Massenpsychologie


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

11 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Massenpsychologie

Die Massenpsychologie wurde lange und oft als nicht existent bezeichnet, sogar von namhaften Stellen, wie z.B. dem Brockhaus Verlag, wo behauptet wurde, dass die Massenpsychologie „wissenschaftlicher Überprüfung nicht standgehalten“ habe. Dies ist wohl vor allem auf 2 Aspekte zurückzuführen. Der eine ist, dass die Massenpsychologie ausschließlich eine Geisteswissenschaft ist, dass man ihre Gesetze also nicht wie die einer Naturwissenschaft beweisen kann. Der andere dürfte sein, dass man aus den Erkenntnissen der Massenpsychologie viele Schlussfolgerungen ziehen kann oder muss, die für die meisten Menschen erschreckend oder gar unvorstellbar sind.

Zuerst einige Beispiele und Aspekte die belegen, dass es sehr wohl so etwas wie eine Psychologie der Massen geben muss: Schon in der biologischen Evolution kann man erkennen, dass eine Masse von Teilchen mehr ausrichtet als ein einzelnes. Die ersten Lebewesen waren Einzeller, doch schon bald begannen sich Zellen zu einem Verbund zusammenzuschließen. Je größer diese Ansammlung von Zellen jedoch wurde, desto nötiger wurde auch eine gewissen Organisation. Deshalb begannen die Zellen sich zu organisieren. Manche Zellen waren ausschließlich für die Verarbeitung von Nährstoffen, andere für die Nachrichtenübermittlung etc. zuständig. Andere Zellen, das zentrale Nervensystem, übernahm die Kontrolle über alle anderen Zellen und erteilte ihnen Befehle. Das Immunsystem von Lebewesen kann man als eine Art Polizei bezeichnen, die dafür sorgt, dass keine fremden Organismen in das funktionierende System aus vielen einzelnen Zellen kommt.

Diesen Vergleich kann man natürlich als weit hergeholt bezeichnen, treffender ist sicherlich der Vergleich einer menschlichen Lebensgemeinschaft mit der anderer Lebewesen, z.B. einem Wolfsrudel: Wölfe jagen und leben stets in einer größeren Gruppe und sie tun dies mit Hilfe einer strengen Hierarchie. Jeder einzelne Wolf im Rudel hat eine gewisse Aufgabe, z.B. die Betreuung des Nachwuchses oder die Nahrungsbeschaffung. Auch gibt es einen Anführer, das Alpha-Tier, der die Handlungen aller anderen Wölfe überwacht und koordiniert. Je straffer organisiert ein Wolfsrudel ist, desto erfolgreicher ist es bei der Jagd und auch in anderen Bereichen seines Lebens. Diese Struktur kann man nicht nur bei Wölfen, sondern auch bei bestimmten Primatenarten, von denen die Menschen ja abstammen beobachten und auch bei Menschen in einer Gruppe gibt es dieses Phänomen: Jeder hat bestimmte Aufgaben, die er erfüllen muss, um die Effizienz zu garantieren. Außerdem gibt es einen Anführer, der den anderen Befehle erteilt. So kann man z.B. heute rückwirkend beobachten, dass unter den Indianerstämmen Nordamerikas die am erfolgreichsten waren, die eine straffe hierarchische Ordnung hatten und als Gruppe agierten und nicht die in der jeder seinen individuellen Lebensstil verfolgte.

Dieses Denkmuster, dass sie ein Mensch in die Gemeinschaft eingliedern muss und zusammen mit ihr handeln muss ist also schon Jahrtausende alt und hat sich tief eingeprägt. Es wäre also Unsinn zu behaupten, dass man sich nicht von anderen Menschen beeinflussen läßt und nur seine individuelle Meinung vertritt. Man nennt besagte Strukturen Mechanismen der Gruppen- und Massendynamik, von ihnen später mehr.

Zuerst jedoch zur eigentlichen Massenpsychologie:

Die Massenpsychologie beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, mit Massen, genauer mit dem Verhalten von Massen, mit der Veränderung von Individuen, wenn sie eine Massen bilden und mit den Konsequenzen die daraus folgen. Der Begriff „Masse“ stammt vom griechischen „maza“ = Brotteig, den man kneten und bearbeiten kann, das englische „croud“ z.B. stammt vom mittelhochdeutschen „kroten“ = pressen. Man sieht schon an diesen Begriffen, dass eine Masse immer etwas sehr leicht von außerhalb beeinflußbar, also knet- oder pressbar ist.

Zum ersten Mal begann sich ein Arzt, Gustave Le Bon, während der französischen Revolution näher mit dieser Tatsache zu beschäftigen. Angeregt wurde er dabei von der „unheimlichen Beeinflussbarkeit der Massen“, die er bei der Belagerung von Paris und später während der gesamten französischen Revolution erlebte. Le Bon gilt sozusagen als Vater der Massenpsychologie. Ihm folgten viele andere nach und bis heute gewinnt die Massenpsychologie immer mehr an Bedeutung, begründet vor allem durch die Globalisierung, durch die ja eine immer größere Masse von Menschen immer enger zusammen wächst.

Bevor man sich jedoch mit Massen beschäftigt, muss man sich erst Gruppen zuwenden, die als Vorläufer von Massen gelten. Die Aussagen über die minimale, bzw. maximale Größe einer Gruppe variieren, ein Mittelwert wäre jedoch 3-8 Personen. Zur Bildung einer Gruppe kommt es hauptsächlich dadurch, dass sich Menschen voneinander angezogen fühlen, man spricht von natürlicher Attraktion. Doch die Mechanismen die in Gruppen ablaufen kann man auch bei künstlich zusammengesetzten Gruppen beobachten. Außer der natürlichen Attraktion gibt es noch verschiedene andere Gründe für Individuen, sich zu einer Gruppe zusammenzuschließen: alleine fühlt man sich unsicher, in einer Gruppe mit Gleichgesinnten fühlt man sich geborgen; in einer Gruppe fühlt man sich mächtig und anderen gegenüber, hier spricht man von der sog. Gruppentrance, in der die einzelnen Mitglieder häufig ein Bild von sich entwickeln, das ihrem Alltag überhaupt nicht entspricht. Menschen legen sich sobald sie eine Gruppe bilden ein bestimmtes Image zu, dass sie entwickeln und verteidigen und das sie häufig nach ihren Wunschvorstellungen gestalten. Für viele Menschen verspricht eine Gruppe auch persönliche Sicherheit. Besonders psychisch schwächere Menschen neigen dazu, sich einer Gruppe anzuschließen, mit der sie sich identifizieren können, dieser Effekt wird häufig sogar von der Wirtschaft genutzt, indem Unternehmen auf die corporate identity bauen, also auf die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz und dadurch auf ihre Treue.

Hat sich eine Gruppe einmal gebildet laufen automatisch die nächsten Prozesse ab: Die Gruppe steckt sich - bewußt oder unbewußt - Ziele, die sie erreichen will, die Rollen der einzelnen Gruppenmitglieder werden verstärkt und differenzierter, was auch eine Wirkung nach außen hin hat. Ein interessantes Beispiel dafür ist z.B. eine künstlich zusammengewürfelte Popgruppe in der jedes Mitglied seinen eigenen Spitznamen erhält, der auf seine Eigenschaften, auf sein Persönlichkeitsbild, dass er in der Öffentlichkeit vertritt, passt. Innerhalb der Gruppe baut sich - ebenfalls bewußt oder unbewußt - eine Rangordnung auf, vor allem sticht hier die Rolle des Führers heraus. Er ist der Mensch, auf den die meiste Aufmerksamkeit gerichtet ist. Eine Gruppe entwickelt auch immer eigene Normen und Verhaltensregeln, die die Gruppenmitglieder einhalten müssen um nicht Sanktionen unterworfen zu werden. Diese Sanktionen reichen über freundliche bis ernsthafte Drohungen und Ermahnungen bis hin zum Ausschluss aus der Gruppe. Ansichten die von der allgemeinen Gruppenmeinung abweichen zensieren die Mitglieder, Individuen oder andere Gruppen, die andere Meinungen vertreten verachten sie. Die Gruppe baut also die Illusion auf, dass Einstimmigkeit herrscht. Auch leiden alle Gruppen bis zu einem gewissen Grad an Selbstüberschätzung und hier zeigt die Erfahrung, dass eine Gruppe um so erfolgreicher ist, desto mehr sie dieses „Wir sind die besten“- Gefühl vertritt. Wichtig ist auch noch, dass eine Gruppe sich sehr gut stabilisieren kann, wenn es einen gemeinsamen Feind von außen gibt, dass sie jedoch oft schnell wieder zerbricht, wenn sie auf einmal ihren unterdrückten inneren Differenzen ausgesetzt ist. Da viele Gruppenführer dies wissen bauen sie oft ein künstliches Feindbild auf, gegen das die Gruppe dann vereint antritt. Zu beobachten ist dies unter anderem bei Parteien (eher eine Masse als ein Gruppe, die jedoch den gleichen Mechanismen unterliegt): Sobald die Opposition einen Fehler macht stürzt sich die Partei mit vereinten Kräften darauf, in einer Zeit ohne größere politische Probleme oder Entscheidungen finden dann oft parteiinterne Machtkämpfe und Diskussionen statt. Diese Rivalitäten zeigen, dass die Mitglieder einer Gruppe keineswegs immer einer Meinung sind, aber trotzdem wird jemand, der dies offen ausspricht weiterhin sanktioniert.

Aufgrund aller oben genannten Dinge liegt die Behauptung nahe, dass Gruppen eigentlich gar keine Vorteile mit sich bringen, dies ist jedoch nicht richtig. Gruppen sind zwar gegenüber Individuen unterlegen, wenn es um die Lösung noch nie dagewesener Probleme geht, sie sind jedoch im Vorteil, wenn es bereits vorhandene Lösungsmuster anzuwenden gilt, oder wo körperliche Leitung verlangt wird.

Im großen und ganzen kann man sagen, dass alle Mechanismen, die in Gruppen ablaufen auch in Massen vorhanden sind. Eine Masse bildet sich also, wird stärker und stärker, versucht innere Einheit zu erreichen und zerbricht schließlich wieder.

Der Unterschied zwischen einer Gruppe und einer Masse: Gruppen sind noch halbwegs überschaubar, eine direkte Kommunikation und Überwachung der einzelnen Mitglieder ist noch möglich. Bei Massen sind diese Kriterien verlorengegangen.

Elias Canetti unterschied verschiedene Arten von Massen, die jedoch nicht für alle Massenpsychologen Gültigkeit haben:

Für Canetti müssen die Mitglieder einer Masse grundsätzlich nicht alle am selben Ort sein und sie können trotzdem eine Masse bilden. Die gerichtete Masse: Mehrere Individuen richten sich gegen die öffentliche Meinung und vereinen sich schlagartig entweder selbstständig oder unter dem Einfluss eines Anführers (oft ein Redner auf einer Versammlung) zu einer Masse mit starken Interaktionen. Gerichtete Massen verfolgen immer ein klares Ziel. Die indifferente Masse: Wenn eine Masse ihre Zielsetzung nicht sofort erreicht, weil z.B. unerwartete Schwierigkeiten auftreten, so schlagen die Emotionen der Masse häufig ins genaue Gegenteil um. Dies ist vor allem für den Anführer der Masse gefährlich, der auf einmal das Feindbild darstellt und die Kontrolle über die von ihm geformte Masse verliert. Die Hetzmasse ist eine Art von Masse, die nicht ihr zugehörige Mitglieder aggressiv verfolgen, sie manchmal sogar zu Tode hetzen. Interessant ist dabei, dass die Masse ihre eigenen negativen Eigenschaften oft auf die gehetzten Personen überträgt und so quasi sich selbst hetzt. Dadurch fühlen sich die Mitglieder oft emotional aufgewertet. Ein Verbotsmasse entsteht heute meistens im Rahmen von Streiks, in denen den Streikenden, also der Masse, verboten wird ihren gewohnten Tätigkeiten nachzugehen. Umkehrungsmassen dagegen entstehen meistens durch Revolutionen. Wurde eine bestimmte Bevölkerungsschicht oder ein ganzes Volk lange unterdrückt so erhebt es sich eines Tages um sich an den Unterdrückern kollektiv zu rächen. Unter einer Fluchtmasse versteht man eine Ansammlung von Menschen, die bei Gefahr zusammen in eine Richtung flieht, weil sich die Individuen in der Gruppe sicherer fühlen als alleine. Diesen Mechanismus setzen verschiedene Staaten sogar bewußt in ihren Kriegsplanungen ein.

Die Fluchtmasse muss man immer in Verbindung mit den Erscheinungen Massenpanik und Massenhysterie sehen; also mit dem Phänomen, dass irgendwo in einer Masse, begründet oder unbegründet, Unruhe ausbricht, die sich dann gemäß dem Schneeballeffekt immer weiter ausbreitet und immer schlimmer wird. Die verheerendsten Folgen, die eine Massenpanik haben kann, lassen sich unter anderem immer wieder bei Sportveranstaltungen beobachten, wo sogar schon Menschen zu Tode kamen.

Sowohl die von Canetti beschriebenen, als auch alle anderen Arten von Massen erfüllen bestimmte Eigenschaften, zusätzlich zu den schon bei Gruppen genannten: Alle Massen sind sehr trieb- und wechselhaft und die Mitglieder setzen (vielleicht im Unterschied zu ihrem Alltag) ihre Intelligenz nicht ein, sondern tun einfach nur das, was alle anderen auch tun. Sie denken ausschließlich in sehr stark vereinfachten Denkmustern, davon später mehr. Ein besonderes Kennzeichen einer Masse ist, dass sich Meinungsbildung- und Umschwung äußerst rasch, im Extremfall sogar in Sekundenschnelle vollziehen und nur sehr schwer vorhersagbar sind. Meinungsumschwünge in Massen werden oft verursacht von ihrer ausgesprochenen Reizbarkeit, aufgrund deren schon kleinste Ereignisse zur Katastrophe führen können. Auch die bei Gruppen schon beschriebene Selbstüberschätzung ist bei Massen um ein Vielfaches verstärkt und dementsprechend wird auch ein Abweichen vom Konsens der Masse viel härter geahndet. Während bei einer Gruppe das stärkste Druckmittel der Ausschluss eines Individuums ist, geht eine Masse unter Umständen sogar so weit andere zu töten, wenn sie nicht die von der Masse vertretene Meinung ebenfalls befürworten. In einer Masse werden fast immer Verhaltensmuster an den Tag gebracht, die heute nicht mehr üblich sind, weil sie entweder kulturell oder einfach zeitlich überholt scheinen und nicht mehr in unser „zivilisiertes“ Leben passen. Ein Beispiel dafür ist, dass Menschen in einer Masse, wie schon erwähnt, kein Problem mehr damit haben einen anderen zu ermorden, wenn seine Meinung von der der Masse abweicht. Das soziale Gewissen, das uns solche Handlungen im Normalfall untersagt fällt in einer Masse völlig aus, auch individuelle Werte und Normen gelten nicht mehr. Selbst wenn jemand sich gegen dieses Phänomen wehren wollte, was wegen der Unfähigkeit zur Kritik nur äußerst selten geschieht, hätte er dazu kaum eine Chance, da nur die wenigsten Menschen in der Lage sind, den psychischen Druck, den eine Masse ausübt standzuhalten.

Einer der Hauptgründe dafür, dass Menschen sich immer wieder zu Massen zusammenschließen, bzw. dass sie es nicht schaffen aus einer bestehenden Masse „auszutreten“ ist die sog. Isolationsangst, also die Angst jedes Menschen alleine und ohne soziale Kontakte zu sein. In der Regel reagieren alle Gesellschaften auf auffallendes und ungewöhnliches Verhalten eines ihrer Mitglieder damit, dass sie dieses Mitglied ausschließen und die Angst vor diesem Ausschluss ist in uns allen verankert. Deswegen ist jeder Mensch ständig auf der Suche nach der „öffentlichen Meinung“, er will wissen was andere denken, um sich dann diesen Denkweisen anschließen zu können. Sogar im Nachhinein funktioniert dieser Effekt: Man stellte durch Untersuchungen fest, das nach Wahlen weitaus mehr Menschen angaben für die Siegerpartei gestimmt zu haben, als diese tatsächlich Stimmen erhalten hatte. Im Nachhinein wollten also möglichst viele auf der Seite der Gewinner stehen um ein Zugehörigkeitsgefühl zu symbolisieren. Durch eine Untersuchung fand man heraus, das 60- 80% aller Westeuropäer bereit ist offensichtliche Falschaussagen zu begehen, nur um von der Gesellschaft anerkannt zu werden. Auch kann man darauf schließen, dass es zum einem Teil auf Isolationsangst zurückzuführen ist, dass während des Dritten Reichs alle von den Nazis begeistert waren, nach dem verlorenen Krieg jedoch jeder von Anfang gegen Hitler war.

Aufgrund der fast immer gleichen Eigenschaften einer Masse ist es sehr einfach, sie zu manipulieren, wobei bestimmte Techniken angewandt werden:

Schon die Bildung einer Masse läßt sich künstlich herbeiführen, u.a. indem man entweder ein Idol oder ein Feindbild aufbaut dem alle anhängen, indem man enge physische Kontakte zwischen Einzelpersonen herstellt. Die wichtigste Rolle spielt jedoch die Tatsache, dass man Menschen immer wieder mit bestimmten Bildern, Schlagworten oder Stereotypen traktiert. Zu den Stereotypen: Ein Stereotyp soll immer alle Menschen der Gesellschaft gleichermaßen ansprechen und gleichschalten. Deshalb muss sich sein Niveau immer auf dem des dümmsten Mitgliedes der Gesellschaft bewegen. Andere Ausdrücke für Stereotyp sind Symbol oder geläufiges Denkschemata. Stereotypen bezwecken, dass sie, nachdem man sie lange und oft genug wiederholt hat, beim Hörer sofort gewisse Emotionen wecken, die immer sehr stark sind und vereinfacht in eine Richtung gehen und mit denen der Redner oder Anwender des Stereotyps dann weiter umgehen kann. Meistens werden Stereotypen auf ein bis zwei Schlagworte reduziert, z.B. „Ausländerhaß“ oder „Tschernobyl“. Stereotypen sind meist sehr fest verankert, da sie von Menschen sehr leicht angenommen werden. Sie repräsentieren schließlich eine vereinfachte Wirklichkeit, in der man nicht viel nachdenken muss. Deshalb haben es neue Denkansätze häufig sehr schwer sich durchzusetzen, alte Stereotypen werden häufig sogar mit Gewalt verteidigt.

Wichtig bei der Manipulation von Massen ist auch die Sprache. Sie muss sehr einfach sein (wie das Stereotyp darauf ausgerichtet, dass sie auch der Dümmste versteht). Meistens bewegt sie sich dem entsprechend auf der Sprache eines 6jährigen Kindes. Redner, die eine Masse beeinflussen wollen, müssen vor allem darauf abzielen Bilder in den Köpfen der Menschen zu erzeugen. Auch dürfen sie unter keinen Umständen die Aufmerksamkeit der Masse verlieren, da es sonst zu einem plötzlichen Meinungsumschwung kommen könnte. Deswegen schreien und gestikulieren viele Redner auch oft. Um eine Masse zu beeinflussen braucht man keine Beweise für das Gesagte, denn Beweise gelten in der Regel als Zeichen von Unsicherheit, im Gegenteil, man muss einfach Behauptungen aufstellen und diese dann immer wieder wiederholen. Einige andere interessante Aspekte:

In den vergangenen Jahrzehnten begannen die Medien eine immer wichtigere Rolle bei der Bildung und der Manipulation der Massen zu spielen, da immer mehr Menschen eine immer größere Anzahl von Medien (Zeitung, Fernsehen, Internet) zur Verfügung stehen. Dadurch ist aber nicht gewährleistet, das der Zuschauer auch mit mehr Informationen versorgt wird, da eine Nachricht bis zum Adressaten sehr viele Filter durchlaufen muss. So sind die Medien heute in der Lage regelrechte Hetzkampagnen gegen bestimmte Institutionen oder Einzelpersonen zu starten, während andere Dinge einfach wegfallen. Durch die Massenmedien (!!!) entstand sogar eine neue Form der Masse die sog. mediale Masse. Wenn man normalerweise von einer Masse spricht stellt man sich dabei immer eine Menschenansammlung vor, also eine tatsächlich anwesende präsente Masse, eine mediale Masse bildet sich jedoch dadurch, dass ihre Mitglieder alle durch das selbe Medium über etwas informiert werden, bzw. beeinflusst werden und dadurch oft gleiche Reaktionen zeigen.

Auch die Justiz spielt eine Rolle in der Massenpsychologie, denn sie entscheidet ja darüber, was rein rechtlich gesehen erlaubt und verboten ist, sie kann also z.B. durch das Erlassen von Gesetzen Menschen manipulieren. Auffällig ist, dass besonders charakterschwache Menschen häufig davon träumen Richter o.ä. werden, um ihre Komplexe damit auszugleichen. Sie wollen Macht über eine Masse anderer Menschen haben und damit deren Anführer sein.

Obwohl grundsätzlich alle Menschen dazu neigen Massen zu bilden und sich dann deren Gesetzmäßigkeiten zu unterwerfen gibt es doch Unterschiede. So neigen z.B. Frauen, ältere Menschen oder Menschen mit einem niedrigeren Bildungsniveau weitaus mehr dazu sich einer großen Gruppe anzuschließen und einem Anführer unterzuordnen als Männer, Akademiker oder Leute aus höheren sozialen Schichten. Auch hier spielt wieder die Isolationsangst eine große Rolle da diese bei den beiden genannten Gruppen unterschiedlich hoch ist. Auch das kulturelle Umfeld ist ausschlaggebend. Hierzu gibt es ein erschreckende Studie: Man stellte fest, dass es Länder mit hoher sozialer Integration und damit hohe Neigung zu Massenbildung gibt (z.B. die skandinavischen Völker) und auf der anderen Seite sehr individualisierte Völker (z.B. Franzosen). Durch einen Versuch fand man heraus, dass man 80% aller Norweger dazu bringen könnte, einen Menschen zu Tode zu quälen, jedoch nur 60% aller Franzosen. Dieser Versuch zeigt also, dass wie gesagt manche Völker mehr von oben herab beeinflussbar sind, andere weniger.

Nun zu 5 Wissenschaftlern, die sich mit der Massenpsychologie befasst haben und zu ihren Erkenntnissen:

Gustave Le Bon, der bereits erwähnte Vater der Massenpsychologie sah Massen als etwas eher negatives an, er meinte das Ziel der Massenpsychologie müsse es sein herauszufinden, wie man die Bildung von Massen verhindert. Auch beschäftigte sich Le Bon eingehend mit der Verhältnis der Massen zu Politik, über das ich später noch reden möchte. Er meinte das es sehr gefährlich sei, die Massen Politik machen zu lassen und das selbst Parlamente nicht unvoreingenommen handeln und entscheiden würden.

Ortega y Gasset war den Massen gegenüber nicht ganz so negativ eingestellt wie Le Bon, er sah den Aufstand der Massen als etwas positives. Trotzdem war er dagegen, dass die Massen politische Gewalt haben sollten. Er vertrat den Standpunkt, dass die beste Gesellschaftsform die Aristokratie sei, da er an die Ungleichheit der Menschen, also an eine überlegene, aristokratische Herrscherschicht glaubte.. Ortega y Gasset war im übrigen einer der Ersten, der ein vereintes Europa forderte.

Peter R. Hofstätter war eigentlich eher ein Kritiker der Massenpsychologie, dessen Haltung sich erst in sehr späten Jahren änderte. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Gegensatz zwischen Gruppendynamik und Massenpsychologie. Für ihn ist es Kennzeichen einer Masse, dass ihre Mitglieder nicht mehr miteinander kommunizieren können und eine Masse deswegen im Gegensatz zu einer Gruppe keine berechenbare Leistung mehr erbringt. Hofstätter glaubt auch daran, dass es nur äußerst selten zu einer Massenbildung käme.

Auch Sigmund Freud beschäftigte sich mit der Massenpsychologie. Freud meint, dass ein Führer der Auslöser für die Bildung einer Masse ist und das eine Masse sich vergrößert, indem Menschen die andere im Affekt handeln sehen ebenfalls im Affekt zu handeln beginnen und so ein Teil der Masse werden. Für Freud bleibt die Masse immer sehr stark vom Führer/ von den Führern abhängig, kann also gar nicht ohne ihn bestehen.

Wilhelm Reich war ein Anhänger der sog. linken Massenpsychologie, die von Schülern Freuds entwickelt wurde. Sein Hauptanliegen war es Strukturen in Massen, vor allem von Massen in Diktaturen zu analysieren und die Massen dadurch zu befreien. Für Reich lag der Hauptgrund, warum Menschen Massen bilden in der Kindheit und in der unterdrückten Sexualität jedes Einzelnen (siehe Freud). Eine Masse hat jedoch laut ihm die Möglichkeit sich zu befreien, indem sie eben diese Unterdrückung überwindet.

Wie schon bereits erwähnt neigen Massen dazu sich einen Führer unter ihresgleichen zu suchen und ihm bedingungslos zu folgen (s. Drittes Reich). Der Grund hierfür ist hauptsächlich, dass die Mitglieder einer Masse ja zu einem großem Teil ihre Individualität verloren haben und deshalb bis zu einem gewissen Grad alle gleich geworden sind. Nun suchen sie jemand der aus der Masse hervorsticht und in der Lage ist, ihr Befehle zu erteilen. Dieser Führer muss bestimmte Qualitäten haben und zuvorderst muss er frei von Isolationsangst sein, denn er vertritt ja seine Meinung zuerst völlig alleine bevor sich ihm andere anschließen. Er muss also den Mut haben sich von den anderen abzusondern und ohne Rücksicht auf die aktuelle Meinung seine eigene Einstellung kund tun, was vielen Menschen äußerst schwer fallen würde. Außerdem muss ein zukünftiger Anführer einer Masse natürlich ein äußerst gewandter Redner sein, der die oben genannten Mittel zu nutzen weiss, schließlich muss er „seine“ Masse zusteuern wissen, soweit dies überhaupt möglich ist. Auch muss ein Anführer ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung mitbringen, da er nur so wirklich glaubhaft vor einer Masse stehen und reden kann. Gleichzeitig muss sich ein potentieller Anführer aber auch so volksnah geben, dass sich jedes einzelne Mitglied der Masse völlig mit ihm identifizieren kann und auch für eventuelle Fehler des Anführers Verständnis hat.

Hat sich eine Masse erst einmal einen Führer erkoren so folgt sie ihm dann meist bedingungslos und bis in den totalen Zusammenbruch hinein.

Aufgrund all der gerade beschrieben Dinge dürfte wohl klar sein, dass es sich hierbei wohl um die perfekte Umschreibung einer Diktatur mit ihrem Führerkult, ihren Massenaufmärschen und mit den im Notfall sogar durch Gewalt verteidigten extremistischen Anschauungen handelt.

Wie sehr eine Diktatur der Abhängigkeit der Masse vom Führer bedarf zeigt sich z.B. an der Diktatur Francos in Spanien. Solange er noch lebte, hatte die Diktatur Bestand, als er jedoch starb und der Masse somit der Führer genommen wurde konnte auch die Diktatur nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Auch Mussolini und Hitler bedienten sich der Massenpsychologie, v.a. der Ideen Le Bons, doch während Mussolini dies sehr offen zugab, hielt sich Hitler in Bezug darauf eher bedeckt. Zwar bestätigen viele Zeitzeugen, dass er Le Bons Werk sehr gut kannte und Erkenntnisse daraus in „Mein Kampf“ verwendete, Hitler selbst gab dies aber nie offen zu.

Wie eingangs schon erwähnt war die Massenpsychologie lange sehr umstritten u.a. wegen der erschreckenden Konsequenzen die man aus ihren Erkenntnissen ziehen kann. Mann könnte sich zum Beispiel fragen ob Demokratie überhaupt sinnvoll ist. Menschen neigen dazu sich von anderen in hohem Maße beeinflussen zu lassen und einfach „irgendjemandem“ hinterherzulaufen, wenn er sie nur dementsprechend behandelt. Wenn man dies weiss, kann man dann tatsächlich noch erwarten, dass bei Wahlen wirklich jeder auch das wählt was er will und nicht das, was ihm von irgendjemandem beigebracht wurde. Man kann also sagen rein massenpsychologisch wäre Demokratie Unsinn eine fähige, nicht beeinflussbare Führungsschicht die für alle entscheidet wäre besser, es ist jedoch fraglich, ob dies auch ethisch vertretbar wäre.

Letztendlich kann man wohl die Frage ob es Massenpsychologie gibt eindeutig mit ja beantworten, es gibt sie und sie wird wohl in den nächsten Jahren durch die Globalisierung immer wichtiger werden, v.a. in der Politik.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Massenpsychologie
Note
14
Autor
Jahr
2001
Seiten
11
Katalognummer
V104678
ISBN (eBook)
9783640029938
Dateigröße
354 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Massenpsychologie
Arbeit zitieren
Katrin Reil (Autor:in), 2001, Massenpsychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104678

Kommentare

  • Gast am 5.11.2004

    Führungskräfte.

    Vieles kann man sich vom Narzißmus herleiten. Selbstwertschwache personen neigen dazu ihre individualität aufzugeben, werden abhängig und nehmen die identität anderer, bzw der masse an. sie fühlen sich durch das image der masse aufgewertet und bauen mehr oder weniger auf ihr ihr selbstwertgefühl. das image ist oft sehr hochgesteckt und übertrifft die realität um weiten, nennt sich gruppennarzißmus bzw patriotismus. bricht jedoch das image zusammen, so bricht auch das selbstwertgefühl der einzelnen mitglieder zusammen, die isolationsangst kommt hinzu. die mitglieder werden traurig und reagieren mit wut.
    Als führungskräfte kommen autonome personen mit stabilem selbstwertgefühl in frage die wissen was sie wollen.

    mfg Paul

  • Gast am 2.8.2002

    Übermensch - Untermensch?.

    Der Text ist in seiner Grundaussage sehr stark an Nietzsche angelehnt.

    Ich halte eine solche Geschichts- und Menschenbetrachtung bzw. Interpretation für falsch.

    Menschen haben Angst, weil die gesellschaftlichen Umstände instabil und die große Mehrheit der Menschen nun einmal nicht so reich ist, daß sie sich lohnunabhängig fühlen könnte.

    Das es inmmer Menschen die die geborenen Anführer sind und solche die die geborenen Untertanen sind, halte ich für Schwachsinn.
    Reiche und mächtige Menschen nutzen häufig ihre Vormachtsstellung gegenüber anderen Menschen aus.Deswegen sind sie noch lange nicht die klügeren oder kompetenteren Menschen. Ich würde eher behaupten sie sind dann das Gegenteil davon.

    Die Individualsozialistion spielt bei der Betrachtung von Menschen eine enom wichtige Rolle. Das Angst- und Zwangsverhalten von individuellen Menschen liegt in ihrem vergangenen und gegenwärtigen gesellschaftlichem Sein begründet!

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Titel: Massenpsychologie



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