Kommunale Akteure in der deutschen Entwicklungspolitik - das Beispiel der Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises


Hausarbeit, 2000

25 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Wer „macht“ Entwicklungspolitik?
2.1 Die Kompetenzzuweisung nach dem Grundgesetz
2.2 Raum für andere Akteure?
2.2.1 Entwicklungspolitische Aktivitäten der Länder
2.2.2 Entwicklungspolitische Aktivitäten der Kommunen

3 Historie der deutschen Entwicklungspolitik - ein Überblick
3.1 Dominanz des Bundes (1956 - ca. 1980)
3.2 Auftreten neuer Akteure

4 Die Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises
4.1 Historische Entwicklung
4.2 Akteure und Verflechtungen
4.3 Bewertung und Ausblick

5 Anhang
5.1 Erklärung von Rio und Agenda 21
5.2 Nachhaltige Entwicklung / Sustainable Development

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Kurs 4651 -„Internationale Politik - Probleme und Grundbegrif- fe“- der FernUni Hagen führt allgemein in die Probleme und Frage- stellungen der Internationalen Politik, zu der auch die Entwick- lungspolitik gehört, ein. Zwar werden im Kurs die verschiedenen Theorien zur Entstehung von Unterentwicklung und die komple- mentären Lösungsstrategien thematisiert, jedoch wird nicht die Fra- ge gestellt, wer in der BR Deutschland Entwicklungspolitik betreibt. Mit anderen Worten: Die Akteursebene bleibt weitgehend unbeach- tet.

Mit dieser Hausarbeit soll daher die staatliche Akteursebene beleuch- tet werden; das Engagement der NRO wird nur am Rande gestreift, auch wenn die Trennung in ‘staatlich’ und ‘nichtstaatlich’ gerade auf lokaler Ebene1 schwierig ist. Das Interesse gilt insbesondere den Kommunen. Diesen politisch-administrativen Einheiten der unters- ten Ebene billigte das ‘klassische’ Staatsrecht in der Vergangenheit kaum eine über den regionalen Raum hinausgehende Handlungs- kompetenz zu. Mit dem Aufkommen regionaler Nord-Süd- Partnerschaften hat sich das geändert. Das Eingreifen der Kommu- nen in eine Domäne des Bundes ist verfassungsrechtlich problema- tisch. Im ersten Teil dieser Arbeit sollen daher zunächst abstrakt die gesetzlichen Grenzen und Möglichkeiten der kommunalen Entwick- lungspolitik aufgezeigt werden. Hiernach wird die Historie der deutschen Entwicklungspolitik nachvollzogen, wobei die Akteure und die Ausnutzung der ihnen eingeräumten Spielräume im Mittel- punkt stehen. Dabei wird auch eine Antwort auf die Frage gesucht, was den Ausschlag zum Auftreten neuer Akteure in der bundes- deutschen Entwicklungspolitik gegeben hat. Im zweiten Teil wird dann das konkrete Beispiel der Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises thematisiert.

Methodisch orientiert sich die Arbeit am ‘qualitativen Paradigma’. Wesentliche Mittel bei ihrer Erstellung waren Literatur- und Quel- lenstudium (Gesetzestexte, Kommentierungen, Erklärungen, Akten- vermerke, Briefwechsel, Haushaltspläne) sowie Gespräche mit den Kollegen der Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück, die mit der Ruanda- partnerschaft vertraut sind.

2 Wer „macht“ Entwicklungspolitik?

Die Frage, ob der Bund, die Länder oder aber die Gemeinden in ei- nem speziellen Politikbereich aktiv werden dürfen, wird grundsätz- lich von den entsprechenden Regelungen im Grundgesetz beantwor- tet. Ergänzung finden diese Regelungen für den gemeindlichen Be- reich insbesondere in den Normen des ‘Kommunalverfassungs- rechts’. Für das Land Rheinland-Pfalz sind hier die Gemeindeord- nung (GemO) sowie die Landkreisordnung (LKO) von Bedeutung.

2.1 Die Kompetenzzuweisung nach dem Grundgesetz

1 Das grundsätzliche Verhältnis von Bundes- und Landeskompetenzen ist in Art. 30 und 70 GG geregelt. Hiernach obliegt die Ausübung aller staatlichen Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben (hier die Gesetzgebung) den Ländern, soweit daß Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt. Eine besondere, abweichende Zu- ständigkeitsverteilung gilt aber gerade im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten, zu denen auch die Entwicklungspolitik zählt (vgl. JARASS/PIEROTH, 2000: Rn. 3 zu Art. 73). Denn nach Art. 32, 59, 73 Nr.

1 urnd 85 Abs. 1 GG hat der Bund die auswärtige Gewalt inne, so daß hie die Kompetenzvermutung zugunsten der Länder ins Gegenteil verkehrt wird (nach KATZ, 1996: Rn. 255). Letztlich bedeutet dies, „[...] daß im Zweifel der Bund zuständig ist, wenn es um auswärtige Angelegenheiten geht“ (WIEDMANN, 1990: 691). Hierzu gehören die Gestaltung der Außenbeziehungen durch Verträge oder einseitige Rechtsakte ebenso wie politische Akte (Regierungserklärungen, Staatsbesuche) (nach SCHMIDT-BLEIBTREU/KLEIN, 1999: Rn. 3 zu Art. 32). Insoweit scheinen die Voraussetzungen einer eigenständigen Entwicklungspolitik der Länder und damit auch der Kommunen grds. nicht gegeben zu sein.

2.2 Raum für andere Akteure?

2.2.1 Entwicklungspolitische Aktivitäten der Länder

Allerdings bietet Art. 32 Abs. 3 GG ein ‘Schlupfloch’ für die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Länder. Nach der Regelung können die Länder mit Zustimmung der Bundesregierung innerhalb ihrer Gesetzgebungskompetenz Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen. Alle Bereiche, in denen nach dem GG der Bund zuständig ist, sind hiervon somit zwangsläufig ausgeschlossen. „Die Bedeutung von Art. 32 Abs. 3 GG wird vor allem im Bereich von Kulturabkommen gesehen werden“ (WIEDMANN, 1990: 692).

Weitergehende, nichtvertragliche entwicklungspolitische Auslands- aktivitäten der Länder sind nach NASS (1996: 274) fast schon ge- wohnheitsrechtlich zulässig. Der Schwerpunkt der entwicklungspoli- tischen Maßnahmen (Absichtserklärungen, Vereinbarungen, Memo- randen etc.) der Länder wird ohnehin in diesem nicht-rechtlichen, sondern politischen Bereich zu sehen sein (nach NASS, 1996: 281). Bei allen entwicklungspolitischen Maßnahmen müssen die Länder aller- dings die sog. ‘Bundestreue’ beachten. D. h., daß kritische Äußerun- gen über die Bundesregierung oder aber auch Zusammenarbeit mit vom Bund nicht anerkannten Gruppierungen (Aufständische, Rebel-len) unzulässig sind (nach NASS, 1996: 281).

2.2.2 Entwicklungspolitische Aktivitäten der Kommunen

Auch die Gemeinden2 sind durch die Regelungen des Grundgesetzes in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, denn schon „unter dem Aspekt der Kompetenzzuteilung gehören sie zu den Ländern“ (JA- RASS/PIEROTH, 2000: Rn. 10 zu Art. 28). Dies bedeutet, daß letztlich die Landesregierungen entscheiden, inwieweit die Kommunen ihre Entwicklungsprojekte realisieren können (nach FRIEDRICH-EBERT- STIFTUNG, 1994: 18). Dennoch gilt nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der Grundsatz der Allzuständigkeit (Universalität) der Gemeinden. Hiernach muß den Gemeinden das Recht eingeräumt werden, im Rahmen der Gesetze alle Angelegenheiten der örtlichen Gemein- schaft regeln zu können3. Was allerdings als Angelegenheit der örtli- chen Gemeinschaft zu werten ist, ist nicht endgültig festgelegt (nach JARASS/PIEROTH, 2000: Rn. 12 zu Art. 28). In den Ländern wurde und wird der unbestimmte Rechtsbegriff ‘Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft’ unterschiedlich restriktiv ausgelegt. Trotzdem ist weitgehend anerkannt, daß lokale Entwicklungsprojekte Gemeinden oder vergleichbare Einrichtungen im Ausland zum Partner haben müssen und der Gegenstand des Projektes nach deutschem Recht Angelegenheit der Gemeinde sein muß (nach FRIEDRICH-EBERT- STIFTUNG, 1994: 18). Letztlich bedarf es immer der Prüfung des kon- kreten Einzelfalls, um die Zulässigkeit eines kommunalen Entwick- lungsprojektes beurteilen zu können. Vergessen werden darf auch nicht, daß die Allzuständigkeit der Gemeinden einem Gesetzesvor- behalt unterliegt. Die Gesetzgeber in Bund und Land können damit den Handlungsspielraum der Gemeinden definieren. Folgendes Zitat charakterisiert die rechtliche Situation der Entwicklungsprojekte von Ländern und Kommunen zusammenfassend und sehr treffend:

„Die verfassungsrechtliche Schranke für Länderaktivitäten [und Aktivitäten der Kommunen, D.D.] im Ausland und die völker- rechtliche Verantwortlichkeit der Bundesregierung für solche Ak- tivitäten würden die Bundesregierung zu einer erheblich stärke- ren Koordinierung von Landesaktivitäten im Ausland berechti- gen, als sie zur Zeit offenbar politisch gewollt oder durchsetzbar und administrativ realisierbar ist“. (NASS, 1996: 281)

3 Historie der deutschen Entwicklungspolitik - ein Überblick

Unter Gliederungspunkt 2 wurde der verfassungsrechtliche Bezugs- rahmen der Entwicklungspolitik grob umrissen. Wie dieser Rahmen in den Jahren seit der Gründung der Bundesrepublik von den Akteu- ren gefüllt wurde, ist Gegenstand der folgenden Darstellung.

3.1 Dominanz des Bundes (1956 - ca. 1980)

Die Geschichte der bundesdeutschen Entwicklungspolitik läßt sich nach BODEMER (2000: 224 ff., anders NUSCHELER 1996: 378 ff.) in vier Phasen einteilen:

- Phase der Improvisation und des Aufbaus (ca. 1956 - zweite Hälfte der 1960er Jahre);
- Phase der Innovationen (1969/70 - 1973/74);
- Phase der Stagnation und des zunehmenden Pragmatismus (1974 - 1982);
- Ära der konservativ-liberalen Koalition4

Die ersten beiden Phasen der deutschen Entwicklungspolitik sollen hier nur kursorische Erwähnung finden. Bedeutsam für die Entste- hung lokaler entwicklungspolitischer Aktionsformen ist der Zeit-raum ab Beginn der 1980er Jahre, wie die Darstellung unter 3.2 zei-gen wird.

Im Jahre 1956 wurden vom Bund erstmals 50 Mio. DM für technische Hilfe an ‘unterentwickelte Gebiete’ bereitgestellt, die durch das Auswärtige Amt verwaltet wurden. Die ersten Schritte der jungen Bundesrepublik auf entwicklungspolitischen Terrain standen im Zei- chen von Truman- und Hallstein-Doktrin, sie waren also antikom- munistisches Politikinstrument (nach NUSCHELER, 1996: 378 ff.).

Mit dem Boom der deutschen Nachkriegswirtschaft trat ein weiteres entwicklungspolitisches Motiv hinzu: Insbesondere das Wirt- schaftsministerium sah in der Entwicklungspolitik ein Mittel zur Er- schließung neuer Exportmärkte und zur Sicherung der Rohstoffver- sorgung. Entwicklungspolitische Akteure der ersten Stunde waren somit das Außen- und das Wirtschaftsministerium. „Das erste Jahr- zehnt der E[ntwicklungs].-Kooperation [...] stand konzeptionell im Zeichen außenpol[itischer]. und wirtschaftspol[itischer]. Instrumen- talisierung des neuen Handlungsfelds“ (BODEMER, 2000: 226). Diese Leitmotive der deutschen Entwicklungspolitik finden sich auch in den späteren Phasen wieder.

1961 erfolgte unter Konrad Adenauer die Bildung des Bundesminis- teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Den Kompetenzen des neuen Ministeriums waren enge Grenzen gesetzt. Die wichtigen Entscheidungen über Technische- und Kapitalhilfe wurden weiterhin im Außen- bzw. im Wirtschafts- ministerium getroffen (nach BODEMER, 2000: 226). Beide Ministerien verfügten zudem über ein Vetorecht in den interministeriellen Refe- rentenausschüssen, was den Stellenwert des BMZ weiter schmälerte.

Zum entwicklungspolitischen Paradigmenwechsel (‘Phase der Inno- vation’) kam es erst mit dem Amtsantritt Epplers bzw. dem der sozi- al-liberalen Koalition. Die neue Ostpolitik erlaubte eine ansatzweise Befreiung der Entwicklungspolitik von ihrem deutschlandpolitischen Impetus. Eppler definierte die Entwicklungspolitik als „[...] langfris- tig angelegte Sozial- und Friedenspolitik [...]“ (NUSCHELER, 1996: 380). Die Änderung der Leitlinien ging mit einer Kompetenzerweite- rung beim BMZ einher: Ihm oblag ab 1972 auch die Gewährung der Kapitalhilfe. In dieser zweiten Phase konnte sich das BMZ als eigen- ständiger Akteur profilieren.

Nach dem Rücktritt von Kanzler Willy Brandt trat auch Eppler zu- rück. Zeitgleich mit der Öl- und Weltwirtschaftskrise der frühen siebziger Jahre erfolgte die ‘realpolitische’ Rückbesinnung auf au- ßenwirtschaftspolitische Motive in der deutschen Entwicklungspoli- tik. Federführend bei der Neukonzeptionierung der Entwicklungs- politik war einmal mehr das Auswärtige Amt, das die Dritte-Welt- Politik als ‘dritte Säule’ der bundesdeutschen Außenpolitik neben West- und Ostpolitik in Beschlag nahm. Die Entwicklungspolitik un- ter Bahr wurde damit in das strategische Konzept der „Gesamtpoli- tik“ eingebunden (nach NUSCHELER, 1996: 381)

Unter Rainer Offergeld5, der das BMZ von Anfang 1978 bis zum Bruch der sozial-liberalen Koalition 1982 leitete, blieb eine inhaltliche Neuorientierung der Entwicklungspolitik aus, auch wenn er sich von der konservativen ‘Containment’-Politik der Reagan-Administration distanzierte (nach BODEMER, 2000: 227).

Die ‘Ära der konservativ-liberalen 5 Regierung’ und ihre Entwick- lungspolitik waren von neoliberaler Wirtschaftspolitik, politischer Konditionierung und globaler Strukturierung geprägt. Dabei waren einmal mehr wirtschaftlicher Protektionismus und Unterstützung politischer Freunde maßgebliche Antriebskräfte der Entwicklungspolitik (nach BODEMER, 2000: 227):

„Die CSU [die mit Jürgen Warnke den Ressortminister stellte, D.D.] versuchte, über das BMZ eine „bayerische Außenpolitik“ zu betreiben, die sich vor allem durch einen strammen Antikommunismus auszeichnete.“ (NUSCHELER, 1996: 382)

Warnke plädierte vehement für eine ‘Entideologisierung’ der Entwicklungspolitik. Wie sich das in konkreter Entwicklungspolitik niederschlug, beschreibt NUSCHELER sehr anschaulich:

„Er [gemeint ist Warnke, D. D.] entzog zwar den Sandinisten jede Hilfe, fütterte aber Diktatoren [...] mit großzügiger Hilfe. Die Presse konnte mehr über Großwildjagden [...] oder über Oktoberfeste in Lomé mit bayerischen Weißwürsten denn über erinnerungswürdige Entwicklungsprojekte berichten.“ (1996: 385)

NUSCHELERs Bewertung dieser Epoche bundesdeutscher Entwicklungspolitik fällt entsprechend aus:

„Die 80er Jahre waren auch in der deutschen Entwicklungspolitik ein „verlorenes Jahrzehnt“. [...] Geblieben sind Lehrstücke, wie ein Politikbereich ruiniert werden kann.“ (1996: 386)

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Entwicklungspolitik bis in die 1980er Jahre eindeutig politische Domäne des Bundes war. Die Akteure orientierten sich weitgehend an der ‘klassischen’ Kom- petenzzuweisung nach dem Grundgesetz. Bezeichnend ist auch, daß nur in der Zeit von 1969 bis 1974 das an sich zuständige BMZ in die- sem Bereich Akzente setzen konnte, das sich ansonsten weitgehend den vom Außen- und Wirtschaftsministerium vertretenen Interessen (nämlich wirtschaftlichem Protektionismus und geopolitischen Er- wägungen) unterzuordnen hatte. Andere Akteure unterhalb der Bundesebene finden in der Literatur außer im Zusammenhang mit ersten Städtepartnerschaften jenseits des europäischen Raumes keine nennenswerte Erwähnung.

3.2 Auftreten neuer Akteure

Bewegung in die entwicklungspolitische Landschaft kam erst in den 1980er Jahre. Im Juni 1982 wurde die Partnerschaft zwischen Rhein- land-Pfalz und Ruanda ins Leben gerufen. Die Partnerschaft bot Raum für Kooperation zwischen ruandischen und rheinland- pfälzischen Kommunen. Als oberste Prinzipien aller Entwicklungs- projekte wurden Dezentralisierung, Bürgernähe und Orientierung an den Grundbedürfnissen formuliert. Die rheinland-pfälzische Landes- regierung beabsichtigte mit der Partnerschaft weiterhin die Förde- rung des ‘Dialogs’ sowie die ‘Bewußtseinsbildung’ für die Probleme des afrikanischen Staates (nach FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, 1994: 9). Dieses relativ frühe Engagement darf allerdings über eines nicht hinwegtäuschen:

„Mitte der 80er Jahre war kommunale Entwicklungszusammenarbeit nur in wenigen deutschen Kommunen ein akzeptiertes Politikfeld. Es gab sogar bis Ende der 80er Jahre juristische Verfahren zwischen Kommunen und Bezirksregierungen, die die Kompetenz der Gemeinden für lokale Beiträge zur Lösung globaler Entwicklungsprobleme bestritten.“ (HILLIGES, 1998: 111)

Die oben unter 2.1 bzw. 2.2 aufgezeigten, relativ eng gesteckten juris- tischen Grenzen der kommunalen Entwicklungspolitik konnten kaum überwunden werden. Hierbei darf nicht übersehen werden, daß die von HILLIGES angesprochenen aufsichtsbehördlichen Verfah- ren des öfteren von politischen Gegnern aus ideologischen Gründen lanciert wurden. So wurde beispielsweise 1986 in München ein mit den Stimmen der rot-grünen Stadtratsmehrheit auf den Weg ge- brachtes Maßnahmepaket zugunsten nicaraguanischer Gemeinden von der CSU/FDP-Opposition kommunalaufsichtlich angefochten.

Die Querelen zwischen Landesregierung6 und Kommune werden in einem Beitrag von GRUBE zum Nord-Süd-Forum der SPD (1988: 54 ff.) ausführlich dargestellt. Das Münchner Engagement für Nicara- gua zu einem Zeitpunkt, zu dem das BMZ alle Hilfen an Managua einstellte (vgl. NUSCHELER, 1996: 385) zeigt die politische Brisanz und das immense Konfliktpotential, das scheinbar ‘harmlose’ Entwick- lungspolitik in sich birgt.

„Kommunale Außenpolitik muß gegen den Anspruch des Zent- ralstaates erkämpft und behauptet werden, der das verfassungs- rechtlich abgesicherte außenpolitische Monopol beansprucht.“ (STATZ, 1994: 32).

Diese Aussage des grün-alternativen Autors und Politologen Albert STATZ spricht eine Dimension kommunaler entwicklungspolitischer Aktivitäten an, die uns der Beantwortung der Frage nach dem ‘wa-rum?’ des Auftretens neuer lokaler entwicklungspolitischer Akteure näher bringt. Kommunale Entwicklungspolitik war in der Tat ein kommunales Politikfeld7, das Akteure aus dem links-alternativen, postmodern und postmaterialistisch orientierten Spektrum für sich entdeckten. KLEINFELD (1996: 34) weist darauf hin, daß insbesondere die Oppositionsparteien im Bund, also Grüne und SPD, in der kom- munalen Ebene insgesamt ein Feld sahen, auf dem sie die neo- konservative Politik der CDU/CSU-FDP Koalition konterkarieren konnten. Die von Warnke auf Bundesebene geforderte ‘Entideologi- sierung’ wurde auf kommunaler Ebene von vielen Akteuren ins Ge- genteil verkehrt, zumal ein Engagement für Nicaragua oder Vietnam vom antikommunistisch orientierten BMZ als Affront verstanden werden mußte. Das indirekt auch für die Gemeinden geltende Postu- lat der Bundestreue wurde von den linken Gruppierungen in den Gemeindevertretungen insoweit bewußt mißachtet.

Die politische und juristische ‘Grauzone’, in der sich viele entwick- lungspolitische kommunale Akteure bewegten, wurde erst 1988 auf- gehellt: Im Juni 1988 erfolgte der ‘Appell von Madrid’. In diesem gemeinsamen Aufruf von europäischen Parlamentariern, Regierun- gen und NRO wurden der Europarat und das europäische Parlament zum Aufbau einer europaweiten ‘Quadrilogstruktur’ aufgefordert. Der deutsche ‘Quadrilog’ sollte die Kommunikation und die Koope- ration unter bzw. zwischen dem Deutschen Bundestag, der Bundes- regierung, den kommunalen Spitzenverbänden und Vertretern der NRO (also den Akteuren alle Ebenen) in entwicklungspolitischen Fragen fördern. HILLIGES bewertet den Erfolg des ‘Appell von Mad- rid’ skeptisch:

„[...] trotz zahlreicher einstimmiger Parlamentsbeschlüsse in Nationalstaaten und auf europäischer Ebene hat es bis heute am ernsthaften Willen, den eigenen Einsichten auch konkrete Taten folgen zu lassen, gefehlt.“ (Hilliges, 1998: 112)

Im September 1988 wurde in Mainz ein Koordinationsbüro zur Ver- netzung der europäischen Nord-Süd-Foren und weiterer kommuna- ler Nord-Süd-Aktivitäten eingerichtet, das aus Mitteln der Stadt Mainz unterhalten wurde und der Abstimmung der kommunalen Entwicklungsaktivitäten diente. Allerdings beteiligten sich weder die deutschen Bundesländer noch die kommunalen Spitzenverbände an den Kosten für die Unterhaltung des Büros (nach HILLIGES, 1998: 112).

Im Oktober 1988 folgte schließlich ein Beschluß der Ministerpräsi- dentenkonferenz, in dem die grundsätzliche Zuständigkeit des Bun- des für entwicklungspolitische Fragen zwar anerkannt, aber gleich- zeitig die Entwicklungshilfe der Länder auf neue Bereiche ausgewei- tet wurde (nach WIEDMANN, 1990: 690). Die ‘Landesväter’ begrüßten in dieser Erklärung ausdrücklich das entwicklungspolitische Enga- gement auf kommunaler Ebene (nach FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, 1994: 5). Die Bedeutung dieser Erklärung liegt insbesondere in der Tatsache, daß mit ihr erstmals die entwicklungspolitischen Aktionen der Kommunen von den Regierungen aller Bundesländer anerkannt wurden. Problematisch scheint allerdings, daß die Erklärung von einem ‘informellen’ Gremium ausgesprochen wurde, daß nach den Regelungen des Grundgesetzes hierzu eigentlich gar nicht befugt ist. Die Wirkung der Erklärung ist somit im politischen, nicht im staats- rechtlichen Bereich zu sehen.

Im Anschluß an den ersten Bundeskongreß der kommunalen NordSüd-Foren (November 1988 in Mainz) erfolgte die ‘Mainzer Erklärung’, in der die Forderung nach weiterer Vernetzung der kommunalen Projekte ausgesprochen wurde. Die Vielzahl der Ereignisse im Jahr 1988 zeigt, daß die kommunalen Entwicklungsaktivitäten in diesem Jahr ihren ersten Höhepunkt erreichten.

Den Wendepunkt erreichte die kommunale Entwicklungspolitik aller- dings erst vier Jahre später im Jahr 1992. Nach der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) von Rio de Janeiro und der dort verabschiedeten ‘Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwick- lung’ sowie der ‘Agenda 21’ wurden die Aufgaben unter den Akteu- ren in der bundesdeutschen Entwicklungspolitik neu verteilt. Insbe- sondere in der von der Bundesregierung unterzeichneten Agenda 21 wurde die Bedeutung der Kommunen und der NRO für die nachhal- tige Entwicklung (‘Sustainable Development’8 ) manifestiert. Wurde das Engagement von NRO und Kommunen vorher vom Bund gedul-det, so wurde es nunmehr gefordert. Im Zuge der Agenda 21 wuchs die Zahl der kommunalen Initiativen auf bundesweit 570 bis Anfang Oktober 1998 an (nach EPD u.a., 1998: 5). Die Lokale Agenda 21 bietet auf kommunaler Ebene erstmals den staatlich anerkannten Freiraum zur Umsetzung eigener entwicklungspolitischer Ansätze „[...] von unten, die ein Rezept gegen die Teilnahmslosigkeit sein [können], die der bürokratische Vollzug der staatlichen Entwicklungspolitik zu erzeugen pflegt“ (NUSCHELER, 1996: 417). Dabei ist allerdings kaum zu übersehen, daß das Thema ‘Entwicklung’ in vielen lokalen Agen- da-21-Arbeitskreisen ein Schattendasein führt. HILLIGES sieht den Grund hierfür in der originären Zuständigkeit der Kommunen für Bereiche wie Bauleitplanung, Abfallentsorgung etc., die sich unter Agenda-Aspekten leichter gestalten lassen als Nord-Süd-Aktivitäten (1994: 156).

Die neugewonnenen Handlungsspielräume für die NRO und die Kommunen mögen vielfältige Chancen für kreative und wirkungs- volle entwicklungspolitische Aktionen eröffnen. Allerdings scheint mehr als fragwürdig, ob die Agenda 21 ‘zufällig’ Anfang der 1990er Jahre im Zuge der weltweiten revolutionären Umbrüche verabschie- det und unterzeichnet wurde. Die Darstellungen unter 3.1 haben ge- zeigt, daß Entwicklungspolitik (nicht nur im bundesdeutschen Ver- ständnis) Teil der gesamten Macht- und Außenpolitik des Staates ist. Nunmehr wurde sie hieraus in Teilen ausgegliedert und zur kom- munalen Ebene ‘durchgereicht’. Ein Grund hierfür mag neben den positiven Effekten gesteigerter Effizienz auch in der Tatsache liegen, daß an einer bundeseinheitlich koordinierten Entwicklungspolitik nach Wegfall des kommunistischen Lagers nicht mehr in so hohem Maße Interesse bestand, wie dies in den Jahren bis 1989 der Fall ge- wesen ist. Insoweit läßt sich das oben unter 2.2.2 angeführte Zitat von NASS modifizieren: Eine stärkere Koordinierung der Auslands- und Entwicklungsaktivitäten von Ländern und Kommunen durch den Bund ist durchaus realisierbar. Gewollt ist sie derzeit nicht.

4 Die Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises

4.1 Historische Entwicklung

Die Anfänge der Partnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises mit der ruandischen Kommune Rwamiko liegen in der Übernahme einer Patenschaft für die Errichtung einer Schreinerwerkschaft in der ru- andischen Gemeinde durch den Landkreis und die angehörigen Kommunen9 im Jahre 1984. Auch wenn die Quellenlage zu dieser Frühphase der Partnerschaft dürftig ist10, so kann doch angenommen werden, daß die Patenschaft im Zuge der zu diesem Zeitpunkt be- reits bestehenden Partnerschaft von Rheinland-Pfalz mit Ruanda ü- bernommen worden ist. Auf diese bereits bestehende Partnerschaft wird in mehreren Vermerken sowie in der Partnerschaftsurkunde vom 10.06.1985 ausdrücklich hingewiesen. Nach dem Wortlaut der Urkunde liegt der Zweck der Partnerschaft in

- der Entwicklung von partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Einwohnern der beiden Kommunen;
- der Förderung der Bereitschaft zur Hilfe im gegenseitigen Interes- se.

Darüber hinaus wird der Wille erklärt, „in gegenseitigem Verständ- nis, in Hochachtung und Freundschaft“ die „sich hieraus ergebende Zusammenarbeit zu unterstützen und zu intensivieren“. Den Worten folgten Taten: In den Jahren 1984 bis 1989 wurde neben der bereits erwähnten Errichtung einer Schreinerei die Renovierung zweier Schulen11 betrieben und der Bau eines Erntelagers sowie einer Ge- treidemühle gefördert. In den frühen 1990er Jahren wurden mit Hilfe des Ruandaprojektes weitere Schulbauten und die Errichtung von Wasserleitungen realisiert. Die einzelnen Projekte zeigen, daß bei den Maßnahmen in Rwamiko grds. zunächst die Befriedigung ele-mentarer Grundbedürfnisse wie Ernährung, Bewässerung und Bildung im Fordergrund standen bzw. stehen.

Erwähnenswert sind auch die entstandenen Brieffreundschaften zwi- schen deutschen und ruandischen Schülern, die unter anderem bei Besuchen des Bürgermeisters von Rwamiko in Schulen des Land- kreises angeregt wurden und nach Einschätzung von Carola Stein (Ministerium des Innern und für Sport Rh.-Pf.) zum Abbau von Vor- urteilen und zur Bewußtseinsschärfung geführt haben (nach SCHMID, 2001: 5). Dies entspricht sicherlich der Vorgabe der Landesregierung, die in dem ‘Kennenlernen’ der Lebensverhältnisse des jeweils ande- ren Partners eine wichtige Komponente der Ruandapartnerschaft sah.

Eine Beschlußvorlage für den Kreisausschuß (Sitzung vom 14.05.90, TOP 20) gibt Aufschluß über die Herkunft der in Rwamiko verwen- deten Gelder und die Finanzierung der Projekte: Neben Haushalts- mitteln des Kreises und der kreisangehörigen Städte / Gemeinden floßen auch Landesmittel sowie Spenden von Bürgern, Sportverei- nen, Organisationen und des CDU-Kreisverbandes in die Projekte. Die später in der Agenda-21 geforderte Zusammenarbeit von öffent- lichen und privaten Akteuren wurde hier schon früher praktiziert.

Die Konflikte zwischen Hutu und Tutsi um die Vorherrschaft im ru- andischen Staat stürzten Ruanda 1994 in das schwärzeste Kapitel seiner Geschichte. Der massenhafte Genozid, die folgende Hunger- katastrophe und die gigantischen Flüchtlingsströme12 blieben nicht folgenlos für den weiteren Verlauf der Partnerschaft zwischen dem Rhein-Hunsrück-Kreis und Rwamiko. Aus den Jahren 1994 und 1995, in denen die Krise in Ruanda ihren Höhepunkt erreichte, sind nur wenige Schreiben in den Akten der Kreisverwaltung enthalten. Den zur Verfügung gestellten Haushaltsdaten ist zu entnehmen, daß in den Jahren 1995 - 199713 keine Ausgaben aus Kreismitteln zugunsten Rwamikos geleistet wurden, auch wenn zumindest 1996 im Rahmen der Aktion „Fünf DM für die Kinder Ruandas“ Spenden von Bür- gern des Kreises gesammelt und auch überwiesen worden sind. Ein nicht näher datierter Aktenvermerk (vermutlich aus dem Jahr 1996) legt die Vermutung nahe, daß sich die rheinland-pfälzischen Partner in diesen Jahren in Zurückhaltung übten, da nicht gewährleistet werden konnte, daß eventuelle Hilfslieferungen / Überweisungen den gewünschten Adressaten tatsächlich erreichten14.

Nach annähernder ‘Normalisierung’ der Verhältnisse in Ruanda wurden die Hilfsaktionen ab 1996 wieder intensiviert. Die Errichtung von Schulräumen, die Weiterführung der begonnenen Wasserlei- tungsbauten wurden nun ebenso in Angriff genommen wie die Un- terstützung privater Initiativen (z. B. ein Sternmarsch unter dem Motto ‘Go for Ruanda’).

4.2 Akteure und Verflechtungen

Auf Kreisebene zeichnet sich in erster Linie das ‘Ruanda-Komitee’ für die Partnerschaft verantwortlich. Das Komitee wird vom Kreistag gewählt15, seine Mitglieder müssen aber nicht selbst dem Kreistag angehören. Das ‘Ruanda-Komitee’entscheidet über die Verwendung der zur Verfügung gestellten bzw. gespendeten Gelder. Nach Aussa- ge des Landrates Bertram Fleck herrschte in den Gremien (‘Ruanda-Kommitee’, Kreistag, Kreisausschuß) bei Entscheidungen zur Ruan- dapartnerschaft weitgehender Konsens zwischen den vertretenen Fraktionen16. ‘Grabenkämpfe’ zwischen den politischen Gruppierun- gen wie in München waren im Rhein-Hunsrück-Kreis nie zu ver- zeichnen.

Auch die Zusammenarbeit mit dem Land gestaltet sich anders: Hilfestellung in ‘Ruanda-Fragen’ leistet das Kontaktbüro des Landes Rheinland-Pfalz in Kigali sowie das Ministerium des Innern und für Sport in Mainz17, die beide koordinierende Aufgaben wahrnehmen und insbesondere Empfehlungen für spezielle Projekte aussprechen, denen der Kreis in der Regel folgt. Auch hier sind in der Vergangenheit keine Konfliktsituationen entstanden.

Zur Umsetzung der lokalen Agenda-21 wurde auch im Rhein- Hunsrück-Kreis ein ‘Agenda-Büro’ eingerichtet, das mit einer haupt- amtlichen Verwaltungskraft des gehobenen Dienstes besetzt ist. Zur Implementierung der Agenda wurden vier Arbeitskreise118 gebildet, von denen sich bezeichnenderweise keiner unmittelbar mit dem Thema ‘Nord-Süd’ beschäftigt. Das Schattendasein des Themas ‘Entwicklung’ im lokalen Agenda-Geschehen, das oben unter 3.2 an- gesprochen wurde, wird auch im Rhein-Hunsrück-Kreis bestätigt, zumal die verwaltungsmäßige Sachbearbeitung der Ruandapartner- schaft von der Pressestelle der Kreisverwaltung wahrgenommen wird, deren Zuständigkeit für ‘Ruanda’ seit Beginn der Partnerschaft besteht und damit letztlich ‘historisch’ bedingt ist. Die Aufgaben-trennung zwischen Agenda-21-Büro einerseits und Pressestelle ande- rerseits ist m. E. in Anbetracht des globalen Anspruchs der lokalen Agenda-21 überdenkenswert. Das ‘Know-How’ des Agenda- Beauftragten in Bezug auf Entwicklung und ‘Nachhaltigkeit’ könnte auch der Partnerschaft zu Rwamiko wichtige Impulse geben.

4.3 Bewertung und Ausblick

Die einzelnen Projekte belegen die grundbedürfnisorientierte Ent- wicklungsstrategie, die für das gesamte Ruandaprojekt kennzeich- nend ist. Die Partnerschaft steht unter dem Motto ‘Hilfe zur Selbst- hilfe’. Die Einwohner der Gemeinde Rwamiko leisten einem Akten- vermerk zufolge selbst Arbeiten bei der Verwirklichung der Projekte. So werden durch die zur Verfügung gestellten Gelder heimische Ar- beitskräfte bezahlt, die damit teilweise den Lebensunterhalt ihrer Familien bestreiten können. So werden mit relativ geringem Mit- teleinsatz19 durch ein breites ‘Durchsickern’ Möglichkeiten zur De- ckung mehrerer elementarer Grundbedürfnisse (Ernährung, Bildung, Unterkunft) eröffnet.

Ebenso kennzeichnend für die Ruandapartnerschaft ist die enge Ko- operation von Einrichtungen des Landes mit der Kreisverwaltung. Diese Zusammenarbeit von Land und Kommune sowie die Verhält- nisse in den Gremien stellen genau das Gegenteil der oben unter 3.2 beschriebenen Münchner Gegebenheiten dar. Der in der Literatur oft erwähnte Erfolg des rheinland-pfälzischen Ruandaprojektes (vgl. NUSCHELER, 1996: 415) kann daher teilweise in der Tatsache gesehen werden, das hier die inhaltliche ‘Marschrichtung’ zunächst von der Landesregierung vorgegeben wurde und sich die Kommunen dann dem ‘Trend’ anschlossen, was Konflikte zwischen den Akteuren un-wahrscheinlich machte. Die Landesregierung bot hier den kommunalen Akteuren einen Freiraum, in dem sie sich problemlos einbringen konnten. Der Erfolg des Ruandaprojektes liegt insoweit zum einen im Pragmatismus und Ideologieverzicht begründet. Andererseits war eine Ideologisierung zu Beginn der Partnerschaft kaum möglich, da die CDU seinerzeit sowohl im Landtag von Rheinland-Pfalz als auch in den Gremien des Rhein-Hunsrück- Kreises über eine stattliche Mehrheit verfügte. Selbst nach dem Wechsel der Landesregierung in Mainz (SPD-FDP-Koalition), die gerade erst im Amt bestätigt wurde, herrschte und herrscht Kontinuität in den entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen Land und Kreis.

5 Anhang

5.1 Erklärung von Rio und Agenda 21

„Die UNCED war die bislang größte Staatenkonferenz in der Ge- schichte: Delegierte aus 170 Nationen behandelten die zentralen Fragen unserer Zeit und die größten Probleme der kommenden Jahre: Die globale Umweltzerstörung und den fortschreitenden Niedergang der ärmsten Länder.“ (FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, 1994: 4)

In der Erklärung von Rio wurde die Interdependenz von internatio- nalen Konflikten, Unterentwicklung und Umweltzerstörung aner- kannt (nach FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG, 1994: 4). Die unter dem Mot- to ‘Global denken, lokal handeln’ stehende Agenda 21 forderte die NRO und die Kommunen ausdrücklich zu Aktivitäten im Sinne einer umweltverträglichen, nachhaltigen weltweiten Entwicklung auf (vgl. auch NUSCHELER, 1996: 417).

„Nichtstaatliche Organisationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausformung und Umsetzung einer teilhabenden Demokratie.“ (AGENDA 21, Kapitel 27.1)

„Nichtstaatliche Organisationen [...] verfügen über fundierte und vielfältige Erfahrungen, Fachkenntnisse und Fähigkeiten [...], die von besonderer Bedeutung für die Umsetzung [...] einer [...] nach- haltigen Entwicklung sind [...].“ (AGENDA 21, Kapitel 27.3)

„Um sicherzustellen, daß der Beitrag, den nichtstaatliche Organi- sationen zu leisten vermögen, voll zum Tragen kommt, soll eine möglichst intensive Kommunikation und Zusammenarbeit zwi- schen internationalen Organisationen, staatlichen und örtlichen Behörden und nichtstaatlichen Organisationen in den mit der A- genda 21 betrauten Gremien und im Rahmen der dafür entwickel- ten Programme hergestellt werden.“ (AGENDA 21, Kapitel 27.4)

„Da viele der in der Agenda 21 angesprochenen Probleme und Lösungen auf Aktivitäten auf der örtlichen Ebene zurückzuführen sind, ist die Beteiligung der Kommunen ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung der in der Agenda 21 enthaltenen Ziele. [...] Als Politik- und Verwaltungsebene, die den Bürgern am nächsten ist, spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Informie-rung und Mobilisierung der Öffentlichkeit und ihrer Sensibilisierung für eine nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung.“ (A- GENDA 21, Kapitel 28.1)

5.2 Nachhaltige Entwicklung / Sustainable Development

Der Begriff ‘Sustainable Development wird im Deutschen meist mit ‘Nachhaltigkeit’ übersetzt. Einzug in die Internationale Politik hielt er mit dem sog. ‘Brundtlandt-Bericht’. Ziel des ‘Sustainable Deve- lopment ist die Befriedigung gegenwärtiger Grundbedürfnisse ohne Gefährdung der Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generationen (nach STRÜBEL, 2000: 709 f.).

„[...] Das Konzept [...] impliziert eine Kritik an dem bisherigen wachstumszentrierten, ressourcenverschlingenden und - vernichtenden Entwicklungsmodell in den Industrieländern und an der Strategie nachholender Entwicklung in den Industrielän- dern und verweist auf die Globalität des Zusammenhangs von Wachstum, Unterentwicklung und Über- bzw. Fehlentwicklung, Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung und bereitet den Weg für globale Umweltbilanzen. [...]“ (NOHLEN, 1998: 633)

Inwieweit das Konzept des ‘Sustainable Development’ Erfolg zeigen wird, bleibt abzuwarten:

„[...] Auf der Ebene der int.[ernationalen] Bez.[iehungen] verläuft der Prozeß der Globalisierung von Handel, Wirtsch.[aft] und Fi- nanzen eher konträr zu den Zielsetzungen nachhaltiger E.[ntwicklung]: Die Ökologieverträglichkeit und Zukunftsfähig- keit von Produktion und Dienstleistungen tritt in den Hinter- grund zugunsten von Marktdominanz und komparativen Kosten- vorteilen im weltwirtsch.[aftlichen] Wettbewerb.“ (Strübel, 2000: 710).

6 Literaturverzeichnis

BODEMER, Klaus 2000: Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. In: NOHLEN, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. München. S. 224 - 228.

EPD-ENTWICKLUNGSPOLITIK, CAF/AGENDA-TRANSFER, ZENTRUM FÜR KOMMUNALE ENTWICKLUNGSARBEIT, 1998 (Hrsg.):

Kommunen in der Einen Welt. Frankfurt.

FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG (Hrsg.) 1994: Kommunale Nord-Süd- Zusammenarbeit, Bonn.

GRUBE, Birgit 1988: Arbeitskreis Städte und Entwicklung. In:

VORSTAND DER SPD (Hrsg.): Dokumentation: Nord-Süd - eine Zukunft, eine gemeinsame Aufgabe. Nord-Süd-Forum der SPD: Bonn, 21.4.1988. Bonn. S. 52-57.

HARTMANN, Christof 2000: Rwanda. In: NOHLEN, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. München. S. 651-653.

HILLIGES, Gunther 1994: Dezentralisierung und Partizipation: Der Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung in Ländern und Kommunen. In: RÖSCHEISEN, Roland (Hrsg.): Nord-Süd- Politik an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend. Unkel / Bad Honnef. S. 145 - 162.

HILLIGES, Gunther 1998: 10 Jahre Nord-Süd-Foren in Deutschland. Bilanz und Perspektiven - Beitrag zur 7. Bundeskonferenz der Kommunen und Nord-Süd-Foren am 6. und 7. November in Osnabrück. In: EPD-ENTWICKLUNGSPOLITIK, CAF/AGENDA-TRANSFER, ZENTRUM FÜR KOMMUNALE ENTWICKLUNGSARBEIT (Hrsg.): Kommunen in der Einen Welt. Frankfurt. S. 111 - 115.

JARRAS, Hans D. u. PIEROTH, Bodo 1999: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Kommentar. 5. Aufl.. München.

KATZ, Alfred 1996: Staatsrecht: Grundkurs im öffentlichen Recht. 13., neubearb. Aufl.. Heidelberg.

KLEINFELD, Ralf 1996: Kommunalpolitik: Eine problemorientierte Einführung. Opladen.

NASS, Klaus 1996: Recht und Praxis der Entwicklungspolitik der Länder. In: Die öffentliche Verwaltung: Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft. 49. Jg., H. 7, S. 274 - 282.

NOHLEN, Dieter 1998: Sustainable Development. In: NOHLEN, Dieter (Hrsg.): Lexikon der Politik, Bd. 7: Politische Begriffe. München. S. 633 - 634.

NUSCHELER, Franz 1996: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. 4., aktual. Aufl. Bonn.

SCHMID, Raimund 2001: Kommunale Entwicklungszusammenarbeit im Aufwind: Achte Bundeskonferenz der Nord-Süd-Foren eröffnet neue Perspektiven. In: www.epd.de/entwicklungspolitik/2001/04schmid.htm .

SCHMIDT-BLEIBTREU, Bruno u. KLEIN, Franz 1999: Kommentar zum Grundgesetz. 9. Aufl., Neuwied / Kriftel.

STATZ, Albert 1994: Eine praktische Kritik staatlichen Handelns. In: FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG (Hrsg.): Kommunale Nord-Süd- Zusammenarbeit, Bonn. S. 31 - 32.

STRÜBEL, Michael 2000: Sustainable Development. In: NOHLEN, Dieter (Hrsg.): Lexikon Dritte Welt. München. S 709 - 710.

WIEDMANN, Gerhard 1990: Zuständigkeit der Länder für Entwicklungshilfe. In: Die öffentliche Verwaltung: Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft. 43. Jg., H. 16, S. 688 - 694.

[...]


1 Man denke allein an die Verflechtungen in den lokalen Agenda-21- Arbeitskreisen.

2 Die Ausführungen zu den Gemeinden gelten aufgrund der Regelung von Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG für die Landkreise als Gemeindeverbände grds. sinngemäß, auch wenn die Gemeindeverbände an sich keine ‘Träger der Selbstverwaltungsgaran- tie’ sind (vgl. JARASS/PIEROTH, 2000: Rn. 17 zu Art. 28).

3 Die Umsetzung erfolgt in den Ländern durch einfachgesetzliche Regelungen, in Rheinland-Pfalz durch die Gemeindeordnung (GemO) und die Landkreisord- nung (LKO).

4 Die aktuelle Entwicklung nach der Regierungsübernahme durch die rot-grüne Koalition bildet bei BODEMER noch keine eigene Phase.

5 Die Entwicklungspolitik der Amtsvorgängerin Schlei unterschied sich nach der Darstellung bei BODEMER (2000: 227) inhaltlich nicht wesentlich von der Bahrs.

6 Gemeint ist die Landesregierung von Oberbayern. 12

7 Neben Atom-, Friedens-, Asyl-, Stadtentwicklungspolitik etc.. 13

8 Zur ‘Agenda 21’ und zu ‘Sustainable Development’ siehe Anhang 14

9 Gemeint sind sechs Verbandsgemeinden sowie eine verbandsfreie Stadt.

10 Frühestes vorliegendes Dokument ist ein Entwurf der Partnerschaftsurkunde vom 10.07.1985. Zwar kann aus den Akten geschlossen werden, das frühere Do- kumente existiert haben müssen, diese standen jedoch nicht zur Verfügung.

11 In Rwamiko bzw. Ruramba.

12 Zu den Hintergründen vgl. die Übersicht bei HARTMANN (2000: 652).

13 Die Haushaltsdaten sind allerdings als Indikator für die Intensität der Ruandapartnerschaft nur bedingt aussagekräftig, da das Ausbleiben von Leistungen in einem Jahr nicht mit dem Ruhen der Aktivitäten gleichzusetzen ist.

14 Die Aktenlage ist hier widersprüchlich, da in einem Vermerk dennoch auf die Errichtung einer Schneiderei mit Unterstützung durch Kreismittel im Jahr 1995 hingewiesen wird.

15 Die Wahl erfolgt in der Regel proportional zu den Kräfteverhältnissen im Kreis- tag.

16 Vertreten sind derzeit CDU, SPD, FDP, Grüne und die lokale Gruppierung ‘ProRhein-Hunsrück’.

17 Die Kooperation Akteure ist in mehreren Schreiben belegt, u.a. in einem Schrei- ben der Kreisverwaltung an die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen vom 01.09.1992.

18 a) Klima, Energie, Verkehr, Lärmschutz; b) Bauen / Umwelt, Natur und Landschaftsschutz, Land- u. Forstwirtschaft; c) Wasser- und Abfallwirtschaft; d) Arbeit, Soziales, Wirtschaft.

19 Der Ansatz für ‘Ruanda’ beträgt kontinuierlich 20.000,-- DM. Zum Vergleich das Haushaltsvolumen 2001: 148.579.290,-- DM.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kommunale Akteure in der deutschen Entwicklungspolitik - das Beispiel der Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Kurs "Internationale Politik - Probleme und Grundbegriffe"
Autor
Jahr
2000
Seiten
25
Katalognummer
V104267
ISBN (eBook)
9783640026203
Dateigröße
405 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Interessantes Forschungsthema, das hinsichtlich aller politikwissenschaftlichen Dimensionen (polity, politics, policy) bearbeitenswert ist.
Schlagworte
Kommunale, Akteure, Entwicklungspolitik, Beispiel, Ruandapartnerschaft, Rhein-Hunsrück-Kreises, Kurs, Internationale, Politik, Probleme, Grundbegriffe
Arbeit zitieren
Dominic Daub (Autor:in), 2000, Kommunale Akteure in der deutschen Entwicklungspolitik - das Beispiel der Ruandapartnerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104267

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