Ist Ich ein anderer?


Elaboración, 2001

4 Páginas, Calificación: sehr gut


Extracto


Ist Ich ein anderer?

Die Frage beinhaltet eine Suggestion. Darauf ist zu Anfang hinzuweisen: Durch die Entpersonalisierung des Ichs durch die „Ist...“-Frage wird entweder a priori eine falsche Annahme getroffen oder aber ein Ergebnis vorweggenommen. Auch bei der Frage in der „Bin...“-Form hätte man dies nicht vermeiden können. Von beiden Fragestellungen aus muß man, Heidegger recht verstanden, zum gleichen Ergebnis kommen. Die Frage kann in der Terminologie Heideggers in beiden Formen gestellt werden. Das wird im Rahmen dieses Essays, gewissermaßen als „Nebenprodukt“ bei der Behandlung des Themas klar werden.

Nachdem aufgezeigt wird, dass Heidegger klare Aussagen zur Fragestellung dieses Essays macht, sollen diese Aussagen zu Aussagen über die Eigentlichkeit in bezug gesetzt und diskutiert werden.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass auf die Frage ontologisch eingegangen wird. Ontisch ist die Frage weniger kritisch - der gemeine Mensch auf der Straße wird sie nicht stellen und Heidegger selbst beschreibt die Grundbestimmtheit des Daseins als Jemeinigkeit, das Seiende, das je ich bin, als reine Anzeige einer ontologischen Verfassung und zugleich als oberflächliche ontische Beschreibung des Daseins als Ich - und nicht als Andere1. Gleichzeitig muß darauf hingewiesen werden, dass sich auch ontisch ein Ich-Seiender (Individuum) nie ohne die Abgrenzung von und Bestimmung durch andere Seiende gleicher Art selbst als „Ich“ finden wird: „Ohne andere kein ich“. Das ist trivial, wenn man davon ausgeht, dass die Substanz des Menschen das synthetische Gebilde von Seele und Leib ist. Sucht man, wie Heidegger, die menschliche Substanz in seiner Existenz, kommt man von den kategorialen Bestimmtheiten des Menschen zu seinen Existenzialien. An dieser Stelle soll deshalb die kurze ontische Behandlung des Themas einer ontologischen Betrachtung weichen.

Am Anfang der Betrachtung werden zwei Existenzialien des Daseins festgestellt: Das „Mit“ und das „Auch“. Das Existenzial des „Mit“ hat das Dasein aufgrund der Tatsache, dass es nie „allein“ „in“ der Welt ist, sondern sie immer schon aufgrund dieses mithaften In-der-Welt- seins mit den Anderen teilt. Das „Auch“ beschreibt die Existenz als je gleichheitlich besorgendes In-der-Welt-sein. Ist die Art und Weise des Besorgens der Existenz, also sein Erwarten, Verhüten und Betreiben, aber bei allen „Ich“en die Gleiche und nimmt man dabei die Aussage Heideggers für wahr, dass das Dasein sich zunächst in dem umweltlich besorgten Zuhandenen findet2, so liegt, unter der Berücksichtigung, dass das besorgte Zuhandene sich beim einen oder anderen nicht unterscheidet (unterscheiden kann)3, nahe, dass sich das besorgende Ich existenzial nicht mehr von Anderen unterscheidet. Die Anderen sind damit die, von denen man sich nicht unterscheidet und unter denen man im existenzialen „mit“ auch ist. Heidegger: „Der Andere ist eine Dublette des Selbst“4.

Der eben durchgeführte Beweis war mit darauf gestützt, dass das Dasein sich zunächst in dem umweltlich besorgten findet. Nun kann man das gleiche Ergebnis auch von dem Begegnen aus der umweltlichen Mitwelt durch das je eigene Dasein und damit auch des Mitdaseins Anderer ableiten: Geht das Dasein in seiner Seinsweise des Mitseins zu den Anderen in der von ihm besorgten Welt5 auf und gilt das existentiell für das Dasein schlechthin, so besteht in der Tat kein existenzialer Unterschied zwischen je meinem Dasein und jenem Anderer. „Jeder ist der Andere und Keiner er selbst“6 - das Dasein als Mensch kann sich nur kategorial unterscheiden. Denkbar sind individuelle phänotypische Ausprägungen des Körperdings. Ein existenzialer Unterschied zwischen „Ich“ und „Anderen“ kann weder im Sosein zu nicht in der Seinsform des Daseins (sonst Seiendem), noch im Mitsein zu Anderen festgestellt werden. Heideggers Ausführungen über das „Man“7 vertiefen dieses Ergebnis und geben ihm einen tragischen Charakter: „Nicht es [das Dasein] selbst ist, die Anderen haben ihm das Sein abgenommen“8 ; „Dieses Miteinandersein löst das eigene Dasein völlig in der Seinsart ‚der Anderen’ auf, so zwar, dass die Anderen in ihrer Unterschiedlichkeit und Ausdrücklichkeit noch mehr verschwinden“9 ; „Zunächst „bin“ nicht „ich“ im Sinne des eigenen Selbst, sondern die Andern in der Weise des Man“10 sind Resultate dieser Betrachtungen. Wobei der letzte Satz für die Eingangsbemerkung dieses Essays beachtlich ist: Das „bin“ in Anführungszeichen zeigt an, dass Heidegger hier einen Begriff im Wortgebrauch der gewöhnlichen Sprache verwendet, obwohl, wenn überhaupt, nur ein vages Verständnis von diesem Begriff vorhanden ist. Heidegger hätte - ebenfalls in Anführungszeichen - auch „ist“ schreiben können, nur dass er diese Schreibweise wohl verwendet hätte, wenn er den zitierten Satz positiv formuliert hätte.

Nach den erzielten klaren Ergebnissen ist jedoch zu fragen, ob die getroffenen Aussagen nicht zu anderen Thesen Heideggers in Widerspruch stünden. Für die Jemeinigkeit können wir das, wie oben angedeutet, verneinen, weil diese Bestimmung des Daseins lediglich eine ontologische Verfassung anzeigt. Bei den Aussagen zur Eigentlichkeit wird es komplizierter. Vom negativen ausgegangen kann man sagen, dass die Aussagen, die durch die Beschreibung innerweltlich begegnet. Dieses Seiende ist weder vorhanden noch zuhanden, sondern ist so, wie das freigebende Dasein selbst [...] ...“Welt“ ist auch Dasein.“ (Sein und Zeit, S. 118). Die Welt ist selbst also existentiell. des Daseins als -ins Uneigentliche verloren- und durch die Feststellung des existenzialen Charakter des Mans getroffen worden konnten, durchaus in die gleiche Richtung gehen: Beide Begriffe gründen in einer bestimmten Weise in der Durchschnittlichkeit des Daseins11 und sowohl über die Uneigentlichkeit als auch über das Man wird die Aussage getroffen, dass mit den Begriffen das Dasein in voller Konkretion beschrieben und aufgezeigt wird. Im Umkehrschluß kann gefolgert werden, dass der existenziale Charakter des Mans und das Sich- zueigen-sein als Eigentliches im Widerspruch stehen. Das wird plausibel, wenn man die Eigentlichkeit als „sich zueigen sein“12 durch den Ausdruck „bei sich selbst sein“ vereinfacht. Bei sich selbst sein könnte sich adversativ zu „Man“ als „jeder ist der Andere und keiner er selbst“ verhalten. Heidegger bietet als Lösung für diesen Konflikt an, dass das eigentliche Selbstsein nie als zweiter, wirklich selbstiger Zustand des Daseins neben dem Zustand als Man gesehen werden darf, sondern als „eine existentielle Modifikation des Mans als ein wesenhaftes Existenzial“13 begriffen werden solle. Diese Behauptung Heideggers bleibt im wesentlichen unerklärt. Ich möchte sie aus folgendem Grund nicht stützen: Nimmt man das Ich als Postulat des Selbst und ist das Selbst sich zueigen im Sinne der Eigentlichkeit, so widerspricht dies den Charakteristika von Uneigentlichkeit und Man. Im Rahmen des diskutierten Spannungsfeldes kann ich mit Heideggers Philosophie also keine Antwort auf die Themenstellung des Essays geben. Plausibel schiene es mir jedoch, die existenziale Verfassung des Daseins als Man bzw. die Verfallenheit ins Uneigentliche als Zustand des Daseins anzusehen, der zunächst und zumeist das Dasein bestimmt. Dann könnte „Ist Ich ein Anderer“ im Sinne der geführten Betrachtungen klar bejaht werden. Die Eigentlichkeit würde als zweite, jeeigene Verfassung des Daseins in seiner Selbstbezogenheit existieren.

[...]


1 Sein und Zeit, S. 114

2 Sein und Zeit, S. 119

3 Das kann es nicht: Die Zuhandenheit ist die Seinsart von Zeug. Zeug kann unterschieden werden in Werk-, Fahr-, Nähzeug und dergleichen. Relevant wäre ein existenzialer Unterschied - den es aufgrund der kategorialen Bestimmtheit von Zeug aber nicht gibt.

4 Sein und Zeit, S. 124

5 Wobei im „Welt“-Begriff selbst schon Dasein liegt: „Die Welt des Daseins gibt [.] Seiendes frei, [... das] gemäß seiner Seinsart als Dasein selbst in der Weise des In-der-Welt-seins „in“ der Welt ist, in der es zugleich

6 Sein und Zeit, S. 128

7 vgl. Sein und Zeit, S. 126 ff.

8 Sein und Zeit, S. 126

9 ebenda

10 Sein und Zeit, S. 129

11 vgl. Sein und Zeit, S. 43 und S. 127

12 vgl. Sein und Zeit, S. 42

13 Sein und Zeit, S. 130

Final del extracto de 4 páginas

Detalles

Título
Ist Ich ein anderer?
Universidad
University of Regensburg
Calificación
sehr gut
Autor
Año
2001
Páginas
4
No. de catálogo
V104596
ISBN (Ebook)
9783640029181
Tamaño de fichero
327 KB
Idioma
Alemán
Notas
ein Essay.
Palabras clave
Heidegger, "Sein und Zeit", Jemeinigkeit, Man, Selbst
Citar trabajo
Dora Es (Autor), 2001, Ist Ich ein anderer?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104596

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