Körperwelten


Hausarbeit, 2000

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Was sind die Körperwelten
1.2 Der Mensch
1.2.1 Im Gegensatz zum Mensch die Künstliche Intelligenz

2. Historischer Rückblick

3. Moralische Provokation oder Information

4. Was sind Werte und Normen
4.1 Woher kommen ethische Werte und Normen
4.2 Die metaethischen Theorien über die Begründung moralischer Werte
4.2.1-Kognitivismus
4.2.2 -Emotivismus
4.2.3 -Institutionalismus

5. Stellungnahme der Kirche
5.1 Gegenstimmen und Relativierung über die kirchliche Meinung
5.2 Die Menschenwürde

6. Resümee und eigene Meinung

Ethik und die Körperwelten

1.Was sind die Körperwelten

Noch nie hat eine Ausstellung für so viel Wirbel gesorgt, wie die Körperwelten. Diese Ausstellung bricht mit allen Tabus und eröffnet auch den ,,Nichtmedizinern" die Möglichkeit zu neuen Ansichten und Einsichten. Die Intention dieser Ausstellung ist es, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper zu fördern, mit seiner Komplexität und seine Funktionen, aber auch seine Zerbrechlichkeit und seine Sterblichkeit zu zeigen.1

Bis zuletzt war unklar, ob die Ausstellung überhaupt öffnen würde. In Deutschland fand sich lange keine Institution, die das Wagnis einging. Besonders die Kirche äußerte schwere Bedenken. Denn das gab es wirklich noch nie: in Teilen oder im Ganzen präparierte Menschen in jedem denkbaren Zustand der ,,Entkernung". Es sind keine Anschauungsmodelle, sondern echte Leichen, die dem Publikum in aller Öffentlichkeit aus nächster Nähe ganz ohne Schutz präsentiert wird. Nicht nur Körper befinden sich in der Ausstellung, sondern auch Scheiben, die wie zufällig angeschnitten aus Leber oder Fersenbein zur Anschauung bereitliegen. Ein anderer Körper wurde vertikal in Scheiben geschnitten und an feinsten Fäden wieder aufgehängt.2

Zum ersten Mal kann man in einem Museum die Plastinate der Körper Verstorbener auch als medizinischer Laie betrachten. Durch erste Schritte wie Einfrieren und die Injektion von Chemikalien wird die natürliche Verwesung gestoppt. Danach kommt eine eindeutige neue Zweckbestimmung zum Lehrpräparat. Bei der Plastination werden Gewebefette und Wasser in einem Vakuumprozess durch Kunststoff ersetzt. Dadurch wird das Präparat haltbar gemacht. Die Körperzellen und das natürliche Oberflächenrelief bleiben dabei in ihrer ursprünglichen Form bis in den mikroskopischen Bereich hinein dauerhaft erhalten. Die Präparate sind trocken und geruchsfrei."3

Die Körper werden auch nicht ohne Wissen der Verstorbenen ,,unsterblich" gemacht. Ob die Leiche der medizinischen Ausbildung dienen soll oder auch Laien gezeigt werden darf, haben die Körperspender vor ihrem Tod in einem genauen Fragenbogen festgelegt. Professor Gunther von Hagens, Anatom und Gründer des Instituts für Plastination in Heidelberg, arbeitet seit längerer Zeit an den Körperwelten. Er beharrt darauf, dass ,,auch Laien ein Recht darauf haben, die Plastinate zu sehen." Professor Hagens sagt, dass" mit Beginn der Plastination die Leiche einen Wertwandel erfährt."

Auch der ästhetische Rahmen, in dem die Präparate gezeigt werden, ist von großer Bedeutung. Vor zwei Jahren befand sich die Ausstellung Körperwelten in Mannheim. Bis Mitte Januar 1998 waren innerhalb von 11 Wochen mehr als 300.000 Besucherinnen und Besucher dort.

Es besteht also gar kein Zweifel, dass dieses Unternehmen eine überwältigende öffentliche - und veröffentlichte- Resonanz weit über den Rhein-Neckar-Raum hinaus gefunden hat. Nicht zuletzt die Medien haben dazu einen erheblichen Beitrag geleistet.4

Im Museum standen die Vitrinen in hellem Licht und die Atmosphäre glich der eines Studiensaales und nicht der einer Leichenhalle. Um dem Besucher die Angst zu nehmen, findet zu Beginn ein Überblick über die Entwicklung der Anatomie und der Präparationsmethoden statt.5

In unserer heutigen Zeit rückt der Körper wieder me hr in den Mittelpunkt, z.B. das Stählern des Körpers im Fitnessstudio oder das Achten auf eine gesunde Ernährung. Besonders Frauen sind dem neuen Körperwahn verfallen. Da wird gehungert und massenweise Diäten ausprobiert. Viele gehen sogar schon soweit und lassen sich das verhasste Fett wegoperieren und die etwas krumme Nase begradigen. Das alles ist möglich in der heutigen Zeit. Die Menschen wollen wissen, was in ihrem Körper los ist, und nutzen die Gelegenheit ihren Körper genau kennen zu lernen immer öft ers- wie auch die Ausstellung Körperwelten zeigt.6

1.2 Der Mensch

Um genau zu verstehen, was ein Mensch genau ist, geht man am besten kurz auf die Anthropologie ein. Unter der Anthropologie verseht man die Wissenschaft vom Menschen und seiner Entstehung. Sie untersucht das Wesen Mensch in seiner Eigenart und seiner besonderen Stellung in der Natur und in der Geschichte.

Der Mensch (lateinisch homo) ist das höchstentwickelte Lebewesen der Erde. Durch Glauben (Mythos, Religion), Gewissen (Sittlichkeit und Recht) Formgebung (Kunst) und abstraktes Denken (Wissenschaft) und Sprache vermag der Mensch die Welt zu gestalten, während das Tier viel stärker von angeborenen Trieben und arteigenem Instinktverhalten geleitet wird. Die Instinkte dienen der Selbst- und Artenerhaltung.7

Beim Menschen sind nur noch Instinktreste vorhanden, auf die er sich nicht verlassen kann. Denn die wenigen Instinktreste reichen zur Regulierung der menschlichen Lebensweise nicht aus, sie können ihm nicht helfen, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. Die Instinktarmut des Menschen bildet die Voraussetzung für die Befreiung des Menschen vom Zwang der Natur. Sie gibt ihm die Freiheit, zwischen mehreren Verhalteinsweisen zu wählen, überlegte Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Deshalb wird der Mensch auch als weltoffenes Wesen bezeichnet.

Während das Tier in seine Umwelt eingebettet ist und nur jeweils sein eingegrenztes notwendiges Lebensfeld hat, ist der Mensch nicht nur auf Anpassung, sondern auf Veränderung und die aktive Gestaltung der Umwelt eingestellt.

Der Mensch unterscheidet sich vor allem durch Merkmale wie aufrechte Körperhaltung, Wortsprache, Denkvermögen, Fähigkeit geplant zu handeln, Umweltbeherrschung und extreme Lernfähigkeit vom Tier.

Somit nimmt der Mensch eine Sonderstellung ein. Der Mensch muss seine Umwelt durch Sprache und Kultur (die Kultur ist die umfassende Bezeichnung für das, was der Mensch selbst geschaffen hat; eine von ihm selbst geschaffene bzw. veränderte Umwelt) erst bauen. Die Harmonie von Umwelt und die instinktive Reaktionen die Tiere haben, muss der Mensch als vergleichsweise unfertiges Tier lernen.8

Der Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen (1904-1976) geht sogar soweit den Menschen als unspezialisiertes biologisches Mängelwesen zu bezeichnen. Und er hat recht. Der Mensch ist organisch unspezialisiert und unfertig. Er ist ohne natürliche Waffen, ohne Angriffs- oder Schutzorgane und mit mittelmäßig entwickelten Sinnen. Ebenso sind einige Organe wie zum Beispiel die Hand unterentwickelt, denn sie eignet sich weder zum Schaufeln noch zum Krallen. Doch gerade die Unspezialisiertheit, die Unfertigkeit und die Instinktreduziertheit befähigen den Menschen zu zielbewussten und geplanten Handeln.

Die Möglichkeit zum Handeln ist dem Mensch durch die Struktur seines Großhirns gegeben. Intellektuelle Fähigkeiten erlauben ihm planendes, schöpferisches Handeln, wodurch er seine biologischen Mängel ausgleichen kann. Er gestaltet die Natur so um, dass er in ihr überleben kann(die Kultur).Durch die Gestaltung der Umwelt und der Kultur ist der Mensch selbst Teil der Kultur und muss deshalb kultiviert werden. Kultiviert wird durch Institutionen (Außenstützen) die menschliches Verhalten regulieren. Institutionen sind zum Beispiel alle Regeln und Normen, Sitten und Gesetzte sowie die Einrichtungen, die sich mit Normen, Sitten und Gesetzte beschäftigen. 9

Durch Versprechen und bewusste Handlungen hat sich der Mensch festzustellen. Die bewussten Handlungen deuten darauf hin, dass der Mensch ein Bewusstsein hat. Nicht nur ein Bewusstsein, der Mensch hat Verstand, Erinnerungsvermögen, Begriffssprache und Urteilsund Reflexionsvermögen- er ist ein geistiges Wesen. Aufgrund seines Geistes kann der Mensch sich von sich selbst distanzieren und sich selbst zum Objekt der Betrachtung machen. Diese Tatsache befähigt ihn, sich als Person zu erfassen.

Cergito ergo sum (Ich denke, also bin ich)

Ein Mensch hat Bedürfnisse und lernt von Kindesalter an, wie und wo er diese Bedürfnisse befriedigen kann. Auch hat er Triebe. Menschen verfolgen manchmal dieses oder jenes Ziel, streben nach Neuem oder vermeiden es. Sie suchen nach Gesellschaft oder rebellieren gegen sie, ergreifen Gelegenheiten wenn diese sich bietet. Menschen freuen sich über Landschaften, treffen Entscheidungen, sie können bereuen, traurig sein und Lachen.10.

1.2.1 Im Gegensatz zum Mensch die Künstliche Intelligenz

Wir haben uns seit langem an die künstliche Intelligenz (Maschinen und Computer)gewöhnt. Schon können Computer zahlreiche Aufgaben, die frühe r ausschließlich dem menschlichen Denken vorbehalten waren, so schnell und so genau ausführen, wie kein Mensch dazu in der Lage ist. Es ist ganz klar, dass eine Maschine viel besser unerwünschte Bauten niederreißen kann und uns binnen Stunden auf der anderen Seite eines Ozeans wieder absetzten kann. Ein entscheidender Nachteil hat der Computer jedoch . Zur Gabe des Denkens ist er noch nicht fähig.11

Er ist zum Beispiel nicht in der Lage Bedeutungen zu erkennen, sondern geht nur mit der Bedeutungen richtig um. Der Philosoph Searle erklärte dies mit Hilfe seines chinesischen Zimmers.

In diesem Zimmer sitzt eine Frau, die der chinesischen Sprache nicht mächtig ist, ganz alleine mit vielen Nachschlagewerken. Wenn nun jemand einen Zettel in das Zimmer wirft, auf dem z. B. :" wie warm ist es bei Dir ,, steht, ist die Frau in der Lage den Zettel mechanisch zu übersetzen, auf ihr Thermometer schauen und wieder übersetzt auf den Zettel zu schreiben:" Bei mir ist es angenehm warm, 21Grad Celsius". Für Searle zeigt sich in diesem Gedankenexperiment, dass jemand die chinesische Sprache sprechen kann, ohne dieser Sprache mächtig zu sein.12

Der immer noch größte Unterschied ist, dass bei Menschen das Seelenleben nicht berechnet und kalkuliert wird. Bei Menschen sind Gefühle einfach so da. Ein PC könnte natürlich so programmiert werden, dass er überhaupt nichts von seiner Seelenberechnung merkt, aber er muss immer noch programmiert werden und kann sich nicht selbst programmieren.13

In naher Zukunft jedoch könnte sich dies ändern. Manche Wissenschaftler wie z.B. das Computer-Genie Bill Joy (gehört zu den Mitgründern von Sun Microsystems) warnt allerdings vor der künstlichen Intelligenz. Für ihn steht es schon fest, dass der Fortschritt zu einer tödlichen Gefahr für die Menschheit führt. Er fürchtet, dass sich viele moderne Technologien derzeit unkontrollierbar entwickeln. Durch die Gentechnologie manipulierte Lebewesen könnten außer Kontrolle geraten und schon in 30 Jahren werde es intelligente Roboter geben, die leistungsfähiger als ein menschliches Gehirn seien.

Da dieses Zukunftshorrorszenario hoffentlich noch lange Fiktion bleibt kann man allerdings Pessimisten schon mit einer Nachricht erfreuen. In Chicago gelang es einem Forschungsteam, Gehirnzellen eines Fisches in einen Miniroboter zu pflanzen. Jetzt denkt der Computer wie ein Fisch und folgt - wie auch ein normaler Fisch- ständig dem Licht. Offenbar ist die technische Intelligenz auch nicht schlauer als ihre lebendigen Vorbilder.14

2.Historischer Rückblick

Schon 1543 fertigte der Wissenschaftler Andreas Vesalius einen Kupferstich an, dieser zeigte eine n Muskelmann mit Sehnen und Muskeln. Damals war das wohl ähnlich aufregend wie für unsereins die Plastinate.

Sehr wichtig wurde die technische Perfektion der Holzschnittillustration bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Es wurde viel leichter, eine Sektion wirkungsvoll im Druck zu präsentieren. Leonardo da Vinci beschränkte sich nicht nur - wie viele seiner Kollegen - auf das Studium geometrischer Proportionen, sondern er beschäftigte sich auch mit den tiefer gelegenen Teilen des menschlichen Körpers und beschrieb die Lage sowie die Gestalt innerer Organe. Er hat unter z.B. das Auge mit den Sehnerven, das Gehirn und sein Ventrikelsystem, den Kehlkopf und den Bronchialbaum gezeichnet.15

Bis ins 18. Jahrhundert fanden anatomische Präparationen im Theatrum anatomicum, an der Universität Heidelberg sowie in Mannheim als öffentliches Schauspiel statt. Der dort porträtierte Anatom Dr. Nicolaas Tulp (1593-1674) war übrigens zugleich Bürgermeister von Amsterdam, also hatte dieser Beruf damals ein hohes Sozialprestige.16

Rembrandts (1606-1669) Anatomievorlesung des Doktor Tulp stammt aus dem Jahre 1632.

Tulps anatomische Vorlesungen und seine öffentlichen Sektionen im Theatrum anatomicum waren in seiner Heimatstadt bei den gebildeten Bürgerinnen und Bürgern sehr beliebt. Es wurde wissenschaftliche Belehrung verbunden mit demütiger Ehrfurcht vor der göttlichen Schöpfung.

So wie man heute in die Oper oder ins Schauspielhaus geht, so begab man sich damals ins Theatrum anatomicum.17

Um 1790 entstand dann auch die Wachsmodelle. Der menschliche Körper wurde in Wachs dargestellt. Heute sind noch etwa 800 dieser Figuren erhalten. Sie werden alljährlich von vielen Tausenden Besuchern als Touristenattraktion bestaunt. Allerdings: Es handelt sich um Wachsmodelle, nicht um "Originale" wie bei der Plastination.18

Die Anatomen des 18. Jahrhunderts arbeiteten nicht selten notgedrungen am Rande der Legalität. Denn erstmals tauchten Wörter auf wie Moral, Normen und Werte. So entfaltete ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung ein zwielichtiger "Berufsstand" sein verbrecherisches Gewerbe, dessen Mitglieder als Resurrektionisten (Auferstehende) bezeichnet wurden.

Diese Leute besorgten für die Anatomen Leichen, indem sie Angehörige der Unterschichten oder Waisenkinder einfach auf der Straße einfingen und kaltblütig ermordeten. Vor allem von ihren Eltern verlassene Kinder, die sich mit Betteln und kleinen Diebstählen über Wasser hielten, waren ein gefundenes Fressen für die Resurrektionisten .

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schilderte einen drastischen Fall aus England: "Sie bedienten sich narkotischer Mittel, die sie in den Wein mischten, um sich so des Individuums zu bemächtigen, nach dessen Leichnam sie trachteten, und trugen ihn dann in einen Brunnen des Gartens, wo sie ihn an den Füßen über dem Wasser aufhingen, bis ihn das in den Kopf steigende Blut erstickte".

Zeitlich gleich der ästhetischen Verdrängung des Todes aus der bürgerlichen Gesellschaft zogen sich die Anatomen in die Abgeschiedenheit der Institute zurück. Mit dem Beginn des bürgerlichen 19. Jahrhunderts endete vorerst die Beziehung zwischen Anatomie und Öffentlichkeit. In diesem sowie im 20. Jahrhundert wurde die Anatomie eine rein naturwissenschaftliche Disziplin.19

3. Moralische Provokation oder Information

Die Motive, Erwartungen und Empfindungen, mit denen die Besucher in die Ausstellung hineingehen, belegen starkes Bedürfnis nach Informationen über den menschlichen Körper sowie eine innere Bereitschaft zur Grenzerfahrung.

Die Veranstalter wissen natürlich, dass Sie mit dieser Ausstellung ein Tabu brechen, rechnen aber mit der Neugier und Einsicht. Die Ausstellung soll beiden Aspekten Rechnung tragen. Einmal Aufklärung über den Aufbau des menschlichen Körpers. Damit soll eine Denkgrundlage vermittelt werden, mit der Funktions- und Krankheitsabläufe verstanden werden können. Zum anderen soll dazu beige tragen werden, dass die Angst vor dem Tod abgebaut wird.

Die Motive für einen Ausstellungsbesuch mögen vielfältig sein; ein wichtiges unter ihnen ist wie schon gesagt zweifellos die Neugier, eine Eigenschaft, ohne die es übrigens auch keine wissenschaftliche Naturforschung gäbe. Es kann nicht richtig sein, die Faszination durch den präparierten und plastinierten menschlichen Körper pauschal mit negativen Begriffen wie "Voyeurismus" bzw. "Sensationshascherei" abzutun, oder die Motive der Besucher gar in einen unsachgemäßen Zusammenhang mit "Gaffern" bei Verkehrsunfällen zu bringen, wie dies in einem Zeitungsinterview leider geschehen ist. Wohl jeder Besucher durchläuft unterschiedliche Phasen die von Ungläubigkeit, Widerwille, Ekel , Staunen, Faszination und Scheu geprägt sind.20

Ein Blick in das Gästebuch, in das jeder Besucher seine Eindrücke hineinschreiben kann zeigt, dass auch medizinische Laien zu einer differenzierten Beurteilung des Gesehenen in der Lage sind. So meint ein 52jähriger Abteilungsleiter: "Manchmal schießt es einem spontan durch den Kopf, dass das Menschen waren. Aber die Würde ist nicht beschädigt, meine ich". Ein 35jähriger Physiotherapeut urteilt: "Der Einblick in die Anatomie ist wahnsinnig interessant, man kann praktisch detailliert jeden Muskelansatz sehen. Es ist toll, das einmal in all diesen Schichten zu sehen. Die Kritik der Kirchen finde ich überzogen".

Eine 16jährige Schülerin bekennt schließlich unbefangen: "Es gefällt mir sogar sehr gut. Wer hat wirklich schon einmal eine Leiche gesehen oder gar angefasst? Vielleicht ist dies eines der Motive, die Ausstellung zu besuchen. Ob die Konfrontation mit den Exponaten vom Einzelnen positiv oder negativ empfunden und bewertet wird, kann jedoch ernsthaft erst nach dem Besuch entschieden werden.21.

Ein Schüler ist so beeindruckt, dass er ein Referat über das Thema schreibt.

Zusammenfassend schien ihm, dass dort Kunststoffpuppen liegen, und keine Menschen, die mit eben genannten nur ,umhüllt" sind. ,,Allerdings beschlich einen schon ein etwas komisches Gefühl, wenn man sich wieder verinnerlichte, was da jetzt tatsächlich vor einem lag. Doch war das ganze sehr informativ, auch weil bei jedem Exponat mindestens ein Student stand, der einem Laien gerne jede Frage kompetent beantwortete." Allerdings führten die Ausstellungsstücke teilweise zu Diskussionen, denn sie waren zum Teil schon recht makaber, wie z.B. ein Mann, dem man die eigene Haut abgezogen hatte und die dieser nun auf seinem Arm hatte. Auch die ausgestellten Embryos und Föten erregten allgemeines Aufsehen, denn hier lag ja offensichtlich keine Erlaubnis der Ausgestellten selber vor, als vielmehr ,nur" die ihrer Eltern. ,,Aber alles in allem muss gesagt werden, dass es wirklich eine sehr interessante Ausstellung war" .

Schließlich bleibt es ja jedem selbst überlassen, sich die Ausstellung anzusehen oder nicht. Doch halte ich es teilweise schon für Sensationssucht, wenn man sich die Schlangen der wartenden Besucher anschaute, die teilweise bis zu 6 Stunden auf den Einlass warteten. Aber es ist natürlich auch etwas ganz Neues, die Körper so zu sehen, wie sie ganz natürlich sind, und nicht nur ein Skelett."22

Es war sehr merkwürdig zu beobachten, wie das Echo auf die Ausstellung um so kontroverser und emotionaler wurde, je näher man dem Raum Heidelberg/Mannheim kam. Fast schien es, als gerate man in das Epizentrum eines moralischen Erdbebens. Das Interesse an den Plastinaten war zwar unerwartet groß, ebenso riesig war aber auch eine Debatte, die sich vor allem um die ethische Vertretbarkeit der Ausstellung oder einzelner Teile davon dreht.

Es ist sehr naheliegend, sich einmal näher mit den verschiedenen Aspekten der Anatomie in der Öffentlichkeit zu beschäftigen. Es geht aber nicht darum, einen ganz bestimmten ethischen Standpunkt als den einzig wahren und korrekten herauszufinden. Denn jede konkrete ethische Stellungnahme ist zeit- und personengebunden und damit auch subjektiv.

Tatsächlich aber sind im Zusammenhang mit der Mannheimer Ausstellung Körperwelten eine ganze Reihe Fragen aufgeworfen- wie z. B. sind denn Werte und Normen unserer Gesellschaft durch diese Ausstellung verletzt oder Kann man diese Ausstellung ethisch und moralisch rechtfertigen- und zum Teil recht kontrovers diskutiert wurden.23

4. Was sind Werte und Normen?

Werte werden von Menschen zu bestimmten Zeiten für bestimmte Zwecke geschaffen, und sie werden von Menschen in konkreten Situationen interpretiert. Werte sind labil und veränderbar, sie benötigen zu ihrer Gültigkeit einen gesellschaftlichen Konsenses. So ein Konsens aber entsteht im Laufe eines historischen Prozesses der - jedenfalls am Ende des 20. Jahrhunderts - nicht mehr allein von kirchlichen Duopolen oder von staatlichen Instanzen nach deren Kalkülen gelenkt werden kann.

Jeder einzelne Bürger hat durch sein Tun oder Lassen einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung künftiger Werte und Normen in seiner Gesellschaft.24

Normen sind Regeln und Maßstäbe, die von einer Institution oder Gruppe zur Verhaltenssteuerung an ihre Mitglieder herangetragen werden. Die Einhaltung der Normen ist verbindlich , wird sanktioniert oder belohnt. Normen wollen Hilfen für verantwortliches Handeln bieten und die Gewissensentscheidung des Einzelnen erleichtern. Normen ermöglichen erst ein geordnetes Zusammenleben der Menschen Die Philosophie unterscheidet sittliche, ästhetische und logische Normen. Eine Hierarchie der Normen gliedert sich in unbedingte Normen , die nicht unterschritten werden können (wie die Achtung des Menschen vor dem Menschen), zu befolgende Normen, Normen des Üblichen und Normen die frei gewählt sind.

In der modernen Pädagogik geht es zunächst um die Klärung, welche Normen als verbindlich gelten und eingeübt werden müssen. Dabei achtet sie darauf, dass man in der Anerkennung und Befolgung von Normen viel abwägende Freiheit besitzt.

Normen sind für die Gesellschaft wichtig zur Orientierung und sie sind ein Ersatz für mangelnde Instinktgebundenheit des Menschen. Der Mensch wird vom dauernden Reflektieren über "gut oder böse" entlastet und hat nur noch in Konfliktsituationen zu entscheiden. Die Normen achten auf die Unverletzlichkeit der Würde jedes Menschen.

Natürlich gibt es auch Nachteile, wie die Einschränkung der persönlichen Freiheit und den Zwang zur Einhaltung, sowie das Nachlassen der kritischen Reflexionsbereitschaft. Auch Belohnungsdenken, Prioritäten- Normenkonflikte gehören zu den Nachteilen. Im Lauf der Zeit können sich Normen wandeln, weil sich gesellschaftliche Verhältnisse verändern. Traditionelle Normen werden dann der Lebenswirklichkeit nicht mehr gerecht, sie müssen geändert werden. z.B. Stellung der Frau in der Gesellschaft.

Normen gibt es in vielen Bereichen, z. B.:

In den Bereichen:

Technik: z.B. Deutsche Industrienorm DIN, ISA Politik: Demokratie

Recht: Gesetze

Religion: Dekalog ( Zehn Gebote) Soziales: Gruppenverhalten

Ethik: Frage nach sittlich gutem Handeln: zB. Tötungsverbot Wirtschaft: Ökonomie, Personalführung

Sport: Regeln

Den Normen liegen in der Regel Werte zugrunde. Normen, die keine echten Werte beinhalten sind kritischst zu hinterfragen!

Brauchen Menschen Werte? So könnte die zentrale Frage hier lauten. Nun mag eine spontane Antwort darauf wohl rasch gegeben werden: Natürlich braucht die Menschheit Werte, lautet sie. Wer so reagiert, der hat in der Regel eine feste Vorstellung davon, welches die seiner Meinung nach zeitlos gültigen Werte sind, und er weiß genau, wie die konkreten Haltungsund Handlungsnormen beschaffen sein müssen.25

Werte sind Lebensinhalte, Handlungsziele, Sinndeutungen, die Individuen, eine Gruppe, eine Schicht, oder die ganze Gesellschaft für erstrebenswert halten. Es gibt materielle, vitale, geistige, sittliche und religiöse Werte.

4.1 Woher kommen ethische Werte und Normen?

Doch woher kommen eigentlich unsere ethischen Werte und Normen?

Und was genau ist Ethik?

Ethik (von griechisch ethos: Gewohnheit, Herkommen, Sitte), ist die wissenschaftliche Lehre von allem Sittlichen. Die Grundfragen der Ethik richten sich auf das Gute und das rechte und vernünftigen - Handeln.

Die Prinzipien, an denen die Ethik ihre Aussagen methodisch und inhaltlich ausrichtet, sollten demnach ihrer Maxime entsprechend allgemein gültig und vernünftig einsehbar sein, also ohne Berufung auf höhere Autoritäten und Konventionen auskommen. Die philosophische Ethik ist daher zu unterscheiden von der theologischen Ethik (Moraltheologie), die sich auf den Moralkodex des in der Kirche institutionalisierten Glaubens stützt.

Das wesentliche Kennzeichen der Philosophie, und somit auch der philosophischen Ethik, ist die Offenheit des Fragens. Dies unterscheidet sie wesentlich von der Theologie, die an die Stelle der Fraglichkeit das Dogma von der Offenbarung Gottes setzt. Im späten 20. Jahrhunderts gab es viele ethische Richtungen, die oft an der praktischen Philosophie Kants anknüpfte. John Rawls stellt zum Beispiel zu Beginn der siebziger Jahre eine Theorie der Gerechtigkeit vor, die weltweit große Aufmerksamkeit erlangte. Sie ist ein groß angelegter Versuch, Kriterien zur Beantwortung der Frage aufzuweisen, ob eine Gesellschaft dem Postulat der Gerechtigkeit gemäß eingerichtet ist, oder nicht. Dabei legt Rawls einen Katalog von Rechten vor, auf die jedes Individuum Anspruch hat.26

Waren Normen und Werte schon immer da, sind sie unveränderlich, und wie kann man sie sicher erkennen? Wer so fragt, der bewegt sich auf dem Gebiet der Metaethik. Und hier gibt es, bei aller Verschiedenheit der einzelnen Ansätze im Detail, drei große Gruppen von Vorstellungen darüber, wie moralische Werte beschaffen sein könnten und wie sie entstehen: Den Kognitivismus, den Emotivismus sowie den Institutionalismus. Diese drei Theorien möchte ich jetzt erläutern.27

4.2 Die metaethischen Theorien über die Begründung moralischer Werte

4.2.1 Kognitivismus

Nach dieser Auffassung haben ethische Aussagen denselben Rang wie solche Sätze, mit denen wir eine erfahrungsgemäße Erkenntnis oder einen logischen Schluss ausdrücken. Z.B. der Satz: Die Würde des Menschen ist unantastbar, wäre genauso zu beurteilen, wie der Satz: Die Augen einer Katze sind grün. Die kognitive Theorie hat den Vorteil, dass sie mit den syntaktischen (den korrekten Satzaufbau betreffenden) Regeln unserer Sprache übereinstimmen.

Der Kognitivismus stimmt mit den klassischen erkenntnistheoretischen Realismus als auch mit unserer Alltagserfahrung (,,der gesunde Menschenverstand) überein. Viele Philosophen, insbesondere Aristoteles und der englische Neurealist Georg Edward Moore waren Vertreter dieser Theorie. Der Inhalt moralischer Aussagen ist danach entweder eindeutig wahr oder eindeutig falsch, weil er mit moralischen Tatsachen übereinstimmt, die ihrerseits in der Realität unvoreingenommen existieren.28

Allerdings gibt es zwei Schwierigkeiten, die den Kognitivismus jedoch in Misskredit gebracht haben. Die erste betrifft das Problem der Wahrnehmung moralischer Tatsachen. Die physiologisch bekannten Sinnesorgane des Menschen sind hierfür wohl nicht geeignet; der Kognitivist muss sich deshalb zur Existenz einer "höheren", metaphysischen Art der Wahrnehmung bekennen, zur Intuition. Gerade die wichtige Rolle der Intuition aber widerspricht ihrerseits dem Anspruch der Objektivität, der dem Kognitivismus zugrunde liegt. Die zweite Schwierigkeit besteht darin, dass normative Regeln aus Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden. Nach dem Gesetz von der Unableitbarkeit eines Sollens aus einem Sein, dass der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) aufgestellt hat, ist der Schluss von einer feststellenden auf eine wertende Aussage unzulässig. Die Vertreter eines ethischen Kognitivismus sind aber darauf angewiesen aus moralischen "Tatsachen" verbindliche moralische Gebote bzw. Verbote zu entwickeln.29

4.2.2 Emotiovismus

Ein bekannter Emotiovist ist z.B. oben genannter David Hume. Nach seiner Auffassung gibt es keine objektiven moralischen Propositionen (Satz als Informationseinheit). Demnach ist der Satz: Die Würde des Menschen ist unantastbar keine greifbare Realität, sondern die Zusammenfassung einer Emotion.30 Alfred Jules Ayer (geb. 1910- auch ein Philosoph) geht sogar noch einen Schritt weiter und gibt an, dass ethische Grenzsteine nicht nur dazu dienen, um Gefühle auszudrücken, sondern auch um Gefühle zu erwecken und so zum Handeln anzuregen.

Beide Aussagen lassen allerdings einen Diskurs fast aussichtslos erscheinen. Denn wenn moralische Propositionen immer nur subjektive Gefühle widerspiegeln, dann kann man über diese nicht einmal vernünftig streiten, geschweige den allgemeingültige Handlungsnormen ableiten.

4.2.3 Institutionalismus

Institutionalismus ist die sozialökonomische Lehre des amerikanischen Nationalökonomen und Soziologen Thomas Veblen (1857-1929)

Diese Theorie birgt einen Ausweg vom Emotiovismus sowie vom Kognitivismus.

Institutionalismus wird umschrieben mit dem Bergriff der institutionellen Tatsache und der moralischen Tatsache.

Moralische Tatsachen sind nämlich keine objektiven physischen Realitäten, und auch deine subjektive psychischen Phänomene, die andere Personen allenfalls zur Nachempfindung oder Nachahmung anregen können.

Moralischen Tatsachen müssen vielmehr als historisch geschaffene soziale Institutionen angesehen werden, die innerhalb einer Kultur- und Sprachgemeinschaft nach bestimmten Regeln, von verschiedenen Personen überliefert und abgewandelt worden sind.31

Ein schönes Beispiel, was nun eine Institutionelle Tatsache ist, habe ich im Internet gefunden: [Abbildung fehlt]

Ein Hase, der zwei bemalte Eier trägt (Rohe Tatsache / brute fact)

[Abbildung fehlt]

Dies ist ein Osterhase

(Institutionelle Tatsache / institutional fact)

Institutionelle Tatsachen beinhalten stets versteckte Normen. Der "Osterhase" hat nicht von innen heraus die Eigenschaft, ein "Osterhase" zu sein, vielmehr will die Bezeichnung "Osterhase" sagen, dass dieser Hase auf eine spezielle Weise aufgefasst werden soll bzw. dass er bestimmte Funktionen wahrnehmen soll.

5.Stellungnahme der Kirche

Das Konservieren einzelner Organe oder Körperteile zu Studienzwecken ist auch für die Kirchenvertreter akzeptabel. Nicht jedoch die Ausstellung von Ganzkörperplastinaten, die zudem noch aufgeklappt, aufgeschnitten und ohne Haut zu sehen sind. Professor Axel W. Bauer, der an der Fakultät für Klinische Medizin in Mannheim das Fach Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin vertritt, bewertet die Kritik der Kirche als Irrtum." Eine Verletzung der individuellen Form der Menschenwürde sei auf keinen Fall zu befürchten. Schließlich liege die freiwillige Zustimmung der Körperspender vor und es werde auch niemand gezwungen, sich diese Ausstellung anzusehen."32

Schon vor der Ausstellung begann eine harsche, in ihrer Argumentation jedoch nicht konsistente theologische Kritik um den hier behandelnden Themenkreis. So schrieben die Mannheimer Stadtdekane der beiden großen christlichen Kirchen im Oktober 1997 zunächst einen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Mannheim sowie an den baden- württembergischen Ministerpräsidenten. In dem Brief stand, dass die geplante Ausstellung nicht nur eine "grobe Geschmacklosigkeit" darstelle; vielmehr verletze der hier praktizierte Umgang mit Toten die Würde des Menschen.

Tote Menschen dürften nicht zu Ausstellungsstücken herabgesetzt und das neugierige Betrachten präparierter toter Menschen zu einem Kulturereignis gemacht werden. Die Dekane verurteilte das Unternehmen, es würde einen "nicht geringen Beitrag zum Verfall sittlicher Werte in unserer Gesellschaft" leisten, und es sei daher unverantwortlich, hierfür Steuermittel aufzuwenden.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff gibt ebenfalls an, dass bei der Ausstellungen die Grenzen des öffentlichen Zeigens wohl eindeutig überschritten wurden. Er fragt sich, ,,was das für menschliche Strebungen sind, die mit der Einladung zum Betasten und Hineinschauen befriedigt werden sollen."33

In einem Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten in Karlsruhe führte Dr. Ulrich Fischer Folgendes aus: "Nach dem Besuch der Ausstellung und nach etlichen Diskussionen mit dem Initiator derselben kann ich meine Ablehnung deutlich pointierter formulieren Der zentrale Punkt meiner Kritik ist der, dass bei vielen Ausstellungsstücken das wissenschaftliche Aufklärungsinteresse eindeutig hinter der künstlerischen Selbstverwirklichung des Plastinators zurücktritt. Hier sind Menschen zu ästhetisch beachtlichen Kunstwerken umgestaltet worden. Eine solche Verarbeitung von Menschen lehne ich ab".

Schon vor diesem Interview gab es eine Podiumsdiskussion, die von Südwest 3 übertragen wurde ( 27. November 1997 ). Dort hatte sich der Dekan gegen eine "Verdinglichung des Menschen" gewandt und dabei ein ethisches Argument eingeführt:

Was könnte man den mit Menschen noch so alles anstellen, wenn schon so ein Plastinator sich zum Herrn über das Leben und den Tod ernennt. Wenn Menschen als Gegenstände in der Hand eines "menschlichen Schöpfers" gesehen würden, dann sei die Würde des Menschen in Gefahr.34

5.1 Gegenstimmen und Relativierung über die kirchliche Meinung

Die Kirche und Ihre Mitglieder verbreiten viel Richtiges und Wahres, aber in der Tat ist es nicht ganz zutreffend, wenn der Dekan der evangelischen Kirche in Mannheim eingewandt hat, in der katholischen Kirche würden ausschließlich Heilige aufbewahrt ,,so wie sie waren, um an ihr Leben zu erinnern, nicht um sie künstlerisch zu verarbeiten". Wenn man zum Beispiel in Rom einmal das Museo dei Padri Cappuccini in der Kirche Santa Maria della Concezione an der Via Veneto besucht hat, wird man eines besseren belehrt. Dort gibt es Kunstwerke (wie Wand- und Deckenschmuck) aus den Knochen von rund 4.000 vorwiegend in der Zeit des Barock verstorbenen Ordensbrüdern zu bestaunen sind Zwar muss man für den Eintritt in das Museum keinen Eintritt bezahlen, aber die Kapuziner stehen am Ausgang mit einer gut gefüllten Sammelbüchse.

Manche Vertreter der katholischen Kirche, wie zum Beispiel 1870 der berühmte Wiener Anatomieprofessor und bekennende Katholik Joseph Hyrtl (1810-1894) ist auch anderer Meinung als die Mehrheit der Katholiken. In seinem Lehrbuch führt er aus: "[Die Anatomie] zerstört mit den Händen einen vollendeten Bau, um ihn im Geiste wieder aufzuführen, und den Menschen gleichsam nachzuerschaffen. Eine herrlichere Aufgabe kann sich der menschliche Geist nicht stellen. Die Anatomie ist eine der anziehendsten, und zugleich gründlichsten und vollkommensten Naturwissenschaften, und ist dieses in kurzer Zeit geworden, da ihre Ära erst ein Paar Jahrhunderte umfasst."35

5.2 Die Menschenwürde

Viele Kritiker aus dem Bereich der Medizin haben im Zusammenhang mit den Körperwelten den Begriff der Menschenwürde angesprochen. Deshalb ist es wichtig, den Begriff der Menschenwürde kurz zu erläutern.

Immanuel Kant interpretierte Würde als etwas, was "über allen Preis" erhaben ist. Aufgrund seiner Vernunft, die als Vorbedingung für eine freiheitliche Selbstbestimmung galt, war für Kant und seine Nachfolger einzig der Mensch alleiniger Inhaber von Würde. Damit begründete und rechtfertigte man während der vergangenen 200 Jahre die unumschränkte Herrschaft des Menschen über die belebte und unbelebte, im kantischen Sinne also "würdelose" Natur. Tier- bzw. Artenschutz oder ökologisches Denken lagen hingegen nicht im Blickfeld der Interpretation von Menschenwürde.

Die zweite, differenzierende Form der Menschenwürde stammt von einer politischen Tradition. In bedeutenden juristischen Dokumenten treten historisch Bürgerrechte in Erscheinung, die einzelne Bürger gegenüber anderen Bürgern oder dem Staat gegenüber geltend machen können.36

Habeas-Corpus-Akte (1679), die britische Bill of Rights (1689), die amerikanische Virginia erste bezieht sich auf die Menschen gegenüber anderen Lebewesen, die zweite meint der Mensch gegenüber anderen Personen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949), in dessen ersten 19 Artikeln - den Grundrechten - Menschenrechte und Bürgerrechte eng miteinander Verbunden sind, ist die Würde des Menschen deutlich hervorgehoben. Laut Artikel 1 Absatz 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar, sie zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Dieser höchste Wert in der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik findet seine historische Erklärung natürlich auch wegen der Erfahrungen, die während des Nationalsozialismus unter einer Diktatur gemacht worden sind, deren Machthaber jede nur denkbare Form von Menschenwürde mit Füßen getreten haben.

Die Menschenwürde gilt in der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1948 sowie in den Verfassungen derjenigen Staaten, die den Begriff so verwenden, als sei er "angeboren", das heißt von Natur aus jedem Menschen mitgegeben. Sie ist ein weithin anerkannter anthropologischer Grundwert, eine "Fundamentalnorm" moderner rechtsstaatlicher Ordnungen, auch wenn sie tatsächlich oft verletzt wird.37

Wenn sich nun die Repräsentanten der christlichen Kirchen im Zusammenhang mit der Mannheimer Ausstellung Gedanken über eine Gefährdung der Menschenwürde machen, so muss man sich darüber im klaren sein, dass sie hierbei vor allem die traditionelle Form im Sinne der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen im Auge haben(jedoch unausgesprochen).

Mit der Menschenwürde aus Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes, die von der Autonomie des einzelnen Staatsbürgers ausgeht, ist diese christliche Menschenwürde aber keineswegs identisch. In einem Land, in dem nach Artikel 4 Absatz 1 desselben Grundgesetzes die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ebenfalls unverletzlich sind, kann also die kirchliche Version dieses Argumentes rechtsethisch nicht verbindlich sein.38

Im internationalen Maßstab sind Verletzungen der Menschenwürde (vor allem durch Folter, Versklavung etc.) allerdings weit verbreitet, wie sich nicht zuletzt in Berichten und Zeitungen nachlesen lässt. Dies betrifft bei weitem nicht nur totalitäre Regime, sondern auch eine Reihe als demokratisch bezeichneter Staaten.

Da die Spender der Körper sich selbst gestiftet haben, Sie sind auch anonym. Wilhelm Kriz vom Heidelberger Institut für Anatomie und Zellbiologie gibt an, dass die Präparate die Würde des Menschen nicht verletzen. Die Würde von Jemanden, der sich selbst schenkt, kann durch Vollzug des Schenkungszwecks schwerlich verletzt werden. Aber was ist mit der Würde des Betrachters? Darauf antwortet Kriz:" Für die Würde des Betrachters, insbesondere im Umgang mit den Plastinaten, ist er selbst zuständig.39

6. Resümee und eigene Meinung

Es kommt die Frage auf, ob es noch weitere Gründe gibt, die selbst bei ästhetisch untadeliger Präsentation befürchten ließen, dass hier eine Verletzung der Menschenwürde des Betrachters erfolgen könnte? Oder gibt es irgendwelche natürlichen Tatsachen am menschlichen Körper, die das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen hätten?

Vielleicht besteht Anlass zu der Sorge, dass auf diese Weise ein Beitrag zum "Verfall sittlicher Werte in unserer Gesellschaft" geleistet würde? All dies scheint mir nicht der Fall zu sein. Viele Menschen in unserer technischen Gesellschaft kennen sich unter der Motorhaube ihres Automobils oder mit den Softwareprogrammen ihres Computers sehr gut aus, aber über ihren Körper und die Vorgänge darin wissen Sie so gut wie nichts.

Schaden kann da ein unbefangener und vorurteilsloser Blick auf die natürlichen Tatsachen unseres Körpersund auf seinen komplizierten biologischen Bau nicht. Vielleicht würden viele Menschen ein besseres Körpergefühl bekommen und nicht einfach alles so hinnehmen, was der ,,gute Onkel Doktor ,, rät.

Das überwältigende Interesse der Bevölkerung, dass man an der großen Zahl der Besucher zeigt, die Tag für Tag in die Ausstellung strömen sieht, sieht man, dass ein hier ein Bedarf an solider Information besteht, der unter dem Aspekt der Verantwortung für die eigene Gesundheit eine ethische Rechtfertigung dieses Unternehmens begründen kann. Die sinnliche Wahrnehmung der Körperwelten durch den unmittelbaren Blickkontakt und die begreifend tastende Hand bietet eine einzigartige Erfahrung, die man nicht verpassen sollte, obwohl jeder selbst Entscheiden muss, ob er es selbst mit sich vereinbaren kann. Denn es ist schon irgendwie ein eigenartiges Gefühl durch die Reihe der Toten zu wandern - man geht durch die Gänge der Ausstellung mit all den Einzelteilen an Fäden , den menschlichen Mobiles und ganz kurz beschleicht einen der Gedanke: Wo steckt hier nur die Seele, der Geist des Menschen?. Keine Spur so scheint es. Hat Sie es je gegeben, hat sie sich aus diesen Plastinaten davongemacht, was ja allen nur recht sein kann- den Spendengebern sowie den Spendennehmern. Ich persönlich ging ohne große Vorurteile (vielleicht auch unbedacht) in diese Ausstellung und fand es sehr interessant, allerdings schie n irgendetwas in mir nicht ganz der Meinung zu sein, denn als ich mir die Leichen genauer ansah, fiel ich- was überaus peinlich war- in Ohnmacht.

Der Leiter Professor Gunther von Hagens gibt zwar an, dass alle Leichen eine Einverständniserklärung abgegeben haben, aber für mich bleibt immer noch ein kleiner Zweifel, wie z. B. ein Embryo seine Einverständnis zu seiner Ausstellung geben kann.

Trotzdem würde ich wieder diese Ausstellung besuchen, denn Sie war für mich einfach etwas besonderes und sehr informa tiv.

Literaturverzeichnis

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Hyrtl, Joseph: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 11. Auflage. Wien 1870

[...]


1 Christian Böhme, Rheinpfalz Nr. 259 vom 08.11.1997, S. Feui1

2 Die Rheinpfalz, 12.11.1998, ..was die Welt im Innersten zusammenhält, Helmut Schmitz

3 http:// www.Ausstellung 'Körperwelten' in Mannheim__.htm

4 http://www.uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauermau.htm

5 http:// www. uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerifp.htm

6 Das Gesicht als Schlachtfeld. Weil Frauen und Männer vom Drang besessen sind, jünger und besser auszusehen, boomt die Schö nheitschirurgie. In: DER SPIEGEL 52/1997, 150-155.

7 Der Brockhaus, 1990, S. 570

8 Hermann Hobmair, Pädagogik, 1996, S. 32-35

9 Jürgen Moltmann, Mensch, 1971,S. 19

10 Dietrich Dörner, Bauplan für die Seele, 1999, S. 351

11 Roger Penrose, Computerdenken, 1983, S.3

12 Dietrich Dörner, Bauplan für die Seele, 1999, S.239

13 Dietrich Dörner, Bauplan für die Seele, 1999, S.803

14 Com!Online, Frank Siering, 2000, S. 50

15 Singer, Charles: Das Zusammenfließen von Humanismus, Anatomie und Kunst. In: Zu Begriff und Problem der Renaissance. Hrsg. von August Buck. Darmstadt 1969, 326-335.

16 Rütten, Thomas und Jacobs, Stefanie: Andreas Vesal. In: Ärztelexikon von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. von Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann. München 1995, 362-364.

17 http://www.uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauermau.htm

18 Stern 42, H4, S. 128-139, 1998

19 http:// www. uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerifp.htm

20 Die Rheinpfalz, 12.11.1998, ..was die Welt im Innersten zusammenhält, Helmut Schmitz

21 Kölner Stadtanzeiger, vom 08.08.2000

22 Referat von Friedrich Schulz, Klasse 10a der Realschule

23 Searle, John R.: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Übersetzt von R. und R. Wiggershaus. 6. Auflage Frankfurt am Main 1994

24 Schmidtchen, Dieter: Markt und Wettbewerb in Gottes Welt., Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 254 vom 1.11.1997, 17

25 Wertevermittlung: "Wen halten Sie bei der Vermittlung von Werten für wichtig?" In: DER SPIEGEL 52/1997, 68

26 "Ethik", Microsoft ® Encarta ® 98 Enzyklopädie. © 1993-1997 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

27 Medizinethische Materialien ,März 1996 Heft 106 von A. Bauer: Braucht die Medizin Werte, S.100-124

28 http:// www. uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerins.htm

29 http:// www. uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerifp.htm

30 Hume, David: A Treatise of Human Nature, Being an Attempt to Introduce the Experimental

31 Ferber, Rafael: Moralische Urteile als Beschreibungen institutioneller Tatsachen. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 79 (1993) 372-392

32 http:// www. uni- heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerifp.htm

33 Die Rheinpfalz, 12.11.1998, ..was die Welt im Innersten zusammenhält, Helmut Schmitz

34 Fragen an den Mannheimer Dekan Ulrich Fischer. In: Badische Neueste Nachrichten, 17.12.1997

35 Hyrtl, Joseph: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 11. Auflage. Wien 1870

36 Dietz, Günter: Menschenwürde bei Homer.Bismarck-Gymnasium Karlsruhe. Jahresbericht 1996/97Karlsruhe 1997, 91-101.

37 Huber, Wolfgang: Menschenrechte/Menschenwürde. In: Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, 22. Berlin, New York 1992, 577-602.

38 Bleyl, Uwe: "Und was wir sind, das werdet ihr sein". Zur Würde und Unantastbarkeit der plastinierten Toten.,S.34, Editorial. In: Der Pathologe 19 (1998).

39 Die Rheinpfalz, 12.11.1998, ..was die Welt im Innersten zusammenhält, Helmut Schmitz

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Körperwelten
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Veranstaltung
Sozialethik
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
24
Katalognummer
V104902
ISBN (eBook)
9783640032044
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Körperwelten, Sozialethik
Arbeit zitieren
Sylvia Schlosser (Autor:in), 2000, Körperwelten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104902

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