Der Einfluss des Komponisten und Musikers John Cage


Hausarbeit, 2001

9 Seiten


Leseprobe


John Cage

Vorwort:

In dieser Hausarbeit soll anhand von zwei Beispielen, Unterschiede in der gemeinsamen Arbeit von John Cage und Merce Cunningham dargestellt werden. Außerdem die Einflußnahme von John Cage auf einen seiner Schüler, Irmin Schmidt.

1. 1.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Komponist und Musiker John Cage und dem Tänzer und Choreograph Merce Cunningham, die bereits Anfang der 40er Jahre begann, war über Jahre hinweg als analoge Kompositionsbasis für Tanz und Musik zu bezeichnen. Erst in den 50er Jahren begannen sich diese Strukturen dahingehend zu verändern, daß sich Zufallsoperationen ergaben, die die Basis zukünftiger Kompositionen beider Künstler blieben. Nur die Dauer der Stücke markierte ihre Gemeinsamkeit.

In den 40er Jahren bestand zwischen den Kompositionen von Cage und Cunningham die Gemeinsamkeit einer rhythmischen Struktur. Dazu kam eine innerkompositorische Übereinstimmung, welche sich in der Reihung, Modifizierung, Permutation und Verarbeitung ergab, die auch vereinzelte verabredete thematische bzw. motivische Entsprechungen hatte. Man kann daher Unterscheidungen für die Entstehung von Tanz und Musik, zwischen Cunningham und Cage, in eine Systematik bringen, die sich in sechs Punkte einteilen läßt:

1. Das zeitlich primäre Vorhandensein des Tanzes; die Musik paßt sich der Struktur des Tanzes an.

2. Die gleichzeitige Entstehung ohne Berücksichtigung einer rhythmischen Struktur.

3. Die gleichzeitige Entstehung unter Berücksichtigung einer rhythmischen Struktur.

4. Der Tänzer adaptiert im nachhinein eine schon vorhandene, nicht primär für den Tanz intendierte Musik.

5. Die gleichzeitige Entstehung unter Berücksichtigung einer Gesamtlänge, ohne gemeinsame Struktur innerhalb des zeitlichen Ablaufs von Tanz und Musik.

6. Entstehung eines zeitlich festgelegten Tanzes; die indeterminierte Musik paßt sich bei der Aufführung dieser Länge mehr oder weniger an.

Auf der Basis dieser systematischen Einteilung lassen sich die verschiedensten Kompositionen der beiden Künstler im Laufe ihrer gemeinsamen Arbeit vergleichen:

Wenn man als Beispiel das Stück "Totem Ancestor" von 1942 nimmt und dies mit der vorliegenden Systematik vergleicht, so stellt man fest, daß gerade Punkt 2 diese Systematik bestätigt.

1.2.

Noch zu Beginn der Komposition läuft die rhythmische Struktur von Musik und Tanz analog zueinander, dann allerdings (ab Takt 14) trennt sich der Tanz von der Musik. Einige Takte später, gelangen beide jedoch wieder auf ein gemeinsames, rhythmisches Motiv. Diese übereinstimmenden Überlagerungen der rhythmischen Struktur sind allerdings nur kurzzeitig, da sich die tänzerische und die musikalische Struktur erneut voneinander lösen. Diese kurzen Gemeinsamkeiten in der kompositorischen Arbeit von Cage und Cunningham, die immer wieder kehren, ermöglichen den gemeinsamen, rhythmischen Konsens beider Künstler.

Während des Stückes ergeben sich zum Teil drei verschiedene, rhythmische Schichten übereinander, dennoch entstehen, trotz Lösung des Tanzes von der Musik, Rhythmusüberlagerungen. Diese, eigentlich getrennt von einander, bestehende Übereinstimmung, resultiert aus der Tatsache, daß der Tanz ungeachtet der Musik, im viertel Rhythmus weiterläuft, während die Musik des Klaviers mit Triolen und Quintolen arbeitet. Die differenzierten Rhythmusstrukturen verdeutlichen, daß Cage und Cunningham von einander unabhängig arbeiten in bezug auf ihre Kompositionen, aber auch, daß eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, weil "durch den Rhythmus wird Tanz zu Musik und umgekehrt."1

2.1.

Eine endgültige Trennung in der gemeinsamen Arbeit zwischen John Cage und Merce Cunningham, läßt sich auf das Stück "Etcetera/ Un jour ou deux" von 1973 fixieren. Cage setzt seinen eingeschlagenen Weg der Radikalisierung beständig und konsequent fort, während hier Cunningham halt macht, um bei Choreographien für seine Dance Company zu bleiben. Es wird zwar weiterhin mit Zufallsoperationen gearbeitet, aber nicht mehr das Unbekannte gesucht.

Die Trennung beginnt allerdings bereits in den 50er Jahren, wobei sich eine direkte Form von Auseinanderleben nicht eindeutig ausmachen läßt. Cage und Cunningham operieren mehr und mehr mit dem Zufallsprinzip, jedoch getrennt voneinander. Obwohl beide Künstler immer noch gemeinsam agieren, besteht die Basis ihres Schaffens lediglich in der Länge der Stücke. Cages Kompositionen beruhen auf die, aus dem Zen Buddhismus erarbeiteten Zufallsprinzipien, indem er unter zu Hilfenahme von Würfeln eine kompositorisch, rhythmische Basis schuf. Eine andere Form von Zufall ließ Cage walten, als er zum Beispiel Sternenkarten nutzte, um ein rhythmisches Gitter zu schaffen, indem er Notenpapier auf die Karten legte und die Sterne als Noten übernahm.

Bei dem Stück "Sixteen Dances for Soloist and Company of Three" von 1951 zum Beispiel wird eine völlig andere Art der kompositorischen Zusammenarbeit zwischen beiden Künstlern deutlich. Cage und Cunningham arbeiten beide, dennoch unabhängig von einander, mit Zufallsoperationen. Die Choreographie stand bereits fest als Cage seinen musikalischen Beitrag dazu leistete. Er fertigte sich Aggregat-Kärtchen an, die er individuell der rhythmischen Struktur des Tanzes anpassen und jederzeit austauschen konnte. Cage hat dann Selbst eine bestimmte Anzahl dieser Kärtchen ausgewählt, um eine Melodienbildung oder Formschemata zu gewährleisten.

Cage und Cunningham es schaffen trotz der Zufallsoperation eine gemeinsame Ausdrucksform, zu finden. Cage arbeitet hierbei an bestimmten stellen mit Schlagzeugwirbeln und Bläsertönen, um Cunningham emotional zu stützen. Cunningham untermalt seine entladene Aggressivität mit dem Ausstoß von Lauten und unter Einbezug von Mimik Obwohl beide Kompositionen wie zufällig entstehen, haben sie doch ein Gemeinsames, nämlich die Zeit. Da beide, Tanz und Musik, Künste der Zeit sind d.h. sich in der Zeit konstruieren und in dieser Eigenschaft ähnliche Strukturen aufweisen, können sich deren akustische und visuelle Eigenschaften im Zusammenklang entwickeln. Selbst wenn im

2.2.

Moment der Aufführung, die jeweilige Kunstform dem Zufall überlassen bleibt. Die Zeit schafft ein verbindendes Element, welches reicht Musik und Choreographie, in ästhetischen Einklang zu stellen.

Wie man sieht besteht trotz der zufällig entstehenden Kompositionen und der getrennt von einander erarbeiteten rhythmischen Struktur eine Gemeinsamkeit in der Arbeit zwischen John Cage und Merce Cunningham. Es ist daher nicht direkt richtig von Unterscheidungen in der beiderseitigen Arbeit zu sprechen, noch von einem Bruch in der bisherigen Kollaboration beider Künstler. Vielmehr wird deutlich, daß sich Cage und Cunningham, getrennt voneinander, entwickelt haben und das trotz dieser jeweiligen Entwicklung eine gemeinsame Basis existiert.

Der endgültige Bruch entstand erst in den 70er Jahren, als Cage seine Form von Komposition, ungeachtet der tänzerisch, ästhetischen Entwicklung Cunninghams vorantreibt und sich Cunningham auf die Choreographie für seine Dance Company konzentriert.

3.1.

Irmin Schmidt wurde am 29. Mai 1937 in Berlin geboren. Seine musikalische Kariere begann er bereits im Alter von sieben Jahren, als Sänger im Kirchenchor. Von 1957 bis 1959 studierte er Klavier und Flügelhorn an der Dortmunder Hochschule für Musik und wurde anschließend Klavierlehrer. An der Essener Folkwang-Akademie studierte er zusätzlich Komposition und Dirigieren, was ihn zum Dirigenten des Wiener Symphonie-Orchesters werden ließ. Zu dieser Zeit begann er sich für die Arbeit von John Cage zu interessieren. Er spielte Cages "Winter Music" auf dem Klavier und dirigierte sein Werk "Atlas Eclipticalis". Während den "Darmstädter Kursen für Neue Musik" war Irmin Schmidt Schüler von John Cage.

Schmidt, der im eigentlichen Sinne ein klassischer Musikvertreter war, brach mit dieser Tradition, um seine musikalische Aufmerksamkeit auf eine andere Richtung zu lenken. Er wollte im Rahmen seiner kompositorischen Möglichkeiten, die Spontaneität jedes einzelnen Mitgliedes der Gruppe (Can) als Basis eines gemeinsamen Konzeptes erarbeiten. Obwohl Schmidt hauptsächlich mit dem Keyboard arbeitet ist und bleibt der Flügel sein bevorzugtes Lieblingsinstrument, weil alle elektronischen Instrumente sehr schnell an ihre Grenzen stoßen und sie zu weit weg vom Körper sind. "Den Klang eines Klaviers oder eines Flügels kann man mit dem ganzen Körper beeinflussen", so Schmidt Er erkannte auch während der Arbeit im Studio, daß es nicht von Vorteil sein muß, alles Aufgenommene so weit zu bearbeiten, daß eine völlig sterile Wiedergabe herauskommt.

So entstanden Kompositionen, bei denen zum Beispiel per Zufall die Gitarrensaiten als eine Art Antenne für Radiowellen genutzt wurden und somit eine zufällig, individuelle Klangwelt erschaffen werden konnte. Auch Geräusche, die außerhalb des Studios, während der Aufnahmen geschahen (vorbeifahrender Bus, spielende Kinder), wurden bewußt belassen, um dem Zuhörer die Authensität der Aufnahmen zu vermitteln.

Can experimentierten außerdem mit zufälligen Tonbandaufnahmen, die während einem Spaziergang entstanden oder sie setzten während ihrer Live-Auftritte Radioempfänger ein, deren empfangenes Programm, nicht vorausplanbar war.

Gerade hier ist der Einfluß von John Cage deutlich erkennbar, denn genau wie Cage bei seinem Stück "´4´33´´", so versucht Schmidt, bzw. die ganzen Musiker der Gruppe Can, den Einfluß von außen nicht auszuschließen, sondern als bewußte Erkennbarkeit zu belassen. Dem Hörer soll seine Umwelt, deren Vielfalt an Geräuschen, klängen und Kompositionen, verdeutlicht werden. Auch die Arbeit mit den Radioempfängern setzt eine Akzeptanz und Variabilität voraus, die bei der spontanen Aufführung auf der Bühne, immer wieder neu

3.1.

entsteht. Der Künstler, aber auch der Zuhörer muß sich unweigerlich immer wieder aufs neue mit der entstandenen Situation auseinander setzen und erkennen, daß eine Planbarkeit in der kompositorischen Struktur nicht immer als Voraussetzung gelten muß, um musikalische Wege zu bestreiten.

Genau wie Cage ließ sich Schmidt nie in eine bestimmte musikalische Schublade stecken. Er schrieb Theatermusik ( u.a. "Prometheus" von Heiner Müller, 1969), sehr viel Filmmusik ( "Flight to Berlin, von Regisseur Christopher Petit; "Messer im Kopf", von Reinhard Hauff; "Alle Geister kreisen", von Regisseur Peter Przygodda u.v.a.), eine Oper und war sogar, durch sein Interesse an der Kunst und der Bekanntschaft zu den prominenten Kunstkritiker Schulze Vellinghaus, selbst für einige Zeitungen als Kritiker tätig.

Auch die Ausdrucksmöglichkeiten des Happenings nutzte die Gruppe um Irmin Schmidt, um aus einem Auftritt für den Zuschauer nicht nur ein bloßes zusehen zu machen. Auftritte konnten sich bis zu neun Stunden erstrecken, wenn das Publikum seinen Teil zum geschehen beitrug. Die Gruppe nutzte bewußt die Provokation, aber auch das Miteinander mit dem Zuschauer, um ein aktives Konzert zu bestreiten.

Während mancher Aufritte holte sich Can zum Beispiel einen Jongleur auf die Bühne oder eine aus 12 Menschen bestehende Pyramide wurde vor der Band errichtet, um die Zuschauer zumindest optisch nicht auf die musikalischen Akteure zu fixieren. Die Musik sollte erlebt, gefühlt und emotional erhalten bleiben, sowie für das Publikum, als auch für die Musiker selbst. Trotz seiner Liebe zur klassischen Musik und seinem fortgeschrittenen Aktionismus in bezug auf experimentelle, musikalische Ausdrucksformen, scheut Schmidt nicht die Zusammenarbeit mit unbekannten Künstlern. So arbeitet er zum Beispiel schon seit 1999 mit dem Berliner Elektronikkünstler Kumo zusammen und tritt auch live mit ihm auf, wobei Schmidt am Flügel agiert und Kumo die elektronischen Instrumente bedient.

Obwohl sich Irmin Schmidt im Laufe seiner musikalischen Karriere einen Namen in verschiedenen, künstlerischen Bereichen erarbeitet hat, scheut er sich trotzdem nicht, oder gerade deshalb, genau wie Cage, neue experimentelle Wege zu beschreiten.

Literarturverzeichnis:

- Richard Kostelanetz, John Cage, Verlag M. Du Mont Schauberg

- Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehm, Musik-Konzepte, Sonderband John Cage I

- Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehm, Musik-Konzepte, Sonderband John Cage II

- Sabine Huschka, Merce Cunningham und der Moderne Tanz, Königshausen und

Neumann

- Pascal Bussy und Andy Hall, Das CAN Buch, Sonnentanz-Verlag

[...]


1 aus Silke Hilger: Cage und Cunningham, Von rhythmic structures zu Zufallsoperationen

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss des Komponisten und Musikers John Cage
Autor
Jahr
2001
Seiten
9
Katalognummer
V104793
ISBN (eBook)
9783640030996
ISBN (Buch)
9783656759843
Dateigröße
364 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
John, Cage
Arbeit zitieren
Frank Schneider (Autor:in), 2001, Der Einfluss des Komponisten und Musikers John Cage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104793

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