Schlegel, Friedrich - Über die Unverständlichkeit - Erörterung


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

3 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Erörterung zu Friedrich Schlegel „Über die Unverständlichkeit“

Das Athenäum, dem dieser Beitrag „Über die Unverständlichkeit“ entnommen ist, erschien sechs Mal in den Jahren 1798-1801. Es wollte das Gespräch zwischen gebildeten und philosophierenden Menschen des Zeitalters vorleben.

Der Artikel bezieht sich auf die vielen Anklagen der Zeitgenossen, dass das Athenäum völlig unverständlich sei. Schlegel versucht hier - auf eine ihm typische sehr ironische Art und Weise mit vielen rhetorischen Fragen - die Ursachen dieses Unverständnisses zu erklären und Ansätze für Möglichkeiten des daraus- Entkommens zu zeigen. Hierbei geht er insbesondere auf das Zeitalter, die Ironie und die Unverständlichkeit an sich ein.

Besonders auffallend und bemerkenswert fand ich, dass dies eine der wenigen mir sofort verständlichen und (hoffentlich) im Schlegelschen Sinne witzigen Abhandlungen ist.

Schlegel beginnt damit, zu erklären, wie er dazu kommt, über manche Dinge zu schreiben (und über andere nicht). Es gebe Dinge, die es entweder in sich haben, dass man über sie nachdenkt oder dass sie irgendetwas in uns anregen, über sie nachzudenken. Wenn man erst einmal begonnen hat, sich in sie hineinzuversetzen, verstrickt man sich immer und immer tiefer in die Materie, dass man in seinen Darstellungen zum einen zwar spezieller (da man immer weiter vordringt), zum andern aber beschränkter (da man sich selbst auskennt, muss man nicht mehr soviel erklären, womit dann natürlich ein anderer Probleme bekommt zu folgen) wird. Dabei unterstützt wird man von Menschen, mit denen man in geistigem Austausch steht, was einen auf völlig neue und möglicherweise konträre Gedanken bringen kann.

Bei auf solcher Manier entstandenen Ideen findet er es am interessantesten, herauszufinden ob eine reelle Umsetzung dieser überhaupt möglich ist oder nicht. Eine perfekte Möglichkeit dafür sieht er sowohl im Schreiben als auch im Lesen des Athenäums. Für Schlegel sollte das Leben grundsätzlich nur aus Lehren und Lernen bestehen. So konnten die direkten Gesprächsteilnehmer im Laufe eines Beitrages sich gegenseitig ergänzen, zu neuen Ideen anregen und berichtigen, um sich immer weiterzubilden. Diese Gespräche, Briefe und Kommentare nachzuvollziehen, aber vor allem, sich weitergehend seine eigenen Gedanken zu machen, war der Leser des Athenäums angehalten.

Und Schlegel fand hierzu berechtigte Hoffnung, dass diesem vorgelebten Beispiel tatsächlich gefolgt würde. Das ihm moderne Zeitalter wurde begonnen „kritisches Zeitalter“ genannt zu werden. Wie er es sagte, durften die Künstler nun hoffen, dass sich die Menschheit bald erhebe und lesen lernte. Es wurde wohl alles kritisiert, was den Kritikern unter die Finger kam - bis auf das Zeitalter selbst. Um kritisieren zu können, muss man sich selber im Laufe der Zeit immer mehr bilden (andere Kritik hätte Schlegel vermutlich auch gar nicht anerkannt) und somit immer mehr lesen, in die Materie hineinsteigen und irgendwann dahinter, um diese zu durchschauen. Somit, da es ja immer mehr Menschen augenscheinlich taten, hätte es bald ein sich immer weiter bildendes, verständiges Publikum gegeben. Schlegel macht dies an einem sehr bildhaften Beispiel deutlich - der Herstellung von Gold. Gritanne meinte, dass im 19. Jahrhundert jeder Künstler und Chemiker werde Gold herstellen können.

Dazu meinte Schlegel, dass nun, da das 19. Jahrhundert so nah sei, jeder Künstler mit Freuden hungern werde, da er sicher sein könne, bald seine Werke auf Silbertafeln mit goldenen Buchstaben niederbringen könne. ABER: Gritanne ist tot und weit davon entfernt Gold herstellen zu können und höchstens eine eiserne Gedenkmünze ihm zu Ehren gestanzt werde. Diese beißende Ironie des Schicksals zeigt auch, wie es wohl mit der verständigen, sich bildenden Leserschaft aussehen wird - nicht anders als vorher. Außerdem wäre ein allzu einsichtiges und durchblickendes Publikum auch nicht der Traum Schlegels, denn verstünde es alles, würde es sich nicht mehr bilden und der Leitgedanke der Romantik ist schließlich das ewige Streben, die ewige Bewegung hin zur totalen, göttlichen Erkenntnis; und Stagnation - selbst auf der höchsten Ebene - wäre trotz aller Gebildetheit Rückschritt. - „Eine klassische Schrift muss nie ganz verstanden werden können. Aber die, welche gebildet sind und sich bilden, müssen immer mehr draus lernen wollen.“

Womit er bei der Unverständlichkeit an sich angekommen wäre, deren Ursache, logisch konstatiert, im Unverstand liegen müsse. Jedoch meint Schlegel, dass Unverständlichkeit relativ sei und vor allem auf verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Richtungen kommen könne. So wird zum Beispiel ein dargebotenes Missverständnis nicht aufgegriffen, sondern es kommt von ganz anderer Seite, wo man nie damit gerechnet hätte, da dies eigentlich ausgeschlossen war (sei es durch vorhergehende Erläuterung oder Gewöhnung an manche Ansichten).

Die schwerwiegendste Ursache des Unverständnisses liegt in der Unzureichendheit der Sprache, die ein undurchschaubares Mysterium sei. Es gibt zwei Auswege aus diesem Debakel - zum einen eine „reelle“ Sprache, mit der alles erklärt werden könne und die dieses Mysterium Sprache entschlüsseln könne (in der Theorie von Kant angedacht), zum anderen eine derartige Überspitzung jedes Unverständnisses, dass die Wahrheit dahinter ersichtlich werden müsse. Beides sind jedoch so gut wie unmögliche Ideen (siehe Anfang), da man weder allen Menschen eine neue Sprache beibringen kann und diese außerdem niemals alles umfassen kann, denn dann wäre sie ja eben dieses Ersehnte, Göttliche, Ewige, was nie erreicht werden kann. Die zweite Variante ist schon wahrscheinlicher, jedoch würde dies einen Leser erfordern, der die Überspitzung erkennt, bzw., einen Autor, der genau den Punkt kennt, bis zu dem er es treiben muss, um erkannt zu werden. Überdies müsste dann wohl die gesamte gebildete Menge mehr oder weniger homogen sein, was aber auch wieder durch die verschiedenen, sich ergänzenden Gedankengänge (siehe Anfang) ausgeschlossen ist. Somit kann das Unverständnis nicht als etwas Schlechtes proklamiert werden, da es immer weiter zum Nachdenken, was ja im Sinne der Romantiker ist, anregt. Des weiteren ist sich Schlegel sicher, dass es für den „normalen“ Menschen erschreckend wäre, auf einmal die ganze Welt und ihre Zusammenhänge zu verstehen. Er sieht die Menschheit auch nicht als boshaft und dumm an, sondern nur als ungeschickt und neu. Sie müssen also lernen, um die Welt - ansatzweise - zu verstehen. Denn wäre jeder mit einem Mal vollständig wissend, würde sich niemand mehr bilden wollen. Jedoch ist Schlegel der Ansicht, dass die Grundsätze der Erkenntnisgelangung durchaus mitgeteilt werden dürfen. Dies tut er abschließend in einem Gedicht, dessen Quintessenz es ist, dass die gebildeten und sich bildenden Menschen bisher nur wenige sind. Sie konnten aber schon einigen beibringen, sich für ihre eigene Bildung zu interessieren und diese in Angriff zu nehmen, wobei jeder eine Art Bildung hat und nicht automatisch dumm ist, nur weil sich seine Bildung, Weltanschauung, Lebenseinstellung usw. von der eines anderen unterscheidet.

All die Unverständlichkeit des Athenäums habe aber auch einen Trost, denn, da die Zeitschrift schon als unverständlich eingestuft, dies also erkannt wurde, lässt es hoffen, dass dieser Zustand nur vorübergehend ist.

Eine weitere und grundsätzliche Ursache dafür liegt bei der sich durch das gesamte Athenäum ziehenden und schlängelnden Ironie - mal durchaus offensichtlich, mal sehr versteckt, so dass der Leser kein „Rezept“ befolgen kann, um herauszufinden, was ernst gemeint ist und was genau entgegengesetzt zu dem Geschriebenen. Hierzu eine Lösung wäre nur in einer einzigen großen, alles umfassenden Ironie zu finden - die ebenso unmöglich zu finden ist, wie eine „reelle“ Sprache. Nur hat Schlegel viel zu viel Spaßan eben jenen kleinen Spitzfindigkeiten, um die Ironievielfalt für eine offensichtliche aufzugeben. So erfreut er sich schließlich auch daran, dass Künstler wie Shakespeare noch Jahrhunderte später ihre sie vergötternden Anhänger mit eben jener kaum zu definierenden Ironie aufs Glatteis führen.

Zusammenfassend muss ich zu diesem Text sagen, dass er mir persönlich sehr viel näher gebracht hat, als die gesamte „Lucinde“ es konnte. Dieses feine Spiel mit dem Leser, um ihm selber zu zeigen, in wie weit er die Unverständlichkeit verstanden hat oder nicht, fand ich sehr interessant und durchaus fesselnd. Dies entspricht wahrscheinlich der Idee des Artikels, dass man für sich selbst ein bisschen mehr von seinem Unverständnis versteht und somit beginnt dieses zu begreifen und sich erst einmal damit auseinanderzusetzen.

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Schlegel, Friedrich - Über die Unverständlichkeit - Erörterung
Note
gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
3
Katalognummer
V104568
ISBN (eBook)
9783640028924
Dateigröße
329 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schlegel, Friedrich, Unverständlichkeit, Erörterung
Arbeit zitieren
Anke Köhler (Autor:in), 2000, Schlegel, Friedrich - Über die Unverständlichkeit - Erörterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104568

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