Isotopienanalyse


Ausarbeitung, 2001

4 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
a) Analyse der linear-dynamischen Struktur von Texten
b) Analyse der räumlich-statischen Struktur
c) Strukturale Semantik
d)das strukturale Verfahren der Bedeutungsanalyse

2. spezifisch poetische Strukturen von Texten

3. Ordnung der poetischen Strukturen mit Hilfe eines Grundmodells der Poetizität

4. Resümee

1. Einführung

Um Lyrik analysieren zu können, muss der Betrachter geeignete Ansatzpunkte für die Erschließung von Texten kennen. Deshalb muss er wissen, nach welchen Prinzipien Texte strukturiert sind.

Grundsätzlich lassen sich zwei Prinzipien der Textstruktur unterscheiden:

1) lineardynamische Struktur:

Sie besteht aus verschiedenen aufeinander bezogenen Sinnabschnitten, die eine zusammenhängende Handlungsabfolge, Zeitabfolge oder - in den meisten Fällen - eine Abfolge von Argumenten ergeben. Zuallererst sollte man sich bei einer Textanalyse an den äußeren Gliederungsmerkmalen (wie etwa dem Druckbild oder den Satzgrenzen, den sog. sentence and clause boundaries) orientieren.

Gedichte machen es durch die Einteilung in Strophen und die Verwendung von Zeileneinzügen (indented lines) besonders einfach. Eine weitere Hilfe bieten auch Funktionswörter wie but, yes, oder so (sequence forms). Sie sind oft ein wichtiger Zugang zum Sinnverständnis eines Textes.

2) räumlich-statische Struktur:

Sie erscheint als eine Kette von Sequenzen, sowie eine Konstellation von gleichzeitig präsenten Elementen - Begriffen, Werten oder Figuren. Dies ist besonders wichtig bei Gedichten.

Diese Struktur wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, die den sinnvollen Zusammenhang des Textes garantieren. Die dem Text zugrundeliegende Situation ist die am deutlichsten greifbare Ebene der Kohärenz (= Zusammenhang). Der Sprecher eines Gedichts (the poetic persona) und sein Adressat (the addressee) sind häufig nicht einfach der Autor und sein Leser, sondern fiktive Figuren wie etwa ein Liebhaber, der sich an seine Geliebte wendet oder etwa ein Toter, ein Tier oder ein bloßer Gegenstand. Man sollte also Textelemente, Zeitadverbien, Ortsadverbien, Personal - und Demonstrativpronomina genauer betrachten. Enthält ein Text jedoch keine textinterne Kommunikationssituation, wird die Kohärenz oftmals durch bestimmte Bedeutungsmuster (die Wiederkehr sinnverwandter Wörter; patterns of meaning) garantiert.

Mitte der 60er Jahre wurde die Strukturale Semantik von A. Greimas entwickelt. Jedes Lexem setzt sich aus Sememen (= minimale Bedeutungseinheiten) zusammen.

Bsp.: boy = +living +human +male etc.

tree = +natural +wooden +green

Klasseme: im Textzusammenhang dominant gesetzte ,

wiederkehrende Seme

Wenn solche Klasseme sich zu einem größeren

Bedeutungsmuster vereinen, bezeichnet man das als ISOTOPIE.

ISOTOPIE: von griechisch „iso-topos“: gleicher Ort, gleiche Ebene. bestehen aus :

a) Oppositionen

(z.B. Kultur vs. Natur; Leben vs. Tod)

b) parallele Bedeutungsmuster

(z.B. Natur und Religion in romantischen Gedichten)

das strukturale Verfahren der Bedeutungsanalyse:

Schritt 1: Zerlegung der einzelnen Wörter in Seme, und Suche nach wiederkehrenden Elementen.

Schritt 2: Verzeichnung aller ermittelten Bedeutungsmuster

Schritt 3: Ordnung in Parallelität, Opposition und Suche nach Isotopie

Bsp: John Wains Poem Without a Main Verb

2. spezifisch poetische Strukturen von Texten

Zuerst sucht man nach den Gundmerkmalen, welche die poetische Funktion der Sprache von der Normalsprache unterscheiden. Danach muss man die gedichtstypischen Stilmittel (Reim, Rhythmus, Metaphern etc.) anhand dieser Merkmale erklären, um weitere Verfahren ableiten zu können.

Jakobsons Kommunikationsmodell:

Allen 6 Faktoren dieses Modells (Sender, Botschaft, Kanal, Empfänger, Kontext, Code) lässt sich eine besondere Sprachfunktion zuordnen, die sich in den Texten unterschiedlich ausprägt.

foregrounding: Statt des signifiés tritt das signifiant in den Vordergrund Eine Dominanz der poetischen Sprachfunktionen führt zu einer „ Entautomatisierung “ der Wahrnehmung der Sprache und bewirkt deren „ Verfremdung “ und „ Aktualisierung “.

Erreicht wird ein foregrounding durch:

- sprachliche Wiederholung, Rekurrenz (linguistic repetition)
- Parallelismus
- Äquivalenz (d.h. Gleichwertigkeit von Teilen der Sprache)

Jedem verbalen Verhalten liegen laut Jakobson zwei grundlegende Operationen

zugrunde: - Selektion

- Kombination

z.B. Selektion aus „Kind“ „Bub“ „Knirps“ etc und „ruhen“, „schlafen“ etc. und danach deren Kombination etwa zu „der Knirps schläft“.

2 Achsen bei der Entstehung von Texten:

a) paradigmatische Achse

- Selektion

hier gibt es zahllose Klassen von Wörtern (Paradigmen), die im Bezug auf ein best. Merkmal (z.B. ihre Bedeutung) äquivalent sind. Normalerweise kommt nur eines der Elemente in den Text.

Ausnahme: poetische Texte, wie etwa bei Shakespeare. Bei ihm wandern oft viele Elemente der paradigmatischen Achse in ein Gedicht.

b) syntagmatische Achse

- Kombination

„ The poetic function projects the principle of equivalence from the axis of selection into the axis of combination ” Jakobson

=> es bestehen also in poetischen Texten, über die Kombination hinaus noch zusätzliche Äquivalenzbeziehungen. Diese kommen auf allen Ebenen vor: der semantischen, der phonologischen, der rhythmischen, der syntaktischen und sogar der graphischen Ebene. (Bsp. „ r “ und „ d “ als ALLITERATION bei Wain)

3.Ordnung der poetischen Strukturen mit Hilfe eines Grundmodells der Poetizität

In diesem Modell können verschiedene Mögliche Ebenen der Äquivalenzbildung zusammengefasst werden.

- Überstrukturierung (foreground regularity) durch:
- phonologische Wiederholung (Alliteration, Reim etc.)
- rhythmische Parallelen (Metrum, betonte und unbetonte Silben)
- semantische Äquivalenz (succession of synonyms etc.)
- syntaktische Parallelen (z.B. von grammatischen Einheiten)
- verbale Wiederholungen (Stilfiguren, anaphora, chiasma etc.)

- Unterstukturierung (foreground irregularity) durch:
- lexikalische Abweichung, wie etwa mit Hilfe von Neologismen oder functional conversion (d.h. ein Nomen wird z.B. als Verb verwendet)
- grammatikalische Abweichung (Verletzung syntakt. Regeln)
- grafologische Abweichung (Anordnung als Vers statt als Prosa => wirkt verfremdend, aufmerksamkeitserregend)
- semantische Abweichung, d.h. Formen uneigentlichen Redens
(Ironie, Metaphern, Metonymie...) oder auch Über- und Untertreibung (Hyperbel, Litotes), Doppelaussage (Pleaonasmus, Tautoligie) und Widersprüchlichkeit (Oxymoron, Paradoxon)
- Abweichungen vom normalen Sprachregister, wie etwa Stilbrüche und Stilvermischungen
- Abweichung von der normalen Sprachperiode, z.B. durch den Gebrauch von Archaismen (=veraltete Begriffe)

-

In Wains Gedicht hat die grammatikalische Deviation (die Tatsache dass in ihm kein „main verb“ vorkommt) eine zentrale Funktion. Durch das Fehlen der

Isotopie (Analyse von Lyrik) 10.05.01

Hauptverben erhält das Gedicht einen merkwürdig statischen Charakter. Nichts kann sich fortbewegen. => Das Gedicht endet in Resignation

4. Resümee

Poesie hat nicht nur mit einer besonderen Form, sondern auch mit besonderen Inhalten zu tun. Die Analyse der spezifisch poetischen Struktur eines lyrischen Textes muss also immer mit der Analyse seiner inhaltlichen Oppositionen und Parallelen einhergehen.

Poem Without a Main Verb

Watching oneself being clever, being clever: keeping the keen equipoise between always and never;

delicately divining (the gambler’s sick art) which of the strand must hold, and which may part;

playing off, playing off with pointless cunning the risk of remaining against the risk of running;

balancing, balancing (alert and knowing) the carelessly hidden with the carefully left showing;

endlessly, endlessly finely elaborating the filigree threads in the web and the bars in the grating;

at last minutely and thoroughly lost in the delta where profit fans into cost;

with superb navigation afloat on the darkening, deepening sea, helplessly, helplessly.

by John Wain

cleverness (Bedeutungselemente der Cleverness)

balance (Bedeutung der schwer zu haltenden Balance)

menace (Bedeutungsmuster der Bedrohung)

- Opposition zwischen „cleverness“ und „menace“

- „cleverness“ als Vorraussetzung für die „balance“, das Halten der Balance

- in der Schwierigkeit des „Balancehaltens“ besteht aber auch „Bedrohung“

= Da es in diesem Gedicht keinen besonderen Sprecher gibt („oneself“), geht es dem Dichter wohl um die Beschreibung der Gesamtsituation des modernen Menschen, der trotz all seiner „cleverness“ nicht imstande ist die rechte „balance“ zu wahren, und deshalb in die Sackgasse der „Hilflosigkeit“ und „Verzweiflung“ gerät.

Literatur:

Fabian, Grundkurs (S.161-172)

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Isotopienanalyse
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Einführungskurs Literaturwissenschaft
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
4
Katalognummer
V104522
ISBN (eBook)
9783640028504
Dateigröße
356 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Habe dieses Referat in einem Einführungskurs für Literaturwissenschaft gehalten. Mit der 2 die dabei rausgesprungen ist war ich recht zufrieden
Schlagworte
Isotopienanalyse, Einführungskurs, Literaturwissenschaft
Arbeit zitieren
Daniela Aulich (Autor:in), 2001, Isotopienanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104522

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Isotopienanalyse



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden