Der Ermessensspielraum als Praxisproblem der kommunalen Sozialarbeit


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen
2.1. Die Institution Sozialamt in der Kommune
2.2. Allgemeine gesetzliche Grundlagen
2.3. Die Definition des "pflichtmäßigen Ermessens"

3. Exemplarische Ermessensentscheidungen in der praktischen Sozialarbeit
3.1. Das Problem der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen
3.2. Das Problem der Gewährungspraxis: Einzelfallentscheidung oder Pauschalisierung ?
3.2.1. Das Misstrauen gegenüber dem Sozialhilfeempfänger als Problem der Einzelfallent- scheidung
3.2.2. Die Richtlinienvorgabe als Problem der Pauschalisierung
3.3. Der Ermessenspielraum bei der persönlichen Hilfe
3.3.1. Die Definition der persönlichen Hilfe
3.3.2. Die Praxis der persönlichen Hilfe

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel einer typischen Behördenstruktur einer 100.000-Einwohner-Stadt zu untersuchen, in welcher Form der theoretische Anspruch des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der praktischen Wirklichkeit realisiert wird und inwieweit die Praxis der Sozialarbeit zu diesbezüglichen Problemen führen kann. Aufgrund der Vielfalt der in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragestellungen habe ich mich bei dieser Arbeit auf eine Maßgabe der gesetzlichen Rahmenbedingungen konzentriert, die mir als besonders problematisch erscheinen. Zur Untersuchung habe ich das Sozialamt der Stadt Iserlohn am Rande des Ruhrgebietes herangezogen. In den Problemgruppen kommunaler Arbeit kann diese hinsichtlich Ausländer-anteil, Arbeitslosenquote und Kriminalitätsrate als im Durchschnitt liegend und damit repräsentativ angesehen werden.[1]

Ein immer wieder auftauchendes Problemfeld in der Durchführung kommunaler Sozialarbeit stellt die Anwendung gesetzgeberischer Regeln dann auf, wenn dabei den handelnden Akteuren für seine Entscheidung vom Gesetzgeber ein Ermessensspielraum eingeräumt wird.[2] Dies ist bei der Sozialarbeit aufgrund der qua Gesetz geforderten Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls (§ 3 BSHG, Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles) jedoch unumgänglich. Ich werde in den folgenden Erläuterungen nach einer kurzen Darstellung der gesetzlichen Grundlagen anhand von negativen und positiven Beispielen aus den drei Aufgaben-feldern Verwaltungskooperation, Beihilfegewährung und Persönliche Hilfe exemplarisch darstellen, wie sich der Ermessensspielraum in der Praxis der Sozialarbeit konkret äußert. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass die im folgenden beschriebenen Fallbeispiele von mir ausgewählte Fallbeispiele sind, die wegen ihrer Deutlichkeit hohen Erklärungscharakter besitzen und dabei gleichzeitig repräsentativ für viele andere stehen.

2. Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen

2.1. Die Institution Sozialamt in der Kommune

Sozialhilfe wird von den örtlichen und überörtlichen Trägern gewährt (§ 8 BSHG, Träger der Sozialhilfe). Die örtlichen Träger führen hierbei das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Selbst-verwaltungsangelegenheit durch. Die einzelnen Sozialhilfeaufgaben sind in der Dienststelle Sozialamt zusammengefasst. Da die Organisation einer Stadtverwaltung in den Händen der kommunalen Körperschaften liegt (Art.28, Abs.2 GG), gibt es von Kommune zu Kommune durchaus unterschiedliche Organisationsstrukturen. Diese können sowohl nach der organisierten Zusammenfassung von Kommunen als auch nach der hierarchischen Struktur oder der Verbindung von Innen und Außendienst differieren.[3]

Für die von mir ausgewählte Stadt Iserlohn gilt folgendes Organisationsschema:

Das Sozialamt ist ein eigenständiges Amt innerhalb der Stadtverwaltung, d.h. es gibt in Iserlohn im Gegensatz zu verschiedenen anderen Kommunen ein jeweils selbständig arbeitendes Sozialamt und Jugendamt auf Ämterebene. Diese Ämter sind zusammen mit dem Schulverwaltungsamt dem für Schule und Soziales zuständigen Dezernat IV unterstellt, welches wiederum dem Stadtdirektor untersteht.

Das Sozialamt hat innerhalb der Verwaltungsorganisation die Amtnummerbezeichnung 50 und hat Aufgaben nach dem BSHG für Volljährige durchzuführen. Insgesamt ist das Sozialamt in vier Abteilungen untergliedert, von denen ich mich fast ausschließlich mit der Abteilung 50/1 (Sozialer Dienst) beschäftigen werde. In gewissen Punkten ist auch die Abteilung 50/2 (Wirtschaftliche Sozialhilfe) von Bedeutung. Diese Abteilung beschäftigt sich mit der verwaltungstechnischen Bearbeitung von Soziahilfeersuchen und überschneidet sich deshalb in seinen Aufgabenbereichen mit der Abteilung 50/1. Die beiden anderen Abteilungen des Sozialamtes sind 50/3 (Altenheim) und 50/4 (Soziale Auftragsangelegenheiten).

2.2. Allgemeine gesetzliche Grundlagen

Eine erste umfassende Fürsorgepflicht wurde mit den "Reichsgrundsätzen über Vorraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge" im Jahre 1924 festgelegt. Als Vorläufer des Sozialamtes entstand in jener Zeit das sogenannte Wohlfahrtsamt. Dieses Amt war jedoch nicht auf einer spezialisierenden Verfachlichung beruhend, sondern vielmehr eine generalisierende Vereinheit-lichung der Alten und Armenpflege und damit ein direkter Nachfahre der alten, unspezialisierten Armenverwaltung.[4]

Die heutige Organisation der sozialarbeiterischen Tätigkeit ist insbesondere bedingt durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche hier kurz erläutert werden sollen: Die Notwendigkeit sozialarbeiterischer Tätigkeit leitet sich zuallererst aus dem im Grundgesetz festgelegten Prinzip der Sozialstaatlichkeit (Art.20, Abs.1 GG und Art. 28. Abs.1 GG) her, welche dann im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ihre konkretisierte Rechtsnorm finden.

Mit der Verabschiedung des BSHG am 01. Juni 1962 wurde eine Neuordnung des Fürsorgerechts vorgenommen. Es wurden die einzelnen Leistungen verbessert und ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Sozialhilfe verankert. Zu der Hilfe zum Lebensunterhalt kam die für alle besondere Notlagen eintretende und differenzierte Hilfe in besonderen Lebenslagen hinzu. "Die Hilfe zum Lebensunterhalt (HzLU) soll dem Hilfeempfänger die Mittel zur Verfügung stellen, um seinen notwendigen Lebensunterhalt (§ 12 BSHG) zu bestreiten. Bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen (HbLL) handelt es sich um Hilfen, die zur Überwindung qualifizierter Notlagen bestimmt sind, ihre Anspruchsvoraussetzungen sind dementsprechend großzügiger verfasst."[5]

Das Bundessozialhilfegesetz beinhaltet folgende allgemeine Prinzipien der Sozialarbeit:[6]

- familienbezogene Hilfe , d.h. Familienfürsorge im Sinne einer familiengerechten Gestaltung der Hilfe (§ 7 BSHG)
- Hilfe durch Fachkräfte, die eine ihren Aufgaben entsprechende Ausbildung haben müssen (§ 102 BSHG)
- vorbeugende und nachgehende Hilfe (Subsidiaritätsprinzip); Sozialhilfe soll grundsätzlich immer erst dann einsetzen, wenn alle anderen zur Hilfe Verpflichteten ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind (§ 6 BSHG)
- Hilfe nach dem Grundsatz der Individualisierung, d.h. Sozialhilfe nach den Besonderheiten des Einzelfalles; der wesentliche rechtliche Grundsatz einer jeglichen sozialarbeiterischen Tätigkeit ist die Individualisierung der Hilfe. Das BSHG legt in dieser Hinsicht eindeutig fest, dass bei jeder Hilfe den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung getragen werden muss. Dabei gilt es, die individuellen Wünsche des Hilfeempfängers zu berücksichtigen, insofern diese als angemessen angesehen werden können (§ 3 BSHG). Entschieden wird nach dem Rechtsgrundsatz des "pflichtmäßigen Ermessens" (§ 4 BSHG).

Zusätzlich ist der nicht explizit im BSHG verankerte Grundsatz der sozialen Verschwiegenheit von Bedeutung, da das Vertrauen von Hilfesuchenden nur dann erworben werden kann, wenn Verschwiegenheit besteht.[7][8] In diesem Zusammenhang haben die Sozialarbeiter auch die Pflicht zur Loyalität, d.h. sie haben eine Beratungspflicht gegenüber ihrem Vorgesetzten und die Pflicht zur Mitteilung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen an Kollegen, die an der Entscheidung mitbeteiligt sind. Sie dürfen also keine Informationen "sieben", indem sie z.B. eigene Akten mit "vertraulichen" Informationen anlegen.

[...]


[1] vgl.

[2] vgl. Kap. 2.2.

[3] vgl. hierzu ausführlich: Reidegeld 1980

[4] vgl. Vogel 1966, S.106

[5] Deutscher, Fieseler u. Maor 1978, S.171

[6] vgl. Wagner 1981, S.14-26

[7] vgl. Wagner 1981, S.24-27

[8] Aus diesem Grund werden u.a. in dieser Darstellung keine persönlichen Daten erwähnt, sondern lediglich Synonyme verwendet

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Ermessensspielraum als Praxisproblem der kommunalen Sozialarbeit
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Sozialpädagogik)
Veranstaltung
Methoden, Arbeitsfelder und Institutionen der Sozialpädagogik
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V10450
ISBN (eBook)
9783638168717
ISBN (Buch)
9783640814909
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ermessensspielraum, Praxisproblem, Sozialarbeit, Methoden, Arbeitsfelder, Institutionen, Sozialpädagogik
Arbeit zitieren
Thorsten Lemmer (Autor:in), 2003, Der Ermessensspielraum als Praxisproblem der kommunalen Sozialarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10450

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