internet üblicherweise nicht gegeben. Wie schon oben gesagt, entscheidet bei Online-Übertragungen auf Abruf jeder Nutzer für sich, wann er Daten empfängt, und selbst bei gleichzeitigem Zugriff mehrerer Nutzer werden diese Daten an jeden der Nutzer in serieller Folge zeitlich getrennt in Form von kleinen Daten-Paketen geschickt. Dieser letzte Punkt ist allerdings insofern nicht absolut zwingend, als vom Gesetzgeber nicht definitiv gefordert wird, daß eine Sendung an alle Nutzer gleichzeitig erfolgt. So wird auch vorgebracht, für die Annahme einer Sendung genüge die Möglichkeit, daß mehrere User gleichzeitig eine Datei abrufen können17. Die Funktionsweise des zwangsläufig gleichzeitigen Empfanges von Sendungen wurde aber beim Verfassen des UrhG offenbar sozusagen vorausgesetzt, jedoch nicht explizit ausformuliert. Das ergibt sich nämlich aus dem Kontext von z.B. auch, wie oben schon gesagt, §55. (Die Vorschrift unter §55, nach der ersten Sendung die Werkskopien zu löschen, macht nun mal nur Sinn, wenn davon ausgegangen wird, daß man bei dieser ersten Sendung viele Empfänger auf einmal, ganz sicher aber jedenfalls mehr als nur einen (den ersten) erreicht. Genau von dieser Annahme der Gleichzeitigkeit des Empfanges bei vielen Nutzern ist der Gesetzgeber bei der Formulierung des Textes aber offensichtlich ausgegangen).

5.5.3 Online-Übertragung auf Abruf als „Recht der öffentlichen Wiedergabe“:

Schließlich gibt es den Ansatz, Online-Übertragungen auf Abruf als „unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe iSd §15 UrhG“ zu betrachten18. Diese Ansicht erscheint generell möglich, da die Formulierung des §15 UrhG die Annahme von weiteren (eben „unbenannten“) als den explizit genannten Verwertungs- bzw. Wiedergaberechten (1 bis 4) möglich macht. Auch stellen sich dann nicht die Probleme, die sich aus der Annahme einer körperlichen Verbreitung ergeben, oder gar die Notwendigkeit, sich wegen dem Fehlen eben einer solchen Körperlichkeit argumentativ an der Systematik des UrhG vorbeimogeln zu müssen (siehe oben: Ansatz „Verbreitungsähnliches Recht“).

Kritiker dieser Ansicht werfen ein, daß der Begriff der „Öffentlichkeit“ des §15 UrhG Probleme bereiten könne, da nach der früher überwiegenden Meinung eine Wiedergabe nur öffentlich sei, wenn gleichzeitig eine Mehrzahl von Personen erreicht werde. Diese Gleichzeitigkeit ist, wie oben gesagt, bei Online- Übertragungen auf Abruf nicht gegeben. Allerdings schreibt §15 III UrhG diese Sichtweise nicht vor:

§ 15 3. Die Wiedergabe eines Werkes ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, daß der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind.

Der Wortlaut des Gesetzestextes macht den Öffentlichkeitscharakter einer Wiedergabe also nur vom Erreichen einer Mehrzahl von Personen abhängig. Dieses Kriterium kann bei Online-Übertragungen auf Abruf im Internet durchaus als erfüllt betrachtet werden.

Durch die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe gemäß §15 II UrhG wäre, wie gesagt, die Klippe, eine körperliche Natur iSd UrhG annehmen zu müssen, umschifft. Gleichzeitig wird man wie, oben erläutert, der wirklichen Natur des www mit einer solchen Sichtweise leider doch nicht ganz gerecht. Denn zwar ist die Übertragung an sich unkörperlich, aber, wie gesagt, beruht das Grundprinzip des www nicht nur auf dem Übertragen, sondern es findet nun mal gleichzeitig eben doch auch immer eine Vervielfältigung statt. Vervielfältigungen sind aber (allerspätestens, sobald sie sich auf der Festplatte oder ähnlichem befinden) körperlicher Natur. Den unter §15 II UrhG aufgezählten unterschiedlichen vier Verwertungsrechten ist aber allen inhärent, daß die Empfänger das Werk unmittelbar durch den Wiedergabeakt empfangen können5. Das Ergebnis dieser Wiedergaberechte besteht per se ganz eindeutig nicht in einer Werksverkörperung. Betrachtet man z.B. §15 II 2. oder auch 4. - das Senderecht, bzw. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen, dann wird deutlich: Der Akt der Wiedergabe ist solcher Natur, daß, wenn er vorbei ist, er sozusagen keine physischen Spuren mehr hinterläßt. Ist ein Zuhörer z.B. fertig mit dem rezipieren einer Radiosendung, dann ist sozusagen mit dem letzten „Verhallen“ des Schalles aus dem Lautsprecher des Zuhöreres die Werksnutzung in jeder Hinsicht beendet. Ob eine wiederholte Nutzung durch diesen Zuhörer gestattet werden soll oder nicht, kann wieder allein der Urheber durch eine erneute (und ausschließlich von ihm zu autorisierende) Sendung bzw. Wiedergabe entscheiden. Der Begriff „Wiedergabe“ an sich verweist auch auf diese Art und Weise der Funktion. Das heißt also, daß einer Wiedergabe iSd §15 II UrhG eine zum Funktionsvorgang selbst dazugehörende Vervielfältigung iSd § 15 I UrhG fremd ist. Indem man also Online- Übertragungen unter den unkörperlichen Verwertungsformen einordnet, entsteht der Wiederspruch, daß aber de facto dabei immer automatisch doch ein körperliches Werkexemplar entsteht. Ein solcher Vorgang ist im UrhG nicht vorgesehen. Somit wird auch die Kategorisierung Online-Übertragung auf Abruf sei eine öffentliche Wiedergabe iSd §15 II UrhG der Realität nicht völlig gerecht. Gegen diesen Einwand kann allerdings vorgebracht werden, daß natürlich schon lange und auch unter differenzierter urheberrechtlicher Berücksichtigung (insbes. § 54 UrhG) die einfache Möglichkeit für praktisch jedermann besteht, das Ergebnis z.B. einer Radiosendung mittels verschiedenster Techniken (z.B. Tonband oder neuerdings auch (!) Computer(-festplatten)) aufzuzeichnen und so eine körperliche Vervielfältigung des wiedergegebenen Werkes selbst herzustellen. Zwar ist die Vervielfältigung als Folge einer Online-Übertragung, anders als das bei den klassischen Wiedergabemethoden (unter deren Berücksichtigung die Formulierung des §15 UrhG stattfand) ist, ein vom Nutzer ausgelöster und von der Wiedergabe an sich, technisch gesehen, exklusiver Vorgang, aber durch das Vorhandensein (und die massive Verbreitung in der Bevölkerung) solcher Aufnahmetechniken hat der Gesetzgeber schon Antworten auf diese Möglichkeiten der Vervielfältigungen als Folgeerscheinung von öffentlicher Wiedergabe reagiert. Es muß hierbei aber schon gesehen werden, daß die Automatik, mit der der Inhalt bei einer (jeder !) Online-Übertragung vervielfältigt wird, schon eine neue Qualität gegenüber den in § 54 berücksichtigten Techniken bedeutet. Eine Betrachtung von Online-Übertragungen auf Abruf als Recht auf öffentliche Wiedergabe iSd § 15 II UrhG könnte also unter Berücksichtigung dieser Umstände zwar vorgenommen werden, ist aber auch nicht unkritisch.

Es ergibt sich aus diesem Ansatz außerdem auch noch ein anderes Folgeproblem:

-52 öffentliche Wiedergabe

1. Zulässig ist die öffentliche Wiedergabe eines erschienenen Werkes, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrages oder der Aufführung des Werkes keiner der ausübenden Künstler (§73) eine besondere Vergütung erhält. Für die Wiedergabe ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Die Vergütungspflicht entfällt für Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, der Alten- und Wohlfahrtspflege, der Gefangenenbetreuung sowie für Schulveranstaltungen, sofern sie nach ihrer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zugänglich sind. Dies gilt nicht, wenn die Veranstaltung dem Erwerbszweck eines Dritten dient; in diesem Fall hat der Dritte die Vergütung zu zahlen.

(...)

Wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck dient, behält der Autor/Künstler des Werkes also lediglich seinen Vergütungsanspruch. Solange ein Angebot des Werkes auf einer www-Seite nicht kostenpflichtig ist (und das sind sie fast alle), kann der Autor dann nicht gegen die Veröffentlichung seines Werkes vorgehen, er muß die Veröffentlichung (z.B. im schlimmsten Falle auch in einem Kontext, der seiner Gesinnung zuwider läuft) hinnehmen (hat aber natürlich seine Vergütung zu erhalten!). Befindet sich die Veröffentlichung des Werkes z.B. auf der www-Seite einer Universität, verliert er unter Umständen sogar seinen Vergütungsanspruch. Die bisher ungekannte, dezentrale Struktur des Internet ermöglicht nun aber auch z.B. Privatpersonen, die keine erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgen, de facto in die Positionen zu gelangen, die bisher z.B. Verlegern vorbehalten waren. Folgt man der obigen Ansicht, dann wäre dadurch ein unüberschaubarer Anteil von Nutzern (sämtliche Privatpersonen, die z.B. Homepages betreiben) den Verwertungsrechten der Urheber entzogen19. Das wäre aber nicht im ursprünglichen Sinne des Urhebergesetzes. Es scheint daher (für den Fall der Annahme einer Online- Übertragung auf Abruf als öffentliche Wiedergabe gem §15 II UrhG) angemessen, §52 UrhG dahingehend abzuändern, daß die Bestimmung auf Online-Übertragungen nicht anwendbar ist19(eine entsprechende Einschränkung findet in §52 III UrhG schon in Bezug auf bühnenmäßige Aufführungen, Funksendungen und öffentliche Vorführungen eines Filmwerkes statt; der Gesetzgeber sah also durchaus die Notwendigkeit, die Bestimmung in Einzelfällen einzuschränken. Hier müßte lediglich die Online-Übertragung mit in die Aufzählung aufgenommen werden).

Diese letzte, vorgeschlagene Kategorisierung als öffentliche Wiedergabe iSd §15 II UrhG wird von ausübenden Künstlern und insbesondere auch von Tonträgerherstellern bekämpft20. Diese besitzen dann im untersuchten Fall der Online-Übertragung auf Abruf gem. §77 und §86 UrhG nämlich lediglich einen Vergütungsanspruch, während sie über ein weitreichenderes Verbotsrecht bezüglich z.B. der Vervielfältigung nur noch bei Verbreitung und teilweise der Sendung verfügen (s. §§ 75, 76 I, 85 UrhG). Sie plädieren deshalb für eine Anwendung des für sie günstigeren Verbreitungsrechts19.

Tatsächlich entstünde im Falle der Annahme einer öffentlichen Wiedergabe iSd §15 II seitens der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller also eine Benachteiligung gegenüber der bisherigen Situation (vor Aufkommen des Internet): Ein Verbotsrecht für eine öffentliche Wiedergabe ist stark eingeschränkt und die klassische Verbreitung von Vervielfältigungsexemplaren kann de facto durch Online-Nutzung substituiert werden. Ein Recht ,welches ein Verbotsrecht einschließt (Verbreitungsrecht), würde in der Praxis durch ein anderes verdrängt, welches eben kein Verbotsrecht mit beinhaltet (öffentliche Wiedergabe).

In der Tat erscheint es deshalb in diesem Fall angemessen, den Leistungsschutz der ausübenden Künstler dahingehend zu erweitern, daß ein Verbotsrecht für speziell für Online-Übertragungen auf Abruf eingeführt würde19.

5.5.4 Zusammenfassung 9.5.1-3)

Wie oben unter 5.1-3 deutlich wurde, passt eine Online-Übertragung auf Abruf aufgrund ihrer speziellen Natur in keines der im § 15 UrhG genannten Verwertungsrechte. Diese Feststellung darf jedoch nicht zu dem Trugschluß führen, daß dieser Vorgang deshalb vom UrhG nicht erfasst würde. Die unter § 15 aufgeführte Auflistung ist ausdrücklich nicht abschließend und es gehört zur Grundaussage des gesamten Gebildes „Urheberrecht“, daß ausschließlich dem Urheber alle Verwertungsrechte zustehen, d.h. also ganz klar auch nicht im Gesetzestext explizit („insbesondere“) genannte. Daß also im www grundsätzlich urheberrechtlicher Schutz für alle Werke iSd §§2,4 besteht, steht außer Frage. Es stellt sich nicht die Frage, ob das UrhG auf Online-Übertragungen auf Abruf anzuwenden sei, sondern nur, wie das im einzelnen geschehen soll. (Also z.B., ob auch hier z.B., wie bei der Verbreitung der Erschöpfungsgrundsatz Anwendung finden soll und ähnliches).

Auf der WIPO-Konferenz 1996, auf der auch die Grundlagen für das 1998 auch in Deutschland umgesetzte Datenbankengesetz gelegt worden sind, zeichnete sich die Tendenz ab, Online-Übertragungen als Recht der öffentlichen Wiedergabe zu bewerten; allerdings hat das bisher noch keinen Niederschlag im deutschen UrhG gefunden, der Weg dahin scheint aber vorgezeichnet21.

Das Landgericht München schließlich schlug ebenfalls schon einmal eine entsprechende Richtung ein: Anfang des Jahres 2000 wurde dort ein Fall verhandelt, in dem MIDI-Misikdateien per Internet-Server zum Abruf bereitgestellt worden waren. Die Kammer sah hierin eine unbenannte Wiedergabe nach der Generalklausel des § 15 Abs. 2 UrhG. Auch wenn die Werknutzung durch Übertragung auf Abruf keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG darstelle, sei ein entsprechendes unbenanntes Verwertungsrecht anzuerkennen (...)22.

5.6 Linking:

Unter Kapitel 9.5 wurde die Frage behandelt, wie eine Online-Übertragung auf Abruf urheberrechtlich zu bewerten ist. Ein solcher Abruf hat zur Bedingung, daß bei Programmierung der entsprechenden www-Seite ein Link gesetzt wurde, der den damit verknüpften potentiellen Abruf ermöglicht.

Aus urheberrechtlicher Sicht stellt sich daher die Frage, ob das zur Verfügung stellen eines Linkes eine urheberrechtliche Relevanz hat.

Nach herrschender Meinung wird das verneint23: Ein Link ist nur ein Verweis darauf, wo an anderer Stelle ein bestimmter Inhalt zu finden ist, sowie eine technische Hilfe, dorthin zu gelangen. Es findet keine Vervielfältigung statt. Eine Vervielfältigung entsteht erst auf dem Rechner des www-Nutzers, wenn er den Link anklickt. Die urheberrechtlichen Folgen genau dieser Vervielfältigung werden unter Kapitel 9.7 genauer betrachtet werden.

5.7 Speichern, Zwischenspeichern, Caching... : Vervielfältigungen

Die bisherigen Ausführungen hatten zum Betrachtungsgegenstand, welche urheberrechtlichen Folgen eine Werksnutzung im www für den Urheber hat.

Im folgenden soll nun darauf eingegangen werden, inwiefern das deutsche Urheberrecht auch die direkt am Internet Beteiligten (sowohl alle Provider, als auch die User) betrifft:

5.7.1 Vervielfältigung durch Download:

Wie unter Kapitel 9.4 und 9.5 bereits angesprochen geht das deutsche Urhebergesetz bezüglich Vervielfältigungen von einer körperlichen Verwertung aus. Beim Überspielen eines Musikstückes auf eine Tonbandkassette, dem Fotokopieren eines Manuskriptes oder dem Kopieren einer CD ist diese Annahme einleuchtend. Auch das Speichern auf einer Festplatte unterscheidet sich letztlich nicht vom Speichern auf z.B. einer Tonbandkassette (weshalb ja auch vor kurzem eine Vergütungsabgabe beim Kauf einer Festplatte (und bei CD-Brennern) eingeführt wurde; damit wurde eine Festplatte konsequent anderen tradierten (z.B. Ton-) Speichermedien gleichgestellt).

Ein Download kann für den Nutzer mindestens drei potentielle Folgen haben, die vom Vervielfältigungsrecht tangiert werden:

5.7.1.1 Abspeichern der heruntergeladenen Datei auf der Festplatte:

Die gezielte (d.h. vom Nutzer bewußt und aktiv eigenverantwortlich ausgelöste) Speicherung einer Datei nach einem Download auf einer Festplatte stellt aufgrund der oben erläuterten Gründe eindeutig eine Vervielfältigung iSd UrhG dar24.

5.7.1.2 Speicherung im RAM:

Zumindest in technischer Hinsicht ähnlich ist allerdings auch die Situation des Zwischenspeicherns im RAM, trotzdem ist die Frage, ob es sich hierbei um eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung handelt, umstritten25: Bei vielen Downloadvorgängen im www werden die heruntergeladenen Inhalte komplett im RAM des Rechners gespeichert (z.B. beim Betrachten einer durchschnittlichen Webpage).

Diese Speicherung einer Datei im RAM als körperlich zu betrachten widersetzt sich tendenziell einer gefühlsmäßigen Einordnung in die Antipoden „körperlich unkörperlich“. Letztlich, - technisch betrachtet -, ist ein RAM-Speicher aber nichts anderes, als ein körperliches Speichermedium. Für die Fragestellung wichtig ist nun die Feststellung, daß beim Speichern von Daten in den RAM die Daten kopiert wurden. Sie befinden sich nun nämlich im RAM und noch am Ursprungsort (Festplatte, Server, CD-Rom...).

Das Speichern im RAM stellt somit streng genommen auch eine Vervielfältigung iSd UrhG dar26. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob jede Vervielfältigung in technischem Sinn auch zwangsläufig als Vervielfältigung iSd Urheberrechts anzusehen ist26. Diese Sichtweise wirft nämlich Folgeprobleme auf, die eine genauere Betrachtung verdienen:

Das Speichern im RAM als Vervielfältigung zu betrachten, heißt, die Rechtmäßigkeit dieses Vorganges von der Zustimmung des Urhebers abhängig zu machen. Diese Schlußfolgerung sei aber, - so die Kritiker -, insofern fragwürdig, als davon ausgegangen werden könne, daß der Urheber durch die Bereitstellung der Datei im Netz schon sein stillschweigendes Einverständnis zu dieser Form der Vervielfältigung gegeben habe, da sonst die Bereitstellung an sich völlig sinnlos wäre. Es wird argumentiert, daß diese Form der Vervielfältigung grundsätzlich zur Funktionsweise des Mediums Internet gehöre und sich der Urheber, der ein Werk hier veröffentlicht, sich offensichtlich den technischen Gegebenheiten dieses Mediums unterwerfe. Somit sei die Vervielfältigung in den RAM sozusagen automatisch gestattet27. Diese Argumentationslinie verfolgen auch die Network- und Access Provider28, die nämlich ansonsten im Zuge einer Übertragung bei jeder Zwischenspeicherung eines Werkes auf ihren Servern eine Urheberrechtsverletzung begehen würden. Diese Sichtweise würde in ihren Konsequenzen letztlich das Funktionieren des gesamten Internet gefährden, weil jede Datenübermittlung und/oder -weitervermittlung als potentielle Urheberrechtsverletzung betrachtet und im Zweifelsfalle abgelehnt werden müßte.

5.7.1.3 Caching:

Die gebräuchlichen Browser arbeiten nach dem Prinzip, heruntergeladene Daten aus dem RAM auf die Festplatte abzulegen, um bei einem späteren erneuten Zugriff die selben Daten diesmal schneller, nämlich von der eigenen Platte, abzurufen. Diese Praxis dient der individuellen Arbeitsgeschwindigkeit und entlastet auch insgesamt das Netz, weil der zu übermittelnde Datenumfang sich vermindert. Indem aber hier in technischer Hinsicht nichts anderes geschieht, als auch beim gezielten (nutzer ausgelösten) Abspeichern auch, liegt auch hier streng genommen eine Vervielfältigung iSd UrhG vor29.

Es gibt Stimmen, die auch diese Sichtweise kritisieren: Caching, so wird argumentiert, diene letztlich nur auf technischer Ebene einer verbesserten Ausnutzung des www, eine bessere Funktion des www aber sei ja auch im Sinne des Urhebers, der die Daten zum Abruf bereitgestellt habe. Ähnlich wie bei der RAM- Speicherung unterwerfe sich der Urheber, der im www publiziert auch den üblichen Gegebenheiten desselben, weshalb auch für das Caching von einer (zumindest einmaligen) Zustimmung für den Nutzer auszugehen sei. Dieser Argumentation ist so nicht zu folgen, weil Caching durchaus auch noch eine spätere erweiterte Werksnutzung (z.B. weitere Vervielfältigungen o.ä.) potentiell ermöglicht und somit die zulässige Tragweite einer möglichen einfachen Rechtseinräumung iSd § 31 Abs.1, 2 UrhG bezügl. Vervielfältigung überschreitet30.

Wenn schließlich schon RAM-Speicherung als Vervielfältigung betrachtet wird, dann muß Caching zwingend auch als solche gesehen werden.

5.7.1.4 Zusammenfassung 5.7.1.1-3:

Die urheberrechtliche Bewertung der verschiedenen, insbesondere der technisch bedingten Vervielfältigungen bei der Nutzung des www ist schwierig und noch nicht abgeschlossen. Auch hier zeigt sich wieder das Problem, daß die Formulierungen im Gesetzestext von einer neuen Technik „eingeholt“ wurden. Als das UrhG in der derzeitigen Form geschaffen wurde, war nicht davon auszugehen, daß Techniken entstehen, die für ihren Funktionsablauf Kopien erstellen müßten, welche dann aber nach Abschluß des Funktionsablaufes u.U. trotzdem universell weiter zu verwerten sind. In der Literatur wird teilweise befürwortet, diejenigen kurzzeitigen Vervielfältigungen, die nur der Übermittlung dienen und denen keine eigene wirtschaftliche Relevanz zukommt nicht unter das Vervielfältigungsrecht zu fassen, an anderer Stelle wird aber auch gefordert, tatsächlich jede Form von Vervielfältigung als eine iSd UrhG zu betrachten.

5.7.2 eMail mit Anhang:

Auch die Übertragung einer eMail mit Anhang ist in diesem Zusammenhang von Relevanz: Auch hier liegt i.d.R. eine klare Vervielfältigung vor, weil die angehängte Datei nach dem Empfang sowohl beim Empfänger als auch beim Absender vorliegt. Das Versenden einer eMail mit Anhang stellt also auch eindeutig eine Vervielfältigung dar31.

5.8 privater und sonstiger Gebrauch gem. § 53ff UrhG

Jede nur denkbar mögliche Form der Werknutzung, - und somit insbesondere jede Form der Vervielfältigung -, ist also Privileg des Urhebers. Wie oben festgestellt führt die Nutzung des www praktisch automatisch zur Erstellung von solchen Vervielfältigungen, welche nun eigentlich alle das ausschließliche Recht des Urhebers wären.

Nach dem bisherigen, obigen Wissensstand würden damit im Grunde alle www- Surfer automatisch zu „Verbrechern“, weil sie ständig gegen das UrhG verstoßen !?! Dem ist glücklicherweise nicht so. Einen ganz entscheidenden Beitrag zur Rechtmäßigkeit der privaten www-Nutzung leistet der § 53 UrhG:

- 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen Gebrauch

1. Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch herzustellen. (...) (...)

Zum privaten Gebrauch (und die folgenden Absätze nennen noch verschiedene weitere „Ausnahmesituationen“ wie z.B. den wissenschaftlichen Gebrauch u.ä.) ist es also zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke auch ohne Zustimmung des Urhebers anzufertigen. Unter §53 Absatz 6 wird festgelegt, daß diese in diesem Sinne zulässig angefertigten Vervielfältigungen weder verbreitet, noch zur öffentlichen Wiedergabe verwendet werden dürfen.

Seine Ursache hat dieses Recht in dem Bestreben des Gesetzgebers, dem einzelnen eine umfassende Teilnahme am Geistesleben und die Bildung und Entfaltung seiner Persönlichkeit zu ermöglichen32, außerdem zeigt sich hier der praktische Ansatz des UrhG, konstruktiv mit einer technischen Situation umzugehen, die die Durchsetzung des Urheberrechts im privaten Bereich faktisch sowieso unmöglich macht (weil sich privates Kopieren zu sehr jeder denkbaren Kontrolle entzieht).

Für den www-Nutzer bedeutet § 53 UrhG, daß jedenfalls für den privaten Bereich die mit dem www-Surfen verbundenen Vervielfältigungen zulässig sind.

Dieses Recht ist auch die Grundlage für die Rechtmäßigkeit von privaten Kopien z.B. von Musikstücken (wie z.B. das Überspielen einer LP auf Tonband, oder ein Kassettenmitschnitt einer Radiosendung), von privaten Fotokopien z.B. aus Zeitschriften, oder auch eine Videokopie einer Fernsehsendung oder einer Leihkassette aus einer Videothek.

Besonderes Augenmerk sollte in diesem Zusammenhang auf den Begriff des „privaten“ gelenkt werden: Als privat im Sinne dieser Vorschrift ist alles anzusehen, was sich im häuslichen Bereich oder im Freundeskreis abspielt33. (Allerdings stellt sich hierbei schon die Frage, inwiefern sich die Bedeutung des Begriffes „privater Bereich“ nicht eventuell seit dem Zeitpunkt der Formulierung dieses Gesetzes 1965 verändert haben könnte. Welche Kriterien legen fest, wer zum Freundeskreis gehört und wer nicht ? - Neue Kommunikationswege wie z.B. das Chaten ermöglichen unmittelbareren Kontakt als z.B. klassische Briefe, obwohl in üblichen Chatlines oft sehr viele sich bis dahin unbekannte Teilnehmer anzutreffen sind. Ab wie vielen ausgetauschten Sätzen sind zwei Chat-Teilnehmer „Freunde“, oder müssen sie sich gegenseitig ein „ich mag Dich“ chaten ?) Durch §53 UrhG ist jedenfalls der private www-Surfer sozusagen in der Urheberrechtsfrage „entlastet“, solange er die entstandenen Kopien nicht irgendwie weiterverbreitet oder öffentlich wiedergibt. Die oben diskutierten Probleme stellen sich also nur bei gewerblicher Nutzung z.B. auf Seiten der Service-Provider, oder auf privater Seite dann, wenn eine Privatperson selbst zum Content Provider im www wird, indem z.B. eine private Homepage erstellt wird.

5.9 mp3, Napster, Gnutella Co.

Sehr populäre Auseinandersetzungen bezügl. Urheberrecht gab es in der jüngeren Vergangenheit wegen sogenannter mp3-Files, welche per Internet kostenlos heruntergeladen werden konnten.

5.9.1 das mp3-Format:

Mp3 bezeichnet ein Datenformat, welches den Datenumfang von Musikdateien so drastisch reduziert, daß u.a. ihre Übermittlung per Internet ohne weiteres praktikabel ist. Die Klangqualität bleibt trotz dieser Datenreduktion ausgesprochen hoch, sie ist allemal hoch genug, um für den privaten Gebrauch z.B. CDs zu ersetzen. Die Computerprogramme, die erforderlich sind, um z.B. aus einer CD solche mp3- Dateien zu generieren (mp3-Encoder) oder abzuspielen (mp3-Decoder), sind allgemein zugänglich (teilweise sogar kostenlos als Freeware) und laufen auf handelsüblichen PCs.

5.9.2 Rechtmäßigkeit der Erstellung von mp3-Dateien:

Es ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß Datenreduktion, wie bei mp3 praktiziert, nicht ausschließlich der Optimierung zur Übermittlung im Internet dienen muß. - Auch z.B. Speicherplatzeinsparungen auf der eigenen Festplatte können eine Motivation zur Erstellung von mp3-Dateien sein. So ist es z.B. denkbar, daß jemand alle Musiktitel seiner CDs zu mp3-Dateien packt und auf selbstgebrannten CDs oder auch einer Festplatte seines PCs abspeichert und verwaltet. Diese Musikstücke können dann vom PC aus genau wie von einem CD-Player an einen HiFi-Verstärker geleitet und wie üblich abgespielt werden. In diesem Falle hätte sich die betreffende Person eine viel komfortablere Verwaltungsmöglichkeit des privaten Musikarchives geschaffen. Diese Anwendungsweise der mp3-Technologie z.B. ist ganz klar zulässig, weil es sich hier um Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch iSd §53 handelt (siehe Kap. 9.8)34. - Ebenfalls zulässig wäre in diesem Rahmen auch noch, wenn sich die betreffende Person CDs von Freunden ausleihen, ebenso „packen“ (also zum privaten Gebrauch vervielfältigen) und auch dem eigenen mp3-Archiv zufügen würde. Umgekehrt wäre es dieser Person auch gestattet mp3-Dateien z.B. per Diskette oder Daten-CD, aber auch z.B. als Anhang einer eMail per Internet an Freunde weiterzugeben! Speziell das Beispiel der Weitergabe per eMail nähert sich nun schon deutlich dem eigentlichen, zu betrachtenden Problem: die Weitergabe per eMail ist deswegen unproblematisch, weil bei eMail eine eindeutige Form von Individualkommunikation vorliegt. Das heißt, hier kommt es zu keiner Verbreitung iSd UrhG und auch zu keiner öffentlichen Wiedergabe, auch ist die mit diesem Vorgang verbundene Vervielfältigung (weil im privaten Rahmen stattfindend) durch §53 gestattet. Folglich ist dieser Vorgang erlaubt.

Spannend wird es nun mit der Frage, ob unser Musikfreund aus dem obigen Beispiel auch eine private (!) Homepage erstellen darf, auf der er diese gesammelten Werke anderen zum Download anbietet.

Genau das geschieht im www zur Zeit und die Musikindustrie und die Künstler sehen darin auf jeden Fall eine Rechtsverletzung:

5.9.3 mp3-Sammlungen auf Servern im www:

Unüberschaubar viele Seiten bieten mp3-Files zum Downloaden an, oftmals sehr schön thematisch und alphabetisch sortiert, teilweise sogar mit internen Suchfunktionen, die dem surfenden Musikfreund das Auffinden von Musikstücken seines Geschmackes erleichtern.

Bei diesem Vorgehen wird der o.g. private Bereich des §53 UrhG ganz klar überschritten, die Files sind jetzt weltweit für jeden www-Nutzer abrufbar, womit sogar der Begriff der Öffentlichkeit des § 15 Abs. 3 zutrifft. Die mp3-Files sind so schlicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, was völlig unabhängig von der Frage, auf welchem Wege das genau geschehen ist (Sendung, Verbreitung, öffentl. Wiedergabe...), auf jeden Fall eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Außerdem wurde ein vergleichbarer Fall bez. MIDI-Musikfiles (siehe Kap. 9.5.4) ja schon dahingehend entschieden, dass eine Verletzung des §15 Absatz 2 UrhG vorliege.

Ein entsprechender Rechtsstreit wurde auch in den USA verhandelt:

Zwar unterscheidet sich die amerikanische Rechtsprechung in Bezug auf das Urheberrecht von der deutschen, trotzdem kann die Entscheidung als richtungsweisend herangeführt werden: In den USA klagte die Musikindustrie gegen den Access- und Service-Provider Compuserve wegen mp3-Files, die von Compuserve-Nutzern auf Bulletin Boards hinterlegt worden waren und anschließend abgerufen werden konnten. Es kam zu einem Vergleich, dessen Quintessenz vor allem darin besteht, daß Compuserve sich für die Zukunft verpflichtete, dafür Sorge zu tragen, daß die für den Betrieb solcher Bulletin Boards Verantwortlichen eine pauschale Lizensvergütung (ca. 10 Pfennig pro Einzelabruf eines geschützten Liedes) bezahlen.

5.9.4 Napster:

Ein neues Problem wirft allerdings das Programm „Napster“ auf. Es existieren noch einige andere Programme, die auf ähnlichen Funktionsweisen beruhen. Napster ist das bekannteste und verbreitetste unter ihnen, weshalb im folgenden die urheberrechtliche Problematik dieser Programme exemplarisch anhand von Napster untersucht wird.

5.9.4.1 Was ist „Napster“?

Napster ist ein kleiner spezieller Browser, der beim Programmstart sofort automatisch zwei Dinge tut: Erstens schaut er in einem zuvor vom Benutzer definierten Ordner (bezeichnenderweise gem. Voreinstellung des Programmes ausgerechnet ein Ordner namens „my music“) des privaten PCs nach, ob, und wenn ja, welche mp3-Titel dort abgelegt sind. Zweitens loggt er sich anschließend sofort auf einem zentralen (Napster-)Server ein und sendet an diesen die Information, welche Musiktitel hier (also auf dem heimischen PC) gespeichert sind. Nachdem dieser Vorgang abgeschlossen ist, zeigt sich dem Benutzer eine Programmoberfläche, die im wesentlichen aus einer Suchmaske besteht. Der User kann nach Musiktiteln oder Interpreten suchen. Wenn ein Suchbegriff eingegeben wird, dann wird im Server (anhand der Informationen, die von allen zur Zeit eingeloggten privaten User-PCs erhalten wurden) nachgeschaut, ob der Titel oder Interpret gerade irgendwo auf der Welt (und zwar i.d.R. dann auf einem privaten (!) PC) „verfügbar“ ist. Anschließend kann eine entsprechende Datenübermittlung zwischen eingeloggten Rechnern gestartet werden, so daß gesuchte Musikstücke per Internet kopiert werden.

Beispiel: User A loggt sich ein und Napster gibt sogleich die Information an den Server, daß hier bei User A der Titel „Help“ von den „Beatles“ auf der Festplatte gespeichert ist. User B loggt sich ein (auch hier gibt Napster gleich an den Server weiter, welche Songs hier auf der Festplatte gespeichert sind), und er gibt in die Suchmaske ein, daß er Stücke von den „Beatles“ sucht. Napster gibt diese Anfrage an den Server weiter und der Server erkennt, daß ja bei User A ein solches Stück lagert. Der Server schickt diese Information an User B. Bei diesem erscheint nun folglich sinngemäß die Information, „bei User A liegt der Song `Help` von den `Beatles`“. Wenn jetzt User A auf diese Anzeige doppelklickt, dann wird eine Übertragung vom Rechner des Users A auf den Rechner des Users B gestartet und nach kurzer Zeit ist User B ebenfalls stozer Besitzer des Songs „Help“.

Abgesehen davon, daß schon dieser kleine Vorgang aus dem obigen Beispiel Verteter der Musikbranche nicht gerade amüsieren dürfte, ergibt sich aufgrund der großen Verbreitung von Napster die Folge, daß üblicherweise ständig sehr viele User gleichzeitig eingeloggt sind. Eine Suchanfrage führt deswegen zu einer Suche in einem Pool von vielen Tausend Usern, wodurch einigermaßen populäre Titel fast mit Sicherheit gefunden und anschließend heruntergeladen werden können. Das wahrhaft riesige Ausmaß dieser sogenannten „Musik-Tauschbörsen“ versetzt die Musikindustrie in helle Aufregung.

5.9.4.2 Napster aus der Sicht des UrhG:

Warum die Musikindustrie Napster gerne verbieten lassen möchte, liegt auf der Hand. - Hier besteht die berechtigte Sorge, daß wirtschaftliche Einbußen entstehen. Auch die Künstler selbst sind in der Mehrzahl für ein Verbot. Letztlich bedeutet jeder Napster-Download, daß sich hier jemand kostenlos bedient hat, der ohne Napster ein potentieller CD-Käufer gewesen wäre. In den öffentlichen Kommentaren der Musikindustrie und der Künstler wird dieser ganze Vorgang unter „Musikpiraterie“ zusammengefasst, was impliziert, daß alle Beteiligten (sowohl Napster-Betreiber, als auch die User) kriminalisiert werden.

Indessen stehen Juristen vor dem Problem der Einordnung des Geschehens in die Systematik des Urhebergesetzes: Anders als beim Anbieten von mp3-Files auf einer Homepage stellt sich hier nämlich die schwierige Frage, ob dieser Vorgang soz. „Öffentlichkeitscharakter“ hat. Das ist eher zu verneinen, hier sucht im konkreten Fall immer eine Person bestimmte Stücke, und jeweils eine andere hat diese Stücke. (Es existiert kein Server, auf dem all die Musikstücke zentral gespeichert sind!). Die dann praktizierte Übertragung hat den Charakter von Individualkommunikation (wie das Versenden einer eMail)27. Verwertungen, die auf Individualkommunikation beruhen, sind aber nicht öffentlich iSd §15 Abs.3, werden vom UrhG also bis auf die Frage der Vervielfältigung nicht berührt. Bleibt also noch die zustande gekommene Vervielfältigung. Um diese zur Urheberrechtsverletzung zu erklären, müßte man ihr den privaten Gebrauch des § 53 UrhG absprechen. Auch das dürfte schwierig sein - die Privatsphäre endet nicht automatisch am Modem eines Benutzers. Populäre Begriffe wie z.B. „virtuelle Gemeinschaft“ veranschaulichen recht deutlich, daß der private Bereich des § 53 UrhG auch in das www hineinreichen kann. (Außerdem bietet Napster auch die Möglichkeit des Chatens an: wie wäre es juristisch zu bewerten, wenn die beiden konkreten User sich vor dem Download erst kurz unterhalten... ? Man erkennt dank Napster, daß man offenbar den gleichen Musikgeschmack hat, unterhält sich per Chat ein wenig darüber, kommt sich (virtuell) näher und kommt (erst dann?) auf den Gedanken, die Musikstücke in aller Freundschaft auszutauschen...Es bietet sich eine Fülle von spitzfindigen Möglichkeiten, dafür zu sorgen, daß durch den § 53 UrhG ein mögliches Verbot „ausgehebelt“ werden kann). Letztlich könnten die Musikfreunde ja ihre Musikstücke auch per Post austauschen, das wäre zwar nicht so komfortabel, aber in rechtlicher Hinsicht gleichwertig und auch nicht ohne weiteres zu verbieten35. Bisher wurde hier der Kommunikationsvorgang zwischen den einzelnen Napster- Usern urheberrechtlich bewertet. - Eine andere Herangehensweise ist die Beurteilung dessen, was auf dem Napster-Server vor sich geht: Anders als bei der Betrachtung der Individualkommunikation zwischen den einzelnen Usern kann man dem Server selbst durchaus eine „veröffentlichende“ Rolle vorwerfen, nämlich, indem Napster die Informationen, welche Werke wo gespeichert sind, allen Usern (und das sind, wie gesagt, im Schnitt viele Tausend gleichzeitig) verfügbar macht. Dieses Verfügbar-machen besteht dann aber nur darin, daß bei den Usern, die eine Anfrage starten, von Napster ein Link generiert wird, welcher diesen dann den Download möglich macht. Bei dieser Betrachtungsweise stellt sich die Frage nach der urheberrechtlichen Relevanz von Links. Nach gängiger Rechtsprechung ist ein Link dann strafbar, wenn er erstens auf einen strafbaren Inhalt verweist und zweitens der Link-Programmierer zum Zeitpunkt des Programmierens von der Strafbarkeit dieses Inhalts wußte. Dieser Tatbestand ist aber bei Napster nicht gegeben, weil davon ausgegangen werden kann, daß die mp3-Files auf den verschiedenen privaten PCs legal, weil gedeckt vom § 53 UrhG, entstanden sind. Ein Versuch, den Betrieb von Napster zur Urheberrechtsverletzung zu erklären, besteht in der Argumentation, eine Online-Übertragung als öffentliche Wiedergabe zu sehen und darauf aufbauend eine Urheberrechtsverletzung daraus abzuleiten, daß auch vom §53 UrhG gedeckte private Vervielfältigungen (siehe Kapitel 8) laut §53 Absatz 6 Satz 1 2. Alt. UrhG nicht für öffentliche Wiedergaben zu verwenden sind35. Dieser Ansicht ist allerdings insofern nicht allzu leichtfertig zu folgen, als ja die Sichtweise, bei einer Online-Übertragung eine öffentliche Wiedergabe anzunehmen nicht unwidersprochen ist (siehe Kapitel 5).

Die einzige Möglichkeit, Napster trotzdem zu verbieten, könnte momentan eigentlich nur in der Argumentation gesehen werden, daß hier massive vorsätzliche Beihilfe zu einem Vorgang geleistet werde, der de facto schweren wirtschaftlichen Schaden verursacht (Napster hat den ausschließlichen Zweck, den Tausch von mp3-Files zu ermöglichen). (Mit genau dieser Begründung wurde Napster in den USA per Einstweiliger Verfügung der Betrieb untersagt, nach einem Widerspruch seitens der Napster-Betreiber wurde diese aber auch wieder aufgehoben, zuletzt aber, -letzter Stand : 13.2.2000 - wurde Napster der Betrieb in der bisherigen kostenlosen Form verboten und die Erhebung von Gebühren für Downloads auferlegt. Diese Entscheidung hat einerseits gewiß richtungsweisenden Charakter, ist aber andererseits nur bedingt auf deutsche Verhältnisse übertragbar, da das amerikanische Urheberrecht insgesamt einen deutlich stärker wirtschaftlich orientierten Charakter hat als das deutsche). Die Verteidigung gegen diesen Vorwurf der wirtschaftlichen Substitution kann denn (vor allem vor einem deutschen Gericht) auch schlicht lauten, daß das alles zwar recht schade für die Musikindustrie, aber trotzdem nicht illegal sei...

5.9.5 GnutellaCo:

Neben Napster existieren mittlerweile auch noch andere Programme, die in einem Punkt sozusagen über die Funktionsweise von Napster hinausgehen, indem sie nämlich auch ohne einen zentralen Server funktionieren. Der populärste Vertreter dieser Gattung ist wohl „Gnutalla“. Bei Gnutella entfällt folglich der mögliche (und vor allem aussichtsreichere) rechtliche Ansatzpunkt, das steuernde Geschehen auf dem Server für unrechtmäßig zu erklären. Außerdem zeigen sich an diesem Beispiel auch wieder die ganz praktischen Probleme des Urheberrechts im Internet: Während man Napster, wenn denn ein Verbot zustande käme, durch Außerbetriebnahme des Servers wirksam beenden könnte, ist das bei Gnutella nicht mehr möglich. Gnutella ist weder eine Firma, noch ein bestimmter Server, sondern nur eine technische Funktionsweise.

Außerdem fehlt bei Gnutella der „Vorsatz“ (siehe 9.4.2) von Napster, weil mit Gnutella nicht nur mp3-Files, sondern grundsätzlich jede Dateiform ausgetauscht werden kann. Die Übertragung von urheberrechtlich geschützten Werken wird hierdurch viel eher zur „Randerscheinung“ als bei Napster.

5.9.6 weitere Albträume für die Musikindustrie:

Der Gang der bisherigen Diskussion bezügl. „Musikpiraterie“ hat die mögliche „Archillesferse“ der mp3-Tauscher bereits aufgezeigt: der wahrscheinlichste Ansatzpunkt für ein (deutsches !) Verbot der Tauschbörsen besteht in dem Versuch, dem Geschehen einen Öffentlichkeitscharakter nachzuweisen.

Es erscheint zukünftig durchaus möglich, neue Konzepte für ähnliche Programme zu entwerfen, die z.B. gezielt die Teilnehmerzahl begrenzen und wenigstens ein Mindestmaß an „Privatheit“ zwischen den Teilnehmern durch andere Funktionsstrukturen sozusagen erzwingen36. Die erfahrungsgemäß nicht gerade geringe Phantasie einiger Internet- und mp3-Enthusiasten läßt hier wahrscheinlich noch einige Neuentwicklungen erwarten.

5.9.7 Fazit - Napster etc.

Auch am Beispiel NapsterCo zeigt sich also, daß die Beurteilung neuer technischer Praktiken anhand des Urhebergesetzes zumindest problematisch ist. Es kann auf jeden Fall festgestellt werden, daß der gesamte Grundgedanke des deutschen Urheberrechtes darauf angelegt ist, die Verwertung eines Werkes ausschließlich dem Schöpfer zuzugestehen. Die wenigen Ausnahmen speziell des § 53 UrhG decken von ihrer Grundidee her den Gebrauch von Phänomen wie Napster eher nicht. Die Tatsache, daß ein Verbot sich so schwierig gestaltet, ist eher der Systematik des Gesetzestextes zu verdanken. Zur Zeit der Formulierung dieses Textes war mit den Möglichkeiten von Napster schlicht nicht zu rechnen.

In den USA wurde Napster nach einer Klage der Vereinigten Musikindustrie Anfang 2000 per Einstweiliger Verfügung zuerst gestoppt, einem Einspruch von Napster wurde allerdings dann auch stattgegeben, Napster war dann wieder in Betrieb, zuletzt wurde Napster dann die Einführung von Gebühren auferlegt, die amerikanische Musikindustrie hatte sich durchgesetzt (siehe Kap.9.9.4.2). In Deutschland dagegen trat der Medienkonzern Bertelsmann die Flucht nach vorne an und kaufte Napster auf! Bei Napster-Deutschland sollen demnächst geringe Gebühren je Download anfallen.

6 Fazit Urheberrecht im www:

Ein Fazit zur Frage des Urheberrechts muß eingeleitet werden mit der klaren Feststellung, daß entgegen manchmal (bezeichnenderweise vor allem im Internet) geäußerten Meinungen ein Urheberrechtsanspruch auch im Internet auf jeden Fall besteht. Umwälzende technische Veränderungen haben das Urheberrecht immer wieder vor die Notwendigkeit gestellt, in irgendeiner Weise zu reagieren (z.B. das Aufkommen von Musikautomaten oder Vervielfältigungsgeräten, wie z.B. Tonbandgeräte)37. Die Art und Weise dieser anstehenden Reaktion muß nun in einem sorgfältigen Abwägen bestehen, ob die bestehenden Regelungen ausreichen, ob die neue Technik solche Neuerungen mit sich bringt, daß das UrhG ergänzt werden sollte, oder ob nicht sogar gleich ein neues, spezifisches Gesetz geschaffen werden sollte. Die beiden ersten Ansichten sind derzeit hauptsächlich anzutreffen38. Die herrschende Meinung scheint dahin zu gehen, daß moderate Änderungen des bestehenden Gesetzes ausreichen dürften. Eine Klärung, unter welchem Verwertungsrecht Online-Übertragungen einzuordnen sind, ist notwendig. Ob das durch die Schaffung eines neuen Rechtes geschieht, oder durch einheitliche Auslegung der bisherigen Möglichkeiten, ist eher zweitrangig. Zwar gibt es mittlerweile auch einzelne deutsche Urteile zu dieser Thematik (siehe 9.5.4, MIDI- Files auf Server), allerdings stehen diese Entscheidungen insofern auf tönernen Füßen, als Ihnen, wie oben diskutiert, doch immer auch widersprochen werden kann, weil aufgrund der Gesetzesformulierungen z.Zt. noch ein großer Interpretationsspielraum offen bleibt. Ebenso notwendig sind eindeutige Entscheidungen dazu, inwiefern „technische“ Vervielfältigungen unter das UrhG fallen oder nicht. Die Funktionsweise des Internet bedient sich in vielen Bereichen der Vervielfältigung, um eigentlich eine Übermittlung zu machen. Diese „technischen“ Vervielfältigungen sind ihrer wirklichen Zweckbestimmung nach eben keine Vervielfältigungen im ursprünglichen Sinne des UrhG, hier herrscht Unklarheit. Auch diese muß beseitigt werden.

Bezüglich der Problematik der „Musikpiraterie“ deutet sich, nicht zuletzt aufgrund entsprechender richtungsweisender Entscheidungen im Ausland (USA, Compuserve), eine Entwicklung an, die in die Richtung von Gebühren für Downloads zu gehen scheint.

Literaturliste

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1Lohse, Verantwortung im Internet, Lit-Verlag, Münster, 2000, S230ff; auch: Wessels, StrafR AT, §2III 1 lt. Elser, www.jura.uni-tuebingen.de/ri/96ws/elser/seminar.htm <abgerufen am 6.2.01>

2 vgl.Elser: www.jura.uni-tuebingen.de/ri/96ws/elser/seminar.html <abgerufen am 6.2.01> 5

3Koch, Internet-Recht, München, Oldenbourg-Verlag, 1998 S. 255-256

4 Koch, Internet-Recht München, Oldenbourg-Verlag, 1998 S. 257 6

1vgl. Klett, S.28

2Bechtold: „Multimedia und das Urheberrecht“ 1997

3Schippan, S.74

4Bechtold: „Der Schutz des Anbieters von Information“, S. 427-450

5Schwarz: : „Urheberrecht im Internet“

6z.B.:Schippan, S.79; auch Bechtold: „Der Schutz des Anbieters von Information“, S.427-450

7vgl. Ahrens, S.1032; auch: Schwarz 1996 spricht von einer „Zwitterstellung“ lt. Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“, S.427-450

8Schippan, S.86

9vgl. Koch, S.445

10 vgl. Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“; auch: Schippan, S.86 13

11Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

12so auch Koch, S.445

13vgl. Schippan, S.93

14 vgl. Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

15z.B. Schwarz lt. Klett, S.79

16z.B. Mäger lt. Klett, S.79

17 so z.B. Riesenkampff: „Rechtsprobleme im Internet“

18 vgl. Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

19so Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

20 vgl. Bechtold: „Der Schutz des Anbieters von Information“, S.427-450 19

21Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

22 Landgericht München, Geschäftsnummer: 7 O 3625/98, Urteil vom 30. März 2000 20

23so: Koch, S.465ff

24so auch Schippan, S.93

25 vgl. Bechtold : „Multimedia und das Urheberrecht“

26Schippan, S.82

27Schippan, S.83

28vgl. Bechtold: „Der Schutz des Anbieters von Information“, S.427-450

29vgl. Schippan, S.83

30so auch Koch, S.427

31so auch Bechtold, ZUM 1997 S.448-450

32vgl. Klett, S.119,120,123

33Schippan, S.103

34vgl. Ahrens, S.1032

35Ahrens, S.1032

36so auch Ahrens, S.1032

37Bechtold, S.448-450

38vgl. z.B.:Koch, S.449-450 Napster, Gnutella, Freenet Co, ZUM, 12-2000, S.1029-1037 Der Schutz des Anbieters von Information, ZUM, 1997, S. 427-450 Multimedia und das Urheberrecht, 1997 - http://www.jura.uni- tuebingen.de/student/stefan.bechtold/ sem96/inhalt.html <abgerufen am 5.2.01> Internet und andere Kommunikationsnetze - ein rechtsfreier Raum?, 1997, <abgerufen am 5.2.01> www.jura.uni-tuebingen.de/ri/96ws/elser/seminar.htm Urheberrecht im Internet aus deutscher u. amerikanischer Sicht (UFITA-Schriftenreihe), Nomos-Verlag, Baden-Baden, 1998 Internet-Recht: Praxishandbuch; mit dem neuen Medien- und Telediensterecht, Checklisten und Musterverträgen - München - Oldenbourg-Verlag - 1998

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Urheberrecht im Internet
Hochschule
Universität Siegen
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
32
Katalognummer
V104969
ISBN (eBook)
9783640032662
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Homepage des Autors: www.timo-reinhard.de
Schlagworte
Urheberrecht, Internet
Arbeit zitieren
Timo Reinhard (Autor:in), 2001, Urheberrecht im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104969

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