Im Westen nichts Neues: Neoliberalismus und Entwicklungspolitik


Seminararbeit, 2001

26 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A.1 Die Lage der Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts
A.2 Der Begriff der Entwicklung
A.3 Die Vorgeschichte und das Erbe des Kolonialismus

B.1 Geburtsstunde der Entwicklungspolitik 1949
B.2 Die zwei großen Paradigmen der Entwicklungspolitik
B.3 Die Modernisierungstheorie
B.4 Die Dependencia
B.5 Gemeinsamkeiten

C.1 Das Scheitern der "Großen Theorien"?
C.2 Politik im Theorievakuum
C.3 Im Westen doch nichts Neues: Der Mythos der westlichen Gesellschaft
C.4 Globalisierung und Freihandel als "Chance für Entwicklung"?
C.5 Die Entwicklungsländer in der "Globalisierungsfalle"?

D.1 Fazit: Modernisierte Modernisierung
D.2 Trotzdem: Ein Plädoyer für die Entwicklungspolitik

E. Literaturverzeichnis

F. Fussnoten

A.1 Die Lage der Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Es ist an dieser Stelle natürlich unmöglich, die immense Vielfalt der menschlichen Lebensumstände auch nur annähernd darzustellen. Statt dessen soll versucht werden, mit Hilfe einiger statistischer Daten einen groben Eindruck über die materiellen Existenzverhältnisse der Weltbevölkerung zu gewinnen. Der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP 1997 veröffentlichte "Bericht über die menschliche Entwicklung" gibt sich zwar optimistisch, enthält aber unter anderem folgende Angaben: 1

- 1.300 Millionen Menschen leben von einem Einkommen, das unter einem US- $ pro Tag liegt, während das durchschnittliche (!) Pro-Kopf-Einkommen in den Industrienationen etwa 50 $ pro Tag beträgt.
- Mehr als 1.000 Millionen Menschen leben in einem Zustand der Armut, abgesehen von geringem Einkommen charakterisiert durch eine geringe Lebenserwartung und fehlendem Zugang zu sauberem Wasser sowie zu Möglichkeiten der elementaren Bildung und politischen Mitwirkung.
- Über 800 Millionen Menschen leiden unter unzureichender Ernährung.
- Etwa 17 Millionen Menschen sterben jährlich an leicht heilbaren Erkrankungen 2, also knapp 50.000 Menschen jeden Tag, rund drei Viertel von ihnen sind Kinder.
- Das Verhältnis zwischen dem Einkommen der reichsten 20 % der Weltbevölkerung und den ärmsten 20 % beträgt 78:1, bei Miteinbeziehung der innerstaatlichen Einkommensunterschiede ist es etwa doppelt so hoch. 3

Dies sind keineswegs neue Tatsachen, im Gegenteil: sie sind so altbekannt, daß man sich geradezu an sie gewöhnt hat. Alle Empörung darüber beiseite lassend kann man festhalten, daß die Statistiken auf eine massiv ausgeprägte Ungleichheit in den Lebensverhältnissen der Weltbevölkerung hinweisen. Diese zeigt sich auf den ersten Blick als Ungleichheit zwischen Industrienationen und sogenannten Entwicklungsländern, d.h. zwischen als entwickelt bzw. als weniger entwickelt bezeichneten Regionen. Festhalten sollte man jedoch, daß die oben angeführten Statistiken lediglich einen Hinweis auf die tatsächlichen vielfältigen Unterschiede in den Lebensumständen liefern, die in Zahlen kaum zu erfassen sind. Menschliches Elend läßt sich auf diese Weise nur unzureichend darstellen. 4

Besonders interessant wird der Bericht, wenn die Statistiker des UNDP die Kosten der Beseitigung der Armut, für die Verwirklichung des allgemeinen Zugangs zu sozialer Grundversorgung, ausrechnen und auf jährlich rund 40 Milliarden US-$ beziffern - eine Summe, die in einer Weltwirtschaft mit einem Jahresumsatz von 25.000 Milliarden US-$ verschwindend gering erscheint und weniger als 0,2 % des Welteinkommens bzw. weniger als zwei Prozent der Rüstungsausgaben ausmacht. 5

A.2 Der Begriff der Entwicklung

Der Begriff der Entwicklung ist elementar für die Beschreibung und Erklärung der ungleichen Lebensverhältnisse der Weltbevölkerung. Was jedoch "unter Entwicklung zu verstehen ist, macht einen guten Teil der Entwicklungsproblematik und der politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihr selbst aus." 6

Der Begriff der Entwicklung ist weder vorgegeben noch allgemeingültig definierbar, noch wertneutral, sondern abhängig von Raum und Zeit sowie insbesondere von individuellen und kollektiven Wertvorstellungen. Entwicklung ist folglich ein normativer Begriff, in den Vorstellungen über die gewünschte Richtung gesellschaftlicher Veränderungen, Theorien über die Ursachen von "Unter" - Entwicklung, Aussagen über soziale Trägergruppen und Ablaufmuster sozio- okönomischer Transformationen, Entscheidungen über das Instrumentarium ihrer Ingangsetzung und Aufrechterhaltung einfließen. Somit ist Entwicklung und Entwicklungstheorie immer auch gesellschaftspolitisches Programm, eingebettet in einen historischen Kontext.

Diese Zusammenhänge sollen in der vorliegenden Arbeit einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Daher werden zunächst die Anfänge der Entwicklungspolitik nach dem zweiten Weltkrieg vorgestellt. Anschließend sollen die beiden "großen Paradigmen" der Entwicklungspolitik, die Modernisierungstheorie und die Dependencia in ihrem historischen Entstehungskontext als Großtheorien mit globalem und universellen Lösungsanspruch charakterisiert werden. Die festzustellenden theoretischen Gemeinsamkeiten der beiden Strömungen sollen dann ein Analyseraster ergeben, mit dessen Hilfe die ökonomischen Imperative des Neoliberalismus ebenfalls als Großtheorie mit globalem Lösungsanspruch interpretiert werden können. Dabei soll sowohl der Mythos der westlichen Gesellschaft sowie auch die These, daß der Freihandel und die Globalisierung eine neue "Chance für Entwicklung" bereithielten, kritisch beleuchtet werden.

A.3 Die Vorgeschichte und das Erbe des Kolonialismus

Historisch betrachtet, können die Unterschiede zwischen den als "entwickelt" bezeichneten und den "unterentwickelten" Ländern auf folgende zusammenhängende Punkte reduziert werden: die industrielle Revolution, die kapitalistische Marktwirtschaft, den Kolonialismus und einen Wandel in den gesellschaftlichen Wertvorstellungen der Menschen. Der Zusammenhang läßt sich verkürzt folgendermaßen darstellen: das Erstarken des Bürgertums und die "Entzauberung der Welt" (das von der Aufklärung verbreitete rationale Weltbild) leiteten den Übergang vom feudalen Merkantilismus, der bereits als Geldwirtschaft organisiert war, zum Kapitalismus ein. In dieser Wirtschaftsform strebt das Kapital seiner Natur zur Akkumulation, also Anhäufung bzw. Vermehrung durch Innovation oder Expansion nach. Die sich ausbreitende protestantische Ethik förderte diesen Prozeß - kapitalistische Unternehmer empfanden aufgrund ihrer puritanischen Frömmigkeit Luxus als Sünde und pflegten einen sehr bescheidenen Lebensstil. Anstatt erwirtschaftete Gewinne zu "verkonsumieren", reinvestierten sie diese in neue Geschäfte. Die calvinistische Prädestinationslehre, die Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg als Zeichen von himmlischer Auserwähltheit interpretierte, tat ihr übriges, um das Streben nach Gewinn religiös zu verbrämen.

Innovation und Expansion waren die beiden primären Arten der Reinvestition von Gewinnen, das Geld wurde meist entweder für neuere Produktionsmethoden oder für die Erweiterung der Produktion mithilfe zusätzlicher Produktionsmittel und -stätten verwendet. Während mit der ersten Art der Reinvestition die industrielle Revolution vorangetrieben wurde, die bereits eine beeindruckende Eigendynamik an den Tag legte, da Erfindungen in einem Technologiebereich oft weitere Neuerungen in anderen Bereichen ermöglichten, war die Expansion ein wichtiger Faktor im Kolonialismus: neue Rohstoffquellen, neue Absatzmärkte und neue Handelsmöglichkeiten waren sehr begehrt. 7 Das entscheidende Merkmal, das die europäischen Mächte von anderen Reichen der Weltgeschichte unterschied, war wohl, daß der produzierte Überschuß nicht zum Konsum, sondern zur Transformation des Produktionsprozesses verwendet wurde. 8 Die oben angesprochenen Zwänge und Wertvorstellungen führten dazu, daß die Produktion sich nicht mehr an den menschlichen Bedürfnissen orientierte, sondern unter allen Umständen maximiert werden sollte.

Der Kolonialismus prägte die betroffenen Länder wohl alle in unterschiedlicher Weise, aber einige für fast alle zutreffenden Elemente können hier angeführt werden:9

- Der Kolonialismus führte die Idee ein, daß Grund und Boden frei handelbare Güter wie andere auch seien.
- Christentum, abendländische Kultur und westliche Wertvorstellungen wurden durch missionarische Tätigkeiten und Bildungseinrichtungen verbreitet, oftmals vor allem bei lokalen Eliten.
- Die traditionelle Subsistenzwirtschaft wurde ersetzt durch Exportproduktion und Lohnarbeit, meist mittels ökonomischer und nicht-ökonomischer Zwänge. Erstere waren zum Beispiel die Einführung von in Geld zu entrichtenden Steuern, letztere gewaltsame Landbesitznahme und Zwangsarbeit.
- Die lokale Wirtschaft wurde in die Weltwirtschaft integriert, zunächst durch Tributzahlungen, bald aber auch durch Umstellung der Produktion und der Besitzverhältnisse auf die Bedürfnisse der Kolonialmacht.
- In manchen Gebieten, vor allem in Afrika, wurden Völker durch willkürliche Grenzziehungen gegen ihren Willen geteilt und mit anderen in neugegründete Staaten gedrängt, was maßgeblich zu zahlreichen Konflikten beitrug.
- Zentrale autoritäre Herrschaftssysteme, die oft mit der Bildung einer herrschenden Elite verbunden waren, wurden eingeführt oder billigend unterstützt.
- Die traditionelle Kultur wurde zugunsten der westlichen unterdrückt und so eigenständige Entwicklungswege unterbrochen.

Es läßt sich festhalten, daß der Kolonialismus, auch wenn er nicht für sämtliche Probleme der Dritten Welt verantwortlich gemacht werden kann, die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in den kolonisierten Regionen entscheidend veränderte und sie auch über die Periode der direkten Beherrschung hinaus der Möglichkeit einer wirklichen, eigenständigen Entwicklung weitgehend beraubte.

B.1 Geburtsstunde der Entwicklungspolitik 1949

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges begannen die damaligen Alliierten mit der Einrichtung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank), dem Allgemeinen Abkommen zu Handel und Tarifen (GATT) und der Gründung der Vereinten Nationen (UN) die Grundlagen der Nachkriegsordnung zu schaffen. 1949 - also bereits zur Zeit des Kalten Krieges - wies der amerikanische Präsident Truman den vormaligen Kolonien ihre Rolle im internationalen System zu: Ohne Berücksichtigung der deformierenden Vorgeschichte des Kolonialismus bezeichnete er die Länder des Südens als "unterentwickelte Gebiete", deren "zivilisatorischer Fortschritt" durch "wirtschaftliche Mobilisierung" erreicht werden solle. Damit hatte der Begriff Entwicklung seinen Ort in der internationalen Politik gefunden. 10

Jedoch war die Entwicklungspolitik alles andere als ein unabhängiges Politikfeld. Die amerikanische Außenpolitik war nach 1945 von der Furcht eines umsichgreifenden Weltkommunismus geprägt (Domino-Theorie). Innerhalb der "Truman-Doktrin" versuchten die USA deshalb, den Einfluß der UdSSR an jeglicher Stelle, ob in Persien, Asien, Indochina, Lateinamerika oder Europa wirtschaftlich und militärisch einzudämmen. Der beginnende anti-kolonialistische Aufbruch vieler junger Staaten in der "Dritten Welt" tat ein übriges dazu. Da sie aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit eher versucht waren, einen anti-westlichen Kurs einzuschlagen, drohten sie in die Einflußsphäre der UdSSR abzugleiten. Sogar eine unkalkulierbare eigenständige Position in der Weltpolitik war denkbar, da die Länder des Süden im atomaren Kräftegleichgewicht zwischen Ost und West prinzipiell zu eigener Stärke finden konnten. Für die amerikanische Außenpolitik ergaben sich aus diesen Zusammenhängen neue sicherheits- und allianzpolitische Konzeptionen, die auch für die Entwicklungspolitik und -theorie maßgebend werden sollten.

An den "neuen Grenzen" im Süden sollte "ökonomische Verteidigung" betrieben werden. Durch finanzielle Hilfsprogramme sollten westliche Einflußsphären etabliert, Sicherheitszonen geschaffen und die unterstützten Länder ökonomisch in das Wirtschaftssystem des Westen integriert werden. Nicht nur an diesem historischen Punkt zeigt sich, daß die Ausrichtung und Gewährung von Entwicklungshilfe eindeutig ideologisch geprägt und an den politischen und ökonomischen Interessen der "Geberländer" orientiert war bzw. immer noch ist.

B.2 Die zwei großen Paradigmen der Entwicklungspolitik

Es scheint weder möglich noch angebracht, an dieser Stelle die gesamte Spannweite von Entwicklungstheorien der letzten 50 Jahre zu diskutieren. Rückblickend läßt sich jedoch feststellen, daß ein Großteil der entwicklungspolitischen Arbeiten von der Auseinandersetzung zwischen den beiden "großen Paradigmen" Modernisierungstheorie und Dependenztheorie geprägt war. 11

Ein Rückblick auf die "großen Theorien" und die dogmatischen Auseinandersetzungen zwischen ihren Vertretern lohnt sich auch heute noch. Sie stellen immer noch wichtige grundsätzliche Fragen nach Entwicklung und Unterentwicklung und regen damit zum nachdenken und hinterfragen bestehender Zusammenhänge an. Die Globaltheorien bilden zudem ein "Polster" gegen Rückfälle in die entwicklungspolitische Gegenaufklärung und schützen davor, "daß alte Ladenhüter, die jeden Erkenntnisfortschritt ignorieren, wieder aufgeputzt werden." 12 Ganz allgemein sind sie unverzichtbar für eine sachkundige, problembewußte und differenzierungsfähige Theoriediskussion. Diese Diskussion scheint zwar heute keine Konjunktur mehr zu haben, vielmehr hat sie sich in den ordnungspolitischen Streit verflüchtigt, wieviel Markt und Staat für Entwicklung gut ist. Dennoch gilt, daß "weder die Zweifel an der weltweiten Erlösungskraft des Kapitalismus noch die kritischen Anfragen an das Wirken des Weltmarkts sich erledigt haben, auch wenn sie derzeit kaum gestellt werden." 13

B.3 Die Modernisierungstheorie

W. W. Rostow, einer der führenden Köpfe bei der Grundlegung der amerikanischen Entwicklungspolitik, bezeichnete seine strategische Vision von Entwicklung explizit als "Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie und entwickelte seine Theorie von universell gültigen "Stadien des wirtschaftlichen Wachstums." 14 Die "nachholende Entwicklung" sollte mittels Technologisierung und Industrialisierung "traditionelle Agrargesellschaften" modernisieren. Unterentwicklung hatte folglich endogene Ursachen und wurde als Nicht-Vorhandensein von im Westen wirksamen Modernitätsfaktoren definiert.

Für die daraus abgeleiteten Modernisierungstheorien sind folgende Vorstellungen und Grundannahmen kennzeichnend:

- Die theoretische Verortung des Problems interpretierte Unterentwicklung als ein frühes Stadium gesellschaftlicher Entwicklung. Unterentwickelte Gesellschaften entsprechen Übergangsgesellschaften auf dem Weg von der Tradition zur Moderne.
- Die Frage der Verursachung von Unterentwicklung wird von den Modernisierungstheoretikern kaum gestellt. Sie gehen vielmehr vom Tatbestand der Unterentwicklung als gegeben aus und fragen nach den Faktoren, welche sozialen Wandel hindern, wobei diese Faktoren hauptsächlich endogen verortet werden.
- Die Modernisierungstheorien betonen die internen Bedingungen von Unterentwicklung. Externe Einflüsse erhalten im wesentlichen positive Funktionen und werden nicht danach befragt, inwieweit sie Unterentwicklung mit verursachten bzw. mit aufrechterhalten.
- Im Beziehungsmuster zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern stellen für die Modernisierungstheorien erstere das Vorbild und Ziel des Entwicklungsprozess zur Nachahmung dar.
- Die interne Struktur unterentwickelter Gesellschaften wird als dualistisch interpretiert: Es gibt moderne und traditionelle Sektoren, Räume, Branchen und auch Verhaltensweisen. Sie existieren relativ beziehungslos nebeneinander.

Als allgemeingültiges Rezept für einen wirksamen Entwicklungsprozeß sollten die rückständigen Länder die Entwicklung der fortgeschrittenen Länder in vergleichbaren Schritten nachvollziehen. Über die Integration in den Weltmarkt sollten die Entwicklungsländer in einer nachholenden Entwicklung den internen sozialen und ökonomischen Dualismus überwinden. Die nachholende Entwicklung sollte mittels Technologisierung und Industrialisierung durch Anschübe von außen die rückständigen und traditionellen Agrargesellschaften modernisieren. Unterentwicklung hatte folglich endogene Ursachen und wurde als Nicht- Vorhandensein von im Westen wirksamen Modernitätsfaktoren definiert.

B.4 Die Dependencia

Mitte der 60er Jahre begann in Lateinamerika eine Reihe von wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studien zu erscheinen, die den Begriff der dependencia, also die Abhängigkeit in den Mittelpunkt ihrer Analysen 15 stellten, um das allseitige Abhängigkeitsverhältnis der lateinamerikanischen Staaten von den USA zu erklären. Diese Analysen wurden im Zuge der Renaissance des Marxismus in den akademischen Zirkeln westlicher linker Theoretiker begeistert aufgenommen und mit Rückgriffen auf strukturalistische Neoimperialismus-, Weltmarkt- und Weltsystemtheorien bereichert. Die 70er Jahre standen hier neben dem Neomarxismus im Zeichen der Studentenproteste und der Vietnam-Bewegung. "Also hatten Imperialismusanalyse, Revolutionstheorie und solche Länder Konjunktur, die sich als Analyse- oder Solidaritätsobjekte hiesiger Interessen eigneten." 16

Die Vertreter der Dependencia erhoben so den Anspruch, auf theoretischer Ebene eine allgemeingültige Erklärung für die Unterentwicklung beziehungsweise Blockierung von Entwicklung in den Ländern des Südens zu liefern. Gleichzeitig sollten auf politischer Ebene Elemente einer ebenfalls weltweit anwendbaren Überwindungsstrategie gegen Unterentwicklung und Abhängigkeit formuliert werden. Damit eröffneten die Dependenztheoretiker den "Sturmangriff auf das Elend der bürgerlichen Entwicklungstheorie" 17 in Form der Modernisierungstheorien, die bis dahin die herrschende Theorie bildeten.

Als Gegenentwurf zur Modernisierungstheorie durch Betonung äußerer (exogener) Faktoren, die Unterentwicklung in den Ländern des Südens verursachen, verbanden die verschiedenen Theorieansätze der Dependenz folgende grundlegenden Gemeinsamkeiten:

- Unterentwicklung hat nichts mit traditioneller "Rückständigkeit" zu tun. Unterentwicklung ist das Resultat struktureller Abhängigkeit innerhalb eines asymmetrisch strukturierten, ausbeuterischen und weltkapitalistischen Systems. Entwicklung und Unterentwicklung werden dabei als historisch gleichzeitige, aufeinander bezogene Seiten eines weltwirtschaftlichen Entwicklungsprozesses interpretiert.
- Die Abhängigkeit und damit die Ausbeutung der südlichen Länder basieren auf der zwangsweisen Integration vor allem durch die Phase der kolonialen Beherrschung in die internationale Arbeitsteilung: Hier werden die Entwicklungsländer auf die Rolle der Rohstofflieferanten für die industrialisierten Fertiggüterproduzenten des Nordens reduziert.
- Der kapitalistische Weltmarkt zementiert diese Polarisierung in kapitalistische Zentren und von diesen abhängige Peripherien über die Ausrichtung der peripheren Ökonomien auf die Bedürfnisse der Ökonomien der Zentren.
- Über die Einbindung der Dritten Welt in den kapitalistischen Weltmarkt ist nur ein deformiertes Wachstum möglich. Es bildet sich ein sogenannter "peripherer Kapitalismus" heraus, in dem Wachstum allenfalls im Exportsektor herrscht, dagegen die nicht-exportorientierte Landwirtschaft durch stagnierende Produktivität charakterisiert ist. Daraus resultieren interne Nahrungsmittelengpässe; fehlende oder stagnierende Massenkonsumgüterproduktion und Produktionsgüterproduktion führen zu tiegreifender Abhängigkeit. Die Produktionsstruktur der peripheren Länder ist auf die Bedürfnisse der kapitalistischen Zentren ausgerichtet.
- Der Begriff der "strukturellen Heterogenität" charakterisiert diesen Zusammenhang zwischen abhängiger Weltmarktintegration und interner ökonomischer und sozialer Strukturen. Der Profit des modernen Exportsektors basiert auf billiger Arbeitskraft, dies bedingt geradezu die Zurückgebliebenheit der "restlichen" traditionellen Wirtschaft, um ein strukturelles Überangebot an Arbeitskräften zu garantieren. Damit werden große Teile der Bevölkerung marginalisiert, interne Nachfrage nach Massenkonsumgütern ist kaum vorhanden. Die Eliten sind die einzigen Träger relevanter interner Kaufkraft. Die strukturelle Heterogenität ist das Resultat der Auflösung gesellschaftlicher Zusammenhänge traditioneller Produktion.

Als Konsequenz aus diesen Zusammenhängen wurde von den Dependenztheoretikern eine Abkopplung vom Weltmarkt gefordert. Diese Dissoziation sollte eine nach innen gerichtete, "autozentrierte" Entwicklung ermöglichen. Radikale Vertreter der Dependencia propagierten darüber hinaus eine revolutionäre Umgestaltung des kapitalistischen Welt(markt)systems. In weniger radikaler Form mündeten die Schlußfolgerungen aus der festgestellten Situation der Unterentwicklung in den Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die seit 1972 in Santiago de Chile im Rahmen der UNCTAD vor allem durch die Gruppe der 77 immer wieder thematisiert wurde.

B.5 Gemeinsamkeiten

Auch wenn Modernisierungs- und Dependenztheoretiker völlig gegensätzliche Erklärungen von Entwicklung, Unterentwicklung und entsprechende Maßnahmen propagierten, bei der Definition von Entwicklung als Entfaltung der Produktivkräfte und dem Ziel einer Industrialisierung nach westlichem Vorbild waren sie sich bemerkenswerterweise weitestgehend einig. Entwicklung hieß Industrialisierung und wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis. Die Modernisierungstheoretiker gingen davon aus, daß der so erwirtschaftete Wohlstand zunächst begünstigter Eliten in die breite Masse der Bevölkerung durchsickern würde ("Trickle-Down-Effekt") und so rückständige Regionen und Sektoren in einen schrittweisen Modernisierungssog in Richtung westlicher Demokratie gezogen würden.

Auch der nicht-kapitalistische Weg der Dependencia formulierte für seine autozentrierte (Binnen-)Marktorientierung zur Umstrukturierung des peripheren Kapitalismus eine industrialisierte Staatsgesellschaft als Ziel, in der anschliessend durch radikale sozialistische Transformation (idealerweise in der ganzen Dritten Welt) allerdings sozialistische Produktionsverhältnisse und klassenlose Gesellschaftsstrukturen verwirklicht werden sollten. 18

Trotz des fundamentalen Gegensatzes zwischen Weltmarktintegration gegenüber Abkopplung vom selbigen, zeigt sich, daß Wirtschaftswachstum in beiden globalen Paradigmen eine unabdingbare Voraussetzung für Entwicklung im allgemeinen darstellt, so daß es nicht verwundert, wenn Menzel 40 Jahre Entwicklungsstrategie mit "40 Jahren Wachstumsstrategie" gleichsetzt. 19 Fast alle strategischen Empfehlungen der beiden Großtheorien zielen auf Wachstum, Agrarmodernisierung und insbesondere Industrialisierung; die jeweils unterschiedlichen sozialen und politischen Ziele würden sich dann irgendwie, quasi automatisch einstellen.

Beide Entwicklungskonzepte identifizierten dabei den Staat als wichtigsten Akteur und begründeten damit gewissermaßen die Notwendigkeit zentralistischer Regime. "Ob als Avantgarde oder als patrimonialer Staat mit nachzuholendem "nation building" konzipiert - auf mehr oder weniger diktatorische Einparteien-Systeme lief es allemal hinaus." 20 Ein starker Staat als Hauptträger der Entwicklung sollte die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum schaffen, autoritäre Systeme in der Anfangsphase wurden in beiden Paradigmen durchaus als notwendig akzeptiert. Für die Dependenztheorie wie auch die Modernisierungstheorie nahm in diesem Zusammenhang die Geschichte für außereuropäische Gesellschaften erst mit der europäischen Expansion ihren Anfang. Für die Vertreter der Modernisierung begann damit die weltweite Diffusion von Modernität, für die Vertreter der Dependencia die Entwicklung von Unterentwicklung. Die Spezifika der vorkolonialen und kolonialen Gesellschaften und ihre Bedeutung für die nachkoloniale Entwicklung wurden so in beiden Theoriesträngen weitestgehend übersehen.

Ein besonderes Augenmerk verdient der Wissenschaftsprozess selbst und die Besonderheiten der Theorieproduktion innerhalb der beiden konkurrierenden Paradigmen. Es scheint, dass der globale Erklärungsanspruch der beiden Schulen mit einer mangelhaften und undifferenzierten Analyse der tatsächlichen Verhältnisse erkauft wurde. Nicht nur die wirtschaftsgeschichtlichen Lücken der verschiedenen Theorierichtungen sind nicht als mehr oder minder zufällige Forschungsdefizite zu interpretieren,

"sondern sie stehen in einem engen Zusammenhang mit der geringen Kommunikation zwischen konkurrierenden Theorieschulen und der Neigung, die Ansätze und Resultate der jeweils anderen Richtung gar nicht oder nur als Karikatur wahrzunehmen, und sich gegen solche Informationen abzuschotten, welche den eigenen Ansatz in Frage stellen oder zumindest verkomplizieren könnten."21

Hier wird die programmatische und ideologische Funktion sowohl von Modernisierungs- wie auch Dependenztheorie noch einmal deutlich sichtbar. Die theoretische Lagerbildung, der Mangel an diskursivem Austausch und Lernen und die Lagermentalität der Theorievertreter, die sich damit verbindet, sind im Kontext dieser Doppelfunktion von Entwicklungstheorien zu sehen. Es handelt sich bei ihnen eben nicht nur um Versuche der Erklärung von Prozessen der Entwicklung und Unterentwicklung, sondern immer auch um gesellschaftspolitische Entwürfe. "Die programmatische und ideologische Funktion, die Entwicklungstheorien immer auch erfüllen, hat nicht nur den Diskurs zwischen den Theorieschulen außerordentlich erschwert, sondern auch die Selbstkorrektur innerhalb der einzelnen Richtungen." 22

Die mangelnde Differenzierungsfähigkeit in beiden Lagern führte über die ausschließliche Betonung endogener Faktoren auf der einen beziehungsweise exogener Ursachen auf der anderen Seite zu einem jeweils statischen dichotomen Weltbild, das nur auf moderne und traditionelle Gesellschaftsstrukturen einerseits oder Metropole und Peripherie andererseits reduziert war. Damit erscheint der jeweils globale Erklärungsanspruch von Unterentwicklung und entsprechend zu ergreifenden Strategien von Modernisierungstheorie und Dependencia als durchaus plausibel.

C.1 Das Scheitern der "Großen Theorien"?

Doch spätestens seit Anfang der 80er Jahre wurde deutlich, daß keine der beiden Theorien ihren monokausalen und universalen Anspruch, das alleinige Erklärungsmodell für alle Entwicklungsländer zu liefern, aufrechterhalten konnte. Als Ursachen für das Scheitern der beiden wichtigsten Großtheorien der Entwicklungspolitik, der daraus folgenden allgemeinen "Theoriekrise" über die übriggebliebenen "Theorieruinen" und die "latente Theoriemüdigkeit" 23 in der Entwicklungspolitik lassen sich sehr vereinfacht vier Gründe aufführen:

Erstens wurde den Modernisierungs- wie auch Dependenztheorien vorgeworfen, die Differenzierungsprozesse in der Dritten Welt weder erfaßt noch aufgearbeitet zu haben. Zwischen aufsteigenden Exportländern wie den vier südostasiatischen Tigern, stagnierenden rentenkapitalistischen Erdölförderländern und absteigend agrarisch geprägten Staaten in Afrika bestehen derartig weitreichende Unterschiede in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht, daß kaum von einer einheitlichen "Dritten Welt" gesprochen werden kann. Frühere Annahmen von identischen wirtschaftlichen und sozialen Tiefenstrukturen in der Peripherie mußten so revidiert werden, um die jeweils konkreten Bedingungen für (Unter-)Entwicklung im Einzelfall hervorzuheben. "Die Ausdifferenzierung der Dritten Welt schien für Theorien mit globalem Geltungsanspruch den Todesstoß zu bedeuten." 24

Zweitens mußte in der sogenannten Schwellenländerdebatte festgestellt werden, daß beispielsweise der Aufstieg Südkoreas, von einer Kolonie zu einem der konkurrenzfähigsten Industrieländer innerhalb von 30 Jahren mit den gängigen Theorien nicht erklärt werden konnte. Nach dependenztheoretischer Auffassung hätte die in Südkorea praktizierte Weltmarktintegration nur die "Entwicklung der Unterentwicklung" vorantreiben können. Trotz massiver negativer Erscheinungen wie Billiglöhnen und erheblicher Umweltzerstörung kann davon im Falle des Entwicklungsweges Südkoreas keine Rede sein. Aber auch die Modernisierungstheorien, die zunächst die konfuzianische Ethik als traditionelles Entwicklungshemmnis diffamierten, um sie später als Erfolgsbedingung hochzustilisieren, versagten in diesem Beispiel.

Der dritte Grund für die Theoriekrise ist dieses anvisierte Ziel des Wirtschaftswachstums selbst. Lange Zeit waren sich die Vertreter der verschiedenen Theorieschulen einig im Ziel der nachholenden Industrialisierung. Lediglich über die Beschaffenheit des dafür einzuschlagenden Weges wurde gestritten. Die ökologischen Krisenerscheinungen wiesen jedoch unübersehbar auf die Begrenztheit des industriellen Entwicklungsmodells und seiner globalen Übertragbarkeit hin. 25 In den 90er Jahren wurde dann nicht nur das Ziel des Entwicklungsprozesses, sondern sogar die Idee an sich, etwas "entwickeln" zu wollen, von Fundamentalkritikern wie Gustavo Esteva zurückgewiesen. 26 Ohne Frage ist es nur logisch, daß mit dem Ende des "Entwicklungsmythos" auch die Theorien verstummen, die ihn zum Inhalt haben. Die Einsicht mancher, dass Entwicklung "eine unbegrabene Leiche [ist], die gefährlich die Luft verpestet", 27 bedeutet aber nicht, daß wachstumsorientierte Industrialisierung in der entwicklungspolitischen Praxis als führendes Leitmotiv aufgegeben wurde. Damit verbunden war eine profunde Verunsicherung darüber, was angesichts der fatalen Konsequenzen des technisch-instrumentellen Fortschritts überhaupt noch als Entwicklung verstanden werden konnte. "An die Stelle der Fortschrittsgläubigkeit und des Entwicklungsoptimismus, den im Grunde alle Entwicklungstheorien geteilt hatten, trat nun eine an Pessimismus grenzende Skepsis." 28

Als vierter entscheidender Grund für das Theorieversagen wird das Scheitern aller Utopien und Entwicklungsmodelle genannt. Die großen Entwicklungstheorien versuchten ja nicht nur (Unter-) Entwicklung zu erklären, sondern waren zugleich - wie zuvor dargestellt - gesellschaftspolitische Entwürfe und gaben Strategien für den zu verfolgenden und anzustrebenden Entwicklungsweg vor. Aber weder sozialistische Modelle wie in Kuba oder Nicaragua, weder neoklassische wie in Chile, noch "dritte Wege" wie Ujamaa in Tanzania hätten für die Bevölkerung reale Verbesserungen gebracht, wurde von Theoriekritikern wie Ulrich Menzel konstatiert.

29 Diese Theoriekrise, "die Krise der Entwicklung" und die Behauptung vom "Ende der Dritten Welt" hat die entwicklungspolitische Diskussion der 80er und 90er Jahre maßgeblich beeinflußt.

C.2 Politik im Theorievakuum

Auf der theoretischen Ebene der Diskussion um Unterentwicklung und ihre Ursachen ist festzustellen, daß der in den 70er Jahren gepflegte Dogmatismus scheinbar aufgegeben wurde. "Kaum jemand behauptet heute noch, im Besitz der allein gültigen Wahrheit zu sein, von neoklassisch orientierten Entwicklungsökonomen und ihren Wahnvorstellungen vom freien Markt und seiner alles regulierenden Kraft abgesehen." 30 Mit der Krise der Großtheorien der Entwicklungspolitik eröffneten sich abseits dichotomer Weltbilder und globaler Erklärungsansprüche neue Möglichkeiten für differenziertere Länderanalysen, die der "neuen Komplexität" 31 ihrer Untersuchungsgegenstände Rechnung trugen.

Neue, längst überfällige Themen wurden aufgegriffen und vertieft: So konnte die Ökologiedebatte über die Konsequenzen einer nachholenden Entwicklung als "Hauptwiderspruch" zwischen Kapital - Arbeit oder Peripherie - Metropole im weltweiten Maßstab an Einfluß gewinnen. Ein weiterer "Nebenwiderspruch", nämlich das Geschlechterverhältnis, wird in der entwicklungspolitischen Gender-Diskussion aufgegriffen. 32 Daneben gab es auch neue Akzente in der Kulturdebatte innerhalb der Entwicklungspolitik. Ob allerdings damit eurozentristische Überlegenheitsvorstellungen, wie sie auch durch Max Weber beziehungsweise seine Rezeption geprägt wurden, aufgelöst wurden, ist eher fraglich. Denn auch in diesem Kontext scheint es, daß "der Maßstab, nach dem "Entwicklung" gemessen wird, ... europäische Ideen von wirtschaftlicher Effizienz und universellen Werten ... sind." 33

Die praktische Entwicklungspolitik füllte das entstandene theoretische Vakuum mit einer Anzahl von fortschrittlich klingenden Schlagwörtern und Modediskursen auf, deren inhaltlicher Gehalt bei näherer Betrachtung beliebig interpretierbar ist: "Partizipation, soziale Sicherheit, good governance und sustainability, ... , klingen innovativ und retten die in den 80er Jahren massiv kritisierte Entwicklungshilfe, die jetzt in bester pädagogischer Absicht Entwicklungszusammenarbeit heißt, über die Runden." 34

Dieses Klima einer scheinbar neuen Orientierungslosigkeit in der Entwicklungstheorie kann aber durchaus bedenklich stimmen:

"Der heute übliche Theorienverzicht oder -pluralismus birgt die Gefahr der Beliebigkeit. Man gibt sich auf- und abgeklärt, verweist auf den ideologischen Charakter früherer Bekenntnisse und Modelle und vergißt dabei, daß man keinen eigenen Standpunkt mehr hat, sich auf nicht-hinterfragte Tabus einläßt und sein Fähnlein in den "Wind of Change" hält. Dieser Wind weht aus neoliberaler Richtung." 35

Obwohl in der Entwicklungstheorie schon längst zu den Akten gelegt, ist die einseitige Wachstumsorientierung immer noch für den größten Teil der entwicklungspolitischen Maßnahmen charakteristisch. Darüber hinaus hat die "neoliberale Wende" in der internationalen Politik (nach den Amtsantritten der Regierungen Reagan in den USA, Thatcher in Großbritannien und Kohl in der Bundesrepublik) auch den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit nicht unberührt gelassen, so daß seit Anfang der 80er Jahre sowohl in den nationalen wie auch in den internationalen Institutionen die neoklassische Theorie zur alleinigen Grundlage der Entwicklungspolitik wurde. Dieser Theorie zufolge sorgen Handelsliberalisierung, Exportorientierung, Zurücknahme des Staates zugunsten des freien Marktes und des freien Wettbewerbs in allen Ländern für ein effektiveres Funktionieren der Wirtschaft, schnelles Wachstum und vermehrten Wohlstand. Dieser Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik in Richtung einer "Renaissance der Neoklassik" schlug sich auch in der Entwicklungsökonomie nieder. In diesem neuen alten Paradigma der "modernisierten Modernisierung" 36 und dem daraus abgeleiteten

Entwicklungsmodell wirkt über die Fixierung auf Marktwirtschaft, Demokratisierung und Zivilgesellschaft der westliche Universalismus weiter.

C.3 Im Westen doch nichts Neues: Der Mythos der westlichen Gesellschaft

Es kann zusammengefaßt werden, daß ein Entwicklungsmodell, das die Erhöhung des Lebensstandards aller als direkte Folge von Wirtschaftswachstum annimmt, das seit den siebziger Jahren in der Entwicklungstheorie für untauglich erklärt wird, das in der entwicklungspolitischen Praxis zahllose Mißerfolge und Fehlentwicklungen zu verbuchen hat, das eine Reihe von schwerwiegenden und offensichtlichen Denkfehlern beinhaltet, am Ende des Jahrhunderts immer noch die vorherrschende Konzeption nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Köpfen der Experten in fast allen Institutionen der Entwicklungspolitik ist.

Die bemerkenswerte Hartnäckigkeit dieses ebenfalls globalen Paradigmas, das der Widerlegung durch Theorie, Praxis und gesunden Menschenverstand trotzt, läßt im Grunde nur zwei Schlüsse zu: Entweder sind sich die Akteure in den entsprechenden Institutionen der Unzulänglichkeiten ihres Modells vollends bewußt und die offiziellen Ziele der Armutsbekämpfung sind ihnen schlichtweg egal - was bedeuten würde, daß wir es hier mit einer ganzen Heerschar von Heuchlern zu tun hätten. Oder sie sind derart von diesem Entwicklungsmodell überzeugt, daß sie sich durch keinerlei Gegenbeweise von seiner Wirksamkeit abbringen lassen. Eine Überzeugung dieser Intensität würde in einem anderen Zusammenhang als Religion bezeichnet werden und erinnert einmal mehr an die universellen Erklärungsansprüche von Modernisierungs- wie auch Dependenztheoretikern. 37

Eine Reihe von Indizien untermauern den Verdacht auf den religiösen Charakter dieses westlichen Entwicklungsmodells. Das Entwicklungsmodell:

- erlaubt die Verfolgung desselben Zieles mit gegensätzlichen Maßnahmen (z.B. Projekte zur Armutsbekämpfung und Strukturanpassungsprogramme, die die soziale Grundversorgung einschränken) 38 und sogar die Interpretation von schädlichen Maßnahmen als positiv. 39
- kann nicht durch Mißerfolge widerlegt werden. Solche werden nicht als Fehler des Modells, sondern als Fehler in der Umsetzung angesehen. Neue, bessere Strategien können aber nur innerhalb des Paradigmas entwickelt werden. (So versucht die Weltbank standhaft seit einem Vierteljahrhundert Armutsbekämpfung mittels der Wachstumsstrategie zu bewerkstelligen.)
- hat ungeachtet der spezifischen Umstände eine universale Patentlösung für alle Länder und alle Probleme parat. 40
- bildet so etwas wie einen Gründungsmythos, auf dem die westliche Gesellschaft basiert. 41 Seine Annahmen stellen ein integratives Element der Gesellschaft dar und werden innerhalb eines "vernünftigen Diskurses" nicht in Frage gestellt. 42
- beinhaltet ein allgemeines Heilsversprechen. 43 Treten die segensreichen Wirkungen trotz Befolgung der Patentlösung nicht ein, wird der Glaube an die langfristige Wirkung gepredigt.

Die Annahmen dieses immer noch propagierten und nicht hinreichend hinterfragten westlichen Entwicklungsmodells sind im einzelnen:

1. Es gibt genau einen historischen Entwicklungsweg der Menschheit, der Prozeß der Entwicklung ist natürlich und unausweichlich und verläuft nach dem Vorbild der westlichen Industrienationen. 44 (Dies beinhaltet selbstverständlich Marktwirtschaft und Nationalstaaten.) Das Wohlbefinden der Bevölkerung ist nur in einer modernen Industriegesellschaft zu verwirklichen. 45
2. Alle Länder können diesen Zustand der Entwicklung erreichen, wenn sie nur die Regeln des Entwicklungsmodells befolgen. 46
3. Wirtschaftswachstum, technischer Fortschritt und die Auflösung traditioneller Strukturen haben eine positive Wirkung, sie bringen die menschliche Gesellschaft auf dem Entwicklungsweg voran und lösen alle ihre Probleme (Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit). 47
4. Die private Aneignung der natürlichen Umwelt (sei es die von Land, Tieren oder neuerdings auch Genstrukturen oder sauberer Luft) ist durchaus legitim und die erste Voraussetzung für Entwicklung. Natur hat nur insoweit einen Wert, als daß sie in auf dem Markt austauschbare Waren zu verwandeln ist. 48
5. Der Markt ist das bestimmende Element der menschlichen Gesellschaft. Über seinen Mechanismus können alle Konflikte geregelt werden, indem allem ein Preis zugeordnet wird, denn Menschen sind von Natur aus auf ihr (v.a. ökonomisches) Eigeninteresse fixiert. 49

Diese Annahmen machen einmal mehr gesellschaftliche Wertsetzungen sichtbar, sie spiegeln einen konstruierten Mythos wider, den "Mythos dessen, was der Fall ist", und beruhen auf der willkürlichen Gleichsetzung von Evidenz und Wahrheit 50 auf der Verklärung von bestehenden Zuständen als perfekte und ewige, und daher nicht hinterfragbare Gegebenheiten. Der Mythos, definiert als "die sich von wissenschaftlicher Erklärung unterscheidende Grundform menschlichen Erschließens von Wirklichkeit, der auf symbolisch-narrativer Ebene ein letzter Sinn beigemessen wird" und bei der es um "die Legitimation nicht weiter begründbarer Werte- und Handlungsmuster" 51 geht, ist durchaus als zutreffende Bezeichnung für diese gedankliche Konzeption anzusehen. Der westliche Entwicklungsmythos stellt die Wirklichkeit als die einzig mögliche dar, er suggeriert, daß das auf der Welt vorherrschende Gesellschaftsmodell - beruhend auf freier Marktwirtschaft, Individualismus, parlamentarischer Demokratie, Nationalstaaten und dem nachholenden Entwicklungsmodell - ein naturgegebener und zu verfolgender Idealzustand sei, und nicht das Resultat eines historischen Prozesses, in dem es dem Westen gelungen ist, seine Sicht von der Welt in allen Teilen der Erde durchzusetzen. Die Vollkommenheit und Unveränderlichkeit des bestehenden Gesellschaftsmodells wird durch die Formel vom "Ende der Geschichte" beschworen. 52

Die Geschichte der Entwicklungspolitik und ihrer offiziellen Träger gibt in dieser Form keinen Grund zum Optimismus. An den Grundfesten der mythischen Annahmen wird dort nicht gerüttelt. Festzustellen ist auch, daß kaum ins Gewicht fallende positive Ansätze durch sehr viel schwerer wiegende strukturelle Eigenschaften und Entwicklungen der Weltwirtschaft konterkariert werden - insbesondere seit den 80er Jahren. Unterbelichtet bleibt bei den meisten Autoren der entwicklungspolitischen Diskussion die Rolle, die die Renaissance des Neoliberalismus in der Bestätigung und Verschärfung des traditionellen Entwicklungsmodells gespielt hat. Denn die Erkenntnisse über die mythischen Grundlagen des westlichen Entwicklungsmodells sind von wesentlicher Bedeutung zur Erfassung der Entwicklungsproblematik nach dem "Ende der Geschichte" im Zeitalter von Globalisierung und Neoliberalismus.

C.4 Globalisierung und Freihandel als "Chance für Entwicklung"?

So verwundert es auch kaum, daß immer wieder propagiert wird, "die Globalisierung ist eine große Chance für Entwicklungsländer... Freihandel ist die beste Entwicklungshilfe, die sich denken läßt." 53 Zur Belegung dieser These wird einmal mehr auf das "asiatische Wunder" der rasanten Industrialisierung einiger sogenannter Schwellenländer, besonders im Hinblick auf deren exportorientierte Entwicklungsstrategien verwiesen. Sie werden als Beweis für die Richtigkeit der neoliberalen Theorie interpretiert, derzufolge Wirtschaftswachstum und automatisch Entwicklung nur durch möglichst weitgehende Integration der einheimischen Wirtschaften in den Weltmarkt, Abbau staatlicher Regulierungen und das Vertrauen in die "magischen Kräfte des Marktes" (Reagan) zustandekommen kann.

Die neoliberale These von der Chance, die die Globalisierung vor allem den Entwicklungsländern bietet, kann folgendermaßen zusammengefaßt werden: Die Öffnung des eigenen Marktes und die Zurücknahme staatlicher Interventionen (Deregulierung) bewirkt erstens eine effizientere Leistung der Akteure (die erhöhte Konkurrenz bewirkt bessere Qualität, niedrigere Preise und mehr Innovation) und zieht zweitens ausländische Firmen an, die über Investitionen für Wirtschaftswachstum, Technologietransfer und Arbeitsplätze sorgen. Die Privatisierung von öffentlichen Unternehmen, also die Öffnung eines bislang monopolistischen Bereiches für die nationale und internationale Konkurrenz, verbindet beide positiven Effekte. Der Freihandel auf dem Weltmarkt bietet weiterhin große Exportmöglichkeiten, falls man sich auf die Produkte spezialisiert, die im betreffenden Land besonders günstig hergestellt werden können. Die Mechanismen des Freihandels sorgten so für einen Wohlstandszuwachs bei allen Beteiligten.

Jedoch hat ein funktionierender freier Markt bestimmte Voraussetzungen: Erstens darf kein Akteur Einfluß auf die Marktmechanismen nehmen; die Akteure agieren zweitens unabhängig voneinander. Drittens wird davon ausgegangen, daß die Akteure ein vollkommenes Wissen über die Angebots- und Nachfragesituation am Markt haben. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, werden die Preise nicht mehr ausschließlich über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage festgelegt, sondern sind von Machtfragen und Informationsvorteilen beeinflußt - genau dies ist in den allermeisten Wirtschaftszweigen heutzutage der Fall. Angesichts der gravierenden Ungleichheit der wirtschaftlichen Macht der Akteure ist es nicht verwunderlich, daß der unvollkommene Markt sich zum Nachteil der schwächeren seiner Teilnehmer auswirkt. Es liegt demnach in der Natur des Marktmechanismus, bestehende Ungleichheiten immer weiter zu vergrößern. Unter den Bedingungen eines Weltmarkts, der weitgehend von monopolistischen Tendenzen und übermächtigen Konzernen geprägt wird, gilt dies in ganz besonderem Maße. Hinzu kommt, daß die drei mächtigsten Institutionen der Weltwirtschaft, IWF, Weltbank und WTO - als "Schiedsrichter" auf dem Weltmarkt - nicht unbedingt das sind, was man unparteiisch nennen könnte. Ihre Struktur, ihre Regeln und ihre Vorgehensweise orientieren sich in hohem Maße an den Interessen der Regierungen und Konzerne aus den Industrienationen und sind maßgeblich von der Freihandelsideologie geprägt.

C.5 Die Entwicklungsländer in der "Globalisierungsfalle"?

Die Folgen eines Entwicklungsweges entlang der Lehren dieser Freihandelstheorie können für die Entwicklungsländer als "Globalisierungsfalle" charakterisiert werden: Die Entwicklungsländer haben billige Arbeitskräfte, also dort gegenüber den Industrienationen Vorteile - warum sollten sie eine Politik betreiben, die die technische Entwicklung fördert? Um ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen, müßten sie entgegen den Lehren Ricardos ihre komparativen Kostenvorteile opfern. Sie müßten eine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben und sich gegen den Spezialisierungsdruck zu wehren, der sie gegenüber den Industriestaaten immer weiter zurückfallen läßt. Die Industriestaaten sind sich dessen bewußt. Also können die Entwicklungsländer nicht von Freihandel und Globalisierung profitieren, wie Wolfgang Schäuble prophezeit. Boxberger und Klimenta sprechen in diesem Zusammenhang sogar von einer "Globalisierungslüge": "Die Widerlegung Ricardos zeigt, daß Freihandel nicht unbedingt sinnvoll ist. Trotzdem wird derzeit eine Politik der wirtschaftlichen Globalisierung betrieben, die unreflektiert den Freihandel fördert." 54

Tatsache scheint vielmehr, "daß das derzeitige Finanzsystem und seine Liberalisierung jene bevorzugt, die bereits jetzt privilegiert sind und die Weltwirtschaft dominieren. Die Kosten haben die Entwicklungsländer zu tragen, besonders die ärmsten unter ihnen." 55 So sinken die Anteile der ärmsten Länder am weltweiten Warenaustausch stetig. Die Freihandelsbefürworter WTO, IWF und Weltbank werden trotzdem nicht müde, die Segnungen liberalisierter (Finanz-)Märkte über Strukturanpassungsprogramme gerade für die ärmsten Länder zu betonen. Auch die Verhältnisse in Bezug auf ausländisches Kapital stimmen alles andere als optimistisch: Der Großteil der ärmeren Länder zieht außer öffentlichen Spenden und multilateralen Hilfen gar kein Kapital mehr an. Schon in den 80er Jahren bewegten sich über 80% der Weltkapitalströme innerhalb der USA, Westeuropas und des ostasiatischen Wirtschaftsraumes.

Beispiele von Firmeninvestitionen in EL, die der Bevölkerung Arbeit und Einkommen verschafft haben, sind meist auch Beispiele von Ausbeutung: Um ausländische Investitionen anzulocken, wurden schon in den 70er Jahren sogenannte Freihandelszonen geschaffen. Zu diesem Zweck erhielten diese Freihandelszonen einen rechtlichen Sonderstatus, der meist die folgenden Punkte beinhaltet: Verzicht auf Einfuhr- und Ausfuhrzölle, Steuerfreiheiten, verbilligter oder freier Zugang zu Land und weitere Vergünstigungen. Darüber hinaus wird in diesen Regionen für gewöhnlich die nationale Umwelt- und Arbeitsrechtsgesetzgebung faktisch außer Kraft gesetzt, d.h. Verstöße sind die Regel und werden nicht beachtet. Es gibt keine Sozialstandards und Organisationsverbote für die ArbeiterInnen.

Die neoliberale Globalisierung vertieft so die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit und speziell auch in den Gesellschaften der Entwicklungsländer selbst. Das Massenelend in der "Dritten Welt" wird so nicht beseitigt, es werden höchstens kleine Inseln des Wohlstands inmitten von Massenelend geschaffen. Die von den Wirtschaftswissenschaftlern (und auch schon von den Modernisierungstheoretikern) vertretene "Durchsickerungstheorie", nach welcher entstehende industrielle Zentren in ihre Umgebung ausstrahlen und sich so regionale Unterschiede ausgleichen sollten, hat hier anscheinend keine Gültigkeit.

So sind viele Entwicklungsländer weiterhin vom Export weniger Agrarprodukte und Rohstoffe abhängig, ihre komparativen Kostenvorteile haben diese Spezialisierung verursacht, die entsprechenden Länder sind jetzt darin gefangen. Die Landwirtschaft zur Versorgung der Bevölkerung wird vernachlässigt zu Gunsten des Anbaus von "cash crops". Hierfür wird die Bodennutzung intensiviert, der Boden verarmt und erodiert zunehmend. Gleichzeitig verfallen die Rohstoffpreise im Verhältnis zu den Preisen für Industrieprodukte immer mehr, dieses Austauschverhältnis ("terms of trade") verschlechtert sich seit Jahrzehnten.

"Die Entwicklungsländer prostituieren sich für multinationale Konzerne: Um Kapital ins Land zu locken, werden Produktionskosten niedrig gehalten. Gewerkschaften werden verboten, und der Arbeitsschutz wird erschwert. Durch die Schuldenkrise wird der Standortwettbewerb zwischen den einzelnen Entwicklungsländern noch verschärft." 56

So können die Entwicklungsländer kein großes Interesse an höheren Löhnen oder Sozialleistungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter haben, da sie ihre Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Staaten verlieren würden.

Es läßt sich also festhalten, daß die These von der zunehmend verflochtenen Weltwirtschaft den Sachverhalt nur sehr ungenau beschreibt: Deren Zusammenwachsen findet in erster Linie nur zwischen den drei hochindustrialisierten Regionen Westeuropas, Nordamerikas und Südostasiens statt, während andere Regionen zunehmend vom Weltmarkt abgekoppelt werden. Es ist also zutreffender, von einer Triadisierung anstelle einer Globalisierung der Weltwirtschaft zu sprechen, die zudem mit einer Marginalisierung wirtschaftlich schwächerer Regionen einhergeht. 57 Darüber hinaus ist die Entwicklung eher sekundär von wachsendem Handel, aber primär von einer stark zunehmenden Mobilität des Kapitals gekennzeichnet. Das explosionsartige Anschwellen der Finanzmärkte und die dominante Stellung der transnationalen Konzerne sind weitere Merkmale des Prozesses. Es scheint sich der weltweite Siegeszug der Marktlogik abzuzeichnen. Zentrale Aspekte dabei sind die Verwertung von Kapital und die Inwertsetzung von Ressourcen. Über den Hebel der Schuldenkrise werden die Länder des Südens zur Mobilisierung ihrer Ressourcen um jeden Preis gezwungen.

D.1 Fazit: Modernisierte Modernisierung

Zwar handelt es sich beim Neoliberalismus um eine allgemeine ökonomische Theorie und nicht um ein erklärtes Entwicklungskonzept, doch die neoliberale Wende, die sich im Reaganismus und Thatcherismus besonders doktrinär manifestierte, klammerte die Entwicklungspolitik nicht aus. Denn die Freihandelstheorie beansprucht universelle Gültigkeit und propagiert den freien Markt als weltweit anwendbares Allheilmittel der Entwicklung für alle Länder, was in der Entwicklungstheorie mancherorts beträchtlichen Unmut ausgelöst hat. 58

Die Analogie zu den früheren Großtheorien der Entwicklungspolitik ist unverkennbar. Es scheint, daß Entwicklungspolitik wieder einmal nach ganz anderen Kriterien betrieben wird, die viel mehr mit Macht und Interesse zu tun haben. 59 Im Zeitalter nach dem Ende der Geschichte werden die Glaubenssätze des Neoliberalismus nicht hinreichend kritisch hinterfragt, die Dogmen sind einer Diskussion nicht zugänglich, ähnlich einem religiösen Bekenntnis. Die neoliberale Ideologie erstickt so jegliche Alternativen, gestaltende Wirtschaftspolitik hat keine Chance mehr, Lenkung wird zur negativ besetzten Regulierung, dem Gegenteil von Liberalisierung. Die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Wirtschaft wird zum "neuen kategorischen Imperativ", zum vorrangigen politischen und gesellschaftlichen Ziel erklärt, dem sich alle anderen Belange unterzuordnen haben. Sichtbar wird dies nicht nur in der Entwicklungspolitik, sondern auch in den Bereichen Steuer-, Arbeits-, Gesundheits-, Außen-, Energie-, Sozial- und Hochschulpolitik. Überall bestimmen primär die Interessen der Wirtschaft den Kurs, auch wenn dieser Kurs bisweilen offensichtlich negative Auswirkungen auf den Rest der Gesellschaft hat. Ermöglicht wird dies zum Teil gewiß dadurch, daß der Kapitalismus nicht mehr seine Überlegenheit im Systemvergleich durch einen intakten Sozialstaat unter Beweis stellen muß.

Wie bereits bei den ehemaligen Großtheorien der Entwicklung, Modernisierung und Dependencia, wird deutlich, daß Entwicklungspolitik immer auch gesellschaftspolitisches Programm ist, das in einen historischen Kontext aus bestimmten Wertvorstellungen eingebettet ist. In einem Klima, in dem sogar in eher konservativen Kreisen vom Terror der Ökonomie gesprochen und die Zähmung des Kapitalismus gefordert wird, scheint keine andere Utopie mehr zu existieren, als die, die sich zwangsläufig aus Unternehmensbilanzen und Buchführungen ergibt. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu bringt es auf den Punkt: "Was wir derzeit erleben, ist der Triumph eines ungebremsten, zynischen Kapitalismus ... und das im Namen des dümmsten Gesetzes der Welt, nämlich der Gewinnmaximierung." 60 So braucht in dieser Zeit auch die Entwicklungszusammenarbeit eine neue politische Legitimation, "seit die Globalisierung wirtschaftlicher Beziehungen mit ihren weltweit zunehmend integrierten und deregulierten Kapitalmärkten die Entwicklungshilfe als einen ordnungspolitischen Sündenfall in einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Weltwirtschaft erscheinen läßt." 61

Entwicklungshilfe soll nun vorrangig zur Verbesserung der Bedingungen für privates Kapital und der Marktkräfte eingesetzt werden, damit diese ihre potentielle entwicklungsfördernde Wirkung entfalten können. Sie soll die Entwicklungsländer "fit für die Globalisierung machen." (GTZ) Ungeachtet aller Erkenntnisse aus vergangenen Entwicklungsdekaden und ungeachtet der fortlaufenden Produktion von Armut und Ausschluß wird hier kontrafaktisch die Re-Inthronisierung des "trickle- down-Effekts" propagiert. Das Hauptproblem der Entwicklungsländer wird in dem Umstand identifiziert, daß sie dem Globalisierungstempo allenfalls ein wenig hinterherhinkten. Wenn diagnostiziert wird, ihnen müsse nur lediglich eine faire Teilhabe am Fortschritt durch die Verbesserung ihrer Standortqualität ermöglicht werden, erinnert dies stark an die Linearität der Stadien des wirtschaftlichen Wachstums (Rostow) und die nachholende Modernisierung als zentrale Entwicklungsstrategie. Das einzig neue an der Wiederbelebung dieser Mythen ist, daß ihre Versprechen bescheidener geworden sind: "Unter der Hand wird hier aus der Einsicht, "das westliche Modernitätsmodell ist nicht verallgemeinerbar" ein kaum verhülltes "es ist eben nicht verallgemeinerbar für alle." 62

Claudia von Braunmühl ist zuzustimmen, wenn sie konstatiert, statt im neoliberalen Paradigma eine "modernisierte Modernisierungstheorie" voranzutreiben, die altbekanntes neu aufwärmt, wenigstens zu erwarten, daß die Lehren und Einsichten vergangener Entwicklungsdekaden Eingang finden in die Formulierung neuer Paradigmen und daß Entwicklungspolitik Interessen, Konflikte und Widersprüche deutlicher benennt und dadurch - nicht durch bloßes Eintauchen in den neoliberalen Strom - ihre Existenznotwendigkeit beweist.

Der absolute Gültigkeitsanspruch des westlichen Zivilisationsmodells, das einmal mehr auch die Theorie des Freihandels prägt, wird durch Wolfgang Sachs Buchtitel "Wie im Westen so auf Erden" 63 auf den Punkt gebracht. An anderer Stelle beanstandet Sachs, "daß ganze Völker nicht in dem, was sie sind und was sie sein wollen, sondern in dem, was ihnen fehlt und was sie zu werden haben" definiert würden und eine "ökonomische Geringschätzung so an die Stelle kolonialer Geringschätzung getreten ist." 64 Das westliche Entwicklungsmodell als Blueprint für die ganze Welt bedeutet stets Anpassung, Entwicklung und Veränderung für die Entwicklungsländer und nicht die industrialisierten, modernen Länder. Das Ende der Geschichte suggeriert über ein unilineares Evolutionsmodell menschlicher Entwicklung, daß die westliche Regierungs- und Wirtschaftsweise sich als höchste Entwicklungsstufe der Menschheit erwiesen habe. So gibt es auch in jüngster Zeit Versuche, die universelle Gültigkeit westlicher Zivilisation entwicklungstheoretisch abzusichern: Entwicklung wird z.B. bei Rainer Tetzlaff als Prozeß konzipiert, der auf zwei Endziele zusteuert: "Verwirklichung des demokratischen Rechtsstaat" und "Institutionalisierung einer pluralistischen marktwirtschaftlichen Ordnung unter dem mäßigenden Einfluß eines sozialen und umweltfreundlichen politischen Systems." 65 Eine solche Utopie einer egalitären Weltgesellschaft wirkt doch sehr versöhnlerisch und verharmlost bestehende Interessengegensätze. Als wären die heutigen Verhältnisse Ergebnis mangelnden Wissens oder Willens. "Die derart aufgepeppte "Eine-Welt"-Ideologie entlarvt sich als wahrhaft totalitär." 66

Ob eine "echte" Demokratie in reicheren Gesellschaften besser funktioniert und inwieweit die Armut vieler Länder einer internen Demokratisierung zuwider läuft, ist in diesem Zusammenhang eine interessante politikwissenschaftliche Fragestellung. Ist eine "echte" demokratische Grundordnung selbst sogar ein unzureichend hinterfragtes Privileg weniger "zivilisierter" Staaten, das auf Kosten vieler marginalisierter Länder entwickelt werden konnte?

D.2 Trotzdem: Ein Plädoyer für die Entwicklungspolitik

Trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten, die sich bei der Konstitution von Entwicklungspolitik, aus den Rahmenbedingungen sogenannter "wirtschaftlicher Sachzwänge" sowie macht- und sicherheitspolitischen Interssenkonstellationen ergeben, sollte an einer staatlichen Entwicklungspolitik festgehalten werden. Denn durch ihre jeweils normativ mitgeprägte Vorstellung was Entwicklung zu bedeuten hat, lassen sich entsprechend Rückschlüsse auf die herrschenden Wertvorstellungen einer Gesellschaft an einem ganz konkreten Punkt ziehen, an denen sich dann nicht nur auf theoretischer Ebene kräftig gerieben werden kann. Bestehende Machtstrukturen und kaum hinterfragte "Mega-Trends" wie die neoliberale Globalisierung werden so im Idealfall sichtbar gemacht und einer kritischen Diskussion zugänglich: Ob nun aus einer radikalen kapitalismuskritischen Position heraus eine soziale Revolution im globalen Maßstab zu verfolgen ist oder in eher gemässigten Kreisen die Besteuerung internationaler Kapitalströme (Tobin-Steuer), Schuldenerlässe für bestimmte Länder oder sogar eine Art Entschädigungsfond für die Folgen der Kolonialzeit thematisiert werden.

Es wird zwar schwieriger, politische Positionen zu entwickeln und zu vertreten, die über die faktischen Verhältnisse der New World Order und des wilden Kapitalismus hinausgehen, aber "gerade in regressiven Zeiten bleibt die theoretische wie praktische Kritik der Verhältnisse und damit das Aufspüren emanzipatorischer Ansätze wichtig." 67

Leitbilder der Entwicklungspolitik von 1949 bis 1996

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Christian Stock: Totaler Theorieverzicht?, Bilanz der entwicklungstheoretischen und - politischen

Diskussion der 90er Jahre, in: IZ3W Sonderheft, Januar 1998, S.6.

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Wardenbach, Klaus: Ökologie, Sozialstandards, Entwicklung - Die EU als Akteur in der WTO, in: Forum Umwelt & Entwicklung, Rundbrief 1/1998.

F. Fussnoten

[...]


1: UNDP: Bericht über die menschliche Entwicklung 1997, Handbuch für internationale Zusammenarbeit, 364. L., Oktober 1997, III A 25 15. zurück

2: Wie z.B. Masern, Keuchhusten, Tetanus, Diarrhöe, Lungenentzündung, Malaria und Tuberkulose. Vgl. Franz Nuscheler: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, 4. Aufl., Bonn 1996, S. 119ff. zurück

3: Unerwähnt lassen die hier angeführten Statistiken zum einen die Tatsache, daß besonders Kinder, Frauen und alte Menschen von Armut betroffen sind, und zum anderen die gravierende Verschlechterung der Lebensverhält-nisse in vielen Regionen durch Arbeitslosigkeit, fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser, mangelhafte Wohnverhältnisse und sanitäre Einrichtungen, Flüchtlingssituationen, die Bedrohung durch bewaffnete Konflikte sowie Umweltzerstörung und politische Unterdrückung. zurück

4: Auf den zweiten Blick wird deutlich, daß auch innerhalb der einzelnen Länder massive Ungleichheit der Le-bensverhältnisse feststellbar ist. Diese Feststellung präzisiert den generellen Trend und widerlegt ihn keinesfalls. zurück

5: Die ermittelten Kosten erstrecken sich über zehn Jahre und beinhalten eine Grundversorgung auf den Gebieten der Bildung, Ernährung, Familienplanung, Gesundheit, Wasserversorgung und der sanitären Einrichtungen. Die Kosten der Überwindung der extremen Einkommensarmut werden auf weitere 40 Mrd. pro Jahr geschätzt. Macht zusammen 80 Mrd. US-$ - weniger als das Netto-Gesamtvermögen der sieben reichsten Männer der Welt. (UNDP 1997, S. 120f). zurück

6: Dieter Nohlen (Hg.): Lexikon Dritte Welt, Reinbek bei Hamburg 1998, S. 216. zurück

7: Vgl. Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1: Der Produktionsprozeß des Kapi-tals, Frankfurt/ Main, 1969 (1867). Max Weber: Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in ders.: Die protestantische Ethik, Band I - Eine Aufsatzsammlung, herausgegeben v. Johannes Winckelmann, Gütersloh 1970 (1920), S. 27-277. zurück

8: Janet Bujra: A Third World in the Making: Diversity in Pre-Capitalist Societies, in: Tim Allen/ Alan Thomas (Hg.): Poverty and Development in the 1990s, Oxford 1992, S. 145-167. zurück

9: Exemplarisch siehe Nuscheler: Entwicklungspolitik, S. 162ff. zurück

10: Zitiert nach Claudia von Braunmühl: Modernisierte Modernisierung, Der entwicklungspolitische Trend zur Globalen Strukturpolitik, in: Blätter der IZ3W, Nr. 244, April 2000, S. 12. zurück

11: Theoriegeschichtlich ist eine dichotome Eingruppierung verschiedener Teiltheorien und Erklärungsansätze von Unterentwicklung in zwei Theorierichtungen sicherlich problematisch. zurück

12: Nuscheler: Entwicklungspolitik, S. 159. zurück

13: Ebd. zurück

14: Walt Whitman Rostow: Stadien wirtschaftlichen Wachstums, Eine Alternative zur marxistischen Entwick-lungstheorie, 2. Aufl. Göttingen 1967. zurück

15: Exemplarisch: Andre Gunder Frank: Kapitalismus und Unterentwicklung in Lateinamerika, Frankfurt 1969; Fernando H. Cadoso/ Enzo Faletto: Abhängigkeit und Unterentwicklung in Lateinamerika, Frankfurt 1976. zurück

16: Ulrich Menzel: Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorie, Frankfurt/ Main 1992, S. 63. zurück

17: Nuscheler: Entwicklungspolitik, S. 164. zurück

18: Berufen konnten sich fast schon ironischerweise die Vertreter beider Großtheorien auf Karl Marx, der be-hauptet hatte, "das industriell entwickelte Land zeig(e) dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zu-kunft." Karl Marx: Das Kapital, S. 2. zurück

19: Ulrich Menzel: 40 Jahre Entwicklungsstrategie = 40 Jahre Wachstumsstrategie, in: Dieter Nohlen/ Franz Nu-scheler (Hg.): Handbuch der Dritten Welt, 3. Aufl. Bonn 1993, S. 131-155. zurück

20: Von Braunmühl: Modernisierte Modernisierung, S. 12. zurück

21: Andreas Boeckh: Entwicklungstheorien, Eine Rückschau, in: Dieter Nohlen/ Franz Nuscheler(Hg.): Handbuch der Dritten Welt, 3. Aufl. Bonn 1993, S. 115. zurück

22: Ebd., S. 116. zurück

23: Christian Stock: Totaler Theorieverzicht? Bilanz der entwicklungstheoretischen und -politischen Diskussion der 90er Jahre, in: IZ3W Sonderheft, Januar 1998, S. 4. zurück

24: Boeckh: Entwicklungstheorien, S. 118. zurück

25: Trotz grotesker Fehlprognosen wurde das Bewußtsein für die katastrophalen Konsequenzen einer globalen Ausdehnung des ressourcenverschlingenden und umweltzerstörenden Industrie- und Konsummodell maßgeblich geschärft durch Dennis Meadows: Die Grenzen des Wachstums, Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972. zurück

26: Gustavo Esteva: Entwicklung, in: Wolfgang Sachs: Wie im Westen so auf Erden, Reinbek 1993, S. 89-121. zurück

27: Ebd., S. 89. zurück

28: Boeckh: Entwicklungstheorien, S. 119. zurück

29: Menzel: Das Ende der Dritten Welt, S. 42ff. zurück

30: Stock: Totaler Theorieverzicht?, S. 4. zurück

31: Boeckh: Entwicklungstheorien, S. 125f. zurück

32: Vgl. Sonderheft des IZ3W: Malestreaming gender? Geschlechterverhältnisse in der Entwicklungspolitik, März 2000. zurück

33: Stock: Totaler Theorieverzicht?, S. 5. zurück

34: Ebd., S. 6. zurück

35: Ebd., S. 5. zurück

36: Von Braunmühl: Modernisierte Modernisierung, S. 12. zurück

37: Das Lexikon zur Soziologie definiert Religion als eine ,,... für den Aufbau und das Funktionieren von Gesell-schaften unerläßlich angesehene Bindung und Orientierung an letzten, zumeist als überweltlich angesehenen Gegebenheiten". Werner Fuchs-Heinritz u.a.: Lexikon zur Soziologie, 3.Aufl., Opladen 1995, S. 554. zurück

38: Gilbert Rist/ Fabrizio Sabelli: Das Märchen von der Entwicklung, Ein Mythos der westlichen Industriegesell-schaft und seine Folgen für die Dritte Welt, Zürich 1989, S. 10. zurück

39: Susan George/ Fabrizio Sabelli: Faith and Credit, The World Bank´s Secular Empire, Harmondsworth 1994; auf deutsch: Kredit und Dogma, Ideologie und Macht der Weltbank, Hamburg 1995., S. 68. zurück

40: George/ Sabelli: Faith and Credit, S. 64. zurück

41: Gilbert Rist: Le Développement, Histoire d'une croyance occidentale, Paris 1996, S. 46. zurück

42: Fabrizio Sabelli: Die mythischen Grundlagen des gängigen Entwicklungsverständnisses, in: Gilbert Rist/ Fabrizio Sabelli: Das Märchen von der Entwicklung, Ein Mythos der westlichen Industriegesellschaft und seine Folgen für die Dritte Welt, Zürich 1989, S. 75. zurück

43: George/ Sabelli: Faith and Credit, S. 6. zurück

44: Rist: Développement, S. 70. zurück

45: Rist/ Sabelli: Märchen der Entwicklung, S. 9. zurück

46: Rist: Développement, S. 77. zurück

47: Ebd.: S. 42. zurück

48: Ebd.: S. 28. zurück

49: George/ Sabelli: Faith and Credit, S. 107. zurück

50: Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente, Frankfurt/ Main 1988 (1969), S. X. zurück

51: Der Begriff "Mythos" im Lexikon der Soziologie, S. 457. zurück

52: Vgl. Francis Fukuyama,: Das Ende der Geschichte, München 1992. zurück

53: Wolfgang Schäuble am 15.1.1998 im Bundestag, zitiert nach Klaus Wardenbach: Ökologie, Sozialstandards, Entwicklung - Die EU als Akteur in der WTO, in: Forum Umwelt & Entwicklung, Rundbrief 1/1998, S. 13f. zurück

54:Gerald Boxberger/ Harald Klimenta: Die 10 Globalisierungslügen, Alternativen zur Allmacht des Marktes, München 1998, S. 31. zurück

55: K. S. Komo, Professor für Ökonomie, zitiert nach Boxberger/Klimenta: Globalisierungslügen, S. 145. zurück

56: Boxberger/ Klimenta: Globalisierungslügen, S. 150. zurück

57: Ankie Hoogvelt spricht hierbei von einer Implosion des globalen Kapitalismus, die die koloniale und neo-koloniale Expansion abgelöst hat, und sieht den Großteil der Dritten Welt nicht mehr in einer Position der strukturellen Abhängigkeit (Dependecia), sondern in einer der strukturellen Irrelevanz. Ankie Hoogvelt: Globa-lization and the Postcolonial World, The New Political Economy of Development, Baltimore 1997, S. 84ff. zurück

58: Boeckh bescheinigt ihnen beispielsweise "krasseste entwicklungsgeschichtliche Ahnungslosigkeit", Boeckh, Entwicklungstheorien, S. 114. zurück

59: Menzel: Ende der Dritten Welt, S. 65. zurück

60: Romain Leick/ Dieter Wild: Wie Maos rotes Buch, Pierre Bourdieu über die Bundesbank und die neoliberale Wirtschaftspolitik, in: Der Spiegel Nr. 50 vom 09.12.96, S. 176. zurück

61: Internes Diskussionspapier der GTZ zitiert nach von Braunmühl: Modernisierte Modernisierung, S. 14. zurück

62: Ebd. zurück

63: Wolfgang Sachs: Wie im Westen so auf Erden, Reinbek 1993. zurück

64: zit. nach Nohlen/ Nuscheler: Dritte Welt, S. 32. zurück

65: Rainer Tetzlaff: Demokratische Transition und Marktorientierung, in: E+Z, Jg. 37/1996, S. 39. zurück

66: Stock: Totaler Theorieverzicht?, S. 7. zurück

67: Ulrich Brand/ Ana Esther Ceceña (Hrsg.): Reflexionen einer Rebellion, Chiapas und ein anderes Politikver-ständnis, Münster 2000, S. 9. zurück

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Im Westen nichts Neues: Neoliberalismus und Entwicklungspolitik
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Seminar Entwicklungspolitik
Autor
Jahr
2001
Seiten
26
Katalognummer
V104262
ISBN (eBook)
9783640026159
ISBN (Buch)
9783640115600
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Westen, Neues, Neoliberalismus, Entwicklungspolitik, Seminar, Entwicklungspolitik
Arbeit zitieren
Stephan Köhler (Autor:in), 2001, Im Westen nichts Neues: Neoliberalismus und Entwicklungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104262

Kommentare

  • Gast am 26.10.2002

    danke!.

    super!!! vielen dank, genau das was ich suche. alles wichtige umfassend drin.

Blick ins Buch
Titel: Im Westen nichts Neues: Neoliberalismus und Entwicklungspolitik



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